Akteneinsicht im Finanzverfahren

Dann haben Sie einen Anspruch

Dann haben Sie einen Anspruch auf Akteneinsicht

Die Abgabenordnung kennt keinen Anspruch für Steuerpflichtige auf Einsicht in die Akten der Finanzbehörden. Jedoch wird derzeit diskutiert, ob nicht der Artikel 15 DSGVO auch im finanzbehördlichen Verfahren ein Akteneinsichtsrecht vermittelt. Insbesondere in Außenprüfungen werden oft Anträge auf Auskunft über die von der Finanzbehörde verarbeiteten Daten gestellt. Wir erklären, ob und wann Akteneinsicht gewährt werden muss.

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In diesem Video erklären wir, eine Außenprüfung abläuft.

Inhaltsverzeichnis


1. Generelles zur Akteneinsicht

1.1. Sinn der Akteneinsicht

Bei der Akteneinsicht verlangt der Steuerpflichtige gegenüber der Finanzbehörde in die über ihn registrierten Daten einen Einblick zu erhalten. Die Einsicht in finanzbehördliche Akten kann gerade bei Streitigkeiten im Rahmen einer Betriebsprüfung oder im Rahmen von Rechtsbehelfsverfahren entscheidend sein. Ermessensfehler oder die Umstände, auf die sich die Rechtsaufassung in der Außenprüfung maßgeblich stützt, können sich unter Umstände erst aus der Finanzamtsakte ergeben. Daher ist Akteneinsicht wichtig.

1.2. Standpunkt der Finanzverwaltung

Die Finanzbehörde lehnt Anträge auf Akteneinsicht aber regelmäßig ab. Die Rechtsmäßigkeit solcher ablehnender Entscheidungen war in der letzten Zeit Gegenstand verschiedener Entscheidungen der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs. Auch derzeit sind noch einige Revisionsverfahren und Nichtzulassungsbeschwerden anhängig. Der Akteneinsicht wurde zudem in der EuGH-Entscheidung zur Rechtsache „Ispas“ vom 09.11.2007 Rechnung tragen.

Seit einiger Zeit macht sich die Finanzverwaltung jedoch für einen Wandel im finanzbehördlichen Verfahren hin zu Kooperation und Transparenz stark. Der Referentenentwurf zur Umsetzung der DAC 7-Richtlinie und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts vom 12.7.2022 sieht weitere Transparenzpflichten des Steuerpflichtigen vor. Während beispielsweise nach aktueller Rechtslage Verrechnungspreisdokumentationen nur auf Aufforderung im Rahmen einer Außenprüfung vorzulegen sind, sieht der Gesetzesentwurf die Möglichkeit einer jederzeitigen Aufforderung auch ohne die Anordnung einer Außenprüfung vor. Wurde eine Außenprüfung angeordnet, ist die Verrechnungspreisdokumentation zudem ohne weiteres Vorlageverlangen innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen.

Mehr Kooperation und Transparenz gilt aber auch für die Finanzbehörde. Deswegen sieht der Entwurf neue Transparenzpflichten für die Finanzbehörde vor. Außenprüfer sollen beispielsweise Prüfungsschwerpunkte benennen (§ 197 Absatz 4 AO-E) und Zwischengespräche (§ 199 Absatz 2 Satz 2 AO-E) führen.

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1.3. Grund für das Fehlen eines Akteneinsichtsanspruchs

Die Abgabenordnung sieht keinen Anspruch für Steuerpflichtige auf Akteneinsicht gegenüber der Finanzbehörde vor. Bei der Neufassung der Abgabenordnung im Jahr 1975 hatte der Finanzausschuss erwägt, für Beteiligte im Steuerverfahren einen Anspruch auf Akteneinsicht zu regeln. Aus Praktikabilitätsgründen hat es sich jedoch dann dagegen entschieden. Begründet wurde dies damit, dass Steuerakten häufig auch Informationen Dritter enthielten, die dem Steuergeheimnis unterlägen. Solche Informationen sind daher vor der Akteneinsicht zu identifizieren und auszusortieren. Dies wurde als unpraktikabel identifiziert, so dass von dem Einführen eines Akteneinsichtsanspruchs abgesehen wurde.

1.4. Recht auf ermessensfreie Entscheidung über den Antrag auf Akteneinsicht im finanzbehördlichen Verfahren

Jedoch gebieten das Rechtstaatsprinzip (Artikel 20 Absatz 3 GG) und der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes (Artikel 19 Absatz 4 GG) einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Antrag auf Akteneinsicht. Der Steuerpflichtige kann effektiven Rechtsschutz nur dann Erlangen, wenn ihm bekannt ist, auf welche Tatsachen das Finanzamt seine Rechtsansicht stützt.

2. Finanzgerichtliche Entscheidungen zur Akteneinsicht

Das Finanzgericht (FG) hat bei dem vom Kläger gestellten Antrag auf Akteneinsicht eine Ermessensreduzierung auf null angenommen. Daher sei die Ablehnung des Antrags auf Akteneinsicht durch die Finanzbehörde ermessensfehlerhaft gewesen. Die Finanzbehörde hat die Interessen des Klägers gegenüber den behördlichen Interessen fehlerhaft abgewogen. Die Behörde hat sich unter anderem auf unzumutbaren Verwaltungsaufwand und die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen Dritter berufen.

Das FG hat in der entsprechenden Entscheidung nunmehr auch Anforderungen an die Art und den Umfang der Interessenabwägung gestellt, für den Fall dass die Finanzbehörde die Ablehnung des Antrags mit einem unzumutbaren Verwaltungsaufwand und der Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen Dritter begründen will.

Vorerst muss der mit der Akteneinsicht verbundene Verwaltungsaufwand konkret beschrieben werden. Dieser muss mit dem Aufwand verglichen werden, den ein Rechtsbehelfsverfahren verursachen würde, welches der Antragsteller erwartungsgemäß gegen die Ablehnung des Antrags auf Akteneinsicht führt. Informationen über einen Steuerberater, der im Ermittlungsverfahren ausschließlich im Namen des Betroffenen aufgetreten sei, seien zudem keine schutzwürdigen, personenbezogenen Daten eines Dritten. Daher stehen sie einer Akteneinsicht nicht entgegen. Auch Kontrollmitteilungen, die sich in den Akten befinden, lassen sich leicht aussortieren. Daher stehen sie der Akteneinsicht ebenfalls nicht entgegen. Damit muss die Finanzbehörde die Ablehnung von Anträgen auf Akteneinsicht umfassend begründen.

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Wir erklären, wie das finanzgerichtliche Verfahren abläuft.

3. Akteneinsicht nach Artikel 15 DSGVO

3.1. Das Auskunftsrecht nach Artikel 15 DSGVO

Nach Artikel 15 Absatz 1 Halbsatz 2 DSGVO haben Betroffene gegenüber dem Verantwortlichen das Recht auf Auskunft über verschiedene dort genannte zusätzliche Informationen, wie zum Beispiel Verarbeitungszwecke, erfolgte oder geplante Übermittlungen der Daten an Dritte oder die Herkunft der Daten, falls sie nicht bei der betroffenen Person ermittelt wurden. Der Verantwortliche hat der betroffenen Person nach Art 15 Absatz 3 Satz 1 DSGVO eine Kopie der personenbezogenen Daten, über die Auskunft zu erteilen ist, zur Verfügung zu stellen.

Da die Finanzbehörde personenbezogene Daten des Steuerpflichtigen verarbeitet kommt der Auskunftsanspruch nach Art 15 Absatz 1 DSGVO im Anwendungsbereich des Steuerrechts einem Akteneinsichtsrecht jedenfalls sehr nahe. Daher sind vermehrt Anträge auf Akteneinsicht auf Grundlage des Artikel 15 DSGVO gegenüber der Finanzbehörde gestellt worden. Die konkreten datenschutzrechtlichen Ansprüche von Steuerpflichtigen gegenüber der Finanzverwaltung sind jedoch in der bisherigen finanzgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur streitig. Höchstrichterlich sind sie weitgehend noch ungeklärt. 

3.2. Anwendbarkeit der DSGVO im finanzbehördlichen Verfahren

Im finanzbehördlichen Verfahren ist die DSGVO unmittelbar anwendbar, weil die Finanzbehörden nach Artikel 4 Nummer 7 DSGVO Verantwortliche im Sinne der DSGVO sind. Der persönliche Anwendungsbereich der DSGVO ist nach Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 4 Nummer 1 DSGVO zwar nur für natürliche Personen eröffnet. § 2a Absatz 5 AO erweitert ihn allerdings auch auf juristische Personen. Zudem erstreckt sich der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO nicht nur auf indirekte, sondern auch auf direkte Steuern – also durch die EU nicht harmonisierte Steuern.

Gestützt auf eine Entscheidung des EuGH ist allgemein vertreten, dass die Finanzamtsakte nahezu ausschließlich personenbezogene Daten des Steuerpflichtigen enthält. Nach Artikel  4 Nummer 1 DSGVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Maßgeblich für die Qualifizierung als personenbezogene Daten ist allein, ob die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkung mit einer bestimmten Person verknüpft ist. Da der Begriff der personenbezogenen Daten weit zu verstehen ist, sind Beurteilungen, Werturteile, Einschätzungen des Sachbearbeiters, interne Bewertungen, Folgerungen, Kalkulationen, Schätzungen und vergleichbares ebenfalls als solche Daten anzusehen. Selbst rechtliche Argumentationen seinen als personenbezogene Daten zu qualifizieren, soweit sie auf den Steuerpflichtigen Bezug nehmen. Dazu zählt beispielsweise die Subsumtion des Finanzgerichts. Daher sind allein abstrakte, rechtliche Ausführungen innerhalb der rechtlichen Würdigung keine Daten im Sinne der DSGVO.

Zur Verarbeitung gehört nach Artikel 4 Nummer 2 DSGVO beispielsweise das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung oder das Verändern. Im Rahmen einer Außenprüfung werden personenbezogene Daten erhoben, geordnet, gespeichert, ausgelesen und verwendet.

3.3. Akteneinsicht auf Grundlage der DSGVO in der Rechtsprechung

Das FG Saarland hat in seiner Entscheidung vom 03.04.2019 festgestellt, dass Art 15 Absatz 1 DSGVO einen gebundenen Anspruch des Betroffenen auf Akteneinsicht gegenüber dem Finanzamt gewährt. Andere Finanzgerichte hingegen lehnen einen solchen Anspruch ab. Darunter in einer neueren Entscheidung auch das FG Düsseldorf.

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3.4. Probleme des Anspruchs auf Akteneinsicht nach Artikel 15 DSGVO

Problematisch ist schon, welche Klageart bei Begehren im Zusammen mit einer Auskunftserteilung nach Artikel 15 DSGVO im eröffneten Finanzrechtsweg Anwendung findet. Vertreten wird, zum einen dass die Verpflichtungsklage statthaft ist und zum anderen, dass eine allgemeine Leistungsklage mit einer Anfechtungsklage gegen den ablehnenden Verwaltungsakt statthaft ist. Das Revisionsverfahren IX R 20/22 betrifft u.a. explizit die Rechtsfrage der statthaften Klageart im Zusammenhang mit dem Begehren einer Auskunftserteilung gegenüber der Finanzverwaltung. Für den Kläger ist jedoch unrelevant, ob er die richtige Klage eingereicht hat. Das Finanzgericht deutet die Klage im Notfall so um, dass die richtige Klageart gewählt wurde.

Zu klären ist zudem, ob es sich bei den datenschutzrechtlichen Betroffenenrechte aus Artikel 15 Absatz 1 DSGVO (Recht aus Auskunft über personenbezogene Daten) und aus Artikel 15 Absatz 3 DSGVO (Recht auf Zurverfügungstellung einer Kopie personenbezogener Daten) um zwei unterschiedliche Ansprüche oder um einen einheitlichen Anspruch handelt.

Zu der allgemein gehaltenen Rechtfrage, in welchem Umfang aus der DSGVO ein Auskunftsanspruch gegenüber der Finanzbehörde erwächst, sind Revisionsverfahren unter den Aktenzeichen IX R 34/21, IX R 24/22, IX R 25/22 und IX R 26/22 beim BFH anhängig.

4. Auswirkungen für die Praxis

Das Auskunftsrecht nach Artikel 15 Absatz 1 DSGVO bezieht sich ausschließlich auf personenbezogene Daten und gewährt dementsprechend kein Recht auf Einsicht in Bestandteile einer Akte, soweit dort keine personenbezogene Daten abgeheftet sind. Dazu gehören insbesondere Vorarbeiten und Bewertungen des Prüfers, wie rechtliche Stellungnahmen, Entscheidungsentwürfe, Berechnungen oder Ermittlungsergebnisse.

Weiterhin ist ein etwaiger Anspruch auf Akteneinsicht gemäß § 32c Absatz 1 Nummer 1 AO in Verbindung mit § 32b Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a AO aufgrund überwiegender Interessen Dritter namentlich des Steuergeheimnisses beschränkt. Insofern ist abzuwarten, wie sich der BFH in zahlreichen anhängigen Revisionsverfahren entscheiden wird.

In der Praxis ist es daher sinnvoll seinen Anspruch auf beide Anspruchsgrundlagen zu stützen und gegen eine etwaige Ablehnung Klage einzureichen.


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