Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer – § 10 UStG
Was bei der Einkommensteuer das zu versteuernde Einkommen ist, stellt in der Umsatzsteuer das sogenannte Entgelt dar. Denn dieses ist die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer. Steht das Entgelt fest, kommt nur noch der entsprechende Steuersatz nach § 12 UStG zur Anwendung – und fest steht die zu zahlende Steuer. Wir geben einen Überblick über § 10 UStG, der die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer regelt.
Unser Video:
Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer
In diesem Video gehen wir auf die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer ein.
Inhaltsverzeichnis
1. Grundsatz: die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer
Nach § 10 Absatz 1 Satz 1 UStG gilt stets das Entgelt als Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer. „Entgelt“ bezeichnet dabei alles, was der Leistungsempfänger für den Erhalt der Leistung tatsächlich aufwendet (§ 10 Absatz 1 Satz 2 UStG). Das Entgelt kann daher auch in Sachwerten bestehen, was insbesondere beim Tausch relevant ist. Die Umsatzsteuer bleibt bei der Ermittlung des Entgeltes außen vor.
Maßgeblich ist immer
- das tatsächlich gezahlte Entgelt ohne Berücksichtigung vertraglicher Vereinbarungen und
- der gemeine Wert oder Verkehrswert, soweit ein Entgelt in Sachwerten besteht (Abschnitt 10.1 Absatz 3 Satz 1 UStAE).
Der Gesetzgeber löst mit seiner strikten Formulierung des § 10 UStG Abgrenzungsproblematiken, die insbesondere dann auftreten können, wenn Leistung und Gegenleistung wirtschaftlich offensichtlich unausgewogen sind. Anders als beispielsweise das Einkommensteuerrecht, sieht das UStG keine Aufteilung von Umsätzen in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil vor.
Durchlaufende Posten stellen kein Entgelt im umsatzsteuerlichen Sinne dar (§ 10 Absatz 1 Satz 6 UStG). Ein durchlaufender Posten liegt vor, wenn der Unternehmer im Zahlungsverkehr lediglich eine „Mittelsperson“ darstellt, ohne dabei selbst einen Anspruch auf den vereinnahmten Betrag zu haben (Abschnitt 10.4 Absatz 1 Satz 2 und 3 UStAE). Beispiel: A und B schließen einen Kaufvertrag, der Kaufpreis von EUR 1.000 wird aber für zwei Tage treuhänderisch bei der Bank verwahrt. Die Bank vereinnahmt lediglich einen durchlaufenden Posten, der kein Entgelt darstellt.
2. Besonderheiten der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage
Wo es einen Grundfall gibt, da bestehen auch Ausnahmen. Bei der Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer gelten besondere Vorschriften in erster Linie bei folgenden Umsatzarten:
- Tausch und tauschähnlicher Umsatz nach § 3 Absatz 12 UStG
- Unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Absatz 1b oder 9a UStG
- Leistungen an nahestehende Personen, Gesellschafter und Mitarbeiter
Der Gesetzgeber weicht in den entsprechenden Sondervorschriften kaum vom Grundsatz des § 10 Absatz 1 Satz 2 UStG ab, sodass auch hier der Begriff des „Entgelts“ maßgebend ist. Besonderheiten ergeben sich lediglich im Hinblick auf die Ermittlung des konkreten Entgelts, da es beispielsweise bei der Entnahme ins Privatvermögen an einer Gegenleistung fehlt.
2.1. Tausch und tauschähnlicher Umsatz
Ein Tausch ist nach § 3 Absatz 12 Satz 1 UStG gegeben, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer (anderen) Lieferung besteht. Demgegenüber steht der tauschähnliche Umsatz, der nach § 3 Absatz 12 Satz 2 UStG vorliegt, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung entweder in einer Lieferung oder in einer (weiteren) sonstigen Leistung besteht.
Die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer besteht in Tauschfällen stets im jeweils hingegebenen Wirtschaftsgut (§ 10 Absatz 2 Satz 2 UStG). Dabei ist der gemeine Wert, allerdings ohne die Umsatzsteuer, maßgebend.
Beispiel: A und B tauschen ein Fahrzeug (Wert EUR 23.000) gegen eine Arbeitsmaschine (Wert EUR 40.000). A erbringt an B eine Lieferung in Form eines Tausches, die Bemessungsgrundlage liegt bei EUR 23.000 (Wert des hingegebenen Wirtschaftsgutes). Der Umsatz des B beträgt entsprechend EUR 40.000.
Eine umsatzsteuerliche Besonderheit stellt der Tausch mit Baraufgabe dar. Er zeichnet sich dadurch aus, dass zwei – im Wert voneinander abweichende – Wirtschaftsgüter getauscht werden. Die entstehende Differenz gleichen die Geschäftspartner durch eine zusätzliche Barzahlung aus (Abschnitt 10.5 Absatz 1 Satz 8 UStAE). Das Entgelt ist dann aus der Summe des gemeinen Wertes des hingegebenen Wirtschaftsgutes und der Barzahlung zu ermitteln.
Beispiel: Wie oben, der A muss an B aber zusätzlich EUR 17.000 zahlen, sodass beide Unternehmer insgesamt Werte von EUR 40.000 tauschen. Es liegt ein Tausch mit Baraufgabe vor.
Nimmt ein Unternehmer ein Wirtschaftsgut zu einem höheren als dem gemeinen Wert in Zahlung, gewährt er dem Kunden einen verdeckten Preisnachlass. Dieser darf die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer aber nur mindern, wenn der gemeine Wert nachgewiesen wurde (etwa durch ein Gutachten; Abschnitt 10.5 Absatz 4 Satz 4 und 5 UStAE).
Haben Sie Fragen zur
Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer?
Unsere Kanzlei hat sich hierauf besonders spezialisiert. Vereinbaren Sie jetzt Ihren persönlichen Beratungstermin mit unseren Steuerberatern und Rechtsanwälten:
2.2. Bemessungsgrundlage bei unentgeltlichen Wertabgaben
Eine unentgeltliche Wertabgabe im umsatzsteuerlichen Sinne liegt vor, wenn der Unternehmer
- ein Wirtschaftsgut aus dem Unternehmens- in das Privatvermögen überführt (§ 3 Absatz 1b Satz 1 Nummer 1 UStG) oder
- einen dem Unternehmensvermögen zugeordneten Gegenstand für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, nutzt (§ 3 Absatz 9a Nummer 1 UStG).
Eine solche Entnahme ist allerdings nur dann steuerlich relevant, wenn das jeweilige Wirtschaftsgut zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat (§ 3 Absatz 1b Satz 2 und Absatz 9a Nummer 1 UStG).
Die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer ist bei unentgeltlichen Wertabgaben nach § 10 Absatz 4 Satz 1 und 2 UStG, jeweils ohne enthaltene Umsatzsteuerbeträge, zu berechnen:
- Lieferungen nach § 3 Absatz 1b UStG: Einkaufspreis des Wirtschaftsgutes zuzüglich der Nebenkosten oder Selbstkosten, wenn der Unternehmer den Gegenstand selbst hergestellt oder weiterverarbeitet hat
- Sonstige Leistungen nach § 3 Absatz 9a Nummer 1 UStG: Alle Ausgaben, die bei der Ausführung des Umsatzes entstehen, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigen. Hierzu gehören nach § 10 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 Satz 2 und 3 UStG auch die Anschaffungskosten des Wirtschaftsgutes, die gegebenenfalls über fünf oder zehn Jahre zu verteilen sind
Beispiel eins: Der Unternehmer entnimmt ein vor drei Jahren für EUR 20.000 zuzüglich Umsatzsteuer erworbenes Fahrzeug in sein Privatvermögen. Es liegt eine Entnahme vor, die nach § 10 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 UStG mit EUR 20.000 anzusetzen ist.
Beispiel zwei: Der Unternehmer verwendet ein geleastes Fahrzeug zu 10 % auch privat. Die monatliche Leasingrate beträgt EUR 800 zuzüglich Umsatzsteuer. Darüber hinaus fallen (steuerfreie) Versicherungsprämien von EUR 100 und (umsatzsteuerpflichtige) Nebenkosten von EUR 400 an. Die unentgeltliche Wertabgabe ist mit EUR 120 anzusetzen. Mangels Vorsteuer bleiben die Versicherungsprämien hier außen vor.
2.3. Leistungen an nahestehende Personen, Gesellschafter und Mitarbeiter
Mit § 10 Absatz 5 UStG gelten besondere Vorgaben für Gesellschaften und Arbeitgeber, die Leistungen an ihre Gesellschafter respektive Mitarbeiter ausführen. Außerdem ist hier die sogenannte Mindest-Bemessungsgrundlage zu beachten. Konkret normiert § 10 Absatz 5 Satz 1 UStG, dass § 10 Absatz 4 UStG entsprechend gilt, wenn
- eine Personen- oder Kapitalgesellschaft Lieferungen oder sonstige Leistungen an ihre Gesellschafter oder Anteilseigner ausführt,
- Einzelunternehmer entsprechende Leistungen an ihnen nahestehende Personen (insbesondere solche im Sinne des § 15 AO; Abschnitt 10.7 Absatz 1 Satz 2 UStAE) ausführen, und
- ein Unternehmer Leistungen an seine Mitarbeiter oder dessen Angehörige aufgrund des Dienstverhältnisses ausführt.
Auch hier sind also die Anschaffungs- oder Selbstkosten maßgebend. § 10 Absatz 4 UStG ist darüber hinaus nur anzuwenden, wenn das so ermittelte Entgelt das tatsächlich vereinbarte Entgelt (§ 10 Absatz 1 Satz 1 UStG) übersteigt (Mindest-Bemessungsgrundlage). Als Obergrenze gilt der marktübliche Betrag, der für eine entsprechende Leistung fällig werden würde (§ 10 Absatz 5 Satz 1 Halbsatz 2 UStG).
Beispiel zur Mindest-Bemessungsgrundlage: Eine Personengesellschaft überlässt ihrem Gesellschafter einen PKW zur privaten Nutzung. Hierfür belastet sie dessen Privatkonto mit EUR 2.400 pro Jahr. Die zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgaben (Kraftstoff, Ölwechsel, Reparaturen) liegen im Kalenderjahr allerdings bei EUR 3.600. Marktüblich wäre eine jährliche Fahrzeugmiete von EUR 4.500.
Lösung: Das Entgelt, das der Gesellschafter je Kalenderjahr entrichtet, ist niedriger als die nach § 10 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 UStG anzuwendende Bemessungsgrundlage. Es liegt außerdem unter der marktüblichen Miete für ein entsprechendes Fahrzeug. Die Gesellschaft hat die PKW-Überlassung daher mit EUR 3.600 zu versteuern, da § 10 Absatz 4 UStG entsprechend anzuwenden ist (§ 10 Absatz 5 Satz 1 Halbsatz 1 UStG).
Für Sie ebenfalls interessant:
PKW-Vermietung
In diesem Video diskutieren Daniel Denker und Christoph Juhn ein steuerliches Gestaltungsmodell zwischen Ehegatten.
3. Entgelt von dritter Seite und Zuschüsse
Nach § 10 Absatz 1 Satz 3 UStG gehören zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage auch Beträge, die ein anderer als der Leistungsempfänger für die jeweilige Leistung aufwendet (Entgelt von dritter Seite). Dabei ist es dem Grunde nach unerheblich, wie die Zahlung des Dritten bezeichnet ist (etwa als „Zuschuss“). Zu unterscheiden ist nach einschlägiger Rechtssprechung und Verwaltungsauffassung zwischen
- Entgelt für eine Leistung,
- zusätzlichem Entgelt, das eine dritte Person zuzahlt, und
- einem echten, steuerlich unerheblichen, Zuschuss (Abschnitt 10.2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 UStAE).
Besteht zwischen dem leistenden und dem die Leistung empfangenden Unternehmer ein Leistungsaustausch, liegt klassisches Entgelt im Sinne des § 10 Absatz 1 Satz 1 und 2 UStG vor. Dies gilt auch dann, wenn es mehrere Leistungsempfänger gibt, die sich das Entgelt untereinander teilen. Der (auch zeitversetzte oder zeitlich gestreckte) Erhalt einer konkreten Lieferung oder sonstigen Leistung ist ein klares Indiz für das Vorliegen eines Leistungsaustauschs.
Fehlt es an einem Leistungsaustausch zwischen dem leistenden einerseits und dem empfangenden Unternehmer andererseits, liegt möglicherweise Entgelt von dritter Seite vor. Der zahlende Dritte ist dabei kein Leistungsempfänger, da sonst § 10 Absatz 1 Satz 1 UStG anzuwenden wäre (Abschnitt 10.2 Absatz 3 Satz 2 bis 4 UStAE). Beispiel: A und B schließen einen Kaufvertrag. Der C greift dem A finanziell unter die Arme und übernimmt ein Drittel des Kaufpreises von EUR 15.000. B hat die vollen EUR 15.000 zu versteuern, auch wenn er unmittelbar von A nur EUR 10.000 erhalten hat.
Echte Zuschüsse, die kein Entgelt im umsatzsteuerlichen Sinne darstellen, liegen vor, wenn es an einem Leistungsaustausch fehlt (Abschnitt 10.2 Absatz 7 Satz 1 und 2 UStAE). Dies ist etwa in folgenden Fällen relevant:
- Die Bundesagentur für Arbeit gewährt dem Unternehmer einen Zuschuss
- Der Bund fördert die Anschaffung von Elektrofahrzeugen
- Eine besonders leistungsstarke Sportlerin erhält Förderungen vom BMI
4. Änderung der Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer – § 17 UStG
Die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer kann sich auch nachträglich ändern, beispielsweise durch
- die Gewährung von Skonti oder anderen Preisnachlässen,
- die Rückgabe des erhaltenen Wirtschaftsgutes oder
- die Anmeldung der Insolvenz und damit verbundene Nichtausführung der vereinbarten Lieferung oder sonstigen Leistung durch den betroffenen Unternehmer.
Ändert sich die Bemessungsgrundlage bereits im Vorfeld, findet unmittelbar § 10 Absatz 1 Satz 1 UStG Anwendung. Maßgebend ist dann von vornherein die niedrigere oder höhere Bemessungsgrundlage, sodass es gar nicht erst zu einer „Änderung“ im eigentlichen Sinne kommt.
Hat der Unternehmer den Umsatz aber bereits ausgeführt, ist § 17 Absatz 1 Satz 1 und 2 und Absatz 2 UStG einschlägig. Demnach sind Umsatz- und Vorsteuer zu berichtigen, soweit sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 1 UStG geändert hat. Die Berichtigung hat der Unternehmer für denjenigen Monat vorzunehmen, in dem die Änderung eingetreten ist (§ 17 Absatz 1 Satz 7 UStG).
Beispiel: A lieferte an B ein Fahrzeug für EUR 59.950 (inklusive Umsatzsteuer). Zwei Wochen später stellt sich heraus, dass der Wagen einen kleinen, aber zu vernachlässigenden, Mangel aufweist. A gewährt aus Kulanz dennoch einen Rabatt von 10 % auf den Bruttopreis. Die Bemessungsgrundlage ändert sich entsprechend um (EUR 59.950 * 10 % = EUR 5.995 / 1,19 * 19) EUR 957,18.
Ein weiterer Änderungstatbestand ist nach § 17 Absatz 2 Nummer 4 UStG gegeben, wenn der Unternehmer in den Fällen des innergemeinschaftlichen Erwerbs den Nachweis nach § 3d Satz 2 UStG (Versteuerung im Zielland) führt. Denn bis zu diesem Zeitpunkt gilt der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs als im EU-Ausland gelegen.
Steuerberater für Umsatzsteuergestaltungen
Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Gestaltungsberatung im Bereich der Unternehmens- und damit auch auf die Umsatzsteuer spezialisiert. Im persönlichen Termin schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:
- Umsatzsteuerliche Bewertung des Share Deals und Asset Deals
- Durchführung der Vorsteuerabzugsberichtigung nach § 15a UStG
- Gründung von Holdinggesellschaften (Realisierung steuerfreier Veräußerungsgewinne, Dividendenerträge)
- Entwicklung individueller Gestaltungsmodelle im internationalen Steuerrecht, beim Unternehmenskauf/-verkauf und bei Umstrukturierungen)
- Begründung umsatzsteuerlicher Organschaften
Hierzu stehen Ihnen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte an den Standorten Köln und Bonn gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Zudem beraten wir deutschlandweit per Telefon und Videokonferenz: