Strafsachen- und Bußgeldsachenstelle, Steuerfahndungsstelle

Aufgaben, Zuständigkeit, Kompetenzen

Ermittlungsverfahren: Wann beginnt das Steuerstrafverfahren?

Sie haben von den finanzbehördlichen Strafverfolgungsorganen der Strafsachen-/Bußgeldsachenstelle oder der Steuerfahndungsstelle Post bekommen und werden dazu aufgefordert, Verträge, Fahrtenbuch oder sonstige Unterlagen herauszugeben. Sind diese Stellen dazu berechtigt? Und wenn ja wieso? Hört man von diesen Stellen denkt man regelmäßig man wäre als Steuerstraftäter verdächtigt und ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren läuft. Doch insbesondere bei Mitteilungen oder Aufforderungen durch die  Steuerfahndungsstelle muss man regelmäßig noch nicht in Panik geraten. Allein eine Nachricht von der Steuerfahndungsstelle heißt noch nicht das ein Strafverfahren läuft. Warum das so ist und wie es dazu kommt erklären wir Ihnen in diesem Beitrag.

Grundsätzlich ist bei den finanzbehördlichen Strafverfolgungsorganen im Rahmen des Steuerstrafverfahrens zwischen zwei Organisationsmodellen zu unterscheiden. In dem einen Organisationsmodell bilden die Straf- und Bußgeldsachenstellen und die Steuerfahndungsstellen eigenständige Finanzämter. Dies ist in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hamburg der Fall.  In den anderen Bundesländern sind die Straf- und Bußgeldsachenstellen und die Steuerfahndungsstellen organisatorisch einem, nicht zwingend demselben Finanzamt angegliedert. Maßgebliche finanzbehördliche Strafverfolgungsorgane sind dennoch zusammengefasst die Straf- und Bußgeldsachenstellen und die Steuerfahndungsstellen. Die Aufgaben und Kompetenzen dieser Stellen werden folgend dargestellt. 

Datum

Thema
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Inhaltsverzeichnis


1. Aufgaben der Strafverfolgungsorgane im Ermittlungsverfahren

Die Strafverfolgungsorgane der Straf- und Bußgeldsachenstellen und die Steuerfahndungsstellen verfolgen unterschiedliche Aufgaben.

1.1. Straf- und Bußgeldsachenstelle und Ermittlungsverfahren

Die Straf- und Bußgeldsachenstelle ist für die Sachverhaltsermittlung bei Verdacht einer Steuerhinterziehung zuständig (§ 386 Abs. 1 AO) und erforscht beispielsweise, ob der Verdächtig vorsätzlich gehandelt hat. Sie wird daher zwingend  im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens tätig. Hören Sie von der Straf- und Bußgeldsachenstelle, so läuft ein Ermittlungsverfahren wegen einer Steuerstraftat gegen Sie.

1.2. Steuerfahndungsstelle

1.2.1. Gesetzlicher Rahmen und Aufgaben

Die Aufgabe der Steuerfahndungsstelle umfasst nach § 208 AO die Erforschung von Steuerhinterziehungen und Steuerordnungswidrigkeiten bei Vorliegen eines Anfangsverdachtes (§ 152 II StPO). Man kann beispielsweise verdächtigt werden, in seiner Steuererklärung vorsätzlich eine zu geringe Steuer ausgewiesen zu haben. Diese Aufgabe ist die zentrale Aufgabe der Steuerfahndungsstelle. Daher wird auch die Steuerfahndungsstelle grundsätzlich im Ermittlungsverfahren tätig. Weiterhin hat die Steuerfahndungsstelle aber auch die Aufgabe Besteuerungsgrundlagen im Rahmen der Erforschung von Steuerhinterziehung und Steuerordnungswidrigkeiten zu ermitteln. Die Steuerfahndungsstelle muss daher Besteuerungsgrundlagen einerseits zur Feststellung des Hinterziehungserfolges und  andererseits zum Zwecke der Steuerfestsetzung im normal Besteuerungsverfahren ermitteln. Diese Aufgabe zeigt, dass die Steuerfahndungsstelle sowohl als Strafverfolgungsbehörde als auch als Besteuerungsbehörde fungiert.

1.2.2. Vorfeldermittlung

Weiterhin ist die Vorfeldermittlung, also die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle, eine zusätzliche Aufgabe der Steuerfahndungsstelle. Bedeutung kommt dieser Aufgabe zu, wenn noch kein Anfangsverdacht vorliegt. Bei Vorliegen eines Anfangsverdachtes ermittelt die Steuerfahndungsstelle ohnehin schon. Dennoch darf die Steuerfahndung auch im Rahmen von Vorfeldermittlungen keine Ermittlungen ins Blaue hinein ohne jeglichen Anknüpfungspunkt durchführen. Das heißt beispielsweise, dass ohne konkrete Anhaltspunkte für die Nichterfassung eines steuerlich relevanten Sachverhalts auch nicht weiter geforscht werden darf. In einem solchen Fall sollten Sie unter Umständen über einen Einspruch gegen den auf solchen Ermittlungsmethoden beruhenden Steuerbescheid nachdenken. Vorfeldermittlungen finden zudem im Besteuerungsverfahren und noch nicht im Steuerstrafverfahren Anwendung. Daher müssen Sie auch in diesem Rahmen noch keine Angst vor einem Steuerstrafverfahren haben.

1.2.3. Isolierte Fiskalermittlung

Daher kann die Steuerfahndungsstelle auch im Besteuerungsverfahren tätig werden, selbst wenn ausgeschlossen ist, dass die Erkenntnisse der Sachverhaltsermittlung im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens dienen können. Aus diesem Grund ist es möglich, dass Sie von der Steuerfahndungsstelle hören, ohne dass Sie der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung verdächtigt werden. Diese Möglichkeit wird auch als isolierte Fiskalermittlung bezeichnet. Daher wird ersichtlich, dass nur, weil die Steuerfahndungsstelle ermittelt, man noch keine Angst haben muss, dass auch ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung läuft. Die Steuerfahndungsstelle kann daher sowohl einen strafrechtlichen als auch einen steuerlichen Prüfungsbericht erstellen.

2. Örtliche Zuständigkeit der Strafverfolgungsorgane

§ 388 AO regelt die örtliche Zuständigkeit der Straf- und Bußgeldstelle. Maßgeblich sind demnach der Tatort, der Ort der Tatentdeckung, die abgabenrechtliche Zuständigkeit, der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt. Bei Mehrfachzuweisung gilt der Prioritätsgrundsatz (§ 390 I AO). Maßgeblich ist daher die Finanzbehörde, die wegen der Tat zuerst ein Strafverfahren eingeleitet hat. Die örtliche Zuständigkeit der Steuerfahndungsstelle richtet sich nach dem Finanzamt, dem sie angehört.

3. Kompetenzen der Strafverfolgungsorgane im Ermittlungsverfahren

Weiterhin sind die Kompetenzen der Straf- und Bußgeldsachenstelle und Steuerfahndungsstelle im Zusammenhang mit der Steuerhinterziehung zu unterscheiden.

3.1. Straf- und Bußgeldsachenstelle

Die Kompetenzen der Straf- und Bußgeldsachenstelle richten sich entscheidend danach, ob sie das Ermittlungsverfahren selbstständig führt (§ 386 II, IV S. 3 AO) oder, ob sie als unselbstständiges Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft tätig wird.

3.1.1. Eigenständiges Ermittlungsverfahren

Die Straf- und Bußgeldsachenstelle führt ein Verfahren dann eigenständig, wenn die Tat ausschließlich eine Steuerstraftat oder eine Anknüpfungstat im Sinne des § 386 II Nr. 1 AO darstellt. Das ist dann der Fall, wenn. In diesem Fall nimmt die Straf- und Bußgeldsachenstelle die Rechte und Pflichten wahr, die der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren zustehen (§ 399 I AO). welche Kompetenzen hat STA

Doch trotz der eigenständigen Ermittlungskompetenz und der Abschlusskompetenz im Sinne des § 400 AO darf die Finanzbehörde die Sache nicht bis zur Anklagereife ohne Beteiligung der Staatsanwaltschaft selbstständig fertig ermitteln. Das heißt, dass im Ermittlungsverfahren auch zwingend die Staatsanwaltschaft beteiligt sein muss. Zudem kann die Staatsanwaltschaft das Verfahren jederzeit gemäß § 386 IV an sich ziehen, sogenannte Evokation. Da der Straf- und Bußgeldsachenstelle lediglich die Ermittlungsrechte der Staatsanwaltschaft zustehen, ist sie keine Strafvollstreckungsbehörde im Sinne des § 451 Abs. 1 StPO. Die kann daher nicht bei Verurteilung die Strafe vollstrecken. Ferner kann Sie auch keine Zwangsmittel anwenden. Daher kann beispielsweise keine Hinterziehungszinsen festlegen.

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3.1.2. Unselbstständiges Ermittlungsverfahren

Liegen die Voraussetzungen für die eigenständige Ermittlungskompetenz der Straf- und Bußgeldstelle nicht vor, so hat sie lediglich dieselben Rechte wie die Behörden des Polizeidienstes. Beispielsweise muss sie Ermittlungen, die ihr die Staatsanwaltschaft zugewiesen hat, durchführen (§ 161 StPO). Zudem hat sie die Straftat zu erforschen und Anordnungen zu treffen, um die Verdunklung der Sache zu verhindern. Verdunklung bezeichnet in diesem Zusammenhang Maßnahmen die geeignet sind, die geeignet sind, Beweismittel zu vernichten, zu ändern oder Zeugen und Mitbeschuldigte zu beeinflussen. In diesem Umfang sind sie befugt, bei Behörden nach Auskunft zu fragen oder bei Gefahr im Verzug diese zu verlangen. Ferner darf sie Ermittlungen jeder Art durchführen (§ 163 I StPO). Darüber hinaus hat sie sogenannte Notbefugnisse nach §§ 399 II S. 2 AO. Sie kann daher Beschlagnahmen, Notveräußerungen, Durchsuchungen, Untersuchungen und sonstige Maßnahmen anordnen.

3.2. Steuerfahndungsstelle

Im Steuerstrafverfahren besitzt die Steuerfahndungsstelle dieselben Befugnisse und  Pflichten, die die StPO den Beamten des Polizeidienstes einräumt bzw. auferlegt (§ 404 Satz 1 AO). Die Beamten der Steuerfahndungsstelle sind Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (§ 404 S. 2 AO). Weiterhin hat die Steuerfahndungsstelle ebenfalls die Not-Befugnisse im Sinne des § 399 Abs. 2 Satz 2 AO. Als Sonderrecht steht ihr die (selbständige) Befugnis zur Durchsicht von Papieren (§ 404 Satz 2 1. Halbsatz AO) zu. Die Kompetenzen hängen nicht davon ab, ob die Straf- und Bußgeldstelle oder die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen leitet. Wichtig ist zu beachten, dass diese Befugnisse der Steuerfahndungsstelle im gewissen Umfang auch für strafverfolgungsverjährte Zeiträume zu stehen. Das ist der Fall  wenn zu erwarten ist, dass sich aufgrund von Erkenntnissen zu schon verjährten Zeiträumen Indizien ergeben können, die für nicht verjährte Zeiträume erheblich sind.

Zudem besitzt die Steuerfahndungsstelle die besteuerungsrechtlichen Ermittlungsbefugnisse, die den Finanzämtern zu stehen (§§ 208 Abs. 1 Satz 2 2. Fall, 93 ff. AO). Sie kann daher unteranderem von Beteiligten und anderen Personen Auskunft verlangen oder Sachverständige hinzuziehen, die Vorlage von Urkunden verlangen oder Augenschein einnehmen. Nur diese und keine strafrechtlichen Ermittlungskompetenzen stehen ihr im Fall der isolierten Fiskalermittlung zu.

4. Fazit – Wann müssen Sie mit einem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren rechnen?

Maßgebliche Unterscheidung zwischen Straf- und Bußgeldsachenstelle und Steuerfahndungsstelle ist daher darin zu sehen, dass die Steuerfahndungsstelle auch im Besteuerungsverfahren tätig werden kann. Dafür ist nicht einmal ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren nötig.  Daher hat die Steuerfahndungsstelle auch Kompetenzen im Rahmen des Besteuerungsverfahren und kann dort Ermittlungen anstellen. Sie müssen folglich noch keine Angst haben, dass gegen Sie der Vorwurf der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung erhoben wird. Sie können über eine strafbefreiende Selbstanzeige nachdenken. Im Steuerstrafverfahren hingegen hat sie nur die Kompetenzen der Polizei und kann daher das Verfahren nicht eigenständig leiten und keine Vollstreckungsmaßnahmen treffen. Die Straf- und Bußgeldstelle hingegen kann das Steuerstrafverfahren eigenständig leiten und verfügt in diesem Rahmen über dieselben Rechte wie die Staatsanwaltschaft. Leitet sie das Verfahren hingegen nicht eigenständig hat sie nur die Kompetenzen der Polizei.


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