Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Grundlage der Besteuerung
Eines der wichtigsten Prinzipien, die die Erhebung von Steuern in der Bundesrepublik Deutschland regeln, ist das sogenannte Leistungsfähigkeitsprinzip. Es fordert, dass der Staat Steuern von seinen Steuerpflichtigen nur in dem Umfang fordern darf, der auch ihrer wirtschaftlichen Leistung entspricht. So wäre beispielsweise die früher auch in Deutschland erhobene Fenstersteuer nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip unzulässig, weil hierbei kein Bezug zu einer von Seite der Steuerpflichtigen erbrachten Leistung besteht. Tatsächlich ist das Leistungsfähigkeitsprinzip ein Merkmal aller modernen Steuerregime – auch im Ausland.
Besteuerungsgrundsätze in Deutschland
In diesem Video erklären wir, welche Besteuerungsgrundsätze in der Abgabenordnung die Besteuerung in Deutschland regeln.
Inhaltsverzeichnis
1. Das Leistungsfähigkeitsprinzip – Einleitung
Lang ist es her, dass man willkürlich Steuern zahlen musste. Selbst im Mittelalter galten gewisse Regeln in Bezug auf zu entrichtende Steuern. Dazu kann man hier als Beispiel die Kopfsteuer anführen, die man nach der Anzahl der Personen eines Hausstands zu entrichten hatte. Auch der Zehnt, den man leisten musste, war von der Höhe der Abgabe her beschränkt. Dennoch wissen wir aus historischen Quellen, dass Steuereintreiber und Zöllner oft nach eigenem Gutdünken Abgaben forderten, um sich selbst zu bereichern.
Dass dies für einen funktionsfähigen modernen Staat keine Grundlage zur Steuererhebung sein konnte ist spätestens dem schottischen Moralphilosophen und Ökonomen Adam Smith im 18. Jahrhundert klar geworden. Er gilt als Begründer der Grundlagen moderner Besteuerung. So stellte Smith 1776 in seinem bahnbrechenden Werk „The Wealth of Nations“ die Grundsätze der Gleichmäßigkeit und Bestimmtheit der Besteuerung unter Beachtung der individuellen Leistungsfähigkeit sowie die Bequemlichkeit und Billigkeit von Steuern für Staat und Steuerzahler auf. Diesen Leitlinien folgen somit auch die meisten Steuergesetze der Welt – bis heute.
Sie sind ebenso Ausdruck des Verständnisses eines Staates in seiner Beziehung zur Gesellschaft, die er regiert, schützt und zusammenhält. Denn die mit seinen Aufgaben verbundenen Kosten müssen über Steuern finanziert werden. Dies gilt zumindest, wenn man die Verstaatlichung aller Betriebe als Alternative zur Erzielung von Staatseinnahmen ausschließen möchte. Eine Verstaatlichung ist nämlich keine nachhaltige fiskalische Lösung. Spätestens seit dem Ende der Sowjetunion und anderer sozialistischer Regime weltweit sollte dies klar sein. Das liegt daran, dass schlicht und einfach ein Anreiz zur Förderung der Produktivität fehlt – ganz gleich, was Propagandalosungen, übertriebene Erfolgsmeldungen und sensationelle Ehrungen von Helden der Arbeit uns auch immer weißzumachen versuchten.
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2. Merkmale des Leistungsfähigkeitsprinzips
2.1. Zentrale Forderung des Leistungsfähigkeitsprinzips
Was besagt denn nun das Leistungsfähigkeitsprinzip? Es fordert, dass eine Besteuerung nach der wirtschaftlichen Ertragskraft der Steuerpflichtigen zu bemessen ist. Wer geringen wirtschaftlichen Erfolg erbringt, der soll auch nur eine entsprechend geringe finanzielle Abgabe leisten. Wer aber viel verdient, soll auch entsprechend mehr Steuern zahlen.
2.2. Leistungsfähigkeitsprinzip und Steuergerechtigkeit basieren auf dem Grundgesetz
Diese Ausrichtung der Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip basiert in Deutschland auf Artikel 3 GG. Er ist Grundstein unserer Steuergerechtigkeit. Sie findet auch in § 85 AO Widerhall. Dabei kann man verfassungsrechtlich ableitend eine horizontale von einer vertikalen Steuergerechtigkeit unterscheiden. Die horizontale Steuergerechtigkeit zielt darauf ab, dass Steuerpflichtige von gleicher Leistungsfähigkeit, gleich viel Steuern zu zahlen haben. Die vertikale Steuergerechtigkeit fordert hingegen, dass mit zunehmender Leistungsfähigkeit auch eine entsprechend höhere Besteuerung einhergehen soll. Dabei ist das Ausmaß der Mehrbesteuerung keineswegs klar definiert. Deutschland setzt einen progressiven Steuertarif ein. Auf Grundlage der vertikalen Steuergerechtigkeit könnte es aber auch ein linearer Steuertarif sein, der diese Bedingung erfüllt. Dass wir dennoch einen progressiven Steuertarif anwenden liegt vielmehr an der sozialstaatlichen Ausrichtung (Artikel 20 und 28 GG). Eine sozialpolitische Umverteilung ist somit verfassungsrechtlich abgedeckt.
Darauf Bezug nehmend kann man annehmen, das Leistungsfähigkeitsprinzip geht von der Fähigkeit eines Steuerpflichtigen aus, auf einen bestimmten Anteil seines Einkommens zu verzichten. Wer wenig verdient, hat kaum die Möglichkeit neben der Finanzierung des Lebensunterhalts auch noch Steuern zu entrichten. Zumal, der Lebensunterhalt ist ja selbst schon in aller Regel von Besteuerung (Umsatzsteuer) betroffen. Wer aber sehr viel Einkommen generiert, braucht im Allgemeinen nur einen vergleichsweise kleinen Teil davon, um angemessen zu leben. Der Rest steht somit auch als potentielle Steuer dem Staat zu. Jedenfalls sind dabei auch das objektive und das subjektive Nettoprinzip zu wahren.
2.3. Besteuerung von Nettovermögen nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip
Von dieser Perspektive aus betrachtet, besteht in der Besteuerung von bereits zuvor nettoversteuertem Vermögen kein Widerspruch zum Leistungsfähigkeitsprinzip. Kapitalertragsteuer, Umsatzsteuer, Grundsteuer, Erbschaft- und Schenkungsteuer, ja sogar die nach wie vor existente Vermögensteuer (ihre Erhebung ist derzeit lediglich ausgesetzt) sind somit Steuern, die auf der finanziellen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen beruhen. Dass schon zuvor die Einkommensteuer die Vermögensmehrung im Zeitpunkt ihres Entstehens abschöpfte, ist eben nur als erste Stufe einer potentiell wiederkehrenden Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu verstehen.
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3. Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Perpetuum mobile der Besteuerung
Nun könnte man meinen, dass man als Reaktion darauf einfach das Nettovermögen in einen Sparstrumpf stopfen könnte, um zu verhindern, dass man wieder und wieder Steuern auf die sonst anfallenden Früchte zahlt. Doch so denken die allerwenigsten Menschen, die Vermögen anhäufen. Vielmehr suchen sie nach Wegen, wie sie ihr Vermögen anlegen können, um es zu mehren, zumindest aber zu bewahren. Denn Vermögen ist ja auch jenseits von Steuern diversen Risiken ausgesetzt.
Genau diesen Umstand der praktisch automatisch weitergeführten Vermögensmehrung macht sich der Staat zunutze. Und zwar, indem er sich auf das Leistungsfähigkeitsprinzip beruft. Denn auch wenn die Grundlage weiterer Investitionen bereits versteuert wurde, so besteht in dem (re)investierten Vermögen ja noch Potential für weitere Leistungsfähigkeit. Demnach sei auch darauf die Besteuerung im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips erlaubt.
Man könnte jetzt zynisch anmerken, dass der Staat die Leistungsfähigkeit seiner Steuerpflichtigen solange abschöpft, bis der letzte Cent an potentiellem Gewinn auch in seine Kassen geflossen ist, bis also die Steuerpflichtigen keinen Anreiz mehr sehen, ihr Vermögen weiter zu mehren. Aber wir wissen ja alle, dass der Staat diese Wette auf jeden Fall gewinnt. Und natürlich macht es für viele Menschen Sinn, Vermögen weiter arbeiten zu lassen. Doch selbst wenn man sich als Steuerpflichtiger eines Tages entscheidet, das erwirtschaftete Vermögen lieber auszugeben statt weiter zu horten oder zu mehren, hält der Staat seine Hand auf. Denn dann fordert er seinen Tribut in Form von Umsatz- oder Grunderwerbsteuer.
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4. Leistungsfähigkeitsprinzip: Fluch oder Segen?
Wenn man das so liest und gedanklich wiederkäut, könnte man den Eindruck gewinnen, dass der Staat die vermögenden Bevölkerungsschichten praktisch indirekt enteignet hat. Allein der Umstand, dass die betroffenen Steuerpflichtigen es kaum so klar wahrnehmen, ist hierbei kein echter Trost. Sie mögen oft lamentieren, wie unverschämt der Staat auf ihre Gewinne, ihr Vermögen zugreift und dass dies doch einer Enteignung gleichkommt, doch so wirklich der Tatsache des Hamsterrads Vermögensmehrung, das faktisch keine Befreiung vor weiterer Besteuerung zulässt, sind sich wohl nur die wenigsten bewusst. Und gewiss, dieses Bild ist stark verzerrt (Stichwort Steuergestaltung).
Denn der Staat setzt die eingetriebenen Steuern für eine Vielzahl an Aufgaben ein. Davon profitieren alle Bürgerinnen und Bürger, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Nun mag man einerseits aus Sicht der Leistungsträger bemängeln, dass der Staat große Teile dieser Steuereinnahmen, die ja aus ihrer Sicht zu einem erheblichen Teil auf ihrer Leistungsfähigkeit beruhen, für soziale Ausgaben verwendet, Leistungen also, auf die man selber keinen Anspruch hat, von denen man also auch keinen direkten Vorteil erwarten kann (die indirekten, übersieht man da schnell). Aber genauso gerechtfertigt ist auch der Einwand der mittellosen Sozialleistungsempfänger, dass der Staat mit Steuergeldern Autobahnen, Flughäfen und andere Infrastruktur finanziert, von denen sie selber genauso wenig profitieren, weil sie weder ein eigenes Auto haben noch in den Urlaub fliegen. Dabei haben im Grunde beide Seiten (und alle dazwischen) gleichzeitig Recht wie Unrecht.
Aufgabe eines Staates ist eben in erster Linie, die Gesellschaft zu erhalten. Wenn es erforderlich ist, dass gewisse Schichten oder Gruppen staatliche Unterstützung brauchen, um dieses Ziel zu erreichen, setzt der Staat die erhobenen Steuern hierfür ein. Wenn es aber auch darum geht, dass Unternehmer für ihre Unternehmen die erforderliche Infrastruktur für ihre Geschäftserfolge brauchen, zum Beispiel durch angemessene Ausbildungsstätten für Nachwuchsfachkräfte, dann muss der Staat auch hierfür die erforderlichen Mittel bereitstellen.
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5. Abschließende Gedanken zum Leistungsfähigkeitsprinzip
5.1. Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Test der Zeit
Je fortschrittlicher eine Gesellschaft ist, desto komplexer ist auch das Beziehungsgeflecht, das sie trägt. Das Leistungsfähigkeitsprinzip hat sich im Laufe der Jahrhunderte als Instrument einer einigermaßen gerechten Besteuerung der Menschen bewährt. Sicher, es gibt viele Aspekte, die man am Leistungsfähigkeitsprinzip kritisieren kann, etwa die Besteuerung von bereits versteuertem Nettovermögen. Doch selbst wenn man einen besseren Ansatz als Ersatz hierfür finden würde, so könnte die umfassend umwälzende Umstellung darauf größeren Schaden anrichten als das Festhalten an diesem Grundsatz. Auch hierzu können wir auf den Zusammenbruch der Sowjetunion und seine Folgen verweisen.
Obschon viele Menschen die subjektive Einstellung vertreten, dass sie überproportional hohe Steuern zahlen müssen, und gleichzeitig nur wenige Menschen den Wert der mit ihren Steuern finanzierten gesellschaftlichen Errungenschaften zu erkennen vermögen, so dürften wohl die meisten zustimmen, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip einen durchaus gerechten Ansatz bei der Erhebung von Steuern darstellt.
5.2. Einsatz der Steuermittel
Dabei ist es auch für den Staat bei der Erfüllung seiner Aufgaben alles andere als einfach, allen Mitgliedern der Gesellschaft gleichermaßen gerecht zu werden. Oft genug hat man Regierungen und Verantwortliche für ihre fehlerhafte Fiskalpolitik, ihre Prestigeprojekte etwa oder ihre ideologisch eingefärbten Subventionen, aber ebenso für ihre Versäumnisse bei der Erhaltung von Infrastruktur, gerügt. Der Bund der Steuerzahler blickt zurecht Jahr für Jahr kritisch auf die staatlichen Ausgaben.
Keine Frage, als Steuerzahler darf man erwarten, dass Vater Staat die Steuern vernünftiger einsetzt, als bisher. Doch liegt es eben auch an uns als Gesellschaft, dass wir darauf bestehen und es mit Nachdruck einfordern. Vor allem, es liegt in unserem eigenen Interesse.
Tatsache ist aber auch, dass auch wir in unserer diesbezüglichen Mitwirkungsverantwortung nachlässig sind. Wer sich also das nächste Mal über zu hohe Steuern beschwert, sollte sich daran erinnern, wann man das letzte Mal für vernünftiger eingesetzte Steuermittel öffentlich eingetreten ist. Das beste Beispiel dafür, dass man sich zu wenig dafür eingesetzt hat, ist der marode Zustand unserer Infrastruktur. Brücken, Bahnen, Gesundheitswesen, Internet und Schulen, einst vom Ausland neidvoll als Vorbild betrachtet, sind durch falsche Prioritäten bei der Verwendung unserer Steuermittel mittlerweile zu mehr als einem Armutszeugnis für Deutschland geworden. Sie sind für alle Mitglieder der Gesellschaft eine Belastung, ein riesiges Problem. Darum ist das Leistungsfähigkeitsprinzip auch in Zukunft ein elementarer Grundsatz, den man stärken und verstärkt anwenden sollte. Denn das Leistungsfähigkeitsprinzip ist für einen funktionsfähigen Staat ebenso relevant wir für einen gerechten.
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