Fehlerhafte Steuerbilanz

Fehlerbegriff, Organschaft

Bilanzberichtigung vs. Bilanzänderung: Steuerbilanz korrigieren

Fehlerhafte Steuerbilanzen können im Wege der Bilanzänderung gemäß § 4 Absatz 2 EStG korrigiert werden. Es gibt zum einen die Möglichkeit, eine ursprünglich fehlerhaft Bilanz zu berichtigen. Zum anderen kann eine ursprünglich richtige Bilanz geändert werden. Wir erklären, wie Fehlerkorrekturen anzustellen sind, wann überhaupt ein Fehler vorliegt und wann eine Bilanzänderung in Betracht kommt.

Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die Erstellung aller Arten von Steuererklärungen spezialisiert. Dabei unterstützen wir für unsere Mandanten auch bei rechtlichen Angelegenheiten mit den Finanzbehören. Aufgrund der aktuellen Relevanz haben wir mehrere Beiträge zu diesem Thema publiziert:

Datum

Thema
8. November 2017 Schenkungsteuer & Schenkungsteuererklärung
21. September 2021 Gesonderte Feststellung nach § 180 AO: Voraussetzungen und Rechtsfolgen
7. Dezember 2021 Selbstveranlagung und Kontrolle durch das Risikomanagementsystem
31. Januar 2022 Ergänzungsbilanz: Was ist hier zu bilanzieren und welche Folgen sind daran geknüpft?
11. März 2022 Bilanzberichtigung vs. Bilanzänderung: Steuerbilanz korrigieren (dieser Beitrag)

Inhaltsverzeichnis


1. Bilanzberichtigung und Bilanzänderung: Definition

Das Gesetz differenziert zwar sprachlich nicht zwischen einer Bilanzänderung und einer Bilanzberichtigung. Dennoch werden Bilanzänderung und der Bilanzberichtigung anders verstanden.

Bei einer fehlerhaften Bilanz erlaubt § 4 Absatz 2 Halbsatz 1 EStG dem Steuerpflichtigen eine Bilanzberichtigung auch nach der Einreichung der Bilanz bei dem Finanzamt, wenn die Bilanz fehlerhaft ist. Ein Fehler liegt grundsätzlich dann vor, wenn die Bilanzierung oder Bewertung gegen die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung oder gegen andere Einzelnormen des Einkommensteuergesetzes, bspw. gegen Rückstellungsnormen beziehungsweise des Handelsrechts verstößt. Dabei ist unbeachtlich, ob der Verstoß versehentlich oder bewusst geschah. Zudem können Fehler sowohl auf der Aktivseite als auch auf der Passivseite der Bilanz entstehen. Der fehlerhafte Ansatz ist dann durch den richtigen Ansatz zu ersetzen.

Demgegenüber ersetzt der Steuerpflichtige bei einer Bilanzänderung einen zulässigen und richtigen Bilanzansatz durch einen anderen ebenfalls zulässigen Bilanzansatz. Daher kommt beispielsweise mit Blick auf ein Bilanzierungswahlrecht nur eine Bilanzänderung in Betracht. Folglich geht es bei der Bilanzänderung im Kern nicht darum, dem Steuerpflichtigen Gestaltungsspielräume zu eröffnen, sondern im Zusammenhang mit bisher nicht absehbaren Ergebnissen den Erwartungshorizont der zunächst ausgeübten Wahl zu erhalten.

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2. Fehlerbegriff als Unterscheidungskriterium bei der Bilanzänderung

2.1. Prognoseentscheidungen als Problem

Folglich ist für die Abgrenzung von Bilanzberichtung und Bilanzänderung entscheidend, ob die Bilanz fehlerhaft ist.

Die Beurteilung eines Bilanzfehlers erweist sich aber oft deswegen als problematisch, weil im Rahmen der Bilanzierung vielfach Einschätzungen und Prognosen zu Tatumständen erforderlich sind, die aber einem Wandel unterliegen können. Folglich ist nicht alles, was sich im Nachhinein als falsch herausstellt, aus der Ex-ante-Perspektive des Aufstellers zum Bilanzstichtag als Fehler einzuordnen oder erkennbar. Insbesondere bei Prognoseentscheidungen gibt es diverse Bilanzierungsansätze und Bewertungsansätze. Solche Entscheidungen gibt es beispielsweise für den Ansatz und die Bewertung von Rückstellungen. Deswegen bleiben häufig trotz sorgfältigen und objektiven Tatsachenzusammenstellung und rechtlichen Analyse diverse vertretbare Möglichkeiten für Bilanzierungsansätze und Bewertungsansätze. Zudem kann der BFH auch eine Korrektur seitens des Finanzamts im Rahmen einer Betriebsprüfung als fehlerhaft einstufen und die ursprüngliche Bilanzierung für zutreffend erklären. Das erkennen eines Fehlers erweist sich daher als kompliziert.

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2.2. Subjektiver und Objektiver Fehlerbegriff

Trotz diesen Problemen enthält das Gesetz keine Legaldefinition des Fehlerbegriffs. Folglich musste der BFH den Fehlerbegriff konkretisieren, um die aufgeführten Probleme im Zusammenhang mit Prognosebeurteilungen zu lösen.

Demnach stellt der BFH für bilanzielle Rechtsfragen auf den „objektiven Fehlerbegriff“ und für Sachverhaltsfragen auf den „subjektiven Fehlerbegriff“ ab. Im Rahmen des subjektiven Fehlerbegriffs ist die stichtagsbezogene Kenntnis eines sorgfältig beurteilenden Kaufmanns mit dessen Einschätzungsprärogative maßgeblich. Hätte dieser ebenso bilanziert liegt daher kein Fehler vor. Demgegenüber ist bei dem objektiven Fehlerbegriff nur die zum Stichtag vorliegende objektiv geltende Rechtslage Grundlage der Beurteilung. Dabei steht die objektive Rechtslage aber wohlmöglich erst Jahre später fest, sodass auch dieser Fehlerbegriff Probleme aufzeigt. Diese entstehen insbesondere bei außersteuerlichen Rechtsfragen.

2.3. Außersteuerliche Rechtsfragen

Grundsätzlich gibt es zwar für die Beurteilung einer Rechtsfrage nur eine zutreffende Rechtsbeurteilung. Diese kann sich aber natürlich im Laufe der Zeit ändern. Dabei kann es natürlich auch um nicht steuerliche Rechtsfragen gehen, zum Beispiel ob in einem Fall Gewährleistungsrechte bestehen oder nicht. Die Beurteilung von zivilrechtlichen Tatbeständen kann bei Bilanzierungsentscheidungen daher tatsachenähnlichen Charakter haben, insbesondere bei der Frage, ob für künftige Gewährleistungsbegehren Rückstellungen zu bilden sind. Es stellt sich folglich die Frage, ob eine sich später herausstellende abweichende gerichtliche Bewertung eine Bilanzberechtigung rechtfertigt (objektiver Fehlerbegriff), obwohl die ursprünglich getroffene Bewertung vertretbar war (subjektiver Fehlerbegriff).

Zunächst spricht für einen subjektiven Fehlerbegriff, dass zivilrechtliche Fragen einem Bilanzansatz vorgreiflich sind und diesem zugrunde liegen. Sie betreffen daher nicht die Bilanzierung als solche, sondern bestimmen den vorliegenden Sachverhalt. Daher sind sie eher der Sachverhaltsspähre zuzurechnen. So lassen sich zwar Rechtsfragen und Sachverhaltsfragen nicht mehr gänzlich trennscharf voneinander unterscheiden. Dennoch erscheint es sachgemäß, außersteuerliche Rechtsfragen dem subjektiven Fehlerbegriff zu zuordnen. Daher ist die Bilanz nur dann falsch und erfordert eine Bilanzberichtigung, wenn der Ansatz aus Sicht eins ordentlichen und sorgfältigen Kaufmanns nicht vertretbar war.

3. Voraussetzungen der Bilanzänderung

Die Bilanzänderung ist nach § 4 Absatz 2 Satz 2 EStG hingegen nur zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung steht und nur soweit, wie die Auswirkung der Bilanzberichtigung auf den Gewinn reicht. Dementsprechend ist erforderlich, dass sich Bilanzberichtigung und Bilanzänderungen auf dieselbe Bilanz beziehen.

Diese Einschränkungen gelten aber nicht bevor der Steuerpflichtige seine Bilanz überhaupt abgegeben hat. Daher kann der Steuerpflichtige die Bilanzansätze bis zu der Einreichung beim Finanzamt beliebig ändern. Eine Berichtigung oder Änderung der Bilanz ist aber nicht mehr zulässig, wenn sich der Bilanzansatz auf solche Steueransprüche auswirkt, die bestandskräftig festgesetzt worden oder verjährt sind.

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4. Bilanzänderung bei der Handelsbilanz

Im Rahmen von handelsbilanziellen Korrekturen spricht man von einer Änderung der Jahresabschlüsse. Die Korrektur fehlerfreier Jahresabschlüsse unterliegt im Hinblick auf den Gläubigerschutz und der Informationsfunktion engen Grenzen. Daher kommen Änderungen grundsätzlich nur bei gewichtigen rechtlichen, wirtschaftlichen oder steuerrechtlichen Gründen in Betracht. Folglich ist die Korrektur nur dann geboten, wenn der Fehler betragsmäßig oder ausweismäßig gewichtig ist. Zudem muss das Bild der Vermögenslage, der Finanzlage und der Ertragslage des Unternehmens ohne die Korrektur unzutreffend dargestellt sein. Die neue Beurteilung muss daher aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns zum Bilanzaufstellungszeitpunkt vertretbar sein. Nichtige Jahresabschlüsse müssen stets rückwirkend durch wirksame Jahresabschlüsse ersetzt werden, sofern der Rechtsmangel nicht durch Zeitablauf geheilt ist.

5. Verfahrensrechtliche Erwägungen bei Bilanzänderungen

5.1. Pflichten des Steuerpflichtigen bei Bilanzänderung

Grundsätzlich darf der Steuerpflichtige die Bilanz im Sinne eines Wahlrechts berichtigen. Im Einzelfall kann er aber zur Bilanzberichtigung verpflichtet sein, etwa wenn er durch Selbstanzeige die Fehlerhaftigkeit der Bilanz erklärt oder er erkennt, dass ein Bilanzansatz zu seinen Gunsten fehlerhaft ist. Dann muss er dies zusammen mit der berichtigten Steuererklärung dem Finanzamt anzeigen. Wenn jedoch eine solche Pflicht auf Seiten des Steuerpflichtigen nicht besteht und das Finanzamt fehlerhaft von der Bilanz abweicht, so wird dieser Bilanzierungsfehler nicht Teil der maßgeblichen Steuerbilanz. Sie sollten daher den entsprechenden Steuerbescheid mit einem Einspruch anfechten.

5.2. Bilanzänderung bei nicht bestandskräftiger Steuerfestsetzung

Werden Fehler jedoch erst im Rahmen einer Außenprüfung festgestellt, so ist die Berichtigung dann durchzuführen, wenn die Steuerfestsetzung noch nicht durchgeführt oder bestandskräftig ist. Der fehlerhafte Bilanzansatz ist zu dem Stichtag zu berichtigen, zu dem der Fehler gemacht wurde. Bei nicht bestandskräftigen Steuerfestsetzungen stehen der Korrektur daher auch keine verfahrensrechtlichen Hindernisse entgegen.

5.3. Bilanzänderung bei bestandskräftigen Steuerfestsetzungen

Problematisch erweist sich indes die Bilanzänderung bei bestandskräftigen Steuerfestsetzungen. Diese dürfen nur geändert werden, wenn eine Korrekturmöglichkeit nach den §§ 172-174 AO in Betracht kommt. Demgemäß kann die Bilanzänderung nicht mehr auf den § 4 Absatz 2 gestützt werden. Vielmehr ist allenfalls ein fortwirkender unrichtiger Bilanzansatz in der ersten noch offenen Schlussbilanz richtig zu stellen. Somit wird ein Fehler in ein Jahr transportiert, in dem der Bescheid noch korrigiert werden kann oder dessen Anspruch noch nicht verjährt ist.


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