Grundlagen der Unternehmensbewertung

Das IDW S1-Verfahren

Das IDW S1-Verfahren zur Unternehmensbewertung

Das IDW S1-Verfahren ist eine Methode, die der Unternehmensbewertung dient. Dabei findet das IDW S1-Verfahren lediglich außerhalb steuerrechtlicher Belange Anwendung. Dennoch ist es als Modell zur Unternehmensbewertung weithin anerkannt. Das liegt daran, weil das IDW S1-Verfahren methodisch den Unternehmenswert unter sehr realitätsnahen Annahmen erfasst. So stehen hierbei die zukünftig zu erwartenden Erträge des zu bewertenden Unternehmens im Fokus der Betrachtungen. Auf diese Weise erhält man eine belastbare Prognose über die zu erwartende Wirtschaftskraft eines Unternehmens. Und dies ist für viele Zwecke der Mittelpunkt des eigentlichen Interesses. Denn beim Kauf oder Verkauf eines Unternehmens ist eine gut begründete Prognose, wie sie das IDW S1-Verfahren bietet, mehr Wert als ein auf zurückliegende Zeiträume basierende Analyse im Ertragswertverfahren.

Unser Video:
Unternehmensbewertung: Vereinfachtes Ertragswertverfahren vs. IDW S1-Gutachten

In diesem Video erklären wir diverse Methoden zur Bewertung von Unternehmen.

Inhaltsverzeichnis


1. Das IDW S1-Verfahren als Möglichkeit zur Unternehmensbewertung

Der Wert eines Unternehmens kann aus sehr vielfältigen Gründen und zu entsprechend unterschiedlichen Zeitpunkten für einen Unternehmer von Interesse sein. Neben der Bestimmung eines angemessenen Verkaufswerts oder der Bewertung im Zuge einer erbrechtlichen Auseinandersetzung kann eine Unternehmensbewertung beispielsweise auch die Aufnahme oder das Ausscheiden eines Gesellschafters zum Anlass haben. Weiterhin kann auch bei einer Liquidation des Unternehmens eine Bewertung seines Werts relevant sein. Und natürlich gibt es auch eine ganze Reihe an steuerrechtlichen Gründen, beispielsweise der Wegzugsteuer, die eine Unternehmensbewertung vorsehen. Doch einen der im Alltag häufigsten Gründe stellt die Unternehmensbewertung im Rahmen der Verhandlungen zur Aufnahme von Darlehen oder von Investoren beispielsweise in der Startup-Szene dar. Auch bei einem Exit, wie dem der Flaschenpost SE, kommt das IDW S1-Verfahren in Betracht. Dabei unterscheidet man eine ganze Reihe an Bewertungsmethoden, die je nach Anlass oder Ausgangslage zur Bewertung in Frage kommen. Eines dieser Verfahren ist das IDW S1-Verfahren.

2. Hintergrund zum IDW S1-Verfahren

2.1. Ursprung des IDW S1-Verfahrens

Das IDW S1-Verfahren ist ein Standard, den das Institut für Wirtschaftsprüfer etablierte, um eine realitätsnahe Unternehmensbewertung als Alternative oder Ergänzung für bereits bestehende Bewertungsmethoden anzubieten. Dabei basiert das IDW S1-Verfahren auf dem allgemeinen Ertragswertverfahren. So steht auch beim IDW S1-Verfahren der Ertragswert eines Unternehmens im Vordergrund der Betrachtungen. Entsprechend ähnlich ist auch die Methode.

2.2. Das IDW S1-Verfahren ist für steuerliche Zwecke ohne Bedeutung

Allerdings findet das IDW S1-Verfahren für steuerrechtliche Zwecke keine Anwendung. Obwohl es aus Sicht vieler Unternehmer eine realistischere Abbildung des Unternehmenswerts ermöglicht, bevorzugt man im Steuerrecht das vereinfachte Ertragswertverfahren. Das liegt vor allem daran, dass man bei letzterer Methode die allermeisten Daten aus der bisherigen Gewinnermittlung beziehen kann. Und genau hierin unterscheidet sich das IDW S1-Verfahren maßgeblich von den im Steuerrecht üblicherweise verwendeten Methoden (vereinfachtes Ertragswertverfahren und Substanzwertverfahren).

2.3. IDW S1-Verfahren: 3 Zwecke, 3 Funktionen

Wenn man eine Unternehmensbewertung mittels IDW S1-Verfahren vornimmt, dann muss man zu Beginn zwischen drei verschiedenen Zwecken unterscheiden. Einerseits kann man eine Unternehmensbewertung in objektivierter Auslegung anstreben. Dies ist zum Beispiel angeraten, wenn man den dadurch ermittelten Unternehmenswert auch gegenüber Dritten vertreten möchte. Weiterhin kann man eine subjektivierte Einschätzung in Erwägung ziehen. Diese Sicht ist dann von Interesse, wenn allein die Perspektive des Unternehmers auf die zukünftige Entwicklung des Unternehmens sowie seine Potentiale im Vordergrund stehen. Und drittens mag das IDW S1-Verfahren dem Zweck dienen, bei einer Auseinandersetzung über das Unternehmen einen Einigungswert aufzuzeigen.

Entsprechend den drei Zwecken unterscheidet man auch drei Funktionen, die die Gutachter hierbei übernehmen. So beauftragt man einen neutralen Gutachter mit der objektivierten Bewertung im IDW S1-Verfahren. Ebenfalls neutral, aber um Ausgleich bemüht, ist ein Schlichter, der bei einer Auseinandersetzung einen Einigungswert ermittelt. Die subjektivierte Unternehmensbewertung  kommt hingegen einem Berater zu, der das Gutachten erstellt, um das Unternehmen aus der subjektiven Sicht des Unternehmers zu analysieren. Denn erst darauf aufbauend kann seine Beratung alle Aspekte umfassend berücksichtigen.

Um die Bedeutung dieser Unterscheidung zu unterstreichen, verweisen wir auf das Erfordernis den Zweck der Bewertung und somit die Funktion des Gutachters im Gutachten explizit zu nennen. Damit ist auch Dritten bekannt, unter welchen Gesichtspunkten man das Gutachten erstellte.

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3. Unternehmensbewertung mittels IDW S1-Verfahren

Damit steigen wir auch gleich in die Methodik, die dem IDW S1-Verfahren zugrunde liegt, ein.

3.1. Bewertungsobjekte des IDW S1-Verfahrens

So strebt das IDW S1-Verfahren eine Gesamtbewertung von Unternehmen an. Statt einer Analyse der Werte der einzelnen Wirtschaftsgüter, steht hierbei das Ergebnis des Zusammenwirkens aller wirtschaftlichen Einheiten eines Unternehmens im Mittelpunkt. Doch muss man auch hierbei zwischen betriebsnotwendigem Vermögen und allen anderen Einheiten unterscheiden.

Folglich erfordert das IDW S1-Verfahren eine separate Bewertung von nicht betriebsnotwendigem Vermögen. Alle Wirtschaftsgüter, die bislang oder künftig keinen Beitrag zum Ertrag des Unternehmens leisten, muss man dabei mit ihrem gemeinen Wert ansetzen, den man im Falle einer Liquidation erhielte. Schließlich kann sich das Unternehmen jederzeit von ihnen trennen, ohne dabei den Ertrag zu beeinflussen. Weil man mit dem IDW S1-Verfahren letztendlich die Nettoeinnahmen, die Unternehmer oder Gesellschafter des zu bewertenden Unternehmens erwarten können, begutachtet, muss man auch diese Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Nettowert erfassen.

3.2. Keine Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips beim IDW S1-Verfahren

Außerdem steht beim IDW S1-Verfahren die Prognose der Nettoeinkünfte der Unternehmer beziehungsweise der Anteilseigner am Unternehmen im Vordergrund. Das bedingt somit, dass man hierzu ganz bewusst das im Handelsgesetz vorgeschriebene Vorsichtsprinzip nach § 252 Absatz 1 Nummer 4 HGB außer Acht lässt. Schließlich führt dies in vielen Aspekten zu einer aus Sicht dieser Bewertungssubjekte benachteiligenden Bewertung des Unternehmens. Dieses Detail stellt somit einen der wichtigsten Unterschiede zum vereinfachten Ertragswertverfahren dar. Andererseits kann dies, wie wir noch zeigen möchten, gerade auch einen wesentlichen Vorteil des IDW S1-Verfahrens gegenüber dem vereinfachten Ertragswertverfahren darstellen.

3.3. Bedeutung des Bewertungsstichtags beim IDW S1-Verfahren

Ferner stellt das IDW S1-Verfahren die Unternehmensbewertung auf einen bestimmten Stichtag ab. Dies mag zwar naheliegend erscheinen, hat aber eine wichtige Konsequenz. Denn unabhängig davon, wann die Bewertung im IDW S1-Verfahren tatsächlich erfolgt, so muss man die Bewertung aus der Perspektive der Unternehmensverhältnisse zu jenem Zeitpunkt vornehmen. Damit einher geht die Einhaltung eines weiteren Prinzips, das man im Fachjargon Wurzeltheorie nennt. Sie besagt, dass alle Maßnahmen des Unternehmens, die bis zum Bewertungsstichtag erfolgten, in Vorbereitung oder gar erst geplant sind, bei der Bewertung von Bedeutung sind.

3.4. Ansatz thesaurierter Gewinne beim IDW S1-Verfahren

Sind im zu bewertenden Unternehmen Gewinnrücklagen vorhanden, für die es zum Bewertungsstichtag keine Verwendungspläne gibt, nimmt man eine fiktive Ausschüttung an die Anteilseigner an. Dem Nettoeinnahmen-Prinzip folgend muss man hierbei die Kapitalertragsteuer von regelmäßig 25 % berücksichtigen. Weiterhin findet hierzu auch eine Abzinsung auf den Bewertungsstichtag statt.

3.5. Berücksichtigung zukünftig zu erwartender Erträge

Der Kernpunkt der Unternehmensbewertung im IDW S1-Verfahren ist die Berechnung von Erträgen auf der Basis interobjektiv nachvollziehbarer realistischer Annahmen. Dazu ist eine Analyse der bis zum Bewertungsstichtag zu erwartenden Auswirkungen aller geschäftlicher Tätigkeiten des Unternehmens. Somit gehört auch eine Einschätzung der angebotenen Produkte, der Marktlage sowie der Konkurrenzsituation und ihrer Auswirkungen auf den zu erwartenden Ertrag des Unternehmens zum Analyseumfang.

Weiterhin beschäftigt sich die Unternehmensbewertung im IDW S1-Verfahren mit den Planungen des Unternehmens. Tatsächlich ist dies die eigentliche Basis für die Bestimmung des Unternehmenswerts. Deshalb stellen interne und externe Planungsberichte des Unternehmens den wichtigsten Faktor bei der Unternehmensbewertung mittels IDW S1-Verfahren dar. Doch unterliegen diese Daten auch stets der zweckgebundenen Analyse, die Gutachter in ihrer jeweiligen Funktion präferieren.

Dabei muss man berücksichtigen, dass die Planungen in der Regel ohne eine steuerliche Betrachtung der potentiellen Gewinnausschüttungen auskommen. Weil diese jedoch als Nettowert maßgebend sind, muss man hierbei auch eine steuerliche Würdigung integrieren.

Selbstverständlich setzt dies voraus, dass die vom Unternehmen erarbeiteten und im Rahmen der Unternehmensbewertung zur Verfügung gestellten Planungsdaten allen anwendbaren Vorschriften und Verfahrensweisen entsprechen. Schließlich ist in diesen Fällen ein Prognosebericht Bestandteil des Lageberichts. Und da Letzterer Gegenstand einer Jahresabschlussprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer ist, berufen sich Gutachter hierauf.

Dennoch muss eine Unternehmensbewertung durch das IDW S1-Verfahren auch alle Daten und Analysen so darstellen, dass auch Dritten eine objektive Reproduktion der Ergebnisse, inklusive der Plausibilität der zugrundeliegenden Annahmen, möglich ist. Diese Bedingung nach Interobjektivität ist aus gutem Grund ein Kernelement des IDW S1-Verfahrens. Andernfalls würde die Bewertung von Unternehmen durch das IDW S1-Verfahren keinerlei Glaubwürdigkeit genießen.

3.6. Berücksichtigung zurückliegender Erträge

Um einen soliden Ausblick auf zukünftige Verhältnisse zu begründen, schließt das IDW S1-Verfahren auch eine Analyse der zurückliegenden und gegenwärtigen Erträge mit ein. Doch dient dies lediglich dazu, die Ausgangssituation zu erfassen sowie als Referenz für eine Plausibilitätsanalyse der Unternehmensbewertung.

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4. Vorteile und Beschränkungen des IDW S1-Verfahrens

Die Vorteile des IDW S1-Verfahrens liegen insbesondere darin, dass es eine Projektion auf die künftige wirtschaftliche Entwicklung als Basis für die Bewertung von Unternehmen verwendet. Denn dadurch ist eine zukunftsgewandte Sicht auf der Grundlage der bereits vorgenommenen beziehungsweise in Zukunft umzusetzenden geschäftlichen Entscheidungen möglich. Im Gegensatz dazu stellt zum Beispiel das vereinfachte Ertragswertverfahren eine statische Sicht auf das Vermögen von Unternehmen basierend auf der jüngst zurückliegenden Vergangenheit dar. Eine Berücksichtigung von wirtschaftlichen Potentialen aller Art ist damit jedoch ausgeschlossen. Auch wenn beide Verfahren auf der Ermittlung des Ertragswerts basieren, stellen das vereinfachte Ertragswertverfahren und das IDW S1-Verfahren sehr unterschiedliche Betrachtungsweisen dar. Daher überrascht es auch kaum, dass die beiden Methoden in aller Regel zu sehr unterschiedlichen Unternehmenswerten führen.

Doch muss man dabei auch stets den Zweck der Methoden würdigen. Denn für die wirtschaftlichen Belange des Unternehmens, die prinzipiell auf zukünftige Entwicklungen blickt, ist eben dies ausschlaggebend. Zwar möchte auch der Gesetzgeber mit dem vereinfachten Ertragswertverfahren eine Abbildung zukünftiger Erträge herleiten, doch unterliegt man hierbei einem gewissen Vorsichtsprinzip, sodass man lediglich auf gesicherte Daten bei der Unternehmensbewertung zurückgreift. Jeglicher Ansatz von prognostizierten Daten zur Unternehmensbewertung würde hingegen den potentiellen Makel einer Willkür enthalten, sodass man davon ausgehen kann, dass dies dem verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatz widerspräche.

Daraus ergibt sich der Vorteil, dass man bei einer positiven wirtschaftlichen Prognose eines Unternehmens für steuerliche Zwecke dennoch nur auf die dann geringere Unternehmensbewertung zurückgreift, die man im vereinfachten Ertragswertverfahren ermittelt.

Jedoch unterliegt das IDW S1-Verfahren auch einer gewissen Beschränkung. So ist die allgemeine Akzeptanz des Verfahrens insbesondere im Außenverhältnis erst ab einer gewissen Unternehmensgröße gegeben. Denn die Zuverlässigkeit der Prognose steigt mit der Größe des Unternehmens, weil hierbei viele wirtschaftliche Faktoren, denen kleinere Unternehmen im Alltag unterliegen, bei größeren Unternehmen in Relation dazu vernachlässigbar sind.


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