Die Umsatzsteuerpflicht im Überblick

Welche Umsätze sind steuerpflichtig?

Umsatzsteuerpflicht und Steuerbefreiungen

Im unmittelbaren Anschluss an die grundlegende Steuerbarkeit eines Vorganges gilt es, dessen Umsatzsteuerpflicht zu prüfen. Denn nur wenn ein Umsatz unter keine der Steuerbefreiungen nach § 4 UStG fällt, ist er überhaupt der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Schauen wir uns also einmal die wichtigsten Steuerbefreiungen im Umsatzsteuerrecht und mögliche Ausnahmen von den jeweiligen Grundfällen an!

Unser Video:
Umsatzsteuerpflicht und Befreiungen

In diesem Video schauen wir uns die wichtigsten Grundsätze der Umsatzsteuerpflicht etwas genauer an!

Inhaltsverzeichnis

1. Grundsatz: Umsatzsteuerpflicht, wenn keine Steuerfreiheit

Nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 UStG unterliegen sämtliche Lieferungen und sonstige Leistungen der Umsatzsteuer, wenn sie durch einen Unternehmer im Inland ausgeführt werden. Liegen diese Voraussetzungen gemeinsam vor, ist der Umsatz steuerbar. Er fällt also dem Grunde nach in den Anwendungsbereich des deutschen Umsatzsteuergesetzes, wodurch der BRD ein Besteuerungsrecht zusteht.

Ob auf den steuerbaren Umsatz nun tatsächlich Umsatzsteuer anfällt, richtet sich nach den §§ 4 bis 4b UStG (Steuerbefreiungen). Greift eine solche Steuerbefreiung, nimmt der deutsche Gesetzgeber sein Besteuerungsrecht nicht wahr. Hintergrund sind zumeist Regelungen der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, durch die ein Umsatz beispielsweise in Deutschland steuerfrei, dafür aber im anderen Mitgliedsstaat steuerpflichtig ist.

Die in der Klausuren- und Beratungspraxis wichtigsten, in § 4 UStG abschließend aufgezählten, Steuerbefreiungen sind dabei:

  • Ausfuhr- und innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 UStG) sowie deren Vermittlung (§ 4 Nummer 5 Buchstabe a UStG)
  • Umsätze mit Zahlungsmitteln, Wertpapieren und Gesellschaftsanteilen sowie die Gewährung und Vermittlung von Krediten (§ 4 Nummer 8 UStG)
  • Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen (§ 4 Nummer 9 Buchstabe a UStG)
  • Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten (§ 4 Nummer 12 UStG)
  • Heilbehandlungen der Ärzte, Zahnärzte, Heilpraktiker und Physiotherapeuten (§ 4 Nummer 14 Buchstabe a UStG)
  • Lieferungen von Gegenständen, wenn für diese Lieferung ein Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1a UStG greift (§ 4 Nummer 28 UStG)

Der Unternehmer muss für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung keinen Antrag stellen; sie wird von Amts wegen gewährt. Anträge oder Erklärungen sind vielmehr nur notwendig, wenn die Option des § 9 UStG genutzt werden soll. Auf Kleinunternehmer ist die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen nicht anwendbar (§ 19 Absatz 1 Satz 4 in Verbindung mit § 4 Nummer 1 Buchstabe b UStG).

1.1. Ausfuhr- und innergemeinschaftliche Lieferungen

Mit § 1 Absatz 1 Nummer 4 UStG kennt das Umsatzsteuergesetz den Tatbestand der Einfuhr; eine solche unterliegt regelmäßig der 19%igen Einfuhrumsatzsteuer. Selbiges gilt für den innergemeinschaftlichen Erwerb aus anderen Mitgliedsstaaten der EU (§ 1 Absatz 1 Nummer 5 UStG).

Im Umkehrschluss müssen Ausfuhr und innergemeinschaftliche Lieferung von der Umsatzbesteuerung ausgenommen sein, weil es sonst zu einer Doppelbesteuerung desselben Umsatzes käme. Mit § 4 Nummer 1 UStG erfüllt der Gesetzgeber diese Anforderung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie.

1.1.1. Die Ausfuhrlieferung

Eine Ausführlieferung liegt nach § 6 Absatz 1 UStG vor, wenn der Gegenstand der Lieferung (§ 3 Absatz 1 UStG) bei Ausführung selbiger

  • vom Unternehmer selbst in das Drittlandsgebiet befördert wurde,
  • vom Abnehmer, der seinen Sitz oder Wohnsitz im entsprechenden Staat haben muss, ins Drittland befördert wurde, oder
  • unabhängig davon, wer den Gegenstand transportiert, zu einem Unternehmer im Drittlandsgebiet gelangt, der ihn für Zwecke seines Unternehmens zu verwenden beabsichtigt.

Zweigniederlassungen im Drittland gelten als dort ansässige Unternehmen, sodass § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 UStG Anwendung findet (§ 6 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 UStG). Der die Lieferung ausführende Unternehmer muss nachweisen, dass die Voraussetzungen des § 6 Absatz 1 UStG im Zeitpunkt der Lieferung vorlagen.

Damit die Umsatzsteuerpflicht wegfällt, muss der gelieferte Gegenstand das Zielland tatsächlich erreichen. Geht er unterwegs verloren, wird er zerstört oder entwendet und überschreitet er dadurch nicht die Landesgrenze, liegt keine Ausfuhrlieferung vor (Abschnitt 6.1 Absatz 1 fort folgende UStAE).

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1.1.2. Die innergemeinschaftliche Lieferung

Innergemeinschaftliche Lieferungen sind nach § 6a Absatz 1 Satz 1 UStG Lieferungen, bei denen

  • ein Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt,
  • der Abnehmer ein für umsatzsteuerliche Zwecke im anderen Mitgliedsstaat erfasster Unternehmer ist,
  • dieser die Ware für sein Unternehmen erwirbt und
  • der Erwerb im Zielland einen steuerpflichtigen Vorgang – analog zum innergemeinschaftlichen Erwerb des § 1a UStG – darstellt.

Außerdem muss der Abnehmer dem liefernden Unternehmer gegenüber eine ihm vom anderen Mitgliedsstaat erteilte, gültige USt-ID-Nummer verwenden (§ 6a Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 UStG). Die Umsatzsteuerpflicht des innergemeinschaftlichen Erwerbs tritt zunächst in dem Mitgliedsstaat ein, dessen USt-ID der empfangende Unternehmer nutzt (§ 3d Satz 2 UStG).

Das innergemeinschaftliche Verbringen im Sinne des § 3 Absatz 1a UStG ist nach § 6a Absatz 2 UStG der innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellt.

1.1.3. Von der Umsatzsteuerpflicht ausgenommene Vermittlung

Ein Unternehmer, der Ausfuhr- und innergemeinschaftliche Lieferungen vermittelt, erbringt mit dieser Vermittlung eine sonstige Leistung im Sinne des § 3 Absatz 9 UStG. Diese unterliegt nicht der Umsatzsteuerpflicht (§ 4 Nummer 5 Buchstabe a UStG).

Eine Vermittlungsleistung liegt vor, wenn der Unternehmer in fremdem Namen und auf fremde Rechnung sowie mit entsprechender Vermittlungsvollmacht tätig wird (Abschnitt 4.5.1 Absatz 1 Satz 1 und 3 UStAE).

1.2. Umsätze mit Zahlungsmitteln, Wertpapieren und Gesellschaftsanteilen

Auch die folgenden Umsätze fallen nach § 4 Nummer 8 UStG nicht unter die Umsatzsteuerpflicht:

  • Gewährung und Vermittlung von Krediten: Gemeint ist neben der eigentlichen Darlehenshingabe auch deren Vermittlung, beispielsweise die Beratungsleistungen der Bank
  • Umsätze mit gesetzlichen Zahlungsmitteln (etwa Währungstausche). Virtuelle Währungen wie Bitcoin sind den gesetzlichen Zahlungsmitteln gleichgestellt
  • Kauf, Verkauf und Vermittlung von Anteilen an Gesellschaften; das UStG unterscheidet insoweit nicht zwischen Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften (Abschnitt 4.8.10 Absatz 1 Satz 1 UStAE). Erfolgt die Ausgabe von Anteilen aber im Wege des Leistungsaustauschs, kann ein steuerbarer Vorgang vorliegen (mehr dazu in Abschnitt 1.6 Absatz 2 UStAE)

Unter den Begriff der „Anteile an Gesellschaften“ fallen auch Aktien, sodass beispielsweise typische Trades über den eigenen Broker ebenfalls von der Umsatzsteuer befreit sind (§ 4 Nummer 8 Buchstabe f UStG).

1.3. Keine Umsatzsteuerpflicht bei Grundstücksgeschäften

 Nach § 4 Nummer 9 Buchstabe a UStG sind Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, umsatzsteuerfrei. Dazu gehören insbesondere Kauf und Verkauf, aber auch der Tausch von Grundstücken sowie deren Bestandteilen (Abschnitt 4.9.1 Absatz 1 Satz 2 und 3 UStAE). Sonstige Leistungen, die an einem Grundstück erbracht werden, unterliegen der Umsatzsteuerpflicht nach § 3a Absatz 3 Nummer 1 UStG.

Auch die Übertragung grundstücksgleicher Rechte (zum Beispiel eines Erbbaurechts) fällt unter § 4 Nummer 9 Buchstabe a UStG (Abschnitt 4.9.1 Absatz 2 Nummer 1 UStAE). Selbiges gilt für Miteigentumsanteile und die Entnahme (Überführung in das eigene oder ein anderes Privatvermögen) von Grundstücken im Sinne des § 3 Absatz 1b UStG.

1.4. Steuerbefreiung für Vermietungsleistungen

Die Vermietung und Verpachtung stellt eine sonstige Leistung im Sinne des § 3 Absatz 9 UStG dar, die nach § 3a Absatz 3 Nummer 1 UStG am Standort des Grundstücks ausgeführt wird. Sie ist steuerfrei nach § 4 Nummer 12 Satz 1 Buchstabe a UStG.

Von der Steuerbefreiung ausgenommen und damit unter die Umsatzsteuerpflicht fallend sind hingegen kurzfristige Vermietungen, die Überlassung von Park- und Abstellflächen sowie von Maschinen und deren Bestandteilen (§ 4 Nummer 12 Satz 2 UStG). Beherbergungsumsätze, wie sie vor allem Hotels erbringen, unterliegen dem ermäßigten Steuersatz von 7 % (§ 12 Absatz 2 Nummer 11 UStG).

Als kurzfristig ist eine Vermietung immer dann anzusehen, wenn sie tatsächlich für weniger als sechs Monate durchgeführt wird. Ist eine Vermietungsleistung auf einen Zeitraum von weniger als sechs Monaten ausgelegt, erstreckt sich die Überlassung aber tatsächlich auf einen längeren Zeitraum, liegen die Voraussetzungen des § 4 Nummer 12 Satz 1 Buchstabe a UStG vor (Abschnitt 4.12.3 Absatz 2 Satz 1 UStAE).

1.5. Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin

Nach § 4 Nummer 14 Buchstabe a Satz 1 UStG sind die Leistungen der Ärzte von der Umsatzsteuer befreit. Von der Norm umfasst werden dabei die originären Behandlungsleistungen. Nach den weiteren Buchstaben der Vorschrift gelten für Krankenhäuser und medizinische Versorgungszentren identische Regelungen.

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2. Sonderfall: Option zur Umsatzsteuerpflicht nach § 9 UStG

Die fehlende Umsatzsteuerpflicht ist für den Unternehmer einerseits mit (Wettbewerbs-) Vorteilen, andererseits aber auch mit Nachteilen verbunden. Denn für Umsätze, die steuerfrei sind, ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen (§ 15 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 UStG).

Mit § 9 Absatz 1 UStG kann der Unternehmer daher zur Steuerpflicht optieren. Ein Umsatz, der nach

  • § 4 Nummer 8 UStG (Zahlungsmittel, Gesellschaftsanteile),
  • § 4 Nummer 9 Buchstabe a UStG (Grundstücksgeschäfte) oder
  • § 4 Nummer 12 UStG (Vermietung von Grundstücken)

steuerfrei ist, ist dann als steuerpflichtig zu behandeln. Dadurch muss der Unternehmer einerseits Umsatzsteuer einbehalten und abführen, er kann andererseits aber auch den (vollen) Vorsteuerabzug nach den Grundsätzen des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 UStG geltend machen. Voraussetzung ist, dass der Unternehmen den Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausführt (§ 9 Absatz 1 UStG).

Weitere Einschränkungen gibt § 9 Absatz 2 UStG mit Blick auf die Steuerbefreiungen des § 4 Nummer 9 Buchstabe a und § 4 Nummer 12 UStG vor. Denn die Option zur Umsatzsteuerpflicht ist nur zulässig, soweit der Empfänger das Grundstück ausschließlich für steuerpflichtige Ausgangsumsätze verwendet. Eine entsprechende Absicht reicht aus.

Beispiele: Unternehmer U vermietet ein Geschäftsgebäude mit zwei Stockwerken (EG und OG) identischer Größe.

  • Fall eins: Das EG wird an einen selbstständigen Kaufmann, das OG an einen Steuerberater vermietet. Die Option zur Umsatzsteuerpflicht ist nach § 9 Absatz 2 UStG für beide Stockwerke zulässig, weil die Vermietungsleistung jeweils an einen Unternehmer erbracht wird, der steuerpflichtige Ausgangsumsätze erzielt
  • Fall zwei: Der Steuerberater behält seine Kanzlei im OG, ins EG zieht allerdings ein Arzt mit seiner Praxis ein. Nun ist die Option nur noch für das OG zulässig, weil die Vermietungsleistung im EG an einen Unternehmer erbracht wird, der steuerfreie Ausgangsumsätze erzielt (§ 4 Nummer 14 Buchstabe a Satz 1 UStG)

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