Ausscheiden von Anlagevermögen und Umlaufvermögen

Übertragung der stillen Reserven nach R 6.6 EStR

Rücklage für die Ersatzbeschaffung bei Ausscheiden von Wirtschaftsgütern

Die Tatsache, dass Wirtschaftsgüter aus einem Unternehmen ausscheiden ist nicht immer vermeidbar. Jedoch kommt es im Wirtschaftsgeschehen auch teilweise zu ungewolltem, zwangsweisen Ausscheiden von Wirtschaftsgütern aus einem Unternehmen. Dies kann verheerende wirtschaftliche Folgen für den Betrieb und Gesellschafter haben. Um nicht auch noch steuerlich benachteiligt zu werden, indem die dringend benötigten Ausgleichszahlungen oder Schadensersatzzahlungen zusätzlich besteuert werden, sollen diese bei erneuter Anschaffung eines funktionsgleichen Wirtschaftsgutes auf dieses übertragen werden können. Hierfür wurde aufbauend auf § 6 EStG in der Einkommensteuer-Richtlinie R 6.6 EStR festgehalten, dass unter bestimmten Voraussetzungen eine Rücklage für die Ersatzbeschaffung gebildet werden darf. Diese Option klingt zunächst sehr kompliziert, funktioniert aber recht ähnlich wie die bekanntere Regelung zur Rücklage nach § 6b EStG. Dabei ist es möglich, dass stille Reserven beim Verkauf von Wirtschaftsgütern auf andere speziell definierte Wirtschaftsgüter übertragen werden können. Nachfolgend werden die zu beachtenden Regelungen im Rahmen der Einkommensteuer-Richtlinie R 6.6 genauer erklärt.

Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die verschiedenen Möglichkeiten bei Verkauf und Ausscheiden von Wirtschaftsgütern spezialisiert. Dabei arbeiten wir für jeden Mandanten individuelle Gestaltungsmodelle für eine möglichst niedrige Besteuerung aus. Aufgrund der aktuellen Relevanz haben wir mehrere Beiträge zu diesem Thema publiziert:

Datum

Thema

20. Mai 2021

Rücklage für die Ersatzbeschaffung bei Ausscheiden von Wirtschaftsgütern (dieser Beitrag)

04. September 2020

§6b Rücklage – aktuelle Rechtsprechungen

14. Oktober 2019

GmbH-Anteile steuerfrei verkaufen – § 6b Abs. 10 EStG

§-6b-Rücklage: Betriebliche Immobilien STEUERFREI verkaufen?

In diesem Video erklären wir, wie betriebliche Immobilien anhand der Rücklage nach § 6b EStG steuerfrei verkauft werden können.

1. Voraussetzungen zur Nutzung der Rücklage nach R 6.6 EStR

1.1. Ausscheiden eines Wirtschaftsgutes

Zunächst muss geklärt werden, in welchen Fällen überhaupt die Rücklage nach R 6.6 EStR genutzt werden kann. Dabei ist anders als bei der § 6b EStG-Rücklage ein sehr striktes Vorgehen zu befolgen. Denn es ist von besonderer Bedeutung, dass Wirtschaftsgüter hierbei zwangsweise aus dem Betriebsvermögen der Gesellschaft ausscheiden. Dies kann aus unterschiedlichen Gründen erfolgen.

Darunter fällt zum Beispiel ein Ausscheiden aufgrund von höherer Gewalt. Dieses wird als außergewöhnliches Ereignis definiert, welches der Steuerpflichtige nicht verhindern hätte können. Unter anderem wäre dies bei Naturkatastrophen, Diebstahl oder einer Zerstörung infolge eines Brandes gegeben. Außerdem kann der Steuerpflichtige indirekt gezwungen sein das Wirtschaftsgut zu veräußern, da ansonsten ein behördlicher Eingriff erfolgt oder dieser bereits erfolgt ist. Dies wäre auch bei einer Veräußerung von Wirtschaftsgütern aufgrund einer sonst fälligen Enteignung der Fall.

Beispiel:

Im Jahr 2018 scheidet bei Unternehmen A ein Gebäude aufgrund eines Brandes aus dem Betriebsvermögen aus. Dabei war der verbleibende Buchwert des Gebäudes EUR 20.000. Allerdings hat die Versicherung dem Unternehmen eine Entschädigung in Höhe von EUR 70.000 für das Ausscheiden des Gebäudes gezahlt.

1.2. Ersatzbeschaffung eines Wirtschaftsgutes

Da nun bereits ein Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden ist, gilt es grundsätzlich nur noch dieses zu ersetzen. Dabei gilt es jedoch ganz besonders zu beachten, dass ein funktionsgleiches Wirtschaftsgut angeschafft werden muss. Andernfalls kann keine Übertragung der aufgedeckten stillen Reserven auf das neu angeschaffte funktionsgleiche Wirtschaftsgut erfolgen.

Zudem ist wichtig zu wissen, dass Wirtschaftsgüter des Anlage- und des Umlaufvermögens bei dieser Richtlinie begünstigt sind. Somit muss zunächst ein Wirtschaftsgut dieser Kategorien ausscheiden, damit die stillen Reserven im Anschluss auf ein angeschafftes funktionsgleiches Wirtschaftsgut übertragen werden können.

1.3. Frist für Bildung der Rücklage und Ersatzbeschaffung

Nun gilt es wie auch bei § 6b EStG bestimmte Fristen für die Bildung der Rücklage nach R 6.6 EStR zu beachten. Zudem ist der Zeitpunkt der Ersatzbeschaffung von besonderer Relevanz für die ordnungsgemäße Nutzung der steuerbefreiten Übertragung der stillen Reserven auf das Ersatz-Wirtschaftsgut.

Insofern das Wirtschaftsgut, wie im vorherigen Beispiel 2018 ausgeschieden ist, muss mit der Abgabe der Steuererklärung für dieses Jahr eine Rücklage in Höhe der erhaltenen Entschädigung abzüglich des Buchwerts des ausgeschiedenen Wirtschaftsgutes gebildet werden. Folglich wäre in diesem Fall eine Rücklage in Höhe von EUR 70.000 (Entschädigung) – EUR 20.000 (BW ausgeschiedenes WG) = EUR 50.000 angemessen. Dies gilt ausschließlich, falls noch kein Ersatz-WG angeschafft wurde.

Des Weiteren gilt es die Frist für die Ersatzbeschaffung eines funktionsgleichen Wirtschaftsgutes einzuhalten. Hierbei muss bei beweglichen Wirtschaftsgütern spätestens bis Ende des ersten Jahres nach der Bildung der Rücklage die Ersatzbeschaffung erfolgen. Hingegen gilt bei Grundstücken und Gebäuden eine Frist von zwei Jahren. Somit ist bei unserem Beispiel zunächst von letzterer auszugehen, jedoch kann die Frist durch glaubhaftes Bekräftigen der Investitionsabsicht hinzu den Fristen des § 6b EStG optiert werden. Dabei erfolgt dies bereits durch die ordnungsmäßige Bildung der Rücklage. Denn dadurch erhöht sich Ihre Frist zur Nutzung der Rücklage bei beweglichen WG auf vier Jahre und bei unbeweglichen WG auf ganze sechs Jahre.

Jedoch kann eine zu späte Abgabe der Steuererklärung für den Veranlagungszeitraum der Rücklagenbildung die Investitionsabsicht außer Kraft setzen. Denn diese sollte unbedingt vor Ablauf der Frist für die Ersatzbeschaffung abgegeben werden. Deshalb ist es wichtig, dass Sie frühzeitig nachfragen, sofern Sie Hilfe bei der Nutzung der Rücklagenbildung benötigen. Wir helfen gerne dabei.

2. Rücklage für die Ersatzbeschaffung: Nutzung der stillen Reserven

Für die weitere Nutzung der aufgedeckten stillen Reserven gibt es nun zwei Optionen, welche nachfolgend dargestellt werden.

2.1. Ersatzbeschaffung im Jahr des Ausscheidens

Einerseits gibt es die Option direkt im Jahr des Ausscheidens eines Wirtschaftsgutes des Anlage- oder Umlaufvermögens ein funktionsgleiches Wirtschaftsgut anzuschaffen. Wobei das Wirtschaftsgut als Ersatz-Wirtschaftsgut bezeichnet wird. In diesem Fall werden die stillen Reserven direkt auf dieses Wirtschaftsgut übertragen. Somit werden die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten um den Betrag der stillen Reserven gekürzt. Dadurch verringern sich zudem die zukünftigen Abschreibungen, da der Ausgangs-Buchwert niedriger ist als die getätigten Anschaffungs- und Herstellungskosten.

Fortsetzung des Beispiels:

Nachdem das Grundstück im Jahr 2018 ausgeschieden ist, schafft das Unternehmen A direkt im selben Jahr ein funktionsgleiches Gebäude zum Preis von EUR 60.000 an. Damit kann nun ohne die Bildung einer Rücklage sofort die Übertragung der stillen Reserven erfolgen. Dabei ist in diesem Fall ausschließlich eine anteilige Übertragung der stillen Reserven möglich, da der Anschaffungspreis unter der Entschädigungszahlung liegt.

Der Wert der stillen Reserven liegt bei EUR 50.000. Da der Gebäudepreis nun unter dem Entschädigungspreis liegt gilt es diesen anteilig zu kürzen. Folglich gilt es die anteiligen stillen Reserven zu ermitteln:

EUR 50.000 x EUR 60.000 / EUR 70.000 = EUR 42.857

Um diesen Betrag sind die Anschaffungskosten des neuen Gebäudes zu kürzen. Dadurch erfolgt eine Ansetzung zu EUR 17.143 in der Bilanz des Unternehmen A. Die AfA gilt es zudem gemäß den normalen Anforderungen zu ermitteln. Bei Fragen dazu können Sie sich gerne bei uns melden.

2.2. Rücklage für zukünftige Ersatzbeschaffung

Andernfalls gibt es die Möglichkeit eine Rücklage für zukünftige Ersatzanschaffungen zu bilden. Dabei werden die aufgedeckten stillen Reserven hier eingestellt. Zudem wird bei Tätigung der Ersatzanschaffung derselbe Vorgang vorgenommen, wie schon bei der Beschaffung im selben Jahr. Hierbei bucht das Unternehmen die Rücklage aus und überträgt diese auf das Wirtschaftsgut.

Schlussfolgernd lässt sich bei beiden Varianten sagen, dass ebenfalls wie bei § 6b EStG ein Steuerstundungseffekt die Folge ist.

3. Zweck der Rücklage für die Ersatzbeschaffung

Die Bildung einer Rücklage im Jahr des Ausscheidens eines Wirtschaftsgutes dient dazu die ernsthaft geplante Ersatzbeschaffung des Wirtschaftsgutes in zukünftigen Wirtschaftsjahren finanziell zu subventionieren. Dabei ist der Gedanke, dass vereinnahmte Schadensersatzzahlungen oder Entschädigungen für die Neuanschaffung des ausgeschiedenen Wirtschaftsgutes zurückbehalten werden sollen. Darunter fällt zudem ein etwaiger erlöster Veräußerungspreis für Wirtschaftsgüter, welche verkauft wurden, um sie vor einem Ausscheiden aufgrund höherer Gewalt oder einer Enteignung zu schützen. Der Veräußerer stellt die stillen Reserven, die durch eine Veräußerung aufgedeckt werden, gemäß R 6.6 EStR in die Rücklage für zukünftige Ersatzbeschaffungen ein. Somit verhindert die Rücklage eine Besteuerung der stillen Reserven, die ohne diesen außergewöhnlichen Grund niemals zustande gekommen wäre und sichert zudem mehr Kapital für Zukunftsinvestitionen in funktionsgleiche Wirtschaftsgüter.

Haben Sie Fragen zur Rücklage für die Ersatzbeschaffung von Wirtschaftsgütern?

Wir haben uns hierauf spezialisiert. Vereinbaren Sie jetzt Ihren Beratungstermin mit unseren Steuerberatern und Rechtsanwälten:

4. Vergleich mit der Übertragung nach § 6b EStG

4.1. Anforderungen an Wirtschaftsgüter bei Bildung der Rücklage für die Ersatzbeschaffung

In § 6b EStG werden nur bestimmte Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens in das Veräußerungskriterium eingeschlossen. Zudem müssen diese mindestens sechs Jahre zum Betriebsvermögen gehören. In der Richtlinie gibt es keine der beiden Begrenzungen.

Jedoch ist die Übertragung der anteiligen stillen Reserven bei der Ersatzanschaffung nur auf funktionsgleiche Wirtschaftsgüter möglich. Bei § 6b EStG können diese auch auf andere Wirtschaftsgüter, jedoch nur auf ein paar Bestimmte, übertragen werden.

4.2. Willensentscheidung

Dabei schränkt R 6.6 EStR auf das zwangsweise Ausscheiden des Wirtschaftsgutes ein. Hingegen ist gemäß § 6b EStG jegliche Veräußerung darunter zu fassen, sofern die Anforderungen an die Wirtschaftsgüter erfüllt sind.

4.3. Anteilige Übertragung auf Ersatzbeschaffung

Die ausschließlich anteilige Übertragung der stillen Reserven gilt nur für die Ersatzbeschaffung nach R 6.6 EStR, nicht jedoch nach § 6b EStG. Hierbei gilt nur die Beachtung der prozentualen Wertanteile des verkauften Wirtschaftsgutes.

4.4. Investitionsabsicht

Einer der größten Unterschiede findet sich bei der Investitionsabsicht. Denn bei der § 6b-Rücklage wird diese nicht benötigt. Jedoch gilt es eine zu Unrecht gebildete Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen und zudem die ausstehende Steuerzahlung hoch zu verzinsen. Dahingegen ist eine feste Absicht ein ähnliches Wirtschaftsgut nach R 6.6 EStR anzuschaffen notwendig. Falls die Anschaffung jedoch ausbleibt, muss keine Verzinsung der vermiedenen Steuerzahlung vorgenommen werden.


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Immobilien

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  1. Beratung zur Bildung der § 6b-Rücklage
  2. Rechtsprechung zur § 6b-Rücklage

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