Das Schachtelprivileg im Körperschaft- und Gewerbesteuerrecht
Mit dem sogenannten Schachtelprivileg greift eine umfassende Freistellung von Gewinnausschüttungen. Der Gesetzgeber stellt Dividenden und andere Zahlungen von Körperschaft- und Gewerbesteuer frei, wenn der Empfänger der Zahlungen zu mindestens 10 % oder 15 % an der auszahlenden Gesellschaft beteiligt ist. Das Schachtelprivileg ist damit einer der Kernbestand- und Vorteile von Holdingstrukturen.
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Inhaltsverzeichnis
1. Grundgedanke: Vermeidung einer doppelten Besteuerung
Unternehmen sind häufig an (anderen) Personen- und Kapitalgesellschaften beteiligt. In der Praxis üblich sind dabei vor allem sogenannte Holding-Strukturen. Die Holding, meist in der Rechtsform der GmbH, hält Anteile an weiteren Unternehmen. Diese Tochtergesellschaften sind in der Regel ebenfalls als Kapitalgesellschaft (GmbH, UG, AG) strukturiert und ermöglichen der Holding damit, das Schachtelprivileg in Anspruch zu nehmen.
Ohne besondere Vergünstigungen käme es nun zu einer mehrfachen Besteuerung von Gewinnausschüttungen der Tochter- an die Muttergesellschaft. Denn Gewinne, die Kapitalgesellschaften an ihre Anteilseigner (Gesellschafter) ausschütten, dürfen den steuerlichen Gewinn der ausschüttenden Gesellschaft nicht mindern (§ 8 Absatz 3 Satz 1 KStG). Schauen wir uns dies einmal anhand einer dreistufigen Gesellschaftsstruktur an:
Die A-GmbH hält als Holding 100 % der Anteile an der B-GmbH. Diese wiederum ist zu 100 % an der C-GmbH beteiligt. Auf Ebene der C-GmbH entsteht ein Gewinn in Höhe von EUR 100.000, der über die B-GmbH an die A-GmbH ausgeschüttet werden soll.
Die C-GmbH entrichtet zunächst 30 % Körperschaft- und Gewerbesteuer auf den Jahresgewinn von EUR 100.000. Zur Ausschüttung an die B-GmbH verbleiben EUR 70.000, die als Betriebseinnahme bei B ebenfalls mit 30 % belastet würden. Es verblieben nur EUR 49.000 für eine Ausschüttung an die A-GmbH, auf deren Ebene es erneut zu einer Besteuerung mit 30 % käme. Vom Jahresgewinn der C-GmbH verblieben im Ergebnis lediglich EUR 34.300.
Mit dem sogenannten Schachtelprivileg vermeidet der Gesetzgeber diese negativen und mitunter sogar verfassungswidrigen steuerlichen Auswirkungen. Es basiert auf der Mutter-Tochter-Richtlinie der EU, die eine Doppelbesteuerung von Gewinnausschüttungen aneinander beteiligter Unternehmen verhindern soll. Der Gesetzgeber hat die Richtlinie insbesondere in § 8b KStG und § 9 GewStG umgesetzt.
2. Das Schachtelprivileg in einzelnen Steuergesetzen
Der deutsche Gesetzgeber hat das durch die Mutter-Tochter-Richtlinie angeordnete Schachtelprivileg in nationales Recht überführt. Die Privilegierung gilt dabei für all jene Unternehmen, bei denen es ohne eine entsprechende Freistellung zu einer Doppel- oder sonstigen Mehrfachbesteuerung von Gewinnausschüttungen und Veräußerungserlösen käme. Bei mehrstufigen Beteiligungen greift das Schachtelprivileg grundsätzlich auf jeder Ebene, da es sonst mitunter wirkungslos wäre.v
2.1. Freistellung von Gewinnausschüttungen nach § 8b Absatz 1 KStG
Nach § 8b Absatz 1 Satz 1 KStG bleiben folgende Bezüge bei der Ermittlung des Einkommens einer Körperschaft außer Ansatz:
- Offene und verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Dividenden nach § 20 Absatz 1 Nummer 1 EStG
- Liquidations- und andere Erlöse aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, soweit keine Rückzahlungen aus dem steuerlichen Einlagekonto vorliegen
- Einnahmen aus Leistungen eines körperschaftsteuerpflichtigen Vereines oder einer Stiftung (§ 20 Absatz 1 Nummer 9 EStG)
Voraussetzung für die Anwendung des Schachtelprivilegs ist, dass bei der leistenden Körperschaft keine Minderung der Einkünfte eingetreten ist. Die Gewinnausschüttung oder sonstige Leistung darf insbesondere keine Betriebsausgabe dargestellt oder zu den Werbungskosten gehört haben.
Eine weitere Hürde ist die in § 8b Absatz 4 Satz 1 KStG festgelegte Mindestbeteiligung. Das Schachtelprivileg für Gewinnausschüttungen gilt nur, wenn die empfangende Körperschaft zu mindestens 10 % an der ausschüttenden Gesellschaft beteiligt ist. Die Mindestbeteiligung muss zu Beginn des jeweiligen Wirtschaftsjahres vorliegen, der unterjährige Erwerb der Beteiligung wirkt allerdings auf den Jahresanfang zurück. Ist eine Körperschaft an einer Personengesellschaft und diese wiederum an einer anderen Körperschaft beteiligt, sind die Beteiligungsquoten zu multiplizieren.
Beispiel: A ist zu 100 % an der A-GmbH beteiligt. Diese hält eine 50%ige Beteiligung an der AB-GbR, die wiederum vermögensverwaltend tätig und zu 30 % an einer Immobilien-AG beteiligt ist. Die A-GmbH kann das Schachtelprivileg nutzen, denn die mittelbare Beteiligung an der AG liegt bei 15 % (50 % x 30 %).
Von den nach Absatz 1 steuerfreien Bezügen gelten 5 % als nicht abziehbare Betriebsausgaben. Im Ergebnis wird eine Gewinnausschüttung damit in Höhe von 5 % der Besteuerung unterworfen. Bei einem durchschnittlichen Körperschaft- und Gewerbesteuersatz von Kapitalgesellschaften ergibt sich eine Steuerbelastung von 1,5 % (§ 8b Absatz 5 KStG).
Das Schachtelprivileg bei Veräußerungsgewinnen
Bei der Ermittlung des Einkommens einer Körperschaft bleiben nach § 8b Absatz 2 Satz 1 KStG auch Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen außer Ansatz. „Anteile“ sind dabei vor allem solche an (anderen) Kapitalgesellschaften im Sinne des § 20 EStG. Der Gewinn entspricht der Differenz zwischen dem Veräußerungspreis und der Summe aus Anschaffungs- und Veräußerungskosten. Zu letzteren gehören zum Beispiel Anwalts- und Notarhonorare.
Anders als bei Gewinnausschüttungen, greift das Schachtelprivileg bei Veräußerungsgewinnen unabhängig von der Beteiligungsquote. Körperschaften können daher auch Aktien und andere Anteile, die mitunter nur im Umfang weniger hundert Euro Betriebsvermögen darstellen, steuerfrei veräußern.
Auch hier gelten allerdings 5 % des Veräußerungsgewinns als nicht abziehbare Betriebsausgaben (§ 8b Absatz 3 Satz 1 KStG). Im Ergebnis kommt es zu einer Steuerbelastung der Gewinne mit durchschnittlich rund 1,5 %.
Zu beachten ist, dass Gewinnminderungen in Zusammenhang mit einem steuerfrei veräußerten Anteil keine Berücksichtigung finden dürfen. Mit § 8b Absatz 3 Satz 3 KStG existiert insoweit eine mit § 3c Absatz 2 EStG vergleichbare Regelung. Auch hier gilt der Ausfall einer Darlehensforderung ebenfalls als (außer Acht zu lassende) Gewinnminderung, wenn der Darlehensgeber zu mehr als 25 % mittelbar oder unmittelbar am Darlehensnehmer beteiligt ist.
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2.2. Gewerbesteuerliche Kürzung bei Schachtelbeteiligungen
Deutschland stellt mit der Aufteilung der Unternehmensteuern auf eine Bundes- und eine Kommunalsteuer im internationalen Vergleich einen gewissen Sonderfall dar. Daher bedarf es für die den Gemeinden zustehende Gewerbesteuer einer eigenständigen Umsetzung des Schachtelprivilegs, wobei sich der Gesetzgeber hier für eine sogenannte Kürzung nach § 9 GewStG entschieden hat:
- Nach § 9 Nummer 2a GewStG bleiben Gewinne aus der Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft außer Ansatz. Voraussetzung hierfür ist, dass die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres mindestens 15 % des Stamm- oder Nennkapitals der Körperschaft umfasst
- In entsprechender Anwendung der Nummer 2a sind auch Gewinne aus Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft von der Gewerbesteuer befreit (§ 9 Nummer 7 GewStG)
Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg greift allerdings nur, wenn die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Einkommens angesetzt wurden. Dies ist regelmäßig nicht der Fall, weil § 7 GewStG auf die Einkommensermittlung nach dem KStG abstellt und Ausschüttungen sowie Veräußerungsgewinne hier bereits nach § 8b KStG gekürzt wurden.
Nach § 9 Nummer 2a Satz 4 KStG sind nicht abziehbare Betriebsausgaben im Sinne des § 8b Absatz 5 KStG keine Gewinnanteile im Sinne des Satzes 1. Die pauschalen 5 % werden also stets (auch) mit Gewerbesteuer belastet.
Hinweis: § 9 Nummer 2a GewStG findet keine Anwendung auf Veräußerungsgewinne, also Gewinne aus dem Verkauf von Anteilen an Kapitalgesellschaften (H 9.3, Stichwort „Veräußerungsgewinne“ GewStH). Ist veräußerndes Unternehmen allerdings eine Körperschaft, findet das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg über § 8b Absatz 2 KStG dennoch Anwendung. Denn der entstandene Veräußerungsgewinn ist im gewerbesteuerlichen Einkommen der Kapitalgesellschaft nur in Höhe von 5 % enthalten.
Da das Gewerbesteuerrecht auf die einkommen- und körperschaftsteuerliche Gewinnermittlung abstellt, findet das „besondere“ Schachtelprivileg bei Kapitalgesellschaften nur selten Anwendung. Betroffen sind allerdings Personenunternehmen (Einzelunternehmen, Mitunternehmerschaften), denn sie müssen entsprechende Gewinnausschüttungen grundsätzlich zu 60 % versteuern und der Gewerbesteuer unterwerfen. Letzteres fällt durch § 9 GewStG weg.
3. Sonderfall: § 3 Nummer 40 EStG für Personenunternehmen
Eine mit dem Schachtelprivileg in § 8b KStG und § 9 GewStG vergleichbare Regelung existiert in § 3 Nummer 40 EStG. Erträge aus Anteilen an Kapitalgesellschaften sind zu 40 % steuerfrei, wenn sie Teil des Betriebsvermögens eines Einzelunternehmens oder einer Personengesellschaft sind. Die verbleibenden 60 % des Ertrages unterliegen der Besteuerung mit dem persönlichen Einkommensteuersatz des Einzel- oder Mitunternehmers. Dabei gilt:
- Erträge im Sinne des § 3 Nummer 40 EStG sind sowohl Gewinnausschüttungen als auch Veräußerungsgewinne aus Anteilen an Kapitalgesellschaften. Eine bestimmte Mindestbeteiligung setzt das EStG nicht voraus
- Die Befreiung gilt auch für Gewinne nach § 16 Absatz 2 EStG (Veräußerung oder Aufgabe von Betrieben und Teilbetrieben), soweit sie auf Anteile an Kapitalgesellschaften im Betriebsvermögen entfallen
- Durch die Anwendung des sogenannten Teileinkünfteverfahrens ist der Sparer-Pauschbetrag nicht zu beachten. Abziehbar sind die tatsächlichen Betriebsausgaben, allerdings ebenfalls nur zu 60 % (§ 3c Absatz 2 Satz 1 EStG)
Mit § 3 Nummer 40 EStG stellt der Gesetzgeber sicher, dass es auch bei Personenunternehmen nicht zu einer übermäßigen Belastung insbesondere von Gewinnausschüttungen kommt. Denn zu der Besteuerung auf Ebene der Körperschaft mit regelmäßig 30 % käme eine (private) Einkommensteuerbelastung im Umfang von bis zu 50 %. Bei einem Gewinn auf GmbH-Ebene in Höhe von EUR 100.000 fielen so insgesamt bis zu EUR 65.000 an Körperschaft-, Gewerbe- und Einkommensteuer an.
Soweit § 3 Nummer 40 EStG keine Steuerfreistellung bewirkt, greift mitunter § 9 Nummer 2a GewStG. Das Schachtelprivileg findet auch auf Personenunternehmen Anwendung, zu beachten ist aber die Mindestbeteiligung von 15 %. Sie muss stets zu Beginn des Kalenderjahres vorliegen. Wird die 15-%-Schwelle erst während des laufenden Kalenderjahres erreicht, profitiert der Unternehmer erst im Folgejahr vom Schachtelprivileg.
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