Grenzüberschreitende Insolvenzanfechtung: Regelungslücken können Sie zu Ihren Gunsten nutzen!
Die grenzüberschreitende Insolvenzanfechtung wirft viele Probleme auf. Der Harmonisierungsversuch auf europäischer Ebene durch die EuInsVO hat nicht zu mehr Klärung beigetragen. Deswegen gibt es dazu auch sehr viele EuGH-Urteile. Trotzdessen gibt es weiterhin Probleme. Darunter fällt beispielsweise die Frage, wer international für Anfechtungsklagen zuständig ist. Diesem werden wir folgend nachgehen und erläutern, wie Sie das Problem zu Ihren Gunsten ausnutzen können.
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Inhaltsverzeichnis
1. Insolvenzanfechtung – Was ist das?
Durch eine Insolvenzanfechtung fordert der Insolvenzverwalter eines Insolvenzverfahrens Gelder und Vermögensgegenstände zurück, die ursprünglich dem Schuldner gehörten, aber herausgegeben wurden. Dabei handelt es sich oft um Zahlungen, die das insolvente Unternehmen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahren aufgrund eines beiderseitigen Vertrages getätigt hat. Die Insolvenzanfechtung hat einige Voraussetzungen. Beispielsweise muss der Insolvenzverwalter nachweisen, dass die von dem insolventen Unternehmen begünstigten Personen von der Krise des Unternehmens wussten. Grundlegend ist daher eine Rechtshandlung des Insolvenzschuldners vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, eine mit einhergehende Gläubigerbenachteiligung und das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes erforderlich.
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2. Grenzüberschreitende Insolvenzanfechtung
2.1. Wann liegt eine grenzüberschreitende Insolvenzanfechtung vor?
Eine grenzüberschreitende Insolvenzanfechtung liegt vor, wenn der Anfechtungsgegner seinen Sitz in einem anderen Staat hat und damit ausländisch ist. Dann findet die Anfechtung über mehrere Staatsgrenzen statt.
2.2. Grenzüberschreitende Insolvenzanfechtung und ihre Probleme
Problematisch im Rahmen einer grenzüberschreitenden Insolvenzanfechtung ist es, wenn die Staaten unterschiedliche Anfechtungsvoraussetzungen in ihren nationalen Rechtsnormen stellen. Dann ist fraglich, welche Voraussetzungen maßgeblich sind.
Die Insolvenzanfechtung knüpft sehr eng an die Insolvenzeröffnung an. Daher wäre es einleuchtend, dass das Recht des Staates, der für die Haftungsverwirklichung des Schuldners zur Befriedigung seiner Gläubiger im Rahmen des Insolvenzverfahrens zuständig ist, auch darüber entscheidet, welche Vermögensverschiebungen durch die Insolvenzanfechtung rückgängig zu machen sind. Damit wäre das Recht des Staates der Insolvenzeröffnung maßgeblich.
Andererseits führt die rückwirkende Anfechtung auf Grund der Insolvenzeröffnung immer zu einem Eingriff in das Vertrauen des Rechtsverkehrs auf die Wirksamkeit einer eigentlich zivilrechtlich gültigen Rechtshandlung. Daher bedarf es einer hinreichenden Rechtfertigung. Diese muss jeder nationale Gesetzgeber im Anfechtungsrecht durch bestimmte Tatbestandsmerkmale regeln. Daher müssen die Staaten das Ziel der Anfechtung, also den Gläubigerschutz in ein angemessenes Verhältnis zu den dafür notwendigen Beeinträchtigungen des Rechtsverkehrs stellen. Die Tatbestände beinhalten daher regelmäßig Anforderungen, aus denen sich die Schutzunwürdigkeit des Anfechtungsgegners ergibt und, die die zeitliche Nähe der Rechtshandlung zur Insolvenzeröffnung beachten. Dementsprechend kann das Anfechtungsrecht des Insolvenzeröffnungsstaates daher für potenzielle Anfechtungsgegner zu unvorhersehbaren Ergebnissen führen, da sie bei Vornahme der potenziell anfechtbaren Handlung nie mit letzter Gewissheit vorhersagen könne, wo ein späteres Insolvenzverfahren eröffnet wird.
Daher hat die EU durch die EuInsVO versucht, das Anfechtungsrecht der Mitgliedstaaten vorherzubestimmen. Dennoch gibt es dort erhebliche Regelungslücken. Zudem sehen die Mitgliedstaaten oft davon abweichende Regelungen vor.
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3. Grenzüberschreitende Insolvenzanfechtung und der Anknüpfungsort: Lösung durch die EuInsVO
3.1. Grundsatz: COMI maßgeblich für grenzüberschreitende Insolvenzanfechtung (Art. 3 EuInsVO)
Art 3 EuInsVO bestimmt, dass das centre of main interests (COMI) des Schuldners ein Kriterium für die Bestimmung des Insolvenzeröffnungsstaates ist. Dieser Ort ist auf den für Dritte feststellbaren Ort der Interessenverwaltung ausgerichtet. Dennoch ist diese Beurteilung praktisch keineswegs leicht. Zudem kann der Schuldner seinen COMI nach Vornahme der potenziell anfechtbaren Rechtshandlung verlagern. Daher kann sich der Anfechtungsgegner bei der Anknüpfung an den Staat der Interessenverwaltung trotz der einheitlichen europäischen Bestimmungen nicht sicher sein, welches Recht über die künftige Anfechtbarkeit entscheidet. Um diese Unwägbarkeiten zu vermeiden gilt nun ein Zusammenspiel des Rechts im Insolvenzeröffnungsstaat (lex fori consursus) mit dem auf die anfechtbare Rechtshandlung anwendbaren Recht (lex causae).
3.2. Grundsätzlich Insolvenzeröffnungsstaat (Art. 7 EuInsVO) aber Widerspruchsrecht (Art. 16 EuInsVO)
Nach Art. 7 II lit. m EuInsVO regelt das Recht im Eröffnungsstaat zwar, welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen. Jedoch steht dem Anfechtungsgegner ein Widerspruchsrecht nach Art. 16 EuInsVO zu. Demnach kann der Anfechtungsgegner nachweisen, dass auf eine nach der lex fori consursus anfechtbare Rechtshandlung das Recht eines anderen Mitgliedstaat der europäischen Union anwendbar ist und die Handlung nach diesem Recht in keiner Weise anfechtbar ist.
Dieses Widerspruchsrecht ist bei grenzüberschreitenden Insolvenzanfechtung vor allem im Zusammenhang mit Österreich besonders wirksam. Das dortige Recht sieht vor, dass Anfechtungsklagen innerhalb eines Jahres nach der Insolvenzeröffnung erhoben werden müssen. Der Insolvenzverwalter hat aber häufig in diesem Zeitraum noch nicht einmal die Anfechtungssachverhalte ermittelt. Damit ist es besonders anfechtungsfeindlich und schützt den Insolvenzgegner besonders.
Dadurch setzt sich grundsätzlich ein anfechtungsfeindliches Wirkungsstatut gegenüber dem strengeren Recht des Insolvenzeröffnungsstaates durch.
3.3. Art. 16 EuInsVO und Drittstaaten
Art. 16 EuInsVO gilt aber nicht, wenn es sich bei dem günstigeren Wirkungsstaat um einen Drittstaat außerhalb der europäischen Union handelt. Dann gilt eigentlich uneingeschränkt das Recht des Eröffnungsstaates. So wird aber in diesem Fall erneut das Vertrauen des Anfechtungsgegners nicht geschützt. Deswegen können man in diesem Fall von einer planwidrigen Regelungslücke ausgehen. Das sollte man jedenfalls tun, wenn das nationale Recht des Eröffnungsstaat dem Anfechtungsgegner ein mit Art. 16 EuInsVO vergleichbares Widerspruchsrecht einräumt.
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4. Grenzüberschreitende Insolvenzanfechtung: Risiken durch sinnvolle Gestaltungen minimieren
Wenn Sie ein Unternehmen haben, das ausländische Konzerngesellschaften hat, so können Sie gewisse Risiken in Folge einer Insolvenzanfechtung vermeiden. Beispielsweise können Sie bei Geschäftspartnern mit unsicheren Zahlungsverhalten ihre Leistungserbringung von solchen Konzerngesellschaften durchführen lassen, an deren Sitz das Insolvenzanfechtungsrecht für Sie besonderes günstig ist. Dabei müssen Sie natürlich insbesondere darauf achten, dass die Verträge von diesen Tochtergesellschaften gemacht, die Leistungen tatsächlich auch von ihr erbracht und Zahlungen dorthin geleistet werden.
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