Das Wohnrecht als Steuergestaltungsmodell
Die Übertragung von Immobilien – entweder innerhalb der Familie oder zwischen fremden Dritten – löst regelmäßig verschiedene steuerliche Folgen aus. Soweit Einkommen- oder Schenkungsteuer entsteht, bietet sich dabei die Vereinbarung eines befristeten oder lebenslangen Wohnrechts an. Denn das Wohnrecht mindert den Wert der Schenkung und führt ertragsteuerlich zu (zusätzlichen) Anschaffungskosten. Sie wirken sich mitunter im Rahmen der Abschreibung aus.
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In diesem Video erklären wir, wie Sie mit bestimmten Rechten an Immobilien erhebliche Steuervorteile generieren können!
Inhaltsverzeichnis
1. Grundsatz: Immobilien ohne Wohnrecht übertragen
Gerade im Familienverbund kommt es immer wieder zur Übertragung von Immobilienvermögen. Als Vater oder Mutter möchten Sie beispielsweise, dass Ihre Kinder ein bestehendes Vermietungsobjekt übernehmen, es bewirtschaften und entsprechende Überschüsse erzielen. Allerdings möchte auch der Fiskus einen Anteil an den übergehenden Wirtschaftsgütern, denn bei unentgeltlichen Übertragungen wird die sogenannte Schenkungsteuer von bis zu 30 % fällig.
Entsprechendes gilt auch bei privatgenutzten Immobilien, etwa einem Einfamilienhaus. Hat dieses einen bestimmten Wert, kann die Schenkung ebenfalls der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegen. Bei Vermietungsimmobilien führt der Rechtsnachfolger die Abschreibung des Rechtsvorgängers fort, wenn das Objekt ganz oder teilweise unentgeltlich übergeht. Ist die Immobilie bereits vollständig abgeschrieben oder besteht noch eine AfA-Bemessungsgrundlage, die deutlich unter dem aktuellen Wert des Gebäudes liegt, werden steuerliche Potenziale nicht optimal genutzt.
Eine mögliche Gestaltung besteht daher im Verkauf der Immobilien an die zukünftige Eigentümerin oder den zukünftigen Eigentümer. Gleichzeitig sollten sich die Veräußerer ein Wohnrecht vorbehalten. Es führt dazu, dass die bisherigen Eigentümer die Wohnung weiterhin nutzen dürfen, und mindert mit dem entsprechenden Kapitalwert die Höhe der steuerpflichtigen Schenkung.
2. Privat genutzte Immobilien mit Wohnrecht auf Rechtsnachfolger übertragen
Immobilien, die ausschließlich zu privaten Wohnzwecken genutzt werden, sind für die Besteuerung grundsätzlich irrelevant. Gleichzeitig haben sie – bedingt durch die Marktentwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte sowie vor allem in urbanen Gebieten – häufig erhebliche Werte erreicht. Dies kann zu einer hohen Belastung mit Erbschaft- und Schenkungsteuer führen, wenn die Steuerbefreiung für Familienheime (§ 13 Absatz 1 Nummer 4a bis 4c EStG) keine Anwendung findet.
Denn bei den Befreiungen der Nummern 4b und 4c muss die Erwerberin oder der Erwerber den Familienwohnsitz für mindestens 10 Jahre nach der Schenkung weiterhin für eigene Wohnzwecke nutzen. Handelt es sich bei der Immobilie nicht um ein Familienheim oder wird ein solches anderweitig genutzt, etwa für eine Vermietung an fremde Dritte, setzt das Finanzamt Erbschaft- oder Schenkungsteuer in voller Höhe fest. Der bisherige „Nullbescheid“ wird in diesen Fällen nach § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 AO, bedingt durch ein rückwirkendes Ereignis, geändert.
Durch ein Wohnrecht lässt sich die Belastung mit Schenkungsteuer unmittelbar reduzieren. Eine solche Gestaltung bietet sich immer dann an, wenn bereits bei Übergang der Immobilie bekannt ist, dass keine (10 Jahre anhaltende) Nutzung zu eigenen Wohnzwecken erfolgt oder dass kein Familienheim im Sinne der Norm vorliegt.
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2.1. Vereinbarung und Auswirkungen des Wohnrechts
Das Wohnrecht mindert nach § 10 Absatz 1 ErbStG den Wert der Schenkung. Die Festlegung erfolgt daher in drei Schritten:
- Zunächst wird der Immobilienwert ermittelt. Hierzu kann entweder ein Gutachten oder eines der Bewertungsverfahren (§ 182 BewG) herangezogen werden. Der Immobilienwert wird dann beispielsweise auf EUR 1.500.000 festgestellt.
- Nun kommt es zur Berechnung des Wertes des Wohnrechts. Hierzu wird die erzielbare Kaltmiete (beispielsweise EUR 3.000) auf einen Jahreswert (hier EUR 36.000) hochgerechnet. Anschließend erfolgt eine Kapitalisierung auf die voraussichtliche Lebenserwartung des Begünstigten (§ 14 Absatz 1 BewG). Das Bundesministerium der Finanzen gibt eine entsprechende Sterbetafel mit Vervielfältigern heraus. Hat die begünstigte Person beispielsweise das 50. Lebensjahr vollendet, greift ein Vervielfältiger von 14,943.
- Vom Gesamtwert der Immobilie (EUR 1.500.000) wird der Wert des Wohnrechts (EUR 36.000 x 14,943) abgezogen. Es ergibt sich ein Wert der Schenkung von EUR 978.252.
Durch das Wohnrecht wurde der schenkungsteuerpflichtige Betrag, die Bemessungsgrundlage der Steuer, also um über EUR 500.000 reduziert. Je jünger dabei die begünstigte Person – das ist die Person, die das Wohnrecht erhält – und je höher die erzielbare Kaltmiete ist, desto wertvoller ist auch das Wohnrecht. In der Folge sinkt die schenkungsteuerpflichtige Summe deutlich, wobei es unerheblich ist, ob die begünstigte Person das Wohnrecht tatsächlich wahrnimmt. Denn das Recht selbst stellt bereits eine den Erwerb mindernde Belastung für den Begünstigten dar.
2.2. Freibeträge geschickt nutzen!
Ein Wohnrecht kann privatschriftlich oder durch notariellen Vertrag eingeräumt werden. Die begünstigte Person kann die entsprechenden Wohnräume aus eigenem Recht heraus nutzen, den Eigentümer also auch von der Nutzung ausschließen (§ 31 WEG). „Nutzung“ kann allerdings auch bedeuten, dass das Objekt an den Eigentümer überlassen wird.
Beispiel: Vater V überträgt das ihm gehörende Einfamilienhaus, welches kein Familienheim ist, auf seine Tochter T. Er behält sich gleichzeitig ein lebenslanges Wohnrecht zurück. Nach notarieller Beurkundung des Überlassungsvertrages nutzt V sein Recht in der Weise, dass er das Objekt ausschließlich der T und ihrem Lebenspartner überlässt. V selbst lebt in einer ihm gehörenden Eigentumswohnung.
Der nach Abzug des Wohnrechts verbleibende Wert der Schenkung kann durch geschickte Ausnutzung der Steuerfreibeträge (§§ 16 und 17 ErbStG) auf EUR 0 reduziert werden. Alternativ können Schenker und Beschenkte die 10-Jahres-Frist nach § 14 BewG abwarten und eine Immobilie „scheibchenweise“, etwa aufgeteilt nach Wohneinheiten, übertragen.
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3. Vermietungs- und Betriebsgebäude – was gilt hier für das Wohnrecht?
Bei betrieblichen Immobilien (sogenannten bebauten Betriebsgrundstücken) sind die genannten Grundsätze zwar ebenfalls anwendbar, sie bringen aber mitunter mehr Nachteile als Vorteile mit sich. Denn auf der einen Seite kann an einem Betriebsgebäude – mangels Nutzung zu Wohnzwecken – kein Wohnrecht eingeräumt werden. Die Gestaltung müsste über einen Nießbrauch erfolgen, würde aber auch dann dazu führen, dass der entstehende Veräußerungsgewinn im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit zu versteuern wäre (§§ 15 und 18 EStG).
Beispiel: Im Betriebsvermögen befindet sich eine Immobilie, die bereits auf EUR 0 abgeschrieben wurde (Buchwert). Der Verkehrswert der Immobilie beträgt EUR 1.000.000. Die Immobilie wird gegen Einräumung eines Nießbrauchs, der einen Wert von EUR 300.000 hat, veräußert. Es entsteht ein Gewinn in Höhe von EUR 700.000 (Kaufpreis EUR 1.000.000 – Buchwert EUR 0 – Nießbrauch EUR 300.000). Der Gewinn ist in voller Höhe steuerpflichtig.
Auch eine Schenkung führt zunächst zu einer Entnahme zum gemeinen Wert. Die Folgen entsprechen denen eines Verkaufs, auch hier müssen also EUR 700.000 versteuert werden. Dennoch bietet der Nießbrauch, auch wenn der Nießbraucher das Recht später nutzt, um das Gebäude an den Eigentümer zu verpachten, die Möglichkeit, die auf den Gewinn anfallende Einkommensteuer deutlich zu reduzieren.
Da Vermietungsobjekte häufig Privatvermögen darstellen und Wohnzwecken dienen, ist die Einräumung eines Wohnrechtes hier möglich. Die Schenkungsteuer wird dann durch das Wohnrecht entsprechend reduziert, weil die Bemessungsgrundlage zunächst um den Wert des Wohnrechts zu mindern ist. Der Begünstigte muss das Wohnrecht nicht zwingend für eigene Zwecke nutzen.
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Immobiliensteuerrecht
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