Laufende Verluste bei GmbH-Verkauf: Wer trägt welchen Anteil?
Wird eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder ein Anteil an ihr veräußert, entsteht beim Verkäufer entweder ein Veräußerungsgewinn oder ein Veräußerungsverlust. Ungeklärt bleibt aber ohne vertragliche Vereinbarung die Frage, wie mit laufenden Verlusten bis zum Veräußerungsstichtag zu verfahren ist. Zweckmäßig ist hier regelmäßig eine Zusatzklausel zur Aufteilung laufender Verluste nach dem Grundsatz der zeitanteiligen Zurechnung (pro rata temporis).
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In diesem Video schauen wir uns einzelne Unternehmensformen und die Besteuerung im Verkaufsfall etwas genauer an.
Inhaltsverzeichnis
1. Ausgangssituation: Käufer trägt laufende Verluste der GmbH
Der Verkauf einer Kapitalgesellschaft (GmbH, UG, AG) respektive eines entsprechenden Anteils gehört zu den häufigsten notariell beurkundeten Geschäften. Er bewirkt einen vollständigen Übergang des Eigentums und der mit ihm verbundenen Risiken vom Verkäufer auf den Käufer. Gleichzeitig führt der Käufer die Geschäfte der GmbH fort, erzielt Gewinne und versteuert diese mit Körperschaft- und Gewerbesteuer.
Problematisch gestaltet sich ein GmbH-Verkauf aber immer dann, wenn die Gesellschaft bislang oder zumindest im Jahr des Verkaufs negative laufende Verluste macht. Denn beim Übergang des Eigentums während des laufenden Jahres würden die Verluste den Käufer der Anteile belasten, obwohl dieser keinen Beitrag zu ihrer Entstehung geleistet hat. Nur wenn das Ende des Wirtschaftsjahres auch dem Veräußerungsstichtag (Wirksamkeit des Notarvertrages) entspricht, kommt es zu einer gerechten Verteilung der laufenden Verluste.
Eine entsprechende Problematik ergibt sich bei laufenden Gewinnen für den Verkäufer. Denn dieser hat beispielsweise bis zum 01.05.2023 (Verkaufsstichtag) Gewinne erwirtschaftet, da das Wirtschaftsjahr aber erst am 31.12.2023 endet, liegt hier das wirtschaftliche Eigentum bereits beim Käufer. Ihm stehen zunächst sämtliche Gewinne zu – verständlich, dass sich der Verkäufer hiermit und besonders bei hohen Gewinnen regelmäßig nicht einverstanden erklären wird.
Bevor wir unseren Blick auf eine steuer- und zivilrechtlich optimierte Vorgehensweise werfen, schauen wir uns drei in diesem Zusammenhang wichtige Begriffe aus dem Steuerrecht an:
- Veräußerungsgewinn und Veräußerungsverlust
- laufender Gewinn und laufender Verlust
- Veräußerungsstichtag
Die Unterscheidung zwischen einmaligen und laufenden Verlusten respektive Gewinnen ist notwendig, um einerseits eine Doppel- oder Nichterfassung auszuschließen, andererseits aber auch, um die jeweiligen Beträge dem Käufer oder dem Verkäufer zuzuordnen.
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1.1. Veräußerungsgewinn und Veräußerungsverlust
Natürliche Personen, die einen Anteil an einer Kapitalgesellschaft verkaufen, müssen den entstehenden Gewinn nach § 17 Absatz 2 EStG versteuern. Dies gilt aber nur, wenn in den letzten fünf Jahren eine Beteiligung von mindestens 1 % am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft bestand. Mangelt es an dieser Voraussetzung, unterliegt der Gewinn der Kapitalertragsteuer nach § 20 Absatz 2 EStG.
Regelmäßig wird bei der Veräußerung einer GmbH aber ein Gewinn oder Verlust nach § 17 EStG entstehen. Dieser ist wie folgt zu berechnen (§ 17 Absatz 2 und 3 EStG), wobei wir von einer „Standard-GmbH“ mit einem Stammkapital von EUR 25.000 und im Übrigen fiktiven Werten ausgehen:
Erhaltener Veräußerungspreis (Einnahme im Sinne des § 8 EStG) | (+) EUR 500.000 |
Davon sind nach § 3 Nummer 40 Buchstabe c EStG 40 % steuerfrei | (-) EUR 200.000 |
Abzüglich Veräußerungskosten (Notar, Anwalt, Steuerberater etc.) | (-) EUR 1.000 |
Davon sind ebenfalls 40 % nicht abziehbar (§ 3c Absatz 2 Satz 1 EStG) | (+) EUR 400 |
Abzüglich Anschaffungskosten nach § 17 Absatz 2a EStG, hier EUR 25.000 Stammkapital und EUR 50.000 durch eine verdeckte Einlage vor wenigen Jahren | (-) EUR 75.000 |
Davon sind wegen § 3c Absatz 2 EStG 40 % nicht abziehbar | (+) EUR 30.000 |
Veräußerungsgewinn nach § 17 Absatz 2 EStG | EUR 254.400 |
Abzüglich Freibetrag (§ 17 Absatz 3 EStG), grundsätzlich bis zu EUR 9.060, hier aber vollständig abgeschmolzen | (-) EUR 0,00 |
Dem persönlichen Steuersatz unterliegender Gewinn | EUR 254.400 |
Der Veräußerungsgewinn oder –verlust entsteht im Zeitpunkt der wirksamen (notariellen) Übertragung der Anteile (H 17 Absatz 4, Stichwort „wirtschaftliches Eigentum“ EStH). Er unterscheidet sich dadurch von laufenden Gewinnen und Verlusten, dass er ausschließlich durch die Veräußerung veranlasst ist. Es besteht kein unmittelbarer Zusammenhang mit dem laufenden Geschäftsbetrieb der GmbH.
1.2. Laufende Gewinne und laufende Verluste
Die GmbH ermittelt ihren Gewinn nach den Grundsätzen der Bilanzierung respektive des Betriebsvermögensvergleichs (§§ 4 Absatz 1 und 5 EStG). Hierzu verweisen die §§ 7 Absatz 2 und 8 Absatz 1 KStG auf die entsprechenden Vorschriften des Einkommensteuergesetzes. Von wenigen Besonderheiten abgesehen, ist der laufende Gewinn oder laufende Verlust wie bei einem bilanzierenden Gewerbetreibenden im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 EStG zu berechnen.
Die Körperschaftsteuer ist eine Jahressteuer. Daher ist der Gewinn jeweils für das Kalenderjahr zu berechnen, eine unterjährige Veräußerung der GmbH ist aus steuerlicher Sicht dem Grunde nach unerheblich. Käufer und Verkäufer sehen dies aber insbesondere bei laufenden Verlusten mitunter anders, denn bei einem Verkauf zum 01.05.2023 und einem bislang entstandenen Verlust (seit 01.01.2023) von EUR 100.000
- wird der Verkäufer von den aufgelaufenen Verlusten, die er selbst verursacht hat, ohne entsprechend niedrigeren Kaufpreis „befreit“, wobei gleichzeitig
- der Käufer der Anteile sein Business mit einem Verlust startet und gegebenenfalls erstmal den gesamten Geschäftsbetrieb umstrukturieren und optimieren muss.
Es liegt daher regelmäßig im Interesse beider Vertragsparteien, dass laufende Verlust bereits vor der Veräußerung ausgeglichen werden.
Hinsichtlich der Gewerbesteuer besteht das Problem nicht, denn § 5 Absatz 2 GewStG normiert, dass die Steuerschuldnerschaft des Verkäufers beim Verkauf im Ganzen auf den Käufer übergeht. Bereits von Amts wegen besteht daher eine Pflicht zur Aufteilung des jährlichen Gewerbeertrages.
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1.3. Veräußerungsstichtag bei GmbH-Anteilen
Dem Grunde nach ist auch der Verkauf eines GmbH-Anteils eine „normale“ Veräußerung im Sinne des § 433 Absatz 1 BGB. Käufer und Verkäufer schließen also einen Kaufvertrag miteinander ab und vereinbaren, dass K dem V die Anteile überträgt und vom V einen entsprechenden Kaufpreis überwiesen bekommt. Das Eigentum im Sinne des § 39 AO geht über, sobald beide Vertragsparteien ihre Pflichten erfüllt haben.
Für Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Unternehmergesellschaften (UGs; „1-€-GmbHs“) sind zusätzlich die Vorschriften des GmbH-Gesetzes zu beachten. Von Bedeutung ist dabei vor allem § 15 Absatz 1 GmbHG, denn hier wird die Wirtschaftsgutqualität von GmbH-Anteilen klargestellt. Sie sind veräußerlich und vererblich, jegliche Übertagungen aber notariell zu beurkunden (§ 15 Absatz 3 GmbHG).
Das wirtschaftliche Eigentum steht dem Käufer daher regelmäßig erst dann zu, wenn der Vertrag wirksam, insbesondere notariell beglaubigt, wurde. Daher entspricht der Veräußerungsstichtag dem Tag der notariellen Beurkundung, wenn die Anteile mit allen Rechten und Pflichten auch tatsächlich übergehen (§ 39 Absatz 1 AO, BFH vom 22.07.2008, IX R 74/06).
2. Vermeidungsstrategie: Zusatzvereinbarung über laufende Verluste
Um zu vermeiden, dass der Käufer der Anteile auch die laufenden Verluste bis zum Stichtag der Veräußerung zu tragen hat, ist der Abschluss einer Zusatzvereinbarung zu empfehlen. Dabei spielt es dem Grunde nach keine Rolle, ob diese separat oder als Teil des originären Anteilskaufvertrages geschlossen wird.
Eine entsprechende Vereinbarung hat in der Regel zum Inhalt, dass der Verkäufer an den Käufer eine Ausgleichszahlung in Höhe des bislang entstandenen Veräußerungsverlustes leistet. Schauen wir uns dazu das folgende Beispiel an:
Bis zum Veräußerungsstichtag (01.05.2023) hat die GmbH einen Verlust von EUR 100.000 erwirtschaftet. Im Zeitraum Mai bis Dezember entsteht ein Gewinn von EUR 230.000. Ziel muss sein, dass der Käufer seinen Gewinn von EUR 230.000 vollständig vereinnahmen kann, ohne diesen durch EUR 100.000 an bestehenden Verlusten geschmälert zu bekommen. Entsprechend vereinbaren K und V, dass der V an den K eine Ausgleichszahlung in Höhe von EUR 100.000 leistet.
Diese Ausgleichszahlung unterliegt beim Käufer der bis zu 25%igen Kapitalertragsteuer nach § 20 Absatz 3 Satz 1 EStG. Der Verkäufer hat hingegen zusätzliche Anschaffungskosten nach § 17 Absatz 2a Satz 1 EStG oder Veräußerungskosten im Sinne des § 17 Absatz 2 Satz 1 EStG (BFH vom 02.10.1984, VIII R 36/83). Es gilt die folgende Abgrenzung:
- Veräußerungskosten liegen vor, wenn die Ausgleichszahlung in einem unmittelbaren sachlichen Bezug zum Veräußerungsgeschäft selbst steht. Hiervon geht der BFH immer dann aus, wenn die Übernahme der Ausgleichszahlung zwingende Voraussetzung für das Zustandekommen des Kaufvertrages ist; also der Käufer den Kauf ohne die Zusatzvereinbarung nicht tätigen würde
- Nachträgliche Anschaffungskosten im Sinne des § 17 Absatz 2a EStG sind hingegen gegeben, wenn es sich bei der Ausgleichszahlung dem Grunde nach um eine verdeckte Einlage handelt. Durch die Übernahme der Verluste wendet der Gesellschafter der GmbH gegebenenfalls einen gesellschaftsrechtlich veranlassten Vermögensvorteil zu, wobei ein fremder Dritter die Verluste nicht ausgeglichen hätte
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3. Weitere Zusatzvereinbarungen beim Verkauf einer GmbH oder des Anteils daran
Beim Verkauf einer Gesellschaft mit beschränkten Haftung können neben der genannten Übernahme laufender Verluste durch den Verkäufer weitere Vereinbarungen sinnvoll sein. Dazu gehören auszugs- und beispielsweise:
- Gewinnverteilung: Ist kein Verlust, sondern ein Gewinn entstanden, wird der Verkäufer ein Interesse daran haben, den ihm bis zum Stichtag zustehenden Anteil zu vereinnahmen. Die Vorgehensweise entspricht der beim laufenden Verlust, wobei die Auszahlung als Gewinnausschüttung mit entsprechendem Beschluss (§ 20 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 5 EStG, H 20.2 „Zuflusszeitpunkt bei Gewinnausschüttungen“ EStH) gilt. Dadurch sind insbesondere im Hinblick auf die Vereinnahmung einige Besonderheiten zu beachten
- Betriebsprüfungen: Der Erwerber der GmbH ist durch seine Eigentümerstellung möglicherweise mit Betriebsprüfungen für Jahre, in denen noch der Verkäufer Alleingesellschafter war, konfrontiert. Mit entsprechenden Klauseln kann vereinbart werden, dass der Verkäufer aus einer Betriebsprüfung resultierende Nachzahlungen in derartigen Fällen übernehmen muss
- Anfechtung von Steuerbescheiden: Vereinbart man eine Verpflichtung zur Übernahme von Nachzahlungen, muss damit auch ein vollumfängliches Einspruchsrecht des früheren Gesellschafters einhergehen. Dieses steht originär nur der Gesellschaft und dem (neuen) Geschäftsführer selbst zu, sodass eine entsprechende Klausel vonnöten ist
Im Ergebnis spielen die Besonderheiten des Einzelfalls auch beim GmbH-Verkauf eine entscheidende Rolle. Sich individuell ergebende Nachteile für Käufer oder Verkäufer, etwa durch laufende Verluste im Verkaufsjahr, lassen sich mit zivilrechtlich wirksamen Steuerklauseln ausgleichen. So wird am Ende der von beiden Vertragsparteien gewünschte Zustand hergestellt.
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