EuGH-Urteil vom 06.09.2012 - Az. C-38/10

Eine kritische Analyse des EuGH-Urteils

EuGH: Rs. Kommission/Portugal vom 06.09.2012 – Az. C-38/10 (Kritische Analyse)

Das Ziel des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) ist die Wahrung der europäischen Grundfreiheiten. Als größte europäische Gerichtsinstanz obliegt es dem EuGH die Auslegung der EU-Verträge zu wahren. Die Fälle, welche vor dem EuGH vorgebracht werden, sind häufig Sachverhalte in denen die europäischen Grundfreiheiten durch Verbote, Diskriminierungen oder unzulässige Beschränkungen missachtet werden. Das hier vorgebrachte EuGH-Urteil vom 06.09.2012 – Az. C-38/10 und auch die Analyse zum Urteil stehen in besonderer Verbindung zum Steuerrecht. Das Steuerrecht der einzelnen Mitgliedstaaten ist nicht gänzlich einheitlich geregelt, da weiterhin jeder Mitgliedstaat seine eigenen steuerlichen Regelungen und Gesetze hat. Hier kann es daher, insbesondere bei Um- und /oder Wegzügen von Personen oder Gesellschaften, zu Verstößen gegen die europäischen Grundfreiheiten (insbesondere Kapitalverkehrsfreiheit und Niederlassungsfreiheit) kommen. In solchen Fällen ist der EuGH als gerichtliche Instanz anzurufen.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der Dissertation von Herrn Prof. Dr. Christoph Juhn an der Universität zu Köln. Er behandelt die grenzüberschreitende Einbringung von Betriebsvermögen in Kapitalgesellschaften. Dabei ist Prof. Juhn zu dem Ergebnis gekommen, dass internationale Umwandlungsvorgänge – sowohl in EU-/EWR-Staaten als auch in Drittstaaten – durch die Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit geschützt sind und damit steuerneutral möglich sein müssen. Aufgrund der Praxisrelevanz der Ausarbeitung stellen wir Ihnen diese wissenschaftliche Ausarbeitung hier auszugsweise kostenlos zur Verfügung.

Unser Video:
Umwandlungen mit DBA-Ländern

In diesem Video stellt Herr Prof. Dr. Juhn einen Teil seiner Dissertation vor zu grenzüberschreitenden Umwandlungen mit DBA-Ländern.

Kommission/Portugal – Az. C-38/10 [733]

Verlegt eine portugiesische Kapitalgesellschaft ihren Sitz oder ihre tatsächliche Leitung in einen anderen Staat, sind nach Art. 76 A des portugiesischen Körperschaftsteuergesetzes die Wirtschaftsgüter einer Sofortbesteuerung zu unterwerfen, die nach dem Wegzug nicht mehr einer portugiesischen Betriebsstätte zugeordnet bleiben. Damit entspricht die portugiesische Finalbesteuerung in Wegzugsfällen der niederländischen Regelung (Art. 8 Wet VPB i.V.m. Art. 16 Wet IB).[734] Zudem sieht Art. 76 B des portugiesischen Körperschaftsteuergesetzes vor, dass ebenfalls eine sofort fällige Finalsteuer erhoben wird, wenn ein ausländischer Rechtsträger seine portugiesischen Wirtschaftsgüter in eine ausländische Betriebsstätte überführt.

Es verwundert nicht, dass der EuGH unter Bezugnahme auf das Urteil National Grid Indus[735] feststellte, dass die sich aus Art. 76 A und Art. 76 B des portugiesischen Körperschaftsteuergesetzes ergebende Sofortbesteuerung eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt.[736] Ebenso wie im Urteil National Grid Indus konnte der Eingriff in die Niederlassungsfreiheit durch die Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten nicht gerechtfertigt werden, weil der Aufschub der Zahlung vorliegend ein milderes Mittel zur Erreichung des verfolgten Ziels darstellt.[737] Mangels Verhältnismäßigkeit der Maßnahme verstößt die portugiesische Regierung mit Art. 76 A und Art. 76 B gegen die Niederlassungsfreiheit.[738]

Unerwähnt blieb die Frage, ob sich das portugiesische DBA-Verständnis mit dem niederländischen oder dem deutschen deckt. Bleibt das portugiesische Besteuerungsrecht an den in Portugal erwirtschafteten stillen Reserven nach portugiesischem Steuerrecht und Abkommensverständnis auch nach dem Wegzug der Kapitalgesellschaft bzw. nach dem Transfer der Wirtschaftsgüter erhalten, hätte der EuGH für die in Rede stehende Maßnahme nicht die Rechtfertigung zulassen dürfen, es solle eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gewahrt werden.

Dass es dem Urteil insgesamt an Tiefe fehlt, wird auch daran deutlich, dass der EuGH den Transfer von Handelsware in seine Entscheidungsfindung überhaupt nicht einbezogen hat; schließlich ist für die Aufteilung der laufenden Gewinne zwischen zwei Betriebsstätten nach Art. 7 Abs. 2 OECD-MA einheitlich geklärt, dass jeder Betriebsstätte der Anteil am Gesamtgewinn aus dem Verkauf der Handelsware zuzugestehen ist, den die Betriebsstätte als eigenständiges Unternehmen hätte erzielen können, und in solchen Fällen das portugiesische Besteuerungsrecht an den Gewinnen ohnehin erhalten bleibt, die in der portugiesischen Betriebsstätte erwirtschaftet wurden.


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[733]    EuGH v. 6.9.2012 – C-38/10, Kommission/Portugal, IStR 2012, 763.

[734]    Vgl. hierzu auch den Sachverhalt zur Rs. National Grid Indus, S. 171.

[735]    EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10, National Grid Indus, EuZW 2011, 951.

[736]    EuGH v. 6.9.2012 – C-38/10, Kommission/Portugal, IStR 2012, 763, Rn. 30.

[737]    EuGH v. 6.9.2012 – C-38/10, Kommission/Portugal, IStR 2012, 763, Rn. 31.

[738]    EuGH v. 6.9.2012 – C-38/10, Kommission/Portugal, IStR 2012, 763, Rn. 3, 35.