Unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht nach § 1 KStG
Die Körperschaftsteuer (KSt) ist faktisch die „Einkommensteuer für Kapitalgesellschaften“. Damit sie der deutsche Fiskus aber überhaupt erheben kann, muss die jeweilige Kapitalgesellschaft entweder unter die beschränkte oder die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht fallen. Letztere schauen wir uns in diesem Beitrag einmal genauer an und werfen dafür einen Blick ins Körperschaftsteuergesetz (KStG).
Übrigens: Seit Mitte Juni 2021 können Personengesellschaften zur Körperschaftsteuerpflicht optieren (§ 1a KStG). Werfen Sie einen Blick in unseren Fachbeitrag zum Thema!
Unser Video:
Unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht
In diesem Video erklären wir, wann eine Körperschaft nach § 1 KStG unbeschränkt steuerpflichtig ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Rechtsgrundlagen: Die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht
Ähnlich des Einkommensteuergesetzes (EStG), regelt der Gesetzgeber die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht unmittelbar in § 1 KStG – weit müssen Sie also erstmal nicht blättern (oder scrollen). Der Steuerpflicht unterfallen dabei alle Körperschaften, die ihren
- Sitz oder
- die Geschäftsleitung
im Inland haben, unabhängig von ihrer geschäftlichen Tätigkeit. Körperschaften im Sinne des § 1 Absatz 1 KStG sind dabei insbesondere Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, Versicherungs- und Pensionsvereine, nichtrechtsfähige Vereine und Betriebe gewerblicher Art. Auch die Stiftungen des privaten Rechts gehören nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 KStG zu den steuerpflichtigen Körperschaften.
Der Gesetzgeber stellt in den Körperschaftsteuer-Richtlinien klar, dass die Aufzählung der Körperschaften in § 1 Absatz 1 KStG nicht abschließend ist (R 1.1 Absatz 1 KStR). Vielmehr führen Sie bei ausländischen Gesellschaften einen Typenvergleich durch, um festzustellen, ob die jeweilige Gesellschaft ein deutsches Pendant kennt. Beispiele hierfür sind:
- Die deutsche AG sowie die europäische S.E. (Kapitalgesellschaft)
- Die deutsche GmbH und die niederländische B.V. (Kapitalgesellschaft)
- Die deutsche OHG sowie die US-amerikanische LP (Personengesellschaft)
Da eine GmbH kein Dach über dem Kopf braucht, keine Freunde hat und in der Regel auch keine warmen Mahlzeiten zu sich nimmt, spielen die Begriffe „Wohnsitz“ und „gewöhnlicher Aufenthalt“, die Sie aus dem Einkommensteuerrecht kennen, hier keine Rolle. Vielmehr kommt es nur auf Sitz und Geschäftsleitung an, die im Regelfall am selben Ort liegen.
1.1. Der Sitz einer Körperschaft
Beginnen wir mit dem einfacheren der beiden Merkmale. Den Sitz hat eine Körperschaft nach § 11 Abgabenordnung (AO) an dem Ort, den der Gesellschaftsvertrag, die Satzung oder eine gesetzliche Vorschrift bestimmt. Bei einer Kapitalgesellschaft wie AG, UG sowie GmbH stellen Sie schlicht auf den Handelsregistereintrag ab. Denn nach § 7 Absatz 1 GmbHG ist eine Kapitalgesellschaft zwingend beim für ihren Sitz zuständigen Amtsgericht ins Handelsregister einzutragen.
Beispiel: Sie haben eine GmbH, die ihren Sitz in Bonn hat. Der Geschäftsführer lebt auf den Malediven und arbeitet ausschließlich von dort für seine deutsche Gesellschaft. Der Sitz liegt in Deutschland – damit ist die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht gegeben.
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1.2. Die Geschäftsleitung
Für die Geschäftsleitung werfen Sie einen Blick in § 10 AO. Demnach entspricht die Geschäftsleitung dem „Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung“. Etwas anders ausgedrückt, stellen Sie auf den Ort ab, von dem die für die Gesellschaft maßgeblichen Entscheidungen getroffen werden. Eine unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht nach § 1 Absatz 1 KStG besteht immer dann, wenn der Ort der Geschäftsleitung in Deutschland liegt.
Sie können sich bereits vorstellen, dass es in der Praxis durchaus kompliziert sein kann, den „Mittepunkt“ der geschäftlichen Oberleitung festzustellen. Stellen Sie sich einfach vor, Sie haben die gerade genannte GmbH mit Sitz nach § 11 AO im Ausland. Nun gibt es insgesamt drei Geschäftsführer, von denen einer in Deutschland und die anderen beiden ebenfalls im Ausland leben. Sie führen die Geschäfte und treffen alle unternehmerischen Entscheidungen jeweils gemeinsam; Beschlüsse fassen sie nach einfacher Mehrheit.
Eine solche GmbH würde in Deutschland nicht unter die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht fallen. Denn der Mittelpunkt liegt dadurch, dass nur einer von drei Geschäftsführern in Deutschland lebt und von dort aus seine Entscheidungen trifft, außerhalb Deutschlands. Im Umkehrschluss würde die Geschäftsleitung nach § 10 AO im Inland liegen, wenn zwei von drei Geschäftsführern aus dem Inland tätig wären.
Im Zweifel wird das Finanzamt verschiedene Kriterien heranziehen, um die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht zu beurteilen:
- Gewöhnlicher Tätigkeitsort der Entscheidungsträger
- Mehrheitlicher Wohnsitz der Geschäftsführerinnen sowie Geschäftsführer
- Gewöhnlicher Aufenthalt der entscheidungsberechtigten Gesellschafter/Geschäftsführer
Werfen Sie für weitere Definitionen und insbesondere für Beispielfälle einen Blick in Kommentare oder in die einschlägige BFH-Rechtssprechung.
2. Folgen der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht
Rechtsfolge der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht nach § 1 Absatz 1 KStG ist – auch hier bemerken Sie Parallelen zum EStG – die Besteuerung des gesamten Welteinkommens der Körperschaft (§ 1 Absatz 2 KStG). Dieses ermitteln Sie gemäß § 8 Absatz 1 KStG nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes.
Da eine Kapitalgesellschaft (§ 1 Absatz 1 Nummer 1 KStG) nach § 8 Absatz 2 KStG ausschließlich gewerbliche Einkünfte im Sinne des § 15 Absatz 1 Nummer 1 EStG erzielt, sind alle Einnahmen Betriebseinnahmen. Alle anfallenden Ausgaben sind Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Absatz 4 EStG. Auch die Frage nach der Gewinnermittlungsart beantwortet der Gesetzgeber mit § 7 Absatz 4 KStG, denn die Kapitalgesellschaft muss ihren Gewinn stets durch Betriebsvermögensvergleich (BVV) im Sinne des § 4 Absatz 1 Satz 1 EStG ermitteln.
Das Wirtschaftsjahr dauert 12 Monate und entspricht entweder dem Kalenderjahr oder weicht davon ab. Ein Rumpf-Wirtschaftsjahr, das kürzer als 12 Monate sein darf, ist nur bei Gründung und Liquidation der Gesellschaft möglich.
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3. Unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht bei mehreren Betriebstätten
Eine in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft kann mehrere Betriebstätten auf der ganzen Welt haben. Eine unbeschränkte Steuerpflicht würde dann neben dem deutschen KStG mitunter auch nach ausländischen Steuergesetzen, etwa dem österreichischen KStG, bestehen. Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, regeln die jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen (DBAs) typischerweise eine Freistellung der Auslandsgewinne.
Selbiges gilt, wenn Sitz und Geschäftsleitung in zwei unterschiedlichen Staaten liegen. Auch hier kommt es am Ende auf die Regelungen des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens an.
Beispiel: Sie betreiben einen Einzelhandel in Rechtsform der GmbH. Sitz sowie Geschäftsleitung befinden sich im Inland, eine weitere Betriebstätte liegt in Wien, Österreich. Hier machen Sie EUR 100.000 Gewinn. Das DBA Deutschland-Österreich spricht dem Land Österreich das Besteuerungsrecht für die Gewinne aus Wien zu. Der deutsche Fiskus stellt diese Erträge frei.
4. Ende der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht
Liegen weder Sitz noch Geschäftsleitung im Sinne des §§ 11 und 10 AO im Inland, erlischt die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht (wieder). Hatte die Geschäftsführerin einer österreichischen GmbH etwa ihren Wohnsitz und dadurch die GmbH-Geschäftsleitung im Inland und verzieht sie nun in die Schweiz, fehlt es an der Voraussetzung des § 10 AO.
Einkommensteuerlich riskiert die Geschäftsführerin, sofern sie selbst zu mindestens einem Prozent an der GmbH beteiligt ist, eine Versteuerung des fiktiven Veräußerungsgewinns nach § 6 Absatz 1 Außensteuergesetz (AStG) in Verbindung mit § 17 Absatz 1 EStG (Wegzugsteuer).
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