Insolvenzrecht: Grundlagen und Ziele des Verfahrens
Kern des Insolvenzrechts ist die Insolvenzordnung (InsO), die Beginn, Durchführung und Abschluss des Insolvenzverfahrens gemeinsam mit weiteren Gesetzen regelt. Dabei stellt die Insolvenz grundsätzlich eine akute Zahlungsunfähigkeit, also die fehlende Möglichkeit des Unternehmens, ausstehende Verbindlichkeiten zu begleichen, dar. Neben dem Unternehmens- steht das Verbraucherinsolvenzverfahren, das ausschließlich Privatpersonen betrifft.
Unser Video:
Grundlagen des Insolvenzverfahrens
In diesem Video gehen Christoph Juhn und Stephan Arens auf die wichtigsten Grundsätze des Insolvenzrechts ein.
Inhaltsverzeichnis
1. Grundlage des Insolvenzrechts: Die Insolvenz des Schuldners
Nach § 11 InsO kann das Insolvenzverfahren über das Vermögen jeder natürlichen und jeder juristischen Person eröffnet werden. Nicht rechtsfähige Vereine stehen den juristischen Personen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 2 InsO gleich. Darüber hinaus ist die Eröffnung über das Vermögen von Personengesellschaften, insbesondere GbR, OHG und KG, sowie von Erben- und ehelichen Gütergemeinschaften möglich (§ 11 Absatz 2 Nummer 2 InsO).
Wurde eine der genannten Gesellschaften bereits aufgelöst, findet das Insolvenzrecht nur Anwendung, soweit noch keine Verteilung des Vermögens erfolgt ist (§ 11 Absatz 3 InsO).
Voraussetzung für den Beginn des Insolvenzverfahrens ist ein Eröffnungsgrund nach den §§ 16 fort folgende InsO. Ein solcher liegt vor bei:
- Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO): Ein Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er außerstande ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Die Fälligkeit richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des bürgerlichen Rechts (BGB). Von Zahlungsunfähigkeit ist auszugehen, wenn der Schuldner die Zahlungen eingestellt hat
- Drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO): Zahlungsunfähigkeit droht, wenn aufgrund der aktuellen Ertrags- und Vermögenslage sowie der anstehenden – also in Zukunft fälligen – Verbindlichkeiten abzusehen ist, dass der Schuldner seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann. Dabei ist regelmäßig ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen, sofern der Einzelfall keinen kürzeren Zeitraum erforderlich macht (§ 18 Absatz 2 Satz 2 InsO)
- Überschuldung (§ 19 InsO): Dieser Eröffnungsgrund kann nur bei juristischen Personen, etwa der GmbH, vorliegen. Überschuldung ist nach § 19 Absatz 2 InsO gegeben, wenn das vorhandene Vermögen der Person die bestehenden Verbindlichkeiten unterschreitet. Verbindlichkeiten, die aus einem Gesellschafterdarlehen (Darlehen des Gesellschafters an die GmbH) resultieren, sind bei Vereinbarung eines Rangrücktritts im Sinne des § 39 Absatz 4 InsO keine Verbindlichkeiten im Sinne des § 19 Absatz 2 Satz 1 InsO (Satz 3)
Der Eröffnungsgrund muss im Zeitpunkt der Antragstellung vorliegen. Fehlt es an dieser Voraussetzung, ist die Stellung des Insolvenzantrages erst möglich, wenn zumindest eine drohende Zahlungsunfähigkeit gegeben ist.
2. Gerichtliche Zuständigkeiten im Insolvenzrecht
Für die Anwendung des Insolvenzrechts und das Verfahren selbst besteht beim örtlich zuständigen Amtsgericht ein gesondertes Insolvenzgericht (§ 2 Absatz 1 InsO). Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts umfasst den gesamten Bezirk des Landgerichts, in dessen Bezirk es liegt. Die Länder bestimmen entsprechend, welches Amtsgericht im Landgerichtsbezirk als zentrales Insolvenzgericht fungiert (§ 2 Absatz 2 InsO). So sind beispielsweise die Abteilungen 71 bis 75 des Amtsgerichts Köln für den gesamten Bezirk des Kölner Landgerichts Insolvenzgericht.
Das Insolvenzgericht hat während des gesamten Verfahrens die in § 5 InsO normierten Verfahrensgrundsätze zu beachten:
- Es ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen und zugunsten sowie zuungunsten des Schuldners. Es darf zu diesem Zweck Zeugen und Sachverständige vernehmen
- Das Gericht entscheidet über die mündliche oder schriftliche Durchführung des Verfahrens; überschaubare Verfahren sind dabei stets schriftlich durchzuführen
- Datensätze, Entscheidungen und sonstige Informationen sollen vom Insolvenzgericht über das zentrale Gläubigerinformationssystem an den Insolvenzverwalter übermittelt werden. Entsprechendes gilt umgekehrt
Im Übrigen finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) auf das Insolvenzverfahren Anwendung, soweit sie die InsO nicht explizit ausschließt (§ 4 InsO). Relevant sind die Normen der ZPO insbesondere im Hinblick auf Pfändungen und geltende Freibeträge sowie die mündliche Verhandlung, soweit eine solche stattfindet.
Das Insolvenzgericht macht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens öffentlich bekannt (www.insolvenzbekanntmachungen.de), § 9 Absatz 1 InsO. Die Bekanntmachung dient in erster Linie dem Gläubigerschutz und damit als Warnung, mit dem insolventen Unternehmen weiterhin Verträge zu schließen.
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3. Allgemeine Ziele des Insolvenzverfahrens
Das Insolvenzrecht sieht bei erfolgreichem Abschluss des Verfahrens eine vollständige Restschuldbefreiung – also den Erlass aller noch bestehenden Verbindlichkeiten nach der „Wohlverhaltenszeit“ – vor. Die konkreten Ziele des Insolvenzverfahrens definiert der Gesetzgeber dabei direkt in § 1 InsO:
- Die Gläubiger des Schuldners sollen gleichmäßig und einheitlich befriedigt werden
- Dem redlichen Schuldner wird die Möglichkeit gegeben, sich von seinen restlichen Verbindlichkeiten zu befreien
Im Ergebnis soll die sogenannte Insolvenzmasse, ergo das Vermögen des Schuldners, zu gleichen Teilen auf die vorhandenen Gläubiger verteilt werden. Es gilt also nicht das Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“. Vielmehr stellt der Insolvenzverwalter die Summe der Verbindlichkeiten dem Vermögen gegenüber und errechnet – vereinfacht dargestellt – eine passende Befriedigungsquote. So kann sich beispielsweise ergeben, dass jeder Gläubiger 40 % seiner ausstehenden Forderungen erhält.
Während Privatpersonen die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Neuanfangs gegeben werden soll (§ 201 InsO), steht bei Unternehmen die Sanierung des Geschäftsbetriebs im Vordergrund. Diese hat also grundsätzlich Vorrang vor dem Insolvenzverfahren, was neben den Normen der InsO beispielsweise auch mit § 8c Absatz 1a KStG (Erwerb einer Körperschaft für Zwecke der Sanierung, Mitnahmefähigkeit von Verlusten) zum Ausdruck kommt.
Über Sanierung und Restschuldbefreiung hinaus verfolgt das Insolvenzverfahren den Zweck, finanziell instabile Unternehmen vom Markt auszuschließen. Hintergrund ist, dass Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit auch andere Betriebe, die mit dem insolventen Unternehmen Geschäftsbeziehungen unterhalten, in Mitleidenschaft ziehen und Liquiditätsengpässe verursachen (können).
4. Grundlegender Ablauf im Insolvenzrecht: Vom Eröffnungsantrag zum Abschluss
Über die einzelnen Schritte des Insolvenzverfahrens haben wir bereits verschiedene Beiträge veröffentlicht. Daher stellen wir den Ablauf eines Verfahrens im Insolvenzrecht hier nur kurz und oberflächlich dar:
- Antrag: Das Insolvenzverfahren wird auf Antrag, der entweder freiwillig oder verpflichtend ist, eröffnet. Das Insolvenzgericht stellt unter Prüfung von Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags fest, ob alle Voraussetzungen (insbesondere die der §§ 17 bis 19 InsO) für die Eröffnung des Verfahrens vorliegen. Hierzu kann es auch externe Gutachter und Sachverständige, meist gleichzeitig Insolvenzverwalter, beauftragen.
- Eröffnungsbeschluss: Liegen alle Voraussetzungen vor, erteilt das Insolvenzgericht den Eröffnungsbeschluss. Dessen sofortige öffentliche Bekanntmachung ist zwingend erforderlich (§ 30 Absatz 1 InsO).
- Bericht und Prüfung: Der Insolvenzverwalter nimmt die zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenstände unverzüglich in seinen Besitz; Verfügungen des Schuldners über die Insolvenzmasse sind ab diesem Zeitpunkt ausgeschlossen. Nach der Erstellung von Vermögens- und Schuldverzeichnissen nimmt der Insolvenzverwalter die Forderungsanmeldungen der Gläubiger entgegen (§ 174 InsO). Alle Forderungen sind nach Betrag und Rang zu prüfen, dies geschieht in einem gemeinsamen Prüfungstermin (der sogenannten Gläubigerversammlung).
- Abwicklung schwebender Geschäfte: Üblicherweise steht der Schuldner bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch in vertraglichen Beziehungen zu anderen Personen. Das Insolvenzrecht schreibt vor, dass derartige Geschäfte – nach Einschätzung des Insolvenzverwalters – entweder fortgeführt und zum Abschluss gebracht oder unmittelbar beendet werden. Der Insolvenzverwalter ist allerdings verpflichtet, Verträge, aus denen Zahlungsansprüche des Schuldners resultieren, nach Möglichkeit zum Abschluss zu bringen, um die ausstehende Zahlung zu vereinnahmen.
- Verwertung der Masse: Nun folgt die Verteilung der Insolvenzmasse auf die einzelnen Gläubiger. Hierbei sind die von der InsO vorgegebenen Ränge (Reihenfolge der Befriedigung von Gläubigern) zu beachten.
- Abschluss des Insolvenzverfahrens: Nach der Schlussverteilung beschließt das Gericht den Abschluss des Insolvenzverfahrens (§ 200 InsO). Forderungen der Gläubiger können, soweit sie nicht bereits im Verfahren befriedigt wurden, nun wieder gegen den Schuldner geltend gemacht werden.
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5. Besonderheit: Das Verbraucherinsolvenzverfahren
Für zahlungsunfähige natürliche Personen steht das vereinfachte Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 Absatz 1 Satz 2 InsO zur Verfügung. Viele Abläufe entsprechen dabei denen des regulären Verfahrens im Insolvenzrecht, wobei zunächst ein außergerichtlicher Einigungsversuch zwischen Gläubigern und Schuldner stattfindet. Nur wenn dieser scheitert, kommt es zum gerichtlichen Einigungsverfahren. Das gerichtliche Insolvenzverfahren beginnt nur, wenn auch der Einigungsversuch vor Gericht scheitert. Im Anschluss an das Verfahren kann eine vollständige Restschuldbefreiung, regelmäßig nach einer fünf Jahre dauernden „Wohlverhaltensperiode“, erfolgen. In dieser Zeit muss der Schuldner den höchstmöglichen Betrag der ausstehenden Verbindlichkeiten tilgen. Er hat außerdem alles ihm Zumutbare zu unternehmen, um sein Einkommen aufrechtzuerhalten oder bestenfalls zu steigern. Entsprechendes gilt für die Verwertung von Vermögensgegenständen, etwa Grundstücken.
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