Wirksame Selbstanzeige: Diese Punkte müssen enthalten sein
Während bei Taten nach dem Strafgesetzbuch (StGB) lediglich eine Milderung der Strafe nach § 46b Absatz 1 StGB infrage kommt, enthält § 371 AO einen persönlichen Strafaufhebungsgrund. Liegen die tatbestandlichen Merkmale vor, wird der Täter aufgrund seiner wirksamen Selbstanzeige nicht für die begangene Steuerhinterziehung bestraft. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass eine unwirksame Selbstanzeige keine Strafbefreiung bewirkt.
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Wirksame Selbstanzeige
In diesem Video erklären wir, welche Voraussetzungen für eine wirksame Selbstanzeige nach § 371 AO erfüllt sein müssen.
Inhaltsverzeichnis
1. Grundsatz: Wirksame Selbstanzeige bei einer Steuerhinterziehung
Die Selbstanzeige ist in § 371 AO geregelt und bezieht sich explizit auf Steuerstraftaten, namentlich insbesondere die Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO. Damit die Norm überhaupt Anwendung findet, muss also zunächst eine Steuerhinterziehung – und nicht etwa eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO – vorliegen.
Steuern sind im Sinne des § 370 Absatz 1 und 4 AO hinterzogen, wenn sie durch
- fehlende,
- fehlerhafte,
- unvollständige oder
- unrichtige
Angaben des Steuerpflichtigen oder einer anderen Person gar nicht, zu niedrig oder zu spät festgesetzt werden (§ 370 Absatz 4 Satz 1 AO). Zu Unrecht erhaltene Steuervergütungen und sonstige Steuervorteile (etwa eine Vorsteuer-Erstattung oder höhere als die zulässigen Abschreibungen) stehen verkürzten Steuern gleich.
Wer also beispielsweise seine Einkommensteuer-Vorauszahlungen herabsetzen lässt, obwohl er weiß, dass seine Einkünfte hierfür zu hoch sind, kann ebenfalls eine Steuerhinterziehung begehen. Vollumfängliche Strafbarkeit nach § 370 AO besteht allerdings nur bei vorsätzlichem Handeln („Wissen und Wollen“ im Sinne des § 15 Alternative 1 StGB). Die grob fahrlässige Verkürzung von Steuern wird nach § 378 AO lediglich als Ordnungswidrigkeit bestraft.
Liegen die Voraussetzungen des § 370 AO vor, so werden alle Tatbeteiligten als Täter, Mittäter, Anstifter oder Gehilfen (§§ 25 bis 27 StGB) bestraft. Sie haben entsprechend alleine oder gemeinsam die Möglichkeit, eine wirksame Selbstanzeige abzugeben.
2. Inhalt und Folgen einer Selbstanzeige nach § 371 AO
Mit der Möglichkeit einer wirksamen und dadurch strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO privilegiert der Gesetzgeber Steuerstraftaten gegenüber „sonstigen“ Straftaten teils erheblich. Denn er gibt mit ihr Personen, die Steuern hinterzogen haben, ein umfassendes Werkzeug zur Vermeidung strafrechtlicher Konsequenzen an die Hand. Schauen wir uns daher einmal etwas genauer an, wie diese Privilegierung zu rechtfertigen ist, welchen Inhalt eine wirksame Selbstanzeige mindestens haben muss und wie weit ihre Auswirkungen reichen.
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2.1. Die Privilegierung des Steuerstraftäters gegenüber anderen Straftätern
Mit der Möglichkeit einer wirksamen Selbstanzeige können Steuerstraftäter einer Bestrafung wegen Steuerhinterziehung vollständig entgehen. Die Vorschrift beinhaltet daher eine offensichtliche Privilegierung der Tatbeteiligten, denn beispielsweise bei einem Diebstahl kann auch dann keine Straffreiheit eintreten, wenn der Täter
- den entwendeten Gegenstand an das Opfer zurückgibt,
- sich entschuldigt und
- zusätzlich die durch den Diebstahl verursachten Mehraufwendungen (zum Beispiel Verdienstausfall) ersetzt.
In solchen Fällen wird zwar regelmäßig eine Strafmilderung nach den §§ 46b und 49 StGB infrage kommen, allerdings keine vollständige Straffreiheit eintreten. Rechtfertigen lässt sich § 371 AO daher vor allem mit zwei Wirkungen (unter anderem auch durch Urteil des BVerfG vom 28.06.1983, 1 BvL 31/82 für verfassungsgemäß erklärt):
- Erschließung bisher verborgener Steuerquellen: Spätestens durch die Selbstanzeige kommen Einkommensquellen des Steuerpflichtigen zum Vorschein. Der Fiskus profitiert dadurch für bis zu zehn Jahre rückwirkend, aber auch im Hinblick auf die Zukunft – schließlich ist die Einkunftsquelle des Steuerpflichtigen nun dauerhaft bekannt
- Rückkehr zur Steuerehrlichkeit: Die Komplexität und Vielschichtigkeit des Steuersystems sorgt, gemeinsam mit internationalen Bezügen, für viele nur noch schwer kontrollierbare Vorschriften. Die Finanzverwaltung ist daher in der Mehrheit der Fälle auf die Ehrlichkeit der Bürger angewiesen
Trotz vorhandener Rechtfertigungsgründe und der Verfassungsmäßigkeit verzichtet der Staat bei einer wirksamen Selbstanzeige auf seinen in § 370 AO verankerten Strafanspruch. § 371 AO ist daher eine Ausnahme und entsprechend restriktiv auszulegen. Dies gilt insbesondere für die Sperrgründe des § 371 Absatz 2 AO, die zur Unwirksamkeit der Selbstanzeige führen.
2.2. Notwendiger Inhalt einer wirksamen Selbstanzeige
Um eine tatsächlich wirksame Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO abzugeben, müssen entsprechend des Absatzes 1
- zu allen Steuerstraftaten
- einer Steuerart (etwa Umsatzsteuer) und
- in vollem Umfang
alle fehlerhaften respektive unterbliebenen Angaben berichtigt oder nachgeholt werden. Notwendig ist dabei die Offenlegung sämtlicher Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens jedoch der letzten zehn Kalenderjahre gerechnet ab Abgabe der Selbstanzeige (§ 371 Absatz 1 Satz 2 AO). Infolge einer wirksamen Selbstanzeige tritt die Straffreiheit partiell, das heißt explizit nur für die Steuerart, für die der Steuerpflichtige alle Angaben berichtigt und nachgeholt hat, ein.
Gegenstand der Selbstanzeige ist daher die Gesamtheit aller Steuerstraftaten einer Steuerart der letzten zehn Jahre. Holt der Steuerpflichtige nur die Angaben einzelner Steuerstraftaten nach, ist die Anzeige insgesamt unwirksam.
Nach einschlägiger Rechtsprechung muss die Selbstanzeige nicht so ausführlich sein, dass das Finanzamt ohne jegliche Nachforschungen eine geänderte Festsetzung durchführen kann. Sie müssen aber ausreichen, um sämtliche Steuerstraftaten der jeweiligen Steuerart lückenlos aufzuklären und so die materiell richtige Steuer festzusetzen.
2.3. Form der Selbstanzeige nach § 371 AO
Der Gesetzgeber stellt in § 371 AO keine besonderen Anforderungen an die Form einer wirksamen Selbstanzeige. Gewisse Formerfordernisse und Vorgehensweisen können sich aber aus den Sperrgründen des Absatzes 2 ergeben, denn nur wenn eine Steuerstraftat bislang unentdeckt geblieben ist, entfaltet die Selbstanzeige auch tatsächlich ihre strafbefreiende Wirkung (§ 371 Absatz 2 Nummer 2 AO).
In der Praxis ist daher von der „Selbstanzeige in Stufen“ abzuraten. Hierbei werden dem Finanzamt Stück für Stück weitere Informationen zum strafbewährten Sachverhalt mitgeteilt. Der Steuerpflichtige trägt in diesen Fällen das Risiko, dass die gesamte Tat bereits auf der ersten Stufe entdeckt wird und die Selbstanzeige der nächsten „Stufen“ keine strafbefreiende Wirkung mehr entfalten kann – wohl aber auf der ersten Stufe, wenn die Anzeige insoweit wirksam war (§ 371 Absatz 1 AO).
Adressat der Selbstanzeige ist das für die jeweilige Steuer örtlich und sachlich zuständige Finanzamt. Nach herrschender Meinung ist es allerdings unschädlich, die Anzeige bei jeder anderen (zuständigen) Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 AO einzureichen. Denn der Gesetzgeber verwendet in § 371 Absatz 1 Satz 1 AO lediglich den Terminus „gegenüber der Finanzbehörde“, sodass auch eine für das Verfahren selbst unerhebliche Verbindung zum Steuerpflichtigen ausreicht.
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3. Ausschluss der wirksamen Selbstanzeige nach § 371 Absatz 2 AO
In § 371 Absatz 2 AO sind abschließend Hinderungsgründe aufgeführt. Sie schließen, auch wenn im Übrigen die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, eine wirksame Selbstanzeige aus. Besonders relevant sind die folgenden Umstände nach § 371 Absatz 2 Nummer 1 AO:
- Dem Steuerpflichtigen wurde vor Eingang der Anzeige eine Prüfungsanordnung (PA) im Sinne der §§ 196 und 197 AO bekanntgegeben. Die PA ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 118 Satz 1 AO, sodass die Vorschriften über die Bekanntgabe nach § 122 Absatz 2 AO anzuwenden sind. Eine Bekanntgabe findet demnach grundsätzlich am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post statt; die Beweislast liegt allerdings beim Finanzamt. Im Falle der Zustellung ist der auf der Zustellungsurkunde (PZU) vermerkte Zeitpunkt maßgebend
- Dem Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter (etwa Steuerberater) wurde die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben
- Ein Amtsträger der Finanzbehörde ist zur Außenprüfung, etwa einer Umsatzsteuer-Nachschau, oder zur Durchführung straf- oder bußgeldrechtlicher Ermittlungen erschienen
In den Fällen der Außenprüfung (Betriebsprüfung, USt- oder LSt-Sonderprüfung) tritt die Unwirksamkeit der Selbstanzeige nur für die Steuerarten und Besteuerungszeiträume ein, auf die sich die Prüfungsanordnung oder Prüfungshandlung der Finanzbehörde bezieht. Maßgebend ist also der Inhalt des bekanntgegebenen Verwaltungsaktes (§§ 118 Satz 1 und 124 Absatz 1 Satz 2 AO).
Straffreiheit ist außerdem ausgeschlossen, wenn eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung ganz oder teilweise bereits entdeckt wurde und der Steuerpflichtige hiervon entweder wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage mit der Entdeckung rechnen musste (§ 371 Absatz 2 Nummer 2 AO).
Abschließend liegt keine wirksame Selbstanzeige vor, wenn die verkürzte Steuer je Tat den Betrag von EUR 25.000 übersteigt (§ 371 Absatz 2 Nummer 3 AO). Der entsprechende Grenzbetrag gilt für ungerechtfertigterweise erlangte oder erhaltene Steuervorteile und Steuervergütungen.
4. Unverzügliche Nachentrichtung von Steuern und Zahlung von Zinsen
Liegt dem Grunde nach eine wirksame Selbstanzeige nach § 371 Absatz 1 AO vor und sind keine Ausschlussgründe nach Absatz 2 erkennbar, kommt Absatz 3 zur Anwendung. Denn die Straffreiheit tritt nur ein, wenn der Steuerpflichtige
- die gesamte hinterzogene Steuer,
- gegebenenfalls zu Unrecht erhaltene Steuervorteile und
- auf die entsprechenden Beträge anfallende Zinsen nach § 235 AO
innerhalb einer vom Finanzamt zu bestimmenden, angemessenen Frist (nach-) zahlt. Bis zur Leistung der Zahlung ist noch keine Straffreiheit eingetreten; es besteht lediglich ein mit einer Anwartschaft vergleichbarer Anspruch auf diese. Gegen die Fristsetzung kann sich der Betroffene wehren, eröffnet ist der Weg zu den ordentlichen Gerichten (Klein/Jäger, AO, § 371, Randziffer 229).
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5. Keine wirksame Selbstanzeige – Absehen von der Verfolgung nach § 398a AO
Erstattet der Steuerpflichtige nur deshalb keine wirksame Selbstanzeige, weil
- die hinterzogene Steuer oder der erlangte Steuervorteil nach § 371 Absatz 2 Nummer 3 AO bei mehr als EUR 25.000 liegt oder
- ein besonders schwerer Fall (§§ 370 Absatz 4 Nummern 2 bis 6 und 371 Absatz 2 Nummer 4 AO) vorliegt,
so kommt ein Absehen von der Verfolgung nach § 398a Absatz 1 AO in Betracht. Die Staatsanwaltschaft kann das Verfahren wegen Steuerhinterziehung entsprechend einstellen. Voraussetzung ist aber auch hier, dass alle hinterzogenen Steuern nach- und erhaltene Steuervergütungen zurückgezahlt werden. Außerdem hat der Steuerpflichtige die anfallenden Zinsen nach § 235 AO zu entrichten.
Weitere Voraussetzung für die Einstellung des Strafverfahrens ist die Zahlung eines Geldbetrages. Dessen Höhe bemisst sich prozentual nach der hinterzogenen Steuer und beträgt nach § 398 Absatz 1 Nummer 2 AO:
- 10 %, wenn der Hinterziehungsbetrag bei maximal EUR 100.000 lag
- 15 %, wenn der Hinterziehungsbetrag zwar bei mehr als EUR 100.000, aber weniger als EUR 1.000.000 lag
- 20 % bei einem Hinterziehungsbetrag von mehr als EUR 1.000.000
Beispiel: A hat insgesamt EUR 500.000 an Einkommensteuer hinterzogen. Er reicht eine dem Grunde nach wirksame Selbstanzeige beim Finanzamt ein. Durch § 371 Absatz 2 Nummer 3 AO löst diese aber keine Straffreiheit aus, weil der hinterzogene Betrag die Grenze von EUR 25.000 übersteigt. Finanzamt und Staatsanwaltschaft betreiben nun das Steuerstrafverfahren gegen A.
Der Staatsanwalt kann das Verfahren nun einstellen, wenn A
- die hinterzogene Steuer von EUR 500.000 vollständig nachzahlt,
- Zinsen von derzeit 6 % pro Jahr (0,5 % pro Monat) entrichtet und
- 15 % von EUR 500.000, hier also EUR 75.000, als zusätzliche Zahlung an die Staatskasse leistet.
6. Achtung: Puffer bei Selbstanzeige einplanen!
Bei Selbstanzeigen nach § 371 AO ist es zweckmäßig, einen gewissen finanziellen Puffer einzuplanen. Dem Finanzamt sollte also tendenziell eine höhere als die tatsächlich hinterzogene Steuer mitgeteilt werden. So stellen wir als Steuerkanzlei sicher, dass auch dann strafbefreiende Wirkung eintritt, wenn das Finanzamt von den nachgeholten Angaben abweicht.
Beispiel: Es wird ein Betrag von EUR 100.000 an verschwiegenen Gewinnen berechnet, auf den EUR 40.000 Steuer nachzuentrichten sind. Dieser Aufforderung des § 371 Absatz 3 AO kommt der Steuerpflichtige auch nach. Das Finanzamt erkennt nun diverse Betriebsausgaben nicht an und errechnet einen Gewinn von EUR 150.000. Hierauf fielen EUR 60.000 an Steuer an.
Der Steuerpflichtige hat im genannten Beispiel eine zu niedrige Steuer nachgezahlt. Das Finanzamt kann die Selbstanzeige nun als unwirksam verwerfen und von Straffreiheit nach § 371 Absatz 1 AO absehen.
Sind nun die geänderten Bescheide ergangen, können wir hiergegen wieder Einspruch einlegen und so die materiell-rechtlich korrekte Steuer feststellen lassen. So umgehen wir das Risiko eines zu niedrig nachentrichteten Steuerbetrages.
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