Die Bartsteuer als kuriose Steuer im Spiegel der Zeit
Die Bartsteuer ist zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten erhoben worden. Mal diente sie lediglich rein fiskalischen Zwecken, mal sollte sie Lenkungswirkung entfalten. So ist bekannt, dass in Lykien bereits in der Antike eine Bartsteuer existierte. König Maussolos soll sie eingeführt haben. Auch im alten China der Ming-Dynastie soll es eine Bartsteuer gegeben haben, die der Finanzierung einer kaiserlichen Sommerresidenz dienen sollte. Später war es Zar Peter der Große, den man mit der Erhebung einer Bartsteuer in Verbindung bringt. Allerdings ging es ihm bei seiner Bartsteuer um andere Ziele. Denn in seinem Fall war die Bartsteuer eine Lenkungssteuer. Mit ihr sollte die russische Zivilgesellschaft modernisiert werden.
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Inhaltsverzeichnis
1. Bartsteuer als Beispiel für eine kuriose Steuer – Einleitung
Steuern sind eine ernsthafte Angelegenheit, will man zumindest meinen. Sie stehen wie Polizei, Justiz und Militär für die weitreichenden Befugnisse, die der Staat als Obrigkeit gegenüber den Bürgern durchsetzen darf. Doch gelegentlich trifft man auf Beispiel aus dem Steuerrecht, bei dem man sich durchaus fragen darf, ob dies ein Aprilscherz ist (zum Beispiel die Zündwarensteuer). Dabei gilt dies für aktuelle Steuern ebenso wie für solche aus früheren Epochen und anderen Ländern. Selbstverständlich sind solche steuerlichen Kuriositäten auch stets im Kontext zu betrachten. Denn was für uns vielleicht befremdlich ist, kann aus der Perspektive der jeweiligen Obrigkeiten, die diese Steuergesetze erlassen, durchaus sinnvoll und logisch erscheinen. Ein solches Beispiel ist die Bartsteuer, der wir in diesem Artikel nachgehen.
2. Lykien – die historisch älteste Bartsteuer
Maussolos, ein persischer Satrap, der im 4. vorchristlichen Jahrhundert die Provinz Lykien im Südwesten der heutigen Türkei für den persischen König verwaltete, ist vor allem für seine Grabstätte in Halikarnassos bekannt. Denn es fiel derart großartig aus, dass man es bereits in der Antike als eines der sieben Weltwunder bezeichnete. Kein Wunder also, dass man derart große Grabanlagen nach ihm benannten, nämlich Mausoleum. König Maussolos ist aber auch dafür bekannt, dass er als einer der ersten eine Bartsteuer erhoben haben soll. Das war für ihn wohl auch deshalb interessant, weil seine Zeitgenossen prächtige Bärte als Statussymbol trugen – und ihm somit die Erhebung einer Bartsteuer erleichterten. Ob er die Bartsteuer dafür einsetzte, um den Bau seines Mausoleums zu finanzieren, ist hingegen ungewiss, wenn auch naheliegend.
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3. Bartsteuer im China der Ming-Dynastie
Der Begründer der Ming-Dynastie, Kaiser Hongwu, kam an die Macht, indem er in einem langwierigen Aufstand die vorangegangene Yuan-Dynastie stürzte. Er kam aus einfachen Verhältnissen und soll einen Bart getragen haben. Offenbar ahmte ihn die Bevölkerung spätestens nach seiner Machtergreifung in dieser Hinsicht nach. Gleichzeitig suchte er wohl nach Möglichkeiten, um seine neue Hauptstadt zu etablieren – ein sicherlich kostspieliges Vorhaben. So soll er zur Finanzierung des Baus eines Sommerpalastes eine Bartsteuer erhoben haben. Ob die Bevölkerung dies versöhnlich aufnahm, ist ungewiss. Immerhin war Hongwu ein beliebter Kaiser gewesen, weil er die aus der Mongolei stammende Yuan-Dynastie aus China vertrieben hatte. Für Han-Chinesen stellte dies allein schon eine Genugtuung dar. Denn Mongolen auf dem Kaiserthron, so sehr sie sich auch an die chinesischen Riten, Sitten und Strukturen angenähert haben mögen, waren den Han als Besatzer verhasst.
4. Bartsteuer in Frankreich
Eine Bartsteuer gab es im ausgehenden Mittelalter auch in Frankreich. König Franz I. führte sie im 16. Jahrhundert ein. Allerdings galt sie lediglich für Angehörige des Klerus. Als Grund für die Einführung der Bartsteuer in Frankreich wird angenommen, dass Franz I. sich daran störte, dass die Geistlichen an seinem Hof einen Bart trugen, wie er ihn auch selber trug. Also wollte er dies offenbar mit einer Bartsteuer unterbinden. Dazu hatte König Franz I. eigens eine Einwilligung des Papstes erwirkt.
So kam es, dass sich letzten Endes lediglich höhergestellte Geistliche die Bartsteuer leisten konnten. Einfache Priester, deren finanzielle Mittel meist wesentlich geringer waren, rasierten sich daher wohl lieber regelmäßig, um der Bartsteuer des Königs zu entgehen.
Ebenso kurios erscheint auch das Ende der Bartsteuer in Frankreich. Denn statt einer Abschaffung der Steuer führte 1561 ein allgemeines Verbot des Tragens von Bärten für kirchliche Würdenträger indirekt dazu, dass die Bartsteuer obsolet wurde.
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5. Die Bartsteuer Zar Peter des Großen
5.1. Motivation zur Einführung der Bartsteuer in Russland
Äonen nach Maussolos kam ein anderer Gebieter auf die Idee, Bärte zu besteuern, wenn auch aus anderen Gründen. Denn Zar Peter der Große hatte mit seiner Bartsteuer, die er 1698 einführte, andere Ziele.
Peter der Große war ein noch junger Herrscher. Vielleicht erklärt dies, warum er sich Gedanken darum machte, wie sein Land sich weiterentwickeln konnte. Dass ihm dies nötig erschien kam da her, weil er zuvor eine Reise durch Mittel- und Westeuropa unternommen hatte. Dort musste er feststellen, dass andere Nationen – insbesondere die damals wirtschaftlich florierenden Niederlande – in vielerlei Hinsicht deutlich fortschrittlicher waren als sein geliebtes Russland.
Äußeres Zeichen dieses Unterschieds war übrigens das weitgehende Fehlen von Bärten in den von Peter dem Großen bereisten Länder. Im Gegensatz dazu war in Russland ein Vollbart Ausdruck von Würde sowie, bei den Altgläubigen, von religiöser Bedeutung. Somit beschloss er, sein Land auf Fortschrittskurs zu bringen.
Traditionell getragene Bärte waren für Zar Peter also Sinnbild für Rückständigkeit, die er zu beseitigen gedachte. Nur aus diesem Grund führte er in Russland die Bartsteuer ein. Er wollte seine Untertanen dazu bringen, sich für ein modernes Russland auch äußerlich zu ändern. Er wollte ein Zeichen setzen gegen das Althergebrachte und für das Moderne. Sein Gegenentwurf dazu war die Orientierung an Westeuropa, wo niemand aus kulturellen, im Mittelalter wurzelnden Gründen einen Bart trug, sondern allenfalls aus rein ästhetischen.
5.2. Erhebung der Bartsteuer in Russland
Um die neue Bartsteuer einzuführen, lud Peter der Große eine große Zahl an Würdenträgern zu einer Versammlung ein. Dort eröffnete er ihnen, dass es von nun an Steuern kosten würde, wenn man sich dafür entschied einen Bart zu tragen. Den Anwesenden hingegen blieb kaum eine Wahl, denn sie wurden, mit wenigen Ausnahmen, gleich an Ort und Stelle rasiert. Lediglich der Patriarch der Kirche sowie sein früherer, nun schon alt gewordener Vormund blieben vom Rasiermesser verschont.
Zur Höhe der Steuer gab es eine Staffelung, die von wohlhabenden Kaufleuten 100 Rubel, von Beamten und Höflingen 60 Rubel und von Stadtbewohnern 30 Rubel forderte. Somit blieben zumindest Bauern von der Bartsteuer verschont.
Allein Geistliche der Russisch Orthodoxen Kirche waren von der Bartsteuer ausgenommen. Altgläubige, die sich gegen die unter Patriarch Nikon durchgesetzten Reformen der Russisch Orthodoxen Kirche wandten und dafür mit dem Kirchenbann sowie dem Verlust der Bürgerrechte belegt wurden, mussten sich hingegen der Bartsteuer unterwerfen. Man kann dies also als weitere Gängelung dieser Widerständler werten, denn Altgläubige mussten unter Zar Peter der Große ohnehin schon Steuern in doppelter Höhe zahlen.
Eine weitere, 1705 ergänzend nachgereichte Regelung der Bartsteuer sah vor, dass bärtige Männer, die man in der Öffentlichkeit antraf (vor allem an den Stadttoren) und auf die Bartsteuer hin kontrollierte, eine spezielle Kupfermünze, die Bartkopeke, als Beleg für ihre Steuerzahlung vorweisen mussten. Sollten sie dazu außerstande sein, so wurde ihnen sogleich der Bart abgenommen. Eine Nachzahlung der Steuer, selbst eine sofortige, war ausgeschlossen.
Immerhin dauerte die Erhebung der Bartsteuer im alten Russischen Reich mehrere Jahrzehnte an. Erst unter Katharina der Großen endete 1772 die Besteuerung der Gesichtsbehaarung.
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6. Bartsteuer in Jemen
Eine andere Form der Bartsteuer führte das Königreich Jemen 1936 ein. Als islamisch geprägtes Land galt für Männer die religiöse Vorschrift, dass sie einen Bart tragen sollten. Aber anders als in anderen islamischen Ländern entschied man sich im Jemen statt der Bestrafung der Männer, die keinen Bart trugen, eine Bartsteuer von ihnen zu erheben. Somit handelte es sich im Grunde eher um eine „kein-Bart-Steuer“ als um eine Bartsteuer im eigentlichen Sinne.
7. Kommt eine Bartsteuer heutzutage in Betracht?
So absurd uns heute eine Bartsteuer erscheinen mag, dürfte sie auch jenen vorgekommen sein, die sich in früheren Zeiten mit ihr konfrontiert sahen. Sie haben sicherlich niemals damit gerechnet, dass eine Bartsteuer für sie relevant werden könnte. Deshalb sollte man mit voreiligen Schlüssen vorsichtig sein, wenn man eine Steuer ausschließt, nur weil sie kurios erscheinen mag. Denn wenn für Steuern bereits historische Beispiele existieren, dann kann eine spätere Neuauflage durchaus in Frage kommen.
Also fragen wir abschließend, ob uns in Deutschland derzeit ebenfalls eine Bartsteuer drohen könnte. Immerhin sind Bärte bei Männern in Deutschland zur Zeit recht beliebt. Eine Steuer hierauf könnte sich daher tatsächlich lohnen. Gewiss, diese Frage ist nur teilweise ernsthaft gestellt. Und doch sollten wir sie sachlich zu beantworten versuchen. Dabei lautet die Antwort nein, weil es eine geschlechtsspezifische und somit im Sinne des Artikel 3 GG ungerechte Steuer wäre. Denn wo alle Menschen gleich zu behandeln sind, darf man keine Steuer erheben, die potentiell nur auf einen bestimmten Kreis abzielt. Außerdem wäre es auch ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, mit dem sich bereits Zar Peter der Große in Ansätzen auseinandergesetzt zu haben scheint.
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