Grenzüberschreitende Erbschaft richtig versteuern
Die grenzüberschreitende Erbschaft ist alltäglich geworden. Dabei wird ausländisches Vermögen im Inland geerbt oder inländisches Vermögen im Ausland geerbt. Jedoch gibt es hier einiges zu beachten. Um den für die Besteuerung maßgeblichen Zeitpunkt zu bestimmen, ist das ausländische materielle Recht zu analysieren und mit dem deutschen Recht zu vergleichen. Daher ist es nicht nur wichtig, die deutschen zivilrechtlichen und steuerlichen Kriterien zu verstehen. Vielmehr ist es auch bedeutend, die ausländischen Regelungen zu kennen. Wir geben folgend Hinweise, wie Sie den Vergleich am besten anstellen und prüfen den Zeitpunkt der Besteuerung bei einigen grenzüberschreitenden Erbschaften.
Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die Beratung zur Erbschaftsteuer spezialisiert. Dabei arbeiten wir für jeden Mandanten individuelle Gestaltungsmodelle zur Reduktion der Steuerlast im Zusammenhang mit internationalen Sachverhalten aus. Aufgrund der aktuellen Resonanz haben wir mehrere Beiträge zu diesem Thema publiziert:
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Wir erklären die Berechnung der Erbschaft- und Schenkungsteuer und geben Gestaltungshinweise.
Inhaltsverzeichnis
1. Grenzüberschreitende Erbschaft
1.1. Grenzüberschreitende Erbschaft von der Erbschaftsteuer umfasst
Die Erbschaftsteuer entsteht gemäß § 9 Absatz 1 Nummer 1 ErbStG bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tod des Erblassers. Als ein solcher Erwerb gelten unteranderem der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB) oder durch Vermächtnis (§ 2147 BGB). Daher knüpft das ErbStG für die Besteuerung an die Vorschriften des deutschen BGB an.
Die deutsche Erbschaftsteuer erfasst auch Erbfälle, auf die das deutsches Erbrecht keine Anwendung findet, sondern dessen Vollziehung im ausländischen Erbrecht geregelt ist. Das ErbStG ist zwar vom deutschen Zivilrecht geprägt und darauf zugeschnitten. Dennoch muss das deutsche Steuerrecht wirtschaftlich betrachtet auch Vermögen umfassen, das ausländischem Erbrecht unterfällt.
1.2. Diese Regelungen gelten bei grenzüberschreitenden Erbschaften
Jedoch ist bei grenzüberschreitender Erbschaft nicht immer auch deutsches Erbrecht anzuwenden. Vielmehr ist stets im Einzelfall zu prüfen, nach welchem Erbrecht sich die zivilrechtliche Rechtsnachfolge vollzieht.
Nach der sogenannten zweistufigen Objektsqualifikation ist in Fällen grenzüberschreitender Erbschaft auf der ersten Stufe zunächst zu ermitteln, ob das ausländische Rechtsinstitut den deutschen Rechtsinstituten zuzuordnen ist. Gelingt dies nicht, ist auf der zweiten Stufe nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise darüber zu entscheiden, welches Rechtsinstitut dem ausländischen am ehesten entspricht. Die dazu erforderliche Vergleichbarkeit ist anhand des Tatbestandes, aber auch anhand der Rechtsfolgen und wirtschaftlichen Bedeutung der Regelungen für den Erbanfall zu bestimmen. Es gilt zu ermitteln, welchem durch das ErbStG erfassten Erwerb der jeweilige Vermögensanfall in seiner wirtschaftlichen Bedeutung gleichkommt.
1.3. Grenzüberschreitende Erbschaft: Probleme
Die Frage, wann es zu der Erbschaft kommt ist relevant dafür, ob in Deutschland die Steuerpflicht besteht. Diese hängt nämlich gemäß § 2 Absatz 1 Nummer 1 Alternative 3 Satz 2 Buchstabe a) ErbStG von dem Ereignis ab, das den Erwerb der Erbschaft auslöst. Deshalb ist es bei ausländischem Vermögen bedeutsam zu ermitteln, wann der deutsche Erbe tatsächlich das Vermögen erbt. Bei mehraktigen Erbschaften kann es sein, dass der Erbe in ein anderes Land zieht bevor, der Erwerb tatsächlich beendet ist. Deshalb stellte sich erbschaftsteuerlich die Frage, welcher Zeitpunkt für die Besteuerung gemäß § 9 ErbStG maßgeblich ist.
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1.4. Grundsätze des deutschen Erbrechts
Dem deutschen Erbrecht wohnt der Grundsatz der Universalsukzession inne, bei dem der Nachlass im Zeitpunkt des Todes kraft Gesetzes auf den oder die Erben übergeht. Daher ist bei rein inländischen Sachverhalten in der Regel für die Entstehung der Erbschaftsteuer an den Tod anzuknüpfen. Die Grenzüberschreitende Erbschaft ist daher in Deutschland ab dem Zeitpunkt steuerbar, ab dem nach dem maßgebenden ausländischen Recht der Nachlass in das Vermögen des Erben übergeht.
3. Beispiel für grenzüberschreitende Erbschaft
3.1. Grenzüberschreitende Erbschaft mit dem italienischen Recht
Nach italienischem Recht ist eine Annahme der Erbschaft für den Erbanfall erforderlich. Diese wirkt auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers zurück, Artikel 459 Satz 2 Codice Civile. Deshalb stellt sich erbschaftsteuerlich die Frage, welcher Zeitpunkt für die Besteuerung gemäß § 9 ErbStG maßgeblich ist. Denkbar wären der Zeitpunkt des Todes oder der Zeitpunkt der nach italienischem Recht erforderlichen Annahme der Erbschaft. Wäre der Zeitpunkt der Annahme maßgeblich und der Steuerpflichtige wäre zuvor nach Italien gezogen, so könnte es sein, dass er zu diesem Zeitpunkt in Deutschland nicht mehr (unbeschränkt) steuerpflichtig ist.
Im italienischen Recht steht der Erbanfall zwar unter der Bedingung der Annahme, so dass der Erwerb im italienischen Erbrecht nicht allein kraft Gesetzes stattfinden kann. Die Annahme bewirkt jedoch auch keinen Erwerb kraft Rechtsgeschäfts. Sie stellt lediglich einen rechtsgeschäftlichen Akt dar, der neben andere Erwerbsvoraussetzungen tritt. Es muss zwischen echten Bedingungen im Sinne des § 158 BGB und lediglich mehraktigen Erwerbstatbeständen auf der anderen Seite unterschieden werden. Bei einer echten Bedingung im deutschen Sinne gibt es keine Rückwirkung. Eine echte Bedingung entfaltet ihre Rechtswirkung ex nunc, also ab dem Eintritt der Bedingung. Im italienischen Erbrecht wirkt die Annahme hingegen zurück auf den Todeszeitpunkt und gilt mithin ex tunc (Artikel 456, 459 Codice Civile).
Wenn die Bedingung für den Erwerb im ausländischen Recht zurückwirkt, ist der Erwerb ein solcher im Sinne des § 9 Absatz 1 Nummer 1 ErbStG. Die Erbschaftsteuer entsteht mithin mit dem Tode des Erblassers und nicht mit dem Zeitpunkt der Annahmeerklärung. Dass vor der Annahme ein Schwebezustand besteht, führt auch nicht zu einer Vergleichbarkeit mit einer echten deutschen Bedingung, da auch der Erbanfall im deutschen Erbrecht nicht zu 100 % sicher, sondern noch durch Ausschlagung veränderbar ist. Daher steht auch die normale deutsche Erbschaft in der Schwebe.
3.2. Grenzüberschreitende Erbschaft in Spanien und Portugal
In Spanien und Portugal bedarf es wie in Italien der Annahme der Erbschaft durch den Erben. In beiden Fällen kommt dieser Annahmeerklärung auch Rückwirkung zu. Daher entsteht die deutsche Erbschaftsteuer auch hier im Zeitpunkt des Todes, weil es sich jeweils um eine Rechtsbedingung handelt.
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3.3. Erwerb kraft Gesetztes
Es gibt aber auch einige Länder, in denen sich der Erwerb ebenfalls wie in Deutschland kraft Gesetzes vollzieht. Dazu gehören Frankreich, Griechenland, Slowenien, Polen oder die Niederlanden. Außerhalb der Europäischen Union gilt dies auch für die Schweiz, Island und die Türkei. Daher entsteht auch hier die Erbschaftsteuer mit dem Tod des Erblassers.
3.4. Anglo-amerikanischer Nachlasstrust
Bei dem Nachlasstrusts nach anglo-amerikanischem Recht ist der Rechtsvorgänger nicht der Erblasser, sondern der Trust, da dieser ein eigenständiges Rechtsgebilde ist. Bei dem Erwerb von dem Trust handelt es sich nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) regelmäßig um einen aufschiebend bedingten Erwerb, so dass die Erbschaftsteuer erst mit der Beendigung des Trusts entsteht.
Der Gesetzgeber hat für diese Fälle die Spezialvorschrift des § 9 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c) ErbStG geschaffen, nach der die Erbschaftsteuer dann mit dem Übergang des Vermögens auf den trustee entsteht. Dies gilt jedenfalls für die vermögensverwaltende Version des trusts, den sogenannten Nachlasstrust. Etwas anderes kann dann gelten, wenn der administrator beziehungsweise executor lediglich die Nachlassverbindlichkeiten zu begleichen und den dann unbelasteten trust an den beneficiary auszukehren hat. In diesem Fall ist eine Vergleichbarkeit zum deutschen Testament gegeben und die Regelung kann wieder unter § 9 Absatz 1 Nummer 1 ErbStG fallen
3.5. Grenzüberschreitende Erbschaft in Österreich
Im österreichischen Verlassenschaftsverfahren bedarf es im ersten Schritt einer Erbantrittserklärung der potentiellen Erben und anschließend der gerichtlichen Einantwortung. Letzteres ist die Übergabe an den rechtlichen Besitz. Die gerichtliche Einantwortung hat daher konstitutive Bedeutung für den Erwerb der Erbschaft. Bis zur gerichtlichen Einantwortung ruht der Nachlass und stellt eine eigene Rechtsperson dar die Trägerin von Rechten und Verbindlichkeiten des Erblassers ist. Erst mit Rechtskraft des gerichtlichen Einantwortungsbeschlusses tritt die Universalsukzession auf den Erben ein.
Fraglich ist daher, wann die Erbschaftsteuer entsteht. Da es jedoch nicht auf die Rückwirkung des nachträglichen Ereignisses – hier des gerichtlichen Einantwortungsbeschlusses – ankommt, müsste auch in diesem Fall die Erbschaftsteuer mit dem Tod des Erblassers entstehen. Die Erbantrittserklärung sowie die Einantwortung sind als gesetzliche Bedingungen keine Bedingung im Sinne des § 158 BGB, so dass kein aufschiebend bedingter Erwerb vorliegt.
Dagegen spricht jedoch, dass der bis zur Einantwortung ruhende Nachlass selbst rechtsfähig ist und sich daher selbst gehört. Die Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben findet erst mit der formellen Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses statt. Ähnlichkeit bestehen folglich zu dem Nachlasstrust nach anglo-amerikanischem Recht.
Allerdings ist der Erbe, der die Erbschaft angenommen hat, nach § 810 ABGB nutzungs- und vertretungsberechtigt hinsichtlich des Nachlasses, auch wenn er vor der Einantwortung noch nicht Eigentümer geworden ist. Daher beeinflussen seine Verfügungen die Erbmasse. Folglich hat er schon vor der Einantwortung ein Anwartschaftsrecht erworben. Insoweit ist der Nachlass nach österreichischem Recht doch nicht vergleichbar mit einem Nachlasstrust, bei dem der trustee, nicht der beneficiary, das Vermögen verwaltet.
Die Erbschaftsteuer entsteht mithin auch bei der Rechtsnachfolge nach österreichischem Erbrecht bereits mit dem Tod des Erblassers.
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5. Grenzüberschreitende Erbschaft: Zusammenfassung
Entscheidend ist, dass mit dem Tod einer natürlichen Person deren Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf einen oder mehrere Erben übergeht. Auf Details, wie dies Übertragung funktioniert, kommt es daher nicht an. Allein, wenn nach dem Erblasser ein anderes Rechtsgebilde das Vermögen zunächst erhält, kann dies für die Entstehung der Steuer maßgeblich sein, so dass ein späterer Zeitpunkt als der Tod für die Entstehung der Steuer maßgeblich wäre. Wir prüfen sehr gern Ihren Einzelfall und erstellen für Sie ein individuelles Gestaltungsmodell zur Reduktion der Erbschaftsteuer.
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