Vereinfachtes Ertragswertverfahren: Bewertung von Unternehmen
Insbesondere für erbschaftsteuerliche Zwecke müssen Sie Anteile an Unternehmen nach § 12 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) bewerten. Im Regelfall wenden Sie dabei das vereinfachte Ertragswertverfahren an. Der Gesetzgeber hat es in den §§ 199 bis 203 Bewertungsgesetz (BewG) normiert. Beachten Sie dabei, dass es keinen Zusammenhang mit dem Ertragswert von Grundbesitz nach § 184 BewG gibt!
Unser Video:
Vereinfachtes Ertragswertverfahren
In diesem Video erklären wir, wie Sie Unternehmen im vereinfachten Ertragswertverfahren bewerten und was es zu beachten gibt.
Inhaltsverzeichnis
1. Gesetzliche Grundlagen des vereinfachten Ertragswertverfahrens
Das vereinfachte Ertragswertverfahren ist eine Bewertungsmethode für Einzelunternehmen, Kapital- sowie Personengesellschaften. Der gemeine Wert dieser Unternehmen beziehungsweise der jeweiligen Anteile (Beteiligungsquote) ist zum Bewertungsstichtag gesondert festzustellen. So regelt es § 151 Absatz 1 Nummer 2 und 3 BewG. Dabei unterscheiden Sie zwischen zwei Betriebsarten:
- Einzelunternehmen und Personengesellschaften: Feststellung des Betriebsvermögenswertes nach §§ 157 Absatz 5 und 109 Absatz 1 in Verbindung mit § 11 Absatz 2 BewG
- Kapitalgesellschaften: Gesonderte Feststellung nach § 157 Absatz 4 in Verbindung mit § 11 Absatz 2 BewG
Alle Vorschriften für die Unternehmensbewertung verweisen auf § 11 Absatz 2 BewG – werfen wir also einen Blick in diese Norm. Der Gesetzgeber gibt in § 11 Absatz 2 Satz 1 BewG zunächst den Grundsatz des gemeinen Wertes vor. Können Sie diesen aber nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten innerhalb des letzten Jahres vor dem Bewertungsstichtag ableiten, wenden Sie nach § 11 Absatz 2 Satz 4 BewG das vereinfachte Ertragswertverfahren an.
Beispiel: Vier Monate vor dem Todestag, zu dem Sie einen 90%igen-Anteil an einer GmbH bewerten, wurden die übrigen 10 % für EUR 5.000.000 verkauft. Eine Ableitung aus Verkäufen unter fremden Dritten ist damit möglich, die Gesellschaft ist insgesamt EUR 50.000.000 wert. Der 90%ige Anteil hat einen gemeinen Wert von EUR 45.000.000, § 11 Absatz 2 Satz 1 und 2 BewG.
Die Bewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren ist abschließend in den § 199 bis 203 BewG geregelt, wobei der Substanzwert (Vermögen abzüglich Schulden nach § 99 bis 103 BewG) nach § 11 Absatz 3 Satz 3 BewG die Untergrenze bildet.
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2. Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens
Das vereinfachte Ertragswertverfahren wird nach § 199 Absatz 1 und 2 BewG angewandt, wenn sich der gemeine Wert des Unternehmens oder des Anteils daran auf Grundlage der Ertragsaussichten berechnen lässt. Nach § 200 BewG benötigen Sie für die Berechnung folgende Daten:
- Den nachhaltig erzielbaren Jahresertrag nach den §§ 201 und 202 BewG
- Den Kapitalisierungsfaktor nach § 203 BewG
- Den gemeinen Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens nach § 200 Absatz 2 BewG
- Den gemeinen Wert von Anteilen an anderen Gesellschaften, die betriebsnotwendig sind, nach § 200 Absatz 3 BewG
- Den Gesamtwert der Einlagen innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Bewertungsstichtag nach § 200 Absatz 4 BewG
2.1. Nachhaltig erzielbarer Jahresertrag nach den §§ 201 und 202 BewG
Der nachhaltig erzielbare Jahresertrag ist die Grundlage der Bewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren (§ 201 Absatz 1 BewG). Maßgeblich ist der steuerbilanzielle Gewinn nach § 4 Absatz 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG), wobei Sie folgende bewertungsrechtliche Korrekturen vornehmen müssen (§ 202 Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 Nummern 1 bis 3 BewG):
- Hinzurechnung von Investitionsabzugsbeträgen (IAB), Sonderabschreibungen und Zuführung zu steuerfreien Rücklagen (insbesondere nach § 6b EStG)
- Hinzurechnung einmaliger Veräußerungsverluste
- Hinzurechnung des Ertragsteueraufwandes (maßgeblich sind die tatsächlich gezahlten Ertragsteuern, zu denen auch die Gewerbesteuer gehört)
- Hinzurechnung von Kosten, die mit nicht betriebsnotwendigem Vermögen nach § 200 Absatz 2 und 4 BewG in Zusammenhang stehen, sowie von Verlusten aus solchen Beteiligungen (§ 200 Absatz 2 bis 4 BewG)
- Abrechnung gewinnerhöhender Auflösungsbeträge steuerfreier Rücklagen
- Abrechnung einmaliger Veräußerungsgewinne
- Abrechnung eines angemessenen Unternehmerlohns, soweit dieser nicht bereits im Gewinn oder Verlust nach § 4 Absatz 1 EStG enthalten ist
- Abrechnung von Erträgen aus der Rückerstattung von Ertragsteuern
- Abrechnung von Erträgen aus nicht betriebsnotwendigem Vermögen im Sinne des § 200 Absatz 2 bis 4 BewG
Zusätzlich korrigieren Sie nach § 202 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 BewG Vermögensminderungen und Vermögenserhöhungen, wenn diese keinen nachhaltigen Einfluss auf den Jahresertrag des Unternehmens haben. Das ist etwa bei verdeckten Gewinnausschüttungen der Fall.
Bei Unternehmen, die ihren Gewinn mittels Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Absatz 3 EStG ermitteln, gehen Sie für Zwecke des vereinfachten Ertragswertverfahrens von diesem Jahresergebnis aus.
Nun liegt Ihnen der bewertungsrechtliche Jahresertrag vor. Zur Abgeltung des Ertragsteueraufwandes ziehen Sie hiervon 30 % ab (Pauschale), § 202 Absatz 3 BewG.
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2.2. Der Kapitalisierungsfaktor beim vereinfachten Ertragswertverfahren
Nach § 203 Absatz 1 BewG wenden Sie einen Kapitalisierungsfaktor von 13,75 auf den Durchschnittsertrag der letzten drei abgeschlossenen Wirtschaftsjahre an. Bewerten Sie ein Unternehmen im Jahr 2022, schauen Sie sich also die Jahreserträge von 2018 bis 2021 an. Diese addieren Sie, teilen den Gesamtwert anschließend durch 3 und erhalten den durchschnittlichen Jahresertrag nach § 201 Absatz 2 Satz 3 BewG.
Beispiel: Nach §§ 201 Absatz 1, 202 Absatz 1 und 3 BewG erhalten Sie einen Durchschnitts-Jahresertrag von EUR 150.000. Multipliziert mit 13,75 ergibt sich ein (vereinfacht ermittelter) Ertragswert von EUR 2.062.500.
2.3 Gesonderte Bewertung von Vermögen nach § 200 Absatz 2 bis 4 BewG
Nicht betriebsnotwendiges Vermögen im Sinne des § 200 Absatz 2 BewG sind Wirtschaftsgüter, die aus dem Betrieb herausgelöst werden können, ohne die eigentliche Geschäftstätigkeit zu beeinträchtigen. Diese Wirtschaftsgüter setzen Sie neben dem Ertragswert mit ihrem eigenständigen gemeinen Wert, zu ermitteln nach den §§ 9 bis 16 BewG, an.
Beim vereinfachten Ertragswertverfahren ermitteln Sie auch den Wert betriebsnotwendiger Anteile an anderen Gesellschaften gesondert vom Ertragswert selbst (§ 200 Absatz 3 BewG). Betriebsnotwendig sind solche Anteile immer dann, wenn sie ertragsteuerlich notwendiges Betriebsvermögen darstellen (R 4.2 Absatz 1 Satz 1 Einkommensteuer-Richtlinien, EStR).
3. Finaler Unternehmenswert nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren
Den schlussendlich nach § 151 BewG gesondert festzustellenden Wert des Unternehmens erhalten Sie durch Addition folgender Werte:
- Vereinfachter Ertragswert nach § 199 bis 203 BewG
- Wert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens nach § 200 Absatz 2 BewG
- Gemeiner Wert der Anteile an anderen Gesellschaften nach § 200 Absatz 3 BewG
Diese Summe vergleichen Sie nun mit dem Substanzwert des Betriebsvermögens nach §§ 99 bis 103 BewG. Dabei handelt es sich um den gemeinen Wert aller positiven und negativen Vermögenswerte. Korrekturen der Steuerbilanz sind insoweit vorzunehmen, also dort Werte unterhalb des gemeinen Werts angesetzt wurden (§ 9 fort folgende BewG).
Ist der nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren berechnete Unternehmenswert höher als der Substanzwert, setzen Sie ersteren an. Liegt er hingegen unterhalb des Substanzwertes, gilt dieser als anzusetzender Mindestwert (§ 11 Absatz 2 Satz 3 BewG).
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