Ausländisches Vermächtnis als Gestaltungmodell

Übertragungsanspruch ist kein Inlandsvermögen im Sinne des § 121 BewG

Vermächtnis: Erbschaftsteuerfreie Immobilienübertragung möglich!

Vermögensübertragungen durch Erbschaft und Vermächtnis unterliegen dem Grunde nach mit ihrem gesamten Wert der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Wie das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23.11.2022 (II R 37/19) allerdings zeigt, lassen sich die steuerlichen Folgen durch ein ausländisches Vermächtnis vermeiden. Grund dafür ist, dass das Vermächtnis selbst kein Inlandsvermögen im Sinne des § 121 BewG, sondern lediglich eine Anwartschaft auf ein solches Wirtschaftsgut darstellt.

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Inhaltsverzeichnis

1. Ausgangsfall: Vermächtnis über Immobilie der Erblasserin

Am vorliegenden Ausgangsfall waren zwei Personen beteiligt. Die Erblasserin, die ihren Wohnsitz in der Schweiz hatte, vermachte ihrer Nichte – diese lebte wiederum in den USA – eine in München belegene Immobilie. Keine der beteiligten Personen, weder Erblasserin noch Nichte, verfügte über einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Eine unbeschränkte Erbschaft- und Schenkungsteuerpflicht scheidet daher aus.

Die Übertragung erfolgte durch Vermächtnis, sodass der eigentliche Vollerbe verpflichtet wurde, die als Teil des Erbanfalls auf ihn übergegangene Immobilie an die Nichte der Erblasserin herauszugeben (§§ 1939 und 2147 Satz 1 BGB).

Im weiteren Verlauf, konkret im Jahr 2013, verstarb die Erblasserin. Das Vermächtnis wurde wirksam und ihre Nichte erwarb den Anspruch auf Herausgabe der Immobilie durch den Erben. Diesen machte sie im Folgejahr, 2014, geltend. Sodann übertrug der Erbe den vermachten Miteigentumsanteil durch notariell beurkundeten und damit rechtsgültigen Vertrag auf die Vermächtnisnehmerin (§ 311b Absatz 1 Satz 1 BGB).

2015 erstellte die Vermächtnisnehmerin ihre Erbschaftsteuererklärung für das Jahr 2014. Im folgenden Bescheid wurde das Vermächtnis mit dem (anteiligen) gemeinen Wert der Immobilie angesetzt und, gemindert um den maßgebenden Freibetrag von EUR 20.000, besteuert. Das Finanzamt stellte eine beschränkte Erbschaftsteuerpflicht im Sinne des § 2 Absatz 1 Nummer 3 ErbStG in Verbindung mit § 121 Nummer 2 BewG (inländisches Grundvermögen) fest.

2. Einspruchsverfahren und FG-Entscheidung in erster Instanz

Die Vermächtnisnehmerin legte gegen den Erbschaftsteuerbescheid Einspruch ein. Sie begründete ihn mit dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine beschränkte Erbschaftsteuerpflicht. Sowohl Erblasserin als auch Nichte hatten ihren Wohnsitz im Zeitpunkt des Todes im Ausland. Mangels gewöhnlichen Aufenthaltes könne in keinem Fall eine unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht vorliegen. Außerdem liege kein Inlandsvermögen im Sinne des § 121 BewG vor.

2.1. Einspruchsverfahren

Da auch die maßgebenden Zeiträume des § 2 Absatz 1 Nummer 2 ErbStG überschritten seien, komme nur eine beschränkte Steuerpflicht nach § 2 Absatz 1 Nummer 3 ErbStG infrage. Diese habe das Finanzamt zwar zutreffend erkannt, den Begriff des „Inlandsvermögens“ nach § 121 BewG aber zu weit ausgelegt. Die Aufzählung der Norm sei abschließend und umfasse explizit nur inländisches Grundvermögen selbst, nicht aber den Anspruch auf Übertragung eines solchen Vermögenswertes. Insoweit liege rein durch das Vermächtnis noch kein Inlandsvermögen vor; eine beschränkte Steuerpflicht scheide aus.

Das Finanzamt wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung nach § 367 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 3 AO zurück. Zur Begründung führte es an, dass auch Anrechte auf die Übertragung inländischer Wirtschaftsgüter Inlandsvermögen darstellten. Hiergegen erhob die Vermächtnisnehmerin Klage vor dem Finanzgericht (FG).

2.2. Klageverfahren vor dem FG

Auch die Klage hatte allerdings keinen Erfolg. Das FG erkannte zwar an, dass es sich beim Anspruch auf Übertragung von Grundvermögen um eine „Anwartschaft“ und nicht um originäres Inlandsvermögen handelt. In Vollziehung des Vermächtnisses erfolge allerdings die Übertragung des Miteigentumsanteils an Inlandsvermögen im Sinne des § 121 Nummer 2 BewG. In einer dem Willen des Gesetzgebers bei Einführung der Norm entsprechenden Auslegung sei auch der Anspruch auf die Überschreibung einer inländischen Immobilie als Inlandsvermögen anzusehen.

Im Ergebnis wurde die Klage als zulässig, aber unbegründet abgewiesen (§ 65 Absatz 1 Satz 3 FGO; FG München, 10.07.2019, 4 K 174/16). Die Klägerin entschied sich zur Einlegung der Revision zum Bundesfinanzhof.

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3. Abschließende BFH-Entscheidung zum ausländischen Vermächtnis

Der Bundesfinanzhof ließ die Revision der Nichte wegen der grundlegenden Bedeutung des Steuerfalles zu. Im abschließenden Urteil verwarf er die Entscheidungen von Finanzamt und Finanzgericht. Er stellte fest, dass das Vermächtnis und der durch dieses erworbene Anspruch der Klägerin keinen Tatbestand des § 2 Absatz 1 Nummer 3 ErbStG erfüllt. Zur Begründung führte das Gericht im Kern Folgendes aus:

  • Nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 ErbStG unterliegen auch Vermächtnisse der Erbschaftsteuer. Für den Fall einer beschränkten Steuerpflicht gilt dies aber nur, wenn das Vermächtnis zu einer unmittelbaren Übertragung von Inlandsvermögen im Sinne des § 121 BewG führt
  • § 121 BewG zeichnet sich durch den Inlandsbezug des übertragenen Vermögens aus. Bei Immobilie sei dieser insbesondere dadurch gegeben, dass das Gebäude selbst innerhalb Deutschlands liegt
  • Ein Vermächtnis führe zwar zu einem Anspruch auf Übertragung des Miteigentumsanteils am Grundstück, nicht aber zur Übertragung des Grundvermögens selbst. Grund dafür ist, dass dem Vermächtnis selbst noch die notarielle Übereignung im Sinne des § 311b BGB folgt
  • Erst mit Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Erben finde eine Übertragung von Inlandsvermögen nach § 2 Absatz 1 Nummer 3 ErbStG statt.

Eine unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht verneinte der BFH ebenfalls, weil

  • die Erblasserin keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte,
  • der Aufenthalt im Ausland weit über die Fünfjahresfrist des § 2 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b ErbStG hinausging, und
  • kein Dienstverhältnis zu inländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts bestand.

Die Erbschaftsteuer entsteht bei Erwerben von Todes wegen – zu denen das Vermächtnis gehört – mit dem Tode der Erblasserin (§ 9 Absatz 1 Nummer 1 ErbStG). Zu diesem Zeitpunkt erfolgte keine Immobilienübertragung, weil die Vermächtnisnehmerin ihren Anspruch erst später einforderte. Im Ergebnis ist der Vorgang damit erbschaftsteuerfrei.

4. Fazit: Gesetzeslücke ermöglicht steuerfreie Übertragung durch Vermächtnis

Im genannten Fall hat der Bundesfinanzhof einmal mehr eine durchaus attraktive Gesetzeslücke festgestellt, die an die Übertragung von Anwartschaften auf die Übertragung eines GmbH-Anteils zur Vermeidung der Wegzugsteuer nach § 6 AStG erinnert. Vermächtnisse über Inlandsvermögen stellen nach Auffassung des BFH selbst kein Inlandsvermögen dar. Eine Besteuerung nach § 2 Absatz 1 Nummer 3 ErbStG scheidet damit aus.

Aber: Auf Fälle, in denen Inlandsvermögen unmittelbar mit dem Erbfall übergeht (etwa bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge), ist das Urteil nicht anzuwenden. Denn hier erhält der Erbe keine Anwartschaft, sondern tatsächliches Inlandsvermögen im Sinne des § 121 BewG. Entsprechendes gilt für die Schenkung nach § 7 ErbStG.

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5. Exkurs: Erbschaftsteuerliche Behandlung von Vermächtnissen im Grundsatz

Durch Testament kann der Erblasser einem anderen als den eigentlichen Erben einen Vermögensvorteil jedweder Art zuwenden (§ 1939 BGB). Der Vermächtnisnehmer hat einen entsprechenden Anspruch auf Herausgabe des Gegenstandes gegen den Erben oder die Erbengemeinschaft.

Vermächtnisse gelten erbschaftsteuerlich als Erwerbe von Todes wegen (§§ 1 Absatz 1 Nummer 1 und 3 Absatz 1 Nummer 1 Alternative 2 ErbStG). Sie unterliegen damit der Erbschaftsteuer, soweit keine Ausnahmen – zum Beispiel Befreiungen nach den §§ 13 bis 13b ErbStG – greifen. Zu nennen ist hier insbesondere die vollständige Steuerbefreiung von Betriebsvermögen, wenn die Voraussetzungen des § 13a ErbStG erfüllt sind.

Der Erbe wird durch das Vermächtnis insoweit belastet, als dass sich seine Bereicherung um den Wert des herausgegebenen Gegenstandes vermindert. Um eine ungerechtfertigte und im Ergebnis doppelte Besteuerung des Vermächtnisses zu verhindern, kann der Erbe die jeweilige Verbindlichkeit von der Bereicherung abziehen (§ 10 Absatz 5 Nummer 2 ErbStG).

Beispiel: Mutter M verstirbt. Sie hinterlässt ausschließlich Barvermögen in Höhe von EUR 2.000.000 und einen Oldtimer, der einen Wert von EUR 90.000 hat. Den Oldtimer vermacht sie ihrer Schwester S, im Übrigen ist Ehemann E Alleinerbe.

Lösung: Nach § 2303 BGB hat S keinen Anspruch auf einen Pflichtteil. Sie wird aber durch das Vermächtnis bedacht. E erhält insgesamt EUR 2.090.000, die er dem Grunde nach als Bereicherung zu versteuern hat (§ 10 Absatz 1 Satz 1 ErbStG). Hiervon muss er EUR 90.000, den Oldtimer, an S herausgeben. S muss diesen Wert ihrerseits als Bereicherung versteuern; E kann ihn als Verbindlichkeit aus einem Vermächtnis abziehen. Im Ergebnis unterliegen insgesamt EUR 2.090.000 der Besteuerung.

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