Jahressteuergesetz 2022 – was gibt es Neues?
Der Bundestag verabschiedet mit einer gewissen Tradition und regelmäßig Ende des Jahres das sogenannte Jahressteuergesetz (JStG). Es ändert in der Regel ab dem Folgejahr, im Fall des Jahressteuergesetzes 2022 also ab 2023, verschiedenste steuerliche Vorschriften. Anpassungen sind dabei sowohl rein politisch motiviert als auch durch BFH und EuGH zwingend vorzunehmen. Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Inhalte des JStG 2022!
Inhaltsverzeichnis
1. Umfang des Jahressteuergesetzes 2022
Das Jahressteuergesetz 2022 legt den Schwerpunkt klar auf die Einkommensteuer, umfasst aber auch bewertungsrechtliche und umsatzsteuerliche Änderungen. Wesentlich sind dabei vor allem die folgenden Anpassungen:
- Erleichterungen beim Abzug der Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer und im Bereich der Homeoffice-Pauschale
- Erhöhung der jährlichen Abschreibung (AfA) bei Gebäuden, die zu Wohnzwecken überlassen werden, von 2 % auf 3 %
- Erhöhung des Sparer-Pauschbetrags und des Ausbildungsfreibetrags
- Neuregelung von Ertrags- und Sachwertverfahren durch Anpassung an die geänderte ImmoWertV vom 14.07.2021
- Neuer Umsatzsteuersatz von 0 % für Lieferung und Installation von Photovoltaikanlagen
Schauen wir uns die einzelnen Änderungen in den folgenden Absätzen etwas genauer an. Sie wirken zwar auf den ersten Blick überschaubar, das Jahressteuergesetz 2022 ist mit fast 150 Seiten aber beinahe als „Roman“ zu bezeichnen. Ergänzend umfasst das JStG kleine redaktionelle Änderungen und Klarstellungen, wenn einzelne Vorschriften bislang nur im Wege der Auslegung verständlich wurden. Auf diese Anpassungen gehen wir ein, soweit sie praktisch relevant sind.
2. Änderungen durch das JStG 2022 im Bereich der Einkommensteuer
Mit dem Jahressteuergesetz 2022 ändert der Gesetzgeber gleich mehrere einkommensteuerliche Vorschriften. Im Fokus standen dabei in erster Linie die anhaltende Corona-Pandemie, der damit verbundene Wandel in der Arbeitswelt sowie die auch infolge der Ukraine-Krise erheblich gestiegenen Energiepreise.
2.1. Neue und erweiterte Steuerbefreiungen nach § 3 EStG
Das JStG 2022 enthält die folgenden Änderungen des § 3 EStG, mit denen weitere Steuerbefreiungen ihren Einzug ins Einkommensteuerrecht finden:
- Leistungen für Pflegende, § 3 Nummer 11b Satz 5 EStG: Pflegepersonal erhält nach den Grundsätzen des § 150c SGB XI eine nun steuerfreie Zulage von bis zu EUR 1.000 monatlich. Voraussetzung ist die Beschäftigung in einer voll- oder teilstationären Einrichtung
- Grundrentenzuschlag, § 3 Nummer 14a EStG: Rentenempfänger, die einen Grundrentenzuschlag nach § 76g SGB VI erhalten, müssen hierauf keine Einkommensteuer mehr zahlen
- Rückwirkende Befreiung für bestimmte Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen), § 3 Nummer 72 EStG: Steuerfrei ist der Betrieb von PV-Anlagen mit einer Bruttonennleistung von 30 kW auf Betriebs- und Privatimmobilien. Gemischte Wohn- und Gewerbeeinheiten können die Befreiung bis zu einer Bruttonennleistung von 15 kW in Anspruch nehmen. Die Norm gilt rückwirkend auf den 01.01.2022 und umfasst neben Einzelunternehmen und Privatpersonen auch Personen- sowie Kapitalgesellschaften. Der bereits bestehende § 3c Absatz 1 EStG schließt insoweit allerdings auch den Abzug von Betriebsausgaben aus. Hieran ändert sich durch das Jahressteuergesetz 2022 nichts
PV-Anlagen auf privaten Einfamilienhäusern haben, wenn vier Personen den Strom verbrauchen, eine durchschnittliche Leistung von 6 kW (Peak). Damit besteht selbst bei einer Vervierfachung dieser Kapazitäten keine erstzunehmende Gefahr, die ab dem Jahr 2023 geltenden Grenzwerte zu überschreiten.
2.2. Häusliches Arbeitszimmer und Homeoffice-Pauschale
Alle Berufsgruppen, die bereits bisher unter entsprechenden Voraussetzungen die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer und/oder die Homeoffice-Pauschale abziehen konnten, dürfen sich ab dem Veranlagungsjahr 2023 freuen. Denn der Gesetzgeber hat die entsprechenden Vorschriften mit dem Jahressteuergesetz ausgeweitet und teilweise vereinfacht:
- Häusliches Arbeitszimmer, § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 6b EStG: Bislang musste der Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer liegen, damit ein Abzug von Kosten über den Betrag von EUR 1.250 hinaus pro Jahr möglich war. Außerdem durfte dem Steuerpflichtigen kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehen. Diese Voraussetzung fällt weg, sodass ab 01.01.2023 auch dann der volle Kostenabzug möglich ist, wenn es weitere Arbeitsplätze gibt. Die „Mittelpunktregel“ bleibt allerdings bestehen, wenngleich das JStG 2022 eine Pauschale von EUR 1.260 pro Jahr einführt. Ihr Abzug ist anstelle der tatsächlichen Aufwendungen möglich
- Homeoffice-Pauschale, § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 6c EStG: Besteht kein häusliches Arbeitszimmer, nimmt der Steuerpflichtige aber dennoch Homeoffice in Anspruch, kann er die Pauschale von EUR 6,00 je Tag abziehen. Der pro Jahr maximal abzugsfähige Betrag steigt auf EUR 1.260, wird also nach 210 Tagen im Homeoffice erreicht
Die § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummern 6b und 6c EStG bleiben eine „Entweder-oder-Entscheidung“. Nutzen Steuerpflichtige die Homeoffice-Pauschale, deckt diese bereits alle Kosten ab und der Abzug eines häuslichen Arbeitszimmers scheidet aus.
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2.3. Erhöhung der Abschreibung durch das JStG 2022
Für Immobilien, die mehrheitlich Wohnzwecken dienen, gilt bislang ein Abschreibungssatz von 2 % pro Jahr (§ 7 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 EStG). Die Abschreibung ist gegebenenfalls zeitanteilig zu berücksichtigen (§ 7 Absatz 1 Satz 4 EStG).
Durch das Jahressteuergesetz 2022 steigt der AfA-Satz auf 3 % pro Jahr, wodurch eine Gleichstellung mit betrieblichen Immobilien erfolgt (§ 7 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 EStG).
Zudem ist nach § 7b Absatz 1 EStG eine zusätzliche (Sonder-) Abschreibung von bis zu 5 % pro Jahr für neugebaute Mietwohnungen in EU- und EWR-Staaten möglich. Diese Norm wird zukünftig nur noch greifen, wenn die erstellte Mietwohnung bestimmte Vorgaben zur Energieeffizienz erfüllt.
Maßgeblich sind die Nachhaltigkeitsklassen der Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG), die seit 2021 gilt und neben dem Neubau auch die Sanierung bestehender Immobilien umfasst. Hier muss das neu errichtete Gebäude mindestens als „Effizienzhaus 40“ einstufbar sein. Kleinere Zusatzänderungen betreffen die Höhe der förderfähigen Baukosten sowie die schlussendliche Bemessungsgrundlage der §-7b-Abschreibung.
2.4. Jahressteuergesetz 2022: Sonstige Anpassungen des EStG
Über die genannten Punkte hinaus sieht das Jahressteuergesetz 2022 noch die folgenden, vergleichsweise überschaubaren, Änderungen des Einkommensteuergesetzes und der Nebengesetze vor:
- Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag steigt von bislang EUR 1.000 auf EUR 1.230 (§ 9a Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a EStG)
- Altersvorsorgeaufwendungen sind zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung von Altersrenten bereits ab 2023 vollständig als Sonderausgaben abziehbar (§ 10 Absatz 3 Satz 6 EStG)
- Die Energiepreispauschale (EPP), die auch Rentnerinnen, Rentner und Versorgungsberechtigte erhalten, unterliegt dort analog zu Arbeitnehmern und Unternehmern vollständig der Einkommen- respektive Lohnsteuer. Dies regeln die durch das JStG 2022 geänderten §§ 19 Absatz 3 und 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe c EStG
- Verluste aus Kapitalvermögen sind aufgrund des BFH-Urteils vom 23.11.2021, VIII R 22/18, nun auch ehegattenübergreifend verrechenbar (§ 20 Absatz 6 Satz 3 EStG)
- Der Sparer-Pauschbetrag nach § 20 Absatz 9 EStG steigt pro Person auf EUR 801 auf EUR 1.000 pro Jahr. Ehegatten erhalten auch weiterhin die doppelten Pauschbeträge
- Der Ausbildungsfreibetrag nach § 33a Absatz 2 Satz 1 EStG steigt von EUR 924 auf EUR 1.200 je Kind und Jahr. Ein (gegebenenfalls zeitanteiliger) Abzug ist möglich, wenn das Kind zur Berufsausbildung auswärts untergebracht ist
- Der Grundfreibetrag steigt von EUR 10.347 auf EUR 10.632. Außerdem steigen die Grenzsteuersätze, sodass eine Steuer von 42 % nur anfällt, soweit das zu versteuernde Einkommen über EUR 61.972 (bis 2022: EUR 58.597)
3. Umsatzsteuerliche Neuerungen im Jahressteuergesetz 2022
Auch für den Bereich der Umsatzsteuer sieht das Jahressteuergesetz 2022 diverse Änderungen vor. Wesentlich sind dabei nur wenige Normen, die grundlegende Systematik der Mehrwertbesteuerung bleibt also auch hier gegeben.
3.1. Zusammenfassende Meldung nach § 18a Absatz 1 UStG
Bislang ist eine innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne der §§ 4 Nummer 1 Buchstabe b und 6a Absatz 1 Nummer 1 bis 4 UStG nur steuerfrei, wenn der liefernde Unternehmer bis zum 25. des auf die Lieferung folgenden Monats eine Zusammenfassende Meldung (ZM) nach § 18a Absatz 1 UStG abgibt. Tut er dies nicht, wird die Lieferung in den anderen Mitgliedstaat als steuerpflichtig (§§ 1 Absatz 1 Nummer 1 und 3 Absatz 1 UStG) behandelt.
Das JStG 2022 stellt in diesem Zusammenhang klar, dass die innergemeinschaftliche Lieferung auch dann steuerfrei bleibt, wenn die Zusammenfassende Meldung verspätet abgegeben wird. Die grundsätzliche Pflicht zur Abgabe der ZM bleibt allerdings bestehen.
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3.2. Lieferung und Installation von PV-Anlagen
Neu ist § 12 Absatz 3 UStG, der einen Steuersatz von 0 % für Lieferung und Installation von Photovoltaikanlagen mit einer maximalen Bruttonennleistung von 30 kW vorsieht. Hintergrund sind die unionsrechtlichen Vorgaben der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, die einen Vorsteuerabzug nur dann ermöglichen, wenn die korrespondierende Lieferung oder sonstige Leistung der Steuerpflicht unterfällt. In der deutschen Umsetzung kommt dieser Grundsatz in § 15 Absatz 2 Nummer 1 UStG zum Ausdruck.
Durch den Steuersatz von 0 % ist zwar ebenfalls keine Umsatzsteuer abzuführen, gleichzeitig greift aber auch keine Steuerbefreiung nach § 4 UStG – der Unternehmer kann die Vorsteuer damit weiterhin in voller Höhe abziehen. Maßgebend hierfür sind die allgemeinen Regelungen des § 15 Absatz 1 UStG. Aufteilungsgebot (§ 15 Absatz 4 UStG) und Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) bleiben hiervon unberührt.
4. Anpassungen des Bewertungsgesetzes an die ImmoWertV
Die geänderte Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) trat zum 14.07.2021 in Kraft. Um sicherzustellen, dass die für die bewertungsrechtliche Ermittlung von Grundbesitzwerten notwendigen Daten der Gutachterausschüsse auch im Ertrags- und Sachwertverfahren Anwendung finden können, erfolgt durch das Jahressteuergesetz 2022 eine Änderung des Bewertungsgesetzes (BewG).
Konkret ist dabei eine Anpassung der Liegenschaftszinssätze nach § 188 Absatz 2 Satz 2 BewG und der Wertzahlen für das Sachwertverfahren (Anlage 25 zum BewG) erforderlich. Die Änderungen stellen wir im Folgenden dar.
4.1. Liegenschaftszinssätze im Ertragswertverfahren
Nach § 188 Absatz 2 Satz 2 BewG gehen Sie von folgenden Liegenschaftszinssätzen aus, soweit der Gutachterausschuss keine entsprechenden Daten vorlegt:
Grundstücksart nach § 181 BewG | Bisheriger Liegenschaftszinssatz (bis 31.12.2022) | Zukünftiger Liegenschaftszinssatz (ab 01.01.2023) |
Mietwohngrundstück | 5,0 % | 3,5 % |
Gemischt genutztes Grundstück, wenn der Gewerbeanteil maximal 50 % beträgt | 5,5 % | 4,5 % |
Gemischt genutztes Grundstück, wenn der Gewerbeanteil bei mehr als 50 % liegt | 6,0 % | 5,0 % |
Geschäftsgrundstücke | 6,5 % | 6,0 % |
Folge hiervon ist eine regelmäßig niedrigere Verzinsung des Bodenwertes nach § 185 Absatz 2 Satz 1 und 2 BewG, die wiederum dazu führt, dass sich der Gebäudereinertrag erhöht. In der Regel ergibt sich – unter der Prämisse, dass § 188 Absatz 2 Satz 2 BewG überhaupt greift – ein höherer Grundstückswert nach dem Ertragswertverfahren.
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4.2. Wertzahlen im Sachwertverfahren
Bei der Bewertung im Sachwertverfahren ist die Summe aus Bodenwert und Gebäudesachwert mit einer Wertzahl zu multiplizieren (§ 189 Absatz 3 BewG). Mit diesem Schlussfaktor hat der Gesetzgeber seit jeher ein – weitgehend ungenutztes – Steuerungsinstrument, um die Wertermittlung von Immobilien an die aktuelle Marktlage anzupassen. Maßgeblich sind nach § 191 Absatz 1 BewG die Sachwertfaktoren, die der Gutachterausschuss ermittelt.
Liegen solche Sachwertfaktoren nicht vor, ist nach § 191 Absatz 2 BewG von den in Anlage 25 zum BewG normierten Wertzahlen auszugehen. Durch das Jahressteuergesetz 2022 erfolgt hier eine Anpassung, die sich praktisch wie folgt darstellt (auszugsweise dargestellt für Ein- und Zweifamilienhäuser):
Vorläufiger Sachwert nach § 189 Absatz 3 BewG | Bodenrichtwert bis EUR 30/m² | Bodenrichtwert bis EUR 120/m² | Bodenrichtwert bis EUR 250/m² | Bodenrichtwert bis EUR 500/m² |
EUR 200.000 | 0,8 (0,9) | 0,9 (1,2) | 1,1 (1,3) | 1,2 (1,5) |
EUR 400.000 | 0,6 (0,8) | 0,8 (1,0) | 0,9 (1,2) | 1,0 (1,4) |
Über EUR 500.000 | 0,5 (0,8) | 0,7 (1,0) | 0,8 (1,1) | 0,9 (1,3) |
Die in Klammern dargestellten Werte sind die neuen, die vor der Klammer stehenden die alten (bisherigen) Wertzahlen. Durch das Jahressteuergesetz 2022 tritt daher vielmals eine deutliche und spürbare Erhöhung der Faktoren – und damit am Ende des anzusetzenden Sachwertes – ein.
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