Objektives Nettoprinzip – Grundsatz bei der Besteuerung
Das deutsche Steuerrecht fußt auf einer Reihe grundlegender Prinzipien. Diese wiederum sind Ausfluss des Grundgesetzes. So besagt beispielsweise Artikel 3 GG, dass alle Menschen gleich vor dem Gesetz sind. Daher führt man das Leistungsfähigkeitsprinzip sowie die damit einhergehende Steuergerechtigkeit auf diesen verfassungsrechtlichen Grundsatz zurück. Wir kennen aber auch ein objektives Nettoprinzip sowie ein subjektives Nettoprinzip. Das objektive Nettoprinzip gibt vor, dass der Staat gewisse individuelle Faktoren bei der Besteuerung der Steuerpflichtigen zu berücksichtigen hat. Damit beschränkt das objektive Nettoprinzip die wichtigsten Steuereinnahmen des Staates durch Gewährung von steuerlichen Abzügen, beispielsweise in Form von Werbungskosten und Abschreibungen.
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Inhaltsverzeichnis
1. Objektives Nettoprinzip – Einleitung
Das deutsche Steuerrecht ist ein modernes. Es folgt bestimmten Grundsätzen, die auch viele andere Staaten bei der Besteuerung ihrer Steuerpflichtigen anwenden. Tatsächlich gilt dies sogar für die meisten Staaten, insbesondere die führenden Industrienationen. Dennoch ist der Allgemeinheit allenfalls bruchstückhaft bekannt, nach genau welchen Grundsätzen die Erhebung von Steuern erlaubt ist. Ein solcher Leitgedanke ist das objektive Nettoprinzip. Was es damit auf sich hat, klären wir nun in diesem Beitrag.
2. Objektives Nettoprinzip: nur Nettoeinnahmen sind zu besteuern
Im Grunde erklärt die Überschrift dieses Kapitels bereits den Kernpunkt des objektiven Nettoprinzips. So soll der Staat in aller Regel nur Nettoeinnahmen besteuern. Denn rein hypothetisch könnte ja der Fiskus stattdessen den Umsatz eines Kaufmanns oder das Bruttogehalt von Angestellten versteuern. Gewiss, auf den ersten Blick ist das Bruttogehalt durchaus Gegenstand der Einkommensbesteuerung. Dies gilt aber eben nur, sofern man keine anderen steuerlich zulässigen Abzüge ansetzen kann. Denn das objektive Nettoprinzip fordert, dass Steuerpflichtige Aufwendungen, die zum Erzielen ihrer Einkünfte erforderlich sind, von diesen Bruttoeinkünften abziehen dürfen. Somit sind es, sprachlich präzisiert, tatsächlich eher Netto- als Bruttoeinnahmen, die Arbeiter und Angestellte versteuern.
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3. Anwendung des objektiven Nettoprinzips bei Angestellten und Arbeitern
Da wir schon dabei sind, über das objektive Nettoprinzip bei der Besteuerung von Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit zu sprechen: Besonders relevant sind hierbei die Werbungskosten der Steuerpflichtigen. Dazu zählen die Aufwendungen, die man für die Bewältigung der Wegstrecken vom Wohnort zur Arbeitsstätte leistet, auch besser bekannt als Pendlerpauschale. Weitere Beispiele für Werbungskosten in diesem Bereich sind Aufwendungen für ein Homeoffice oder ein häusliches Arbeitszimmer. Selbst eine Zweitwohnung und damit verbundene Familienheimfahrten sind steuerlich absetzbar.
Allerdings achtet der Fiskus streng darauf, dass keine Kosten der privaten Lebensführung in die Werbungskosten einfließen. Wer etwa Kosten für Berufskleidung ansetzen möchte, sollte wissen, dass das Finanzamt sie nur dann steuerlich berücksichtigt, wenn eine private Nutzung ausgeschlossen ist. Eine Kochmütze oder eine Schutzbrille sind somit abzugsfähig. Ein Anzug für einen Bankangestellten ist hingegen bei seinen Werbungskosten ausgeschlossen, weil der Steuerpflichtige ihn eben auch für private Zwecke nutzen könnte. Ob dies tatsächlich der Fall ist und ob man dies vielleicht sogar nachweislich ausschließen kann, ist für das Finanzamt irrelevant.
4. Objektives Nettoprinzip im produzierenden Gewerbe
Besonders relevant ist das objektive Nettoprinzip hingegen bei der Besteuerung von produzierenden Unternehmen. Denn zur Herstellung ihrer Produkte müssen sie ja auch Rohstoffe einsetzen. Außerdem müssen sie zuvor in technische Anlagen und Maschinen sowie in die dazugehörigen Gebäude investieren, sogenanntes Anlagevermögen. Aber auch Aufwendungen, die im Zusammenhang mit Verwaltung und Vertrieb anfallen, schmälern den wirtschaftlichen, und somit steuerpflichtigen Erfolg. Daher sieht das objektive Nettoprinzip vor der Besteuerung auch den Abzug der meisten gewinnrelevanten Ausgaben vor.
Dabei unterscheidet man die direkten Ausgaben von den Abschreibungen. Direkte Ausgaben sind solche, die sich direkt auf die Produktion beziehen. Sie umfassen also die Roh- und Hilfsstoffe zu ihrer Herstellung ebenso wie die Personalkosten im gesamten Unternehmen. Auch Werbung und andere Marketingmaßnahmen gehören hierzu. Alle Kosten, die sich hingegen auf Aspekte beziehen, die zur Produktion im Allgemeinen langfristig erforderlich sind, also die Kosten für Anlagen und Maschinen sowie für Gebäude und andere Infrastruktur, schreibt man regelmäßig über die Dauer ihrer voraussichtlichen Nutzung ab.
Eine gewisse Ausnahme stellt der Ansatz von Finanzierungskosten dar. Zwar sind Darlehen oft langfristiger Natur, doch kann man die anfallenden Zinsen direkt als Aufwand steuerlich ansetzen. Andere Finanzierungkosten, ein Agio etwa, muss man in der Regel über die gesamte Laufzeit abgrenzen. Eine Vermittlungsprovision kann man hingegen direkt in voller Höhe ansetzen.
Wegweisend sind dabei die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB). Denn hierin sind ganz ähnliche Regelungen vorgegeben, die die Erstellung von Handelsbilanzen vereinheitlichen. Handelsbilanzen sind nämlich die Grundlage einer nach außen sichtbaren Darstellung der Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens. Dazu gehört auch, dass man damit einen Unternehmensgewinn nach einheitlichen Kriterien feststellt. Dieser ist unter anderem Grundlage für die Gewinnaufteilung bei Personen- und Kapitalgesellschaften. Aber auch potentielle Gläubiger sollen auf diese Weise eine verlässliche Informationsquelle erhalten, um über die Vergabe von Krediten vernünftige Entscheidungen treffen zu können.
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5. Objektives Nettoprinzip bei anderen Einkunftsarten
Allerdings ist die Anwendung des objektiven Nettoprinzips keineswegs einheitlich. Zwar gilt es für die meisten Einkunftsarten, insbesondere für jene, die Gewinne durch den Verkauf von Waren und die Erbringung von Dienstleistungen sowie durch Vermietung und Verpachtung erzielen. Doch in Bezug auf Einkünfte aus Kapitalvermögen sind Werbungskosten nur bedingt mit dem objektiven Nettoprinzip in Einklang zu bringen. Denn einerseits kennt man hier den Sparerpauschbetrag, der beispielsweise auf Zinseinnahmen Anwendung findet, der andererseits gleichzeitig aber auch den Ansatz tatsächlich entstandener Werbungskosten bei der Besteuerung ausschließt.
Eine weitere bemerkenswerte Abkehr vom objektiven Nettoprinzip findet bei Anwendung der Gewinnermittlung nach § 5a EStG statt, besser bekannt unter dem Begriff Tonnagebesteuerung. Denn hierbei spielen die tatsächlich entstandenen Kosten ebenso wenig eine Rolle wie auch die tatsächlich erwirtschafteten Gewinne. Daher kann im Extremfall ein Verlust eintreten und dennoch eine Steuer anfallen. Denn die Besteuerungsgrundlage ist bei der Ermittlung des Gewinns über die Tonnagebesteuerung allein von der Größe der Schiffe einer Reederei sowie von der Anzahl der Tage pro Jahr abhängig, in denen man sie wirtschaftlich nutzte. Allerdings ist die Tonnagebesteuerung in aller Regel so ausgelegt, dass die Reeder im Endeffekt dennoch meist nur eine im Verhältnis zum tatsächlichen Gewinn sehr geringe Steuer zahlen müssen.
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In diesem Video erklären wir, wie Reeder ihre Gewinne durch Anwendung der Tonnagebesteuerung besonders vorteilhaft versteuern können.
6. Objektives Nettoprinzip – Fazit
6.1. Wie wäre eine Besteuerung ohne objektives Nettoprinzip?
Der Umstand, dass wir ein objektives Nettoprinzip kennen und bei der Besteuerung allgemein anwenden, ist beruhigend. Denn die Vorstellung, dass Unternehmen ihre Gewinne auf der Grundlage ihrer Umsätze versteuern müssten, würde selbst bei geringen Steuersätzen zu einer vergleichsweise unfairen Besteuerung führen. So hätten Unternehmen, die geringen betrieblichen Aufwand verzeichnen, gegenüber kostenintensiven Unternehmen einen enormen steuerlichen Vorteil. Die kostenintensiven Unternehmen, allen voran die produzierenden Industrien, würden nämlich neben ihren reinen Produktionskosten und allen anderen Aufwendungen auch noch eine relativ hohe Steuer zahlen müssen. Dadurch wären sie dazu gezwungen, die deutlich höhere Steuer ebenfalls in die Verkaufspreise für ihre Produkte mit einzupreisen. Dies wiederum wäre für den Absatz der Waren alles andere als förderlich.
6.2. Wirtschaftliche Auswirkungen einer Besteuerung ohne objektives Nettoprinzip
Jedenfalls wäre die Marge sehr gering. Folglich wären Investitionen kaum möglich. Davon wäre auch die Fähigkeit zur Entwicklung von Innovationen betroffen. Dadurch erhielte die ausländische Konkurrenz einen Vorsprung, der letzten Endes zu einem Aussterben der Produktion in Deutschland führen dürfte. Dies wiederum kann kaum im Interesse des Staates sein, denn damit verschwände ja auch eine bislang wichtige Einnahmequelle (eigentlich sogar gleich mehrere).
6.3. Warum der Staat ein Interesse an der Besteuerung auf Basis des objektiven Nettoprinzips hat
Somit ist das objektive Nettoprinzip eine Vorgabe, die insbesondere Unternehmern eine realistische Besteuerung nach ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit ermöglicht. Daher ist das Leistungsfähigkeitsprinzip eng mit dem objektiven Nettoprinzip verbunden.
Gleichzeitig stellt das objektive Nettoprinzip auch für den Staat eine Grundlage dar, die es ihm erlaubt, seine Steuererhebung als gerecht zu bezeichnen. Denn die verfassungsrechtliche Vorgabe, auch auf dem Gebiet der Besteuerung Gerechtigkeit im Sinne des Artikels 3 GG walten zu lassen, muss der Staat ja ebenfalls einhalten.
Mehr noch, das objektive Nettoprinzip bietet ihm auch die Möglichkeit, bestimmte politisch motivierte steuerliche Vorteilsgewährungen einzuführen. Damit erreicht der Gesetzgeber im Rahmen seiner Steuergesetzgebung selbstverständlich ebenso eine Lenkungswirkung, mit der er auf das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger einzuwirken vermag. Im Extremfall kann sogar die Abkehr vom objektiven Nettoprinzip die gewünschte Lenkung entfalten (siehe Tonnagebesteuerung, die man in Deutschland zur Aufrechterhaltung einer nationalen Handelsflotte einführte). Allerdings ist dies nur in besonderen Situationen der Fall. Auf weitere Ausnahmen dieser Art darf also niemand hoffen.
Andererseits, der Staat kann auch vom objektiven Nettoprinzip abweichen, um bestimmte Einnahmen stärker zu besteuern. Dies ist etwa durch Einschränkung der Verlustverrechnung im Einkommensteuergesetz der Fall. Auch die Einschränkung bei der Übernahme von Verlustvorträgen beim Erwerb von Unternehmen bedeutet eine Abkehr vom objektiven Nettoprinzip. Hier steht aber die Verhinderung von missbräuchlichen Gestaltung im Vordergrund. Und zur Wahrung seines Besteuerungsrechts ist dem Staat bei der Erhebung der Wegzugsteuer sogar die Besteuerung eines fiktiven Veräußerungsgewinns auf Basis einer Unternehmensbewertung nach dem Bewertungsgesetz recht. Dies ist auch insofern erstaunlich, als bei der Besteuerung eines real erzielten Veräußerungsgewinns das objektive Nettoprinzip durchaus Anwendung findet.
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