Vermächtnis und Erbschaftsteuer: Was gilt hier?
Erbschaften und Schenkungen unterliegen der Besteuerung nach dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG). Allerdings umfassen die entsprechenden Regelungen auch Vorgänge, die mit einer Erbschaft oder Schenkung vergleichbar sind. So unterliegen zum Beispiel auch Vermächtnisse der Erbschaftsteuer. Entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten, die etwa bei der Übertragung von Betriebsvermögen gelten, bestehen auch hier!
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Inhaltsverzeichnis
1. Grundsatz: Was ist ein Vermächtnis?
Bei Vermögensübertragungen, die infolge des Todes einer natürlichen Person eintreten, wird zwischen Erbschaften und Vermächtnissen unterschieden. Während die Erbschaft das gesamte Vermögen des Erblassers umfasst, bewirkt das Vermächtnis nur die Übertragung der vorher definierten Vermögenswerte. Dies kann durch Testament oder Erbvertrag (§§ 1939, 1941 BGB) geschehen. Die Vermächtnisnehmerin oder der Vermächtnisnehmer tritt entsprechend nicht in die Rechtsnachfolge des Verstorbenen ein.
Beispiel: Mutter M setzt ihre Kinder in ihrem Testament zu Alleinerben ein. Ihr bester Freund, zivil- und steuerrechtlich ein fremder Dritter, soll allerdings zwei Fahrzeuge der Erblasserin erhalten. Er erhält daher ein Vermächtnis. Tritt die Erbfolge ein, erben die Kinder zunächst das gesamte Vermögen der M. Sie sind anschließend aber dazu verpflichtet, die in diesem Vermögen enthaltenen Fahrzeuge an den Vermächtnisnehmer, den besten Freund der verstorbenen Mutter, herauszugeben.
Der Herausgabeanspruch des Vermächtnisnehmers besteht durch § 2147 BGB. Er ist unmittelbar gegen die Erben geltend zu machen.
Vermächtnisse sind außerdem von sogenannten Auflagen nach § 1940 BGB zu unterscheiden. Der Erblasser kann beispielsweise bestimmen, dass die Erbin oder der Erbe den Vermögenswert „Einfamilienhaus“ nur erhält, wenn sie oder er auch die notwendige Instandhaltung übernimmt. Die Überwachung der Auflage obliegt dem Testamentsvollstrecker.
Ein Vermächtnis unterliegt der Erbschaftsteuer. Es ist dem Erwerb von Todes wegen, also dem „klassischen“ Erbanfall, gleichgestellt (§ 3 Absatz 1 Nummer 1 Alternative 2 ErbStG). Mit Herausgabe mindern sie den steuerpflichtigen Erwerb des tatsächlichen Erben (§ 10 Absatz 5 Nummer 2 ErbStG).
2. Vermächtnis – Erbschaftsteuer auf den Erwerb von Todes wegen
Wenngleich Vermächtnisse der Erbschaftsteuer unterliegen, gelten für sie bestimmte, von klassischen Vollerbschaften abweichende Vorschriften. Diese betreffen insbesondere
- die Entstehung der Erbschaftsteuer beim Vermächtnis,
- die Höhe der Bemessungsgrundlage,
- die Auswirkungen auf die Vollerbin oder den Vollerben sowie
- die Anwendung von Steuerbefreiungen nach den §§ 13 bis 13d ErbStG.
Schauen wir uns den Grundtatbestand und einzelne Besonderheiten einmal etwas genauer an!
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2.1. Grundtatbestand: Vermächtnisse unterliegen der Erbschaftsteuer
In § 3 ErbStG sind verschiedene Erwerbe von Todes wegen normiert. Ein solcher liegt dabei allgemein immer dann vor, wenn eine (natürliche oder juristische) Person dadurch einen Vermögensvorteil erhält, dass eine andere Person verstirbt. Üblicherweise unterliegen daher Vollerbschaften, Pflichtteilsansprüche und Vermächtnisse der Erbschaftsteuer.
Neben diesen „bekannten“ Vertretern des Erwerbs von Todes wegen fallen aber auch folgende Vermögensübertragungen unter § 3 ErbStG:
- Versicherungs- und andere Verträge, durch die eine Person infolge des Todes wirtschaftlich begünstigt wird (beispielsweise einschlägig bei Lebens- und Unfallversicherungen)
- Übergänge von Vermögenswerten auf eine Stiftung, die die Erblasserin oder der Erblasser angeordnet hat
- Entgelte für die Übertragung der Anwartschaft (des Nacherbrechts) eines als solchen eingesetzten Nacherben
Erwerbe von Todes wegen sind sorgfältig von Schenkungen unter Lebenden (§ 7 ErbStG) zu unterscheiden. Für die Besteuerung gelten zwar in weiten Teilen dieselben Vorschriften, erheblich ist die Unterscheidung aber vor allem bei der Prüfung, ob überhaupt ein nach dem Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht steuerpflichtiger Vorgang gegeben ist.
Vermächtnisse, die der Erbschaftsteuer unterliegen, sind all diejenigen, die unter die §§ 2147 fort folgende BGB fallen. Daher umfasst das ErbStG insbesondere auch Vermächtnisse, die mit Auflagen oder Weisungen verbunden werden.
2.2. Entstehung der Erbschaftsteuer beim Vermächtnis
Beim Vermächtnis entsteht die Erbschaftsteuer mit dem Tod des Erblassers (§ 9 Absatz 1 Nummer 1 ErbStG). Somit kommt es auf Ebene des Erben und auf der des Vermächtnisnehmers gleichzeitig zur Entstehung der Erbschaftsteuer. Soweit der Erbe verpflichtet ist, Vermögenswerte an den Vermächtnisnehmer herauszugeben, entsteht die Steuer allerdings doppelt. Diese Besonderheit muss bei Erstellung der Erbschaftsteuererklärungen beider Personen berücksichtigt werden.
Soweit der Erwerb unter einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung erfolgt, tritt die Steuerpflicht erst mit Eintritt des entsprechenden Ereignisses ein. Relevant ist dies insbesondere beim aufschiebend bedingten Herausgabevermächtnis.
Beispiel: Mutter M setzt ihren Sohn S durch Testament zum alleinigen Vollerben ein. Sie bestimmt gleichzeitig, dass die Kinder des S das gesamte Restvermögen erben, sobald S verstorben ist. Eine Nacherbschaft wird explizit ausgeschlossen.
In diesem Beispiel besteht die aufschiebende Bedingung im Tod des S. Erst wenn dieser verstirbt, treten die Rechtsfolgen der Einsetzung der Vermächtnisnehmer ein. Die Steuer entsteht insoweit erst mit dem Tod des S (§ 9 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a ErbStG).
Hinweis: Entsprechendes würde auch bei der Nacherbfolge gelten (§ 6 ErbStG). Da der Nacherbfall als Erwerb von Todes wegen vom Vorerben gilt, entsteht hier die Steuer erst mit Eintritt des Nacherbfalls (§ 9 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe h ErbStG).
2.3. Höhe der Bemessungsgrundlage und Auswirkungen auf den Vollerben
Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Erbschaftsteuer ist der steuerpflichtige Erwerb. Die Regelungen des § 10 ErbStG gelten auch bei Vermächtnissen. Um eine doppelte Besteuerung von Teilen des übergehenden Vermögens zu vermeiden, kommt es hier aber besonders auf die Reihenfolge der einzelnen Schritte an:
- Zunächst wird der gesamte Erbanfall festgestellt. Die Bewertung erfolgt nach den Grundsätzen des § 12 ErbStG und damit insbesondere unter Anwendung des Bewertungsgesetzes.
- Die Erbschaft ist der Vollerbin oder dem Vollerben zuzurechnen. Er wird insoweit nach § 10 Absatz 1 Satz 1 ErbStG bereichert.
- Da das Vermögen nun bewertet wurde, steht fest, in welcher Höhe der Vermächtnisnehmer Ansprüche gegen den Erben geltend machen kann. Diese sind vom Erbfanfall nach § 10 Absatz 5 Nummer 2 ErbStG abzuziehen, werden also von der Besteuerung ausgenommen.
- Auf das dem Vollerben verbleibende Vermögen sind alle weiteren Vorschriften des § 10 ErbStG, Steuerbefreiungen, Steuerklasse und Steuersatz anzuwenden.
- Entsprechendes gilt für die Vermächtnisnehmerin oder den Vermächtnisnehmer. Das ihm übertragene Vermögen ist, soweit es nicht steuerfrei ist, nach § 10 Absatz 1 Satz 1 ErbStG der Besteuerung zu unterwerfen.
Unterliegt ein Vermächtnis der Erbschaftsteuer, gelten alle Vorschriften des ErbStG entsprechend. Steuerklassen und Freibeträge nach den §§ 15 bis 17 ErbStG richten sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis des Vermächtnisnehmers zum Erblasser. Das Verhältnis zum Vollerben ist für die Besteuerung unerheblich. Eventuelle Vorerwerbe sind nach § 14 ErbStG zu berücksichtigen, sodass die vollen Freibeträge auch beim Vermächtnis nur alle 10 Jahre abziehbar sind.
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2.4. Steuerbefreiungen bei der Besteuerung des Vermächtnisnehmers
Da das Vermächtnis für die Erbschaftsteuer in vollem Umfang als Erwerb von Todes wegen gilt, finden auch die üblichen Steuerbefreiungsnormen Anwendung. Dies sind insbesondere:
- Tatbestände des § 13 ErbStG: Übergang von Hausrat und anderen Privatgegenständen, von Familienheimen und bestimmten Grundstücken sowie Vermögensrückfälle nach vorheriger Schenkung. Zu beachten ist, dass die Erwerberin oder der Erwerber teilweise in einem bestimmten Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser stehen (beispielsweise als Ehegatte) oder in die Steuerklasse 1 fallen muss
- Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen (§§ 13a bis 13c ErbStG): Werden Betriebe, Teilbetriebe, Anteile an Kapital- oder Personengesellschaften übertragen, finden die entsprechenden Normen auch auf den Vermächtnisnehmer Anwendung
- Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG): Verfügt der Empfänger des begünstigten Vermögens (§ 13b Absatz 2 ErbStG) über keine ausreichenden Mittel zur Begleichung der fälligen Steuer, so ist ihm diese ganz oder teilweise zu erlassen
- Teilbefreiung für Vermietungsobjekte (§ 13d ErbStG): Erwirbt der Vermächtnisnehmer ein vermietetes Grundstück, so ist dieses nur mit 90 % seines Grundbesitzwertes anzusetzen. Die übrigen 10 % bleiben steuerfrei
Durch geschickte Einsetzung der Vermächtnisnehmer lassen sich bestimmte Steuerbefreiungen „in einem Zug“ mehrfach nutzen. Dies gilt beispielsweise, wenn mehrere Familienheime bestehen (Einfamilienhaus, Eigentumswohnung und ausschließlich selbstgenutztes Ferienhaus). Zunächst erbt der Vollerbe alle Grundstücke, er muss aber jeweils eines an die übrigen Kinder des Erblassers herausgeben. Sie können dann jeweils die Steuerbefreiung des § 13 Absatz 1 Nummer 4c ErbStG sowie alle Freibeträge in Anspruch nehmen.
3. Erbschaftsteuer beim Vermächtnis und dessen Abtretung an einen Dritten
Wurde eine Person vom zukünftigen Erblasser zum Vermächtnisnehmer eingesetzt, kann er über diese sogenannte Anwartschaft frei verfügen. Ausnahmen gelten nur, soweit diese vom Erblasser ausdrücklich bestimmt wurden. Möglich ist insbesondere eine Übertragung des Vermächtnisanspruchs auf andere Personen, beispielsweise Familienangehörige und fremde Dritte.
Aber: Nach § 2176 BGB entsteht die Forderung des Vermächtnisnehmers erst mit dem Erbfall. Eine entsprechende Übertragung ist daher auch frühestens ab diesem Zeitpunkt wirksam.
Hat der Vermächtnisnehmer seinen Anspruch auf eine weitere Person übertragen, gelten für sie gegebenenfalls andere Regelungen. Dies bezieht sich insbesondere auf Steuerklasse, Freibeträge, eventuelle Steuerbefreiungen und den anzuwendenden Steuersatz nach § 19 ErbStG.
4. Besondere Vermächtnisformen und ihre erbschaftsteuerliche Einordnung
Neben dem „klassischen“ Sachvermächtnis, bei dem der Erbe einen Teil des Vermögens an den Vermächtnisnehmer herauszugeben hat, gibt es weitere Formen der Einsetzung. Denn die Erblasserin oder der Erblasser ist in der Ausgestaltung seines Vermächtnisses grundsätzlich frei. In der Praxis haben sich in der Folge bestimmte „Vermächtnisformen“ entwickelt. Für sie gilt im Grundsatz ebenfalls, dass das Vermächtnis als solches der Erbschaftsteuer unterliegt:
- Gattungsvermächtnis: Hier hat der Erblasser lediglich bestimmt, welcher Gattung die vermachte Sache angehören soll. Er hat beispielsweise festgelegt, dass durch den Erblasser „eine Eigentumswohnung“ an den Vermächtnisnehmer zu übergeben ist, dabei die konkrete Wohnung aber nicht näher bezeichnet. Der Ansatz erfolgt ebenfalls mit dem gemeinen Wert
- Wahlvermächtnis: Beim Wahlvermächtnis kann der Erbe selbst entscheiden, welchen Vermögensgegenstand er an den Vermächtnisnehmer übergibt. Der Erblasser kann das Wahlrecht aber insoweit einschränken, dass er beispielsweise einen bestimmten Mindestwert der zu übergebenden Sache festlegt
- Geldvermächtnis: Das Geldvermächtnis begründet den Anspruch auf Herausgabe eines bestimmten Geldbetrages
- Kaufrechtsvermächtnis: Mit dem Kaufrechtsvermächtnis hat der Vermächtnisnehmer das Recht, dem Erben einen Vermögensgegenstand zu einem festgelegten Preis abzukaufen. Der Ansatz nach § 10 Absatz 1 Satz 1 ErbStG erfolgt mit dem gemeinen Wert des Gegenstandes, gemindert um die an den Erben gezahlte Gegenleistung in Bar- oder Sachwerten
- Nießbrauchsvermächtnis: Hier geht der gesamte Erbanfall auf den Erben über, der Vermächtnisnehmer hat jedoch ein Nießbrauchsrecht. Er darf beispielsweise die Immobilie, die nun im Eigentum des Erben steht, lebenslänglich nutzen. Die Bewertung dieses Vermögensvorteils richtet sich nach den §§ 14 bis 16 BewG, der so kapitalisierte Nutzungsvorteil ist nach § 10 Absatz 5 Nummer 2 ErbStG von der Bereicherung des Erben abzuziehen und beim Vermächtnisnehmer in entsprechender Höhe zu besteuern
Das Vermächtnis ist bei der Erbschaftsteuer also stets nach den Vorschriften des BewG zu bewerten. Durch das Korrespondenzprinzip entspricht die beim Erblasser abziehbare Verbindlichkeit stets der Bereicherung des Vermächtnisnehmers.
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