Fremdvergleichsgrundsatz kritisch betrachtet
Der Fremdvergleichsgrundsatz ist ein Instrument, mit dem man in der Finanzverwaltung feststellen kann, ob eine Rechtsbeziehung zwischen einer GmbH und ihren Gesellschaftern angemessen ist, oder ob sie zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führt. So vergleicht man solche Handlungen stets mit dem Fall, der fremde Dritte als alternative Bezugsgröße anstelle der Gesellschafter in den Mittelpunkt rückt: würden die für die Gesellschafter gewählten Rahmenbedingungen, etwa zum Geschäftsführergehalt oder zu einem privaten Darlehen, auch für fremde Dritte gelten? Wenn die Antwort hierauf positiv ausfällt, bleibt die Handlung vom Verdacht einer verdeckten Gewinnausschüttung entlastet. Andernfalls führt der Vergleich zur Schlussfolgerung, dass die Gesellschafter ihr Verhältnis zu ihrer GmbH zu ihrem persönlichen Vorteil nutzen, um Steuern in unangemessener Höhe zu sparen. Daher ist der Fremdvergleichsgrundsatz prinzipiell vertretbar. Doch wenn es um die konkreten Vergleiche geht, bestehen oftmals Diskrepanzen zwischen GmbH-Gesellschaftern und fremden Dritten. Diese Diskrepanzen kann der Fremdvergleichsgrundsatz aber keineswegs zuverlässig ausräumen. Daran üben wir Kritik.
Unser Video: Fremdvergleichsgrundsatz
In diesem Video erklären wir, wieso die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes oft auf unrealistischen Annahmen beruht.
Inhaltsverzeichnis
1. Über den Fremdvergleichsgrundsatz – Einleitung
Mit diesem Beitrag wollen eine Diskussion anregen. Wir hinterfragen, ob der Fremdvergleichsgrundsatz, den sowohl die Rechtsprechung als auch die Finanzverwaltung seit Jahrzehnten bei der Besteuerung von Körperschaften und ihren Gesellschaftern ansetzt, realistisch ist. Wir finden nämlich, dass er oftmals realitätsfern wirkt. Und das wollen wir hier auch belegen. Wenn dem aber so ist, sollte man den Fremdvergleichsgrundsatz dann ersatzlos abschaffen? In bestimmten Fällen würde man damit wohl zu weit gehen. Aber man sollte sich die tatsächlichen Verhältnisse genauer ansehen. Denn es sind die Annahmen, auf denen bisher der Fremdvergleichsgrundsatz basiert, an denen wir Kritik üben.
2. Fremdvergleichsgrundsatz – was ist das?
Bevor wir aber in unsere Diskussion einsteigen, erklären wir zunächst noch, was der Fremdvergleichsgrundsatz ist und welche Auswirkungen er bei der Besteuerung bewirkt.
2.1. Fremdvergleichsgrundsatz leicht erklärt
Der Fremdvergleichsgrundsatz ist ein Prinzip, das sicherstellen soll, dass Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft keinen Gestaltungsmissbrauch vornehmen. Denn die Verflechtung etwa von GmbH-Gesellschaftern mit ihrer GmbH hat durchaus das Potential, um den einen oder anderen Steuervorteil zu erwirken. Bis zu einem gewissen Rahmen soll dies auch legitim sein. Was man also durch den Fremdvergleichsgrundsatz vermeiden möchte, ist, dass man es hierbei übertreibt.
Dazu geht man in der Rechtsprechung ebenso wie in der Praxis davon aus, dass nur Gestaltungen Anerkennung finden dürfen, die man auch bei Rechtsverhältnissen mit fremden Dritten als GmbH-Gesellschafter akzeptieren würde. Wenn man sich als GmbH-Gesellschafter zum Beispiel ein Geschäftsführergehalt auszahlen möchte, dann muss dieses mit einem solchen vergleichbar sein, das ein angestellter Geschäftsführer in der selben Branche in einem Betrieb mit ähnlichen Umsätzen erhalten würde. Um also den Fremdvergleichsgrundsatz als Maßstab etwa bei Betriebsprüfungen anzuwenden, muss man relevante Vergleichsdaten recherchieren.
2.2. Der Fremdvergleichsgrundsatz in der Praxis
Damit kommen wir zum Fremdvergleich, wie er uns im Alltag begegnet. Jedes Mal, wenn wir uns in einem Beziehungsgeflecht zwischen einer GmbH und ihren Gesellschaftern befinden, müssen wir uns fragen, wie die Entscheidung ausfallen würde, wenn anstatt der Gesellschafter fremde Dritte betroffen wären.
Beim Geschäftsführergehalt betrifft dies offensichtlich seine Höhe und einige andere Modalitäten, insbesondere in Bezug auf die Altersvorsorge. Dabei ist die wirtschaftliche Lage des Unternehmens eher weniger bedeutend, zumindest wenn es um ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen geht. Entscheidender für die Finanzverwaltung ist oftmals eben auch, wie groß der angestrebte Steuervorteil ausfällt. Neben dem klassischen Beispiel Geschäftsführergehalt gibt es aber noch viele weitere Aspekte, bei denen der Fremdvergleichsgrundsatz eine zentrale Rolle spielt. Dazu gehören etwa die Gehälter, die man an angestellte Familienangehörige oder Freunde zahlen würde. Oder die Ausgestaltung der Konditionen, die eine GmbH bei der Vergabe eines Darlehens mit ihren Gesellschaftern oder mit fremden Dritten vereinbaren würde. Aber auch die Zahlung von Spenden an gemeinnützige Vereine, an denen die Gesellschafter unter Umständen ein privates Interesse haben.
Deshalb ist der Fremdvergleichsgrundsatz stets auch mit dem Thema verdeckte Gewinnausschüttungen verbunden (§ 8 Absatz 3 Satz 2 KStG). Denn wer als GmbH-Gesellschafter die Grenzen des Fremdüblichen überschreitet, sieht sich regelmäßig mit der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung konfrontiert. Dies ist beispielsweise dem Getränkehersteller Lemonaid widerfahren. Bei ihm sah das Finanzamt seine Zuwendungen an einen gemeinnützigen Verein als mit dem Fremdvergleichsgrundsatz unvereinbar an. Dass ausnahmsweise einmal tatsächlich ein rein altruistisches Motiv zu den hohen Zuwendungen geführt haben könnte, ist dabei offenbar unerheblich gewesen.
2.3. Fremdvergleichsgrundsatz: Abgrenzung zu internationalen Geschäftsbeziehungen
Zu unserem Verständnis über den Fremdvergleichsgrundsatz müssen wir noch eine Anmerkung einschieben. Denn den Begriff Fremdvergleichsgrundsatz kennt man auch im Zusammenhang mit der Ermittlung von internationalen Verrechnungspreisen und anderen Geschäftsbeziehungen. Auch dabei geht es um angemessene, weil mit fremden Dritten vergleichbare Werte. Denn wenn Abhängigkeiten zwischen im In- und Ausland tätigen verbundenen Unternehmen bestehen (etwa durch eine Organschaft), dann ist die Vermutung, dass man dieses Abhängigkeitsverhältnis zur unangemessenen Steuerreduktion missbrauchen könnte, durchaus realistisch. Genau diese Thematik soll bei unserer Kritik jedoch keine Rolle spielen. Hier geht es lediglich um den Fremdvergleichsgrundsatz bei Unternehmen und ihren Gesellschaftern in Deutschland.
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3. Unrealistische Annahmen beim Fremdvergleichsgrundsatz?
Nun kommen wir zu unserer Kritik am Fremdvergleichsgrundsatz. Wie bereits angemerkt, handelt es sich hierbei lediglich um die Vergleichsbasis, die man beim Fremdvergleichsgrundsatz anwendet. Dazu untersuchen wir zwei Beispiele, anhand derer wir die Unzulänglichkeiten der bisherigen Anwendung dieses Prinzips zu demonstrieren versuchen.
3.1. Fremdvergleich beim Geschäftsführergehalt
Nehmen wir an, sie wollten die Geschäftsführung ihrer GmbH an eine andere Person abgeben. Dies könnte etwa ein erfahrener Prokurist sein. Seine oder ihre bisherige Karriere verlief vorbildlich. Fachlich gibt es also keine Beanstandungen. Doch selbst bei der denkbar besten Vergütung fehlt dieser Person ein Element, über das nur GmbH-Gesellschafter verfügen: die persönliche Verbindung zu ihrer Gesellschaft. Als GmbH-Gesellschafter hat man das Unternehmen von Grund auf selber aufgebaut. Man hat vielleicht diverse schwierige Situationen überwinden müssen, um es schließlich zum Erfolg zu führen. Das hat aber in aller Regel keinen monetären Widerhall gefunden. Aber kann man einen derart herausragenden Einsatz im Zweifel auch von einem externen Geschäftsführer erwarten? Wenn wir ehrlich sind, ist dies nur dann selbstverständlich, wenn wir eine persönliche Verbindung zur GmbH aufgebaut haben.
Das gilt mit gewissen Abschwächungen wohl auch für den Fall, dass die eigenen Kinder oder andere Familienangehörige die Geschäftsführung übernehmen sollen. Auch hier ist besteht ein Risiko, dass der Einsatz für das Unternehmen geringer ausfällt, als bei den Gründern der GmbH.
Noch eine Überlegung: Gehen wir davon aus, dass man als Gesellschafter die Geschäftsführung der eigenen GmbH aus privaten Gründen schnellstmöglich abgeben muss. Also steht man unter Zeitdruck, um einen geeigneten Ersatz zu finden. Verpflichten wir folglich nur einen durchschnittlich begabten und motivierten externen Geschäftsführer, müssen wir ihr oder ihm dennoch ein vergleichsweise hohes Geschäftsführergehalt zusichern, das dem eigenen zuvor vergleichbar ist. Dies mag zwar einem Vergleich mit anderen Geschäftsführern standhalten, aber von einer vergleichbaren Gegenleistung ist man dann wohl weit entfernt. Und doch würde auch dieser Vergleich mit dem unterdurchschnittlichen Fremdgeschäftsführer dem Fremdvergleichsgrundsatz genügen. Oder anders ausgedrückt: sollte das Finanzamt das frühere Geschäftsführergehalt des Gesellschafters der Höhe nach überprüfen wollen, würde es sich auf das Gehalt des neuen Fremdgeschäftsführers berufen, obwohl dessen Leistung geringer ausfällt.
3.2. Darlehensvergabe durch die eigene GmbH
Das zweite Beispiel beleuchtet die Konditionen, die man eingehen würde, wenn man als GmbH-Gesellschafter ein Darlehen von der eigenen GmbH erhielte. Hier stellt die Finanzverwaltung regelmäßig auf Konditionen ab, die üblicherweise mit Aufnahme eines Bankkredits auf privater Ebene einhergehen. Dazu würde eine Bank etwa die Bonität prüfen. Zusätzlich würde sie nach Sicherheiten verlangen, um einen eventuellen Kreditausfall zu kompensieren. Möchte man den Kredit für ein geschäftliches Vorhaben verwenden, fragen Banken auch gerne nach einer persönlichen Bürgschaft und nach einem Businessplan.
Wenn aber die GmbH der Bank ein Darlehen gewährt – und jede Einzahlung auf ein Festgeldkonto entspricht genau dem – dann ist in diesem umgekehrten Fall weder eine Bürgschaft der Geschäftsführer der Bank noch die Stellung von Sicherheiten oder sonst irgendeine der Konditionen in der Praxis zu erwarten. Wenn also all diese Rahmenbedingungen so unterschiedlich ausfallen, wieso sollte dann die Höhe der Zinsen als Referenz zum Fremdvergleichsgrundsatz dienen?
Entwickeln wir diese Erkenntnis noch einen Schritt weiter: Wenn ein anderer Kreditgeber als eine Bank weder Sicherheiten noch andere Konditionen von uns erwartet, wie hoch würden dann die Zinsen ausfallen? Vermutlich ziemlich hoch, weil man mit einem erhöhten Kreditausfallrisiko rechnen würde. Doch auch dieser Vergleich hinkt. Denn anders als fremde Kreditgeber würde die Geschäftsführung einer GmbH den eigenen Gesellschaftern keineswegs zutrauen, dass sie durch unsachgemäßen Umgang mit dem Darlehen der GmbH Schaden zufügen werden. Die Logik hierbei ist, dass die Verbindung der Gesellschafter zur eigenen GmbH ein besonderes Vertrauensverhältnis schafft. Und dieses Vertrauensverhältnis sollte man dann entsprechend auch mit besonders günstigen Konditionen kombinieren dürfen, ohne dem Fremdvergleichsgrundsatz entgegen zu stehen.
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4. Wieso der Fremdvergleichsgrundsatz im Ansatz fehlerhaft ist
Die beiden Beispiele haben gezeigt, dass der Vergleich zwischen einem GmbH-Gesellschafter und einer willkürlich postulierten Alternative oftmals nur oberflächlicher Natur ist. Wollte man den Fremdvergleichsgrundsatz ernsthaft anwenden, müsste man in vielen Fällen eingestehen, dass die bisher als vergleichbar erachteten Maßstäbe GmbH-Gesellschafter in der Realität oftmals benachteiligend darstellen. Wenn etwa bisher ein Geschäftsführergehalt nach allgemein akzeptiertem Fremdvergleich EUR 400.000 pro Jahr für einen externen Geschäftsführer als angemessen ansieht, sollte aufgrund des in aller Regel höheren Einsatzes ein Gesellschafter-Geschäftsführer mehr als diesen Betrag verdienen dürfen, ohne Gefahr zu laufen, dass der übersteigende Teil eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt.
Der Fremdvergleich ist also lediglich ein stark verallgemeinerndes Instrument. Aber er scheitert regelmäßig daran, dass man GmbH-Gesellschafter nur schwerlich mit fremden Dritten vergleichen kann. Wenn man den Fremdvergleich lediglich mit anderen GmbH-Gesellschaftern vornehmen würde, wäre der Fremdvergleichsgrundsatz wohl noch nachvollziehbar, weil realitätsbezogen. Doch schon beim Beispiel mit dem Darlehen treffen wir auf schier unüberwindliche Grenzen. Deshalb ist der Fremdvergleichsgrundsatz im Grunde schon von seiner Konzeption her fehlerhaft.
Branchenkennzahlen zum Geschäftsführergehalt
In diesem Video erklären wir, woran sich der Fremdvergleich zum Geschäftsführergehalt orientiert und welche Größen gelten.
5. Generelle Kritik am Fremdvergleichsgrundsatz – unser Fazit
Ganz gleich, wie ausgeklügelt man den Fremdvergleichsgrundsatz in der Praxis auch anwenden mag, wenn schon der Vergleich zu fremden Dritten Schwierigkeiten bereitet, weil er nur bedingt realistisch ist, dann ist er kritikwürdig. Dies haben wir hier demonstriert. Kernpunkt unserer Kritik ist, dass der Anspruch des Fremdvergleichsgrundsatzes, sich an der Realität zu orientieren, oftmals an genau dieser vorbei geht. In gewissen Konstellationen mag der Fremdvergleichsgrundsatz nach bisherigen Vorstellungen bedingt gerechtfertigt sein, wenn man nämlich einen Vergleich 1:1 vornehmen kann, ohne dabei Verzerrungen zu verursachen. Aber dies ist tatsächlich wohl nur in bestimmten Ausnahmefällen gegeben.
Es geht also um viel mehr als um juristisch-steuerrechtliche Spitzfindigkeiten. Es geht um ein in der Praxis weitverbreitetes Prinzip, dessen Gültigkeit auf den Prüfstand gehört. Dabei darf es keine Rolle spielen, dass der Fremdvergleichsgrundsatz ein leicht anwendbares und gern unreflektiert genutztes Instrument für die Finanzverwaltung darstellt, um angemessene Sachverhalte von verdeckten Gewinnausschüttungen zu unterscheiden. Wir sollten damit aufräumen. Besser noch, wir sollten es weiterentwickeln, denn der Kerngedanke ist durchaus logisch nachvollziehbar. Nur der tatsächliche Vergleich zur Realität lässt zu wünschen übrig.
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