Tonnagesteuer – wie Reeder ihre Gewinne versteuern
Die sogenannte Tonnagesteuer ist keine eigenständige Steuer. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine spezielle Gewinnermittlungsmethode für Reedereien, die Schiffe im internationalen Seeverkehr einsetzen. Dabei nimmt man pauschal die Größe eines jeden Schiffes und berechnet über einen Schlüssel einen pauschalen Gewinn, der täglich anzunehmen ist. Auf dieser Basis fällt meist ein deutlich geringerer Gewinn an, als wenn man eine Einnahmenüberschussrechnung oder eine Bilanzierung vornehmen würde. Allerdings ist zur Anwendung der sogenannten Tonnagebesteuerung auf einige Bedingungen zu achten. So müssen beispielsweise die per Tonnagesteuer besteuerten Gewinne prinzipiell Schiffen zugeordnet sein, die in einem inländischen Schiffsregister eingetragen sind. Damit wollte der Gesetzgeber Ende des letzten Jahrhunderts erreichen, dass deutsche Reeder ihre gesamten Flotten ausflaggen. Denn für eine Exportnation wie Deutschland war der Erhalt einer eigenen Handelsflotte politisch bedeutsam.
Unser Video: Tonnagebesteuerung für Handelsschiffe
In diesem Video erklären wir, wie Reeder eine bevorzugte Gewinnermittlung nutzen, um massiv Steuern zu sparen.
Inhaltsverzeichnis
1. Tonnagesteuer – Einleitung
Stellen Sie sich vor, eine Steuerberatungskanzlei würde eine speziell für diese Branche geschaffene Besteuerungsart wählen dürfen. Die könnte zum Beispiel den Gewinn der Kanzlei anhand der Mitarbeiterstruktur ermitteln: Steuerfachangestellte würden eine Steuer von EUR 1 pro Tag bedeuten, Steuerberater hingegen EUR 10 pro Tag. Selbstverständlich entfiele die Steuer für Urlaubs- oder Krankheitstage. Klingt einfach und wäre sicherlich auch steuerlich vorteilhaft.
Ein anderes Beispiel: stellen Sie sich vor, es gäbe für Fußballvereine der Bundesliga ein Besteuerungsverfahren, bei dem für jeden Steh- und Sitzplatz im Stadium und jeden Spieltag eine pauschale Gewinnannahme zulässig wäre. Nehmen wir mal für Stehplätze EUR 1 und Sitzplätze EUR 10, jeweils pro Spieltag. Auch hier: genial einfach vorteilhaft.
Wenn Sie nun also meinen, eine solche Besteuerung würde zu absurd niedrigen Steuern führen, dann dürften sie absolut recht haben. Jedermann würde Ihnen sicherlich beipflichten. Wenn Sie aber davon ausgehend darauf schließen, dass es eine derartige Besteuerung in Deutschland niemals geben wird oder gar bereits gibt, dann lassen Sie sich von uns überraschen. Denn wir unterhalten uns heute über die sogenannte Tonnagesteuer.
2. Was ist die Tonnagesteuer?
Um zu verstehen, was die merkwürdigen Beispiele in der Einleitung zu bedeuten haben, müssen wir zunächst einmal erklären, was die Tonnagesteuer eigentlich ist. Dazu schlagen wir in § 5a EStG nach, einem sehr speziellen Paragraphen, den selbst gestandene Steuerberater und hohe Finanzbeamte kaum je beachten.
Denn neben den beiden gängigen Gewinnermittlungsmethoden, der Einnahmenüberschussrechnung und dem Betriebsvermögensvergleich (Bilanzierung), existiert nämlich ein weiteres Verfahren. Dieses ist in § 5a EStG geregelt. Es ist optional anwendbar, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu schreibt § 5a Absatz 1 Satz 1 EStG vor, dass
„bei einem Gewerbebetrieb mit Geschäftsleitung im Inland der Gewinn, soweit er auf den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr entfällt, auf unwiderruflichen Antrag des Steuerpflichtigen nach der in seinem Betrieb geführten Tonnage zu ermitteln“ ist,“ wenn die Bereederung dieser Handelsschiffe im Inland durchgeführt wird.„
Wir haben es also bei der Tonnagebesteuerung mit einer alternativen Gewinnermittlungsoption zu tun, die exklusiv für Reeder gilt, die Schiffe unter bestimmten Voraussetzungen im internationalen Seeschiffsverkehr einsetzen.
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3. Details zur Tonnagesteuer
Die wichtigste steuerliche Voraussetzung, nämlich eine Bereederung von Schiffen im internationalen Seeverkehr, gilt gleichermaßen für Fracht- wie für Passagierschiffe. Prinzipiell müssen die Schiffe in einem inländischen Schiffsregister eingetragen sein. Dabei umfasst die Tonnagesteuer sowohl eigene als auch gecharterte Schiffe. Für Letztere ist die Tonnagebesteuerung nur dann erlaubt, wenn Reeder zusätzlich auch noch eigene, in Deutschland registrierte Schiffe im internationalen Schiffsverkehr gewerblich einsetzten. Außerdem darf die Größe der gecharterten und unter fremder Flagge fahrenden Handelsschiffe – die sogenannte Tonnage – höchstens das Dreifache der eigenen, in Deutschland registrierten Schiffe betragen. Andernfalls entfällt das Recht zur Tonnagebesteuerung.
Eine wichtige Einschränkung zur Tonnagesteuer besteht in der zeitlichen Bindung der Steuerpflichtigen an diese Gewinnermittlungsmethode. Stellt man nämlich einen entsprechenden Antrag bei der Finanzverwaltung, muss man die Tonnagebesteuerung zehn Jahre lang anwenden.
Erfüllt man diese wichtigen sowie viele weitere Bedingung, berechnet man die Gewinne je volle 100 Nettotonnen (Nettoraumzahl) auf folgende Weise:
bis zu einer Tonnage von 1.000 Nettotonnen beträgt der Gewinn EUR 0,92 pro Tag,
darüber hinaus bis zu einer Tonnage von 10.000 Nettotonnen beträgt der tägliche Gewinn EUR 0,69,
im Bereich zwischen 10.000 und 25.000 Nettotonnen ermittelt man einen täglichen Gewinn von EUR 0,46
und für jede weitere 100 Nettotonnen-Einheit pauschaliert man einen Gewinn von EUR 0,23 pro Tag.
Dabei gelten nur Tage, in denen die Schiffe im Einsatz sind, als Berechnungsgrundlage. Sollte etwa ein Schiff für einige Wochen für eine Reparatur in eine Werft, bleibt dieser Zeitraum für die Besteuerung per Tonnagesteuer außer Ansatz.
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4. Berechnungsexempel zur Tonnagesteuer
Um zu verdeutlichen, wie die Tonnagesteuer zu berechnen ist, bieten wir hier ein realistisches Beispiel. Dazu nehmen wir Daten eines Schiffs, für das die Schiffsgröße im Internet recherchierbar ist. Wir haben uns für die Berlin Express entschieden, einem sehr großen Containerschiff, das für die Reederei Hapag Lloyd AG fährt. Die Reederei gibt für das Schiff eine Nettoraumzahl von 108.203 an, was den Nettotonnen in § 5a EStG entspricht. Daher berechnen wir:
für die ersten 1.000 Nettotonnen | EUR 9,20 pro Tag |
darüber hinaus bis 10.000 Nettotonnen | EUR 62,10 pro Tag |
darüber hinaus bis 25.000 Nettotonnen | EUR 69,00 pro Tag |
über 25.000 Nettotonnen hinaus (bis 108.200 Nettotonnen) | EUR 191,36 pro Tag |
Summe Gewinn pro Tag | EUR 331,66 |
Hochgerechnet auf eine Nutzungszeit von 365 Tagen ergibt dies einen pauschalen Gewinn von EUR 121.055,90.
Dabei muss man bedenken, dass dieses Frachtschiff über eine Ladekapazität von über 23.000 Standardcontainern (20 Fuß Länge) verfügt. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass die Frachtkosten für einen solchen Standardcontainer von China nach Europa derzeit (Stand 31.07.2023) etwa bei EUR 1.350 liegen und mit einer Reisezeit (ein Weg) von etwa 30 bis 40 Tagen rechnet, kann man schnell ausrechnen, dass bei fünf solchen Reisen jährlich ein Umsatz von EUR 155.250.000 zusammenkommt.
Auf den Tonnagesteuer-Gewinn von EUR 121.055,90 entfallen dann bei einem Steuersatz von 15 % lediglich EUR 18.158,39 an Körperschaftsteuer. Bei einem Hebesatz von 470 % in Hamburg, kommen nochmals etwa EUR 19.904,50 an Gewerbesteuer hinzu. Selbst bei einem Steuersatz von 45 % im Einkommensteuerrecht kämmen wir auf eine Steuer von lediglich EUR 54.475,16. Oder, um es in der Fachsprache von Bankmanagern auszudrücken: Peanuts. Und das ist nur eines von vielen Schiffen der Reederei.
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5. Steuervorteil Tonnagesteuer – unser Fazit
5.1. Ein Realitätscheck zur Tonnagesteuer
Wer sich jetzt an die beiden Beispiele in der Einleitung erinnert und dies mit der Tonnagesteuer für Reeder vergleicht, ahnt, wie groß dieser Steuervorteil ist. Wir wollten es aber genauer wissen und haben einmal im Geschäftsbericht der Hapag Lloyd AG für 2022 recherchiert, von der bekannt ist, dass sie die Tonnagesteuer anwendet. Bei einem Gewinn vor Steuern (EBIT) von etwa EUR 17,525 Milliarden (Jahresüberschuss EUR 17,565 Milliarden) fielen Ertragsteuern nur in Höhe von 1,14 % an. Ungefähr die Hälfte dieser angefallenen Ertragsteuer für 2022 (EUR 90,6 Mio.) entfällt dabei sogar auf Kapitaleinkünfte, die regulär außerhalb der Tonnagebesteuerung berechnet wurde. Zieht man diese Steuern von der Gesamtsteuer ab, führt dies zu einer prozentualen Steuer von nur noch 0,63 %!
Kein Wunder also, dass die Tonnagesteuer bei deutschen Reedereien so beliebt ist. Schließlich ist dies ein Steuersatz, von dem viele andere Gewerbetreibende weder wissen noch je zu träumen wagen dürften.
5.2. Wieso es die Tonnagebesteuerung gibt
Auf der einen Seite haben wir also einen riesigen Gewinn, der den vieler DAX-Konzerne deutlich übertrifft. Auf der anderen Seite sehen wir eine verschwindend geringe Steuer. Daher muss man sich fragen, wieso der Gesetzgeber eine solche Besteuerung erlaubt.
Deutschland führte die Tonnagesteuer 1998 ein. Damals flaggten viele deutsche Reeder ihre Schiffe in Länder aus, in denen die Konditionen deutlich günstiger waren. Zum Beispiel konnten Reeder den Mannschaften niedrigere Heuer zahlen, Sozialleistungen vermeiden und Ausbildungsplätze abschaffen. Aber auch bei Sicherheitsaspekten sind Einsparungen möglich. Da Deutschland jedoch eine Nation ist, die stark vom Export abhängt, wollte die Politik sicherstellen, dass die dafür erforderliche Handelsflotte zumindest in Teilen unter nationaler Kontrolle blieb. Deshalb führte man die Tonnagesteuer sowie weitere Anreize ein, damit Reeder ihre Schiffe in Deutschland registrieren und ihre Geschäftsführung im Inland blieb. Darum ist Deutschland auch heutzutage ein relativ attraktives Land, das in Konkurrenz zu manch einem Billigflaggenland bestehen kann.
5.3. Risiken der Tonnagesteuer
Somit ist die Systemrelevanz der deutschen Handelsflotte der wahre Grund, warum Reeder mit der Tonnagesteuer ein deutlich vorteilhafteres Steuerregime hierzulande genießen können. Doch enthält die Tonnagesteuer für Reeder auch Risiken. Denn durch die Festlegung auf diese Gewinnermittlungsart ist man zehn Jahre lang daran gebunden. Außerdem erfolgt diese Pauschalbesteuerung selbst dann, wenn ein Reeder tatsächlich Verluste generiert. Allerdings sind diese Risiken kaum relevant. Für Reeder stellt die Tonnagesteuer somit eine Regelung wie aus einem Steuerparadies dar, und das ausgerechnet im Hochsteuerland Deutschland.
Na denn man tau!
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