Nachlassverbindlichkeiten nach jedem Erbfall absetzen
Erben können die Nachlassverbindlichkeiten, wie beispielsweise Beerdigungskosten zur Reduktion der Erbschaftsteuer geltend machen. Dazu gibt es gemäß § 10 Absatz 5 Nummer 3 Satz 2 ErbStG einen Pauschbetrag von EUR 10 300. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte nunmehr zu entscheiden, ob dieser Pauschbetrag auch im Rahmen einer Vorerbschaft und Nacherbschaft zu gewähren ist. Dies erklären wir im Folgenden.
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Wir erklären, wie sich die Erbschaftsteuer berechnet und die unterschiedlichen Steuerklassen und Steuersätze.
Inhaltsverzeichnis
1. Nachlassverbindlichkeit und Vorerbschaft und Nacherbschaft: Definitionen
1.1. Nachlassverbindlichkeit
Als Nachlassverbindlichkeiten gelten beispielsweise die Kosten der Bestattung des Erblassers, die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal, die Kosten für die übliche Grabpflege mit ihrem Kapitalwert für eine unbestimmte Dauer sowie die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen.
Für diese Kosten wird ein Pauschbetrag von EUR 10 300 gewährt (§ 10 Absatz 5 Nummer 3 Satz 2 ErbStG). Der Betrag ist für jeden Erbfall nur einmal zu gewähren.
1.2. Vorerbschaft und Nacherbschaft
Durch die richtige Nachfolgeplanung lässt sich die Steuerlast optimieren. Eine Möglichkeit der Nachfolgeplanung ist es testamentarisch Vor- und Nacherbschaft zu regeln. Dann erbt der Vorerbe – zumeist der Ehepartner – das Vermögen. Er muss das Vermögen aber für den Nacherben – oft die Kinder – erhalten. Diese erben dann von dem Vorerben das entsprechende Vermögen.
Diese Erbfolge hat auch Folgen für die Erbschaftsteuer. Erben steht für Kosten des Nachlasses, der Pauschbetrag von EUR 10 300 zu. Diesen können sie bei der Erbschafteuer steuerreduzierend geltend machen. Erbt ein Ehepartner, so ist der Freibetrag im Rahmen der Erbschaftsteuer mit EUR 500 000 hingegen so hoch, dass oft keine Erbschaftsteuer anfällt. In diesem Fall wirkt sich der Pauschbetrag zum Abzug der Nachlassverbindlichkeiten nicht aus, da ohnehin keine Steuer anfällt. Der Nacherbe hingegen könnte lediglich einen geringeren Freibetrag haben, so dass für ihn die Anwendung des Pauschbetrags von erheblicher Bedeutung ist.
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2. Problem bei der Vorerbschaft und Nacherbschaft
Der Bundesfinanzhof entschied kürzlich einen solchen Fall zur Vor- und Nacherbschaft. Dabei wollte der Nacherbe den oben genannten Pauschbetrag zum Abzug der Nachlassverbindlichkeiten nutzen. Der Vorerbe war der Ehemann der Verstorbenen. Er hatte den Pauschbetrag nicht verwendet, da der Freibetrag im Rahmen der Erbschaftsteuer nicht überschritten wurde und somit ohnehin keine Erbschaftsteuer anfiel.
Die Nichte hingegen hat nur einen Freibetrag von EUR 20 000. Dieser war durch ihre Erbschaft überschritten. Für sie war also die Anwendung des Pauschbetrags von EUR 10 300 von besonderer Bedeutung. Das Finanzamt lehnte die Anwendung des Pauschbetrags jedoch ab. Dagegen klagte die Nichte bis zum Bundesfinanzhof (BFH). Damit hatte der BFH darüber zu entscheiden, ob auch dem Nacherben im Rahmen einer Vorerbschaft und Nacherbschaft der Pauschbetrag von 10 300 Euro zum Abzug der Nachlassverbindlichkeiten bei der Erbschaftsteuer gewährt werden kann, obwohl er doch eigentlich ebenfalls Erbe des Erstverstorben ist. Dann wären die Nachlassverbindlichkeiten eigentlich schon bei dem Vorerben berücksichtigt.
Mithin hatte sich der BFH damit zu beschäftigen, ob auch der Nacherbe den Pauschbetrag zur Nachlassverbindlichkeit bei der Erbschaftsteuerlast abziehen kann.
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3. Nachlassverbindlichkeit auch bei dem Nacherben abziehbar
Der BFH argumentierte, dass es sich trotz der testamentarischen Regelung der Vor- und Nacherbschaft um zwei Erbfälle handelt. Zwar erben der Vorerbe und der Nacherbe gemäß §§ 2100, 2139 BGB zivilrechtlich nacheinander, aber beide vom ursprünglichen Erblasser. Erbschaftsteuerlich hingegen gilt § 6 Absatz 1 ErbStG. Demnach gilt der Vorerbe als Erbe. Sein Erwerb unterliegt in vollem Umfang und ohne Berücksichtigung der Beschränkung durch das Nacherbenrecht der Erbschaftsteuer.
Bei Eintritt der Nacherbfolge haben nach § 6 Absatz 2 Satz 1 ErbStG diejenigen, auf die das Vermögen übergeht, den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern. Die Vorschrift fingiert für erbschaftsteuerrechtliche Zwecke, dass der Nacherbe Erbe des Vorerben wird. Sowohl der Vorerbe als auch der Nacherbe verwirklichen daher den Besteuerungstatbestand des § 1 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 3 Absatz 1 Nummer 1 Alternative 1 EStG.
Der Pauschbetrag von 10 300 Euro ist für jeden Erbfall nur einmal zu gewähren. Daher ist er unter Miterben aufzuteilen. Die Abfolge von Vor- und Nacherbfall stellt jedoch erbschaftsteuerrechtlich keinen Erbfall mit mehreren Erben dar. Vielmehr sind die beiden Vorgänge als zwei getrennte Erbfälle zu behandeln (s. oben). Es entspricht der Systematik, im Rahmen der Ermittlung der Bereicherung zweimal den Pauschbetrag anzusetzen. So können zwar auch Beerdigungskosten zweimal typisierend berücksichtigt werden, obwohl sie nicht zweimal anfallen. Der Pauschbetrag umfasst aber nicht nur Beerdigungskosten, sondern auch Nachlassregelungskosten. Nachlassregelungskosten können jedoch ohne Weiteres zweimal in jeweils unbegrenzter Höhe anfallen. Sie fallen in unterschiedlicher Höhe typischerweise auch in einem Nacherbfall an. Der Ansatz der Kostenpauschale dient der Vereinfachung der Steuerfestsetzung. Dies gilt auch im Nacherbfall, und zwar unabhängig davon, ob der Nacherbe außerdem zivilrechtlich Erbe des Vorerben wird. Daher ist auch dem Nacherben – hier also der Nichte – der Pauschbetrag einzuräumen.
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4. Pauschbetrag berücksichtigt ohne Nachweis tatsächlicher Nachlassverbindlichkeit
Doch kann es sein, dass dem Nacherben tatsächlich keine Nachlassverbindlichkeiten entstanden sind. Es stellt sich daher die Frage, ob der Nacherbe auch ohne tatsächlich entstandene Kosten den Pauschbetrag abziehen kann.
Der Abzug des Pauschbetrags setzt keinen Nachweis voraus, dass zumindest dem Grunde nach tatsächlich Kosten angefallen sind, die der Pauschbetrag erfasst. Das Gesetz geht zutreffend davon aus, dass mit dem Erbanfall typischerweise entsprechende Kosten entstehen. Der Abzug der Pauschale ist nach dem Gesetzeswortlaut ausdrücklich ohne Nachweis möglich. Ein Nachweis darüber, dass Kosten dem Grunde nach entstanden sind, würde dem Vereinfachungszweck entgegenstehen.
5. Fazit
Im Rahmen einer Vorerbschaft und Nacherbschaft gilt der Nacherbe als Erbe des Vorerben. Der Vorerbe hingegen gilt als Erbe des Erstverstorbenen. Daher können beide Nachlassverbindlichkeiten geltend machen. Dazu müssen sie nicht einmal nachweisen, dass ihnen tatsächlich Werbungskosten entstanden sind.
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