Nießbrauch an GmbH: Wegzugsteuer nach § 6 AStG vermeiden!
Der Wegzug ins Ausland löst bei GmbH-Gesellschaftern regelmäßig die sogenannte Wegzugsteuer nach § 6 AStG aus. Hintergrund dieser Regelung ist, dass der deutsche Fiskus das Besteuerungsrecht an einem späteren Verkaufsgewinn womöglich dauerhaft verliert. Allerdings gibt es Möglichkeiten, die Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven beim Wegzug zu vermeiden. Schauen wir uns dazu die Schenkung mit gleichzeitigem Nießbrauch an der GmbH an!
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Nießbrauch an GmbH vereinbaren
In diesem Video erklären wir, wie Sie mit einem Nießbrauch an der GmbH die Wegzugsteuer im Sinne des § 6 AStG vermeiden!
Inhaltsverzeichnis
1. Ausgangssituation: GmbH-Gesellschafter möchte ins Ausland verziehen
Verziehen Sie als Gesellschafterin oder Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft (AG, GmbH, UG, Limited) ins Ausland, endet in der Regel Ihre unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland. Nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 EStG benötigen Sie entweder einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, um hier unbeschränkt steuerpflichtig zu sein. Gleichzeitig verfolgen Sie womöglich gerade dieses Ziel, um Ihre Steuerlast zu senken.
Nun führt der Wegzug zu einer fiktiven Veräußerung Ihrer GmbH-Anteile im Sinne des § 17 EStG (§ 6 Absatz 1 Nummer 1 AStG). Hintergrund ist der eventuell dauerhafte Verlust des Besteuerungsrechtes der BRD an einem eventuellen Verkaufsgewinn. Eine vorzeitige Besteuerung dieses Gewinns erfolgt daher nach dem Motto „jetzt oder nie“.
Vermeiden lassen sich diese steuerlichen Folgen mit einem Nießbrauch an der GmbH, wobei der Nießbraucher ins Ausland verzieht. Rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH verbleibt hingegen in Deutschland.
Zusammengefasst stellt sich der Ausgangsfall damit wie folgt dar:
- Sie sind Gesellschafterin oder Gesellschafter einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft, zu mindestens 1 % beteiligt und möchten ins Ausland verziehen
- Sie beabsichtigen – etwa aus steuerlichen Gründen – sowohl Wohnsitz als auch gewöhnlichen Aufenthalt im Inland aufzugeben
- Nahe Angehörige oder andere Ihnen nahestehende Personen verbleiben in Deutschland
Der Nießbrauch an der GmbH sichert Ihnen je nach Ausgestaltung dabei das Recht auf Gewinnausschüttungen und andere Leistungen, ohne dass Sie selbst Eigentümer der Anteile sind. Die Übertragung auf eine andere Person in Deutschland erfolgt bereits vor dem Wegzug, sodass § 6 Absatz 1 Nummer 1 AStG keine Anwendung mehr findet. Schauen wir uns die wesentlichen Tatbestandsmerkmale des § 6 AStG, die wir mit dem Nießbrauch an der GmbH umgehen, einmal genauer an.
1.1. Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht
Die unbeschränkte Steuerpflicht einer natürlichen Person endet nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 EStG, wenn diese weder ihren Wohnsitz noch den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Dabei gilt:
- „Wohnsitz“ bezeichnet die sogenannte Schlüsselgewalt, also den dauerhaften Zugang zu einer inländischen Wohnung oder Immobilie. Keine Rolle spielt, ob diese Möglichkeit des regelmäßigen Zugriffs überhaupt wahrgenommen werden (§ 8 AO)
- „Gewöhnlicher Aufenthalt“ ist hingegen der Mittelpunkt der Lebensinteressen. Maßgeblich sind zum Beispiel Beziehungen, Freundschaften, familiäre Verpflichtungen, Mitgliedschaften in Vereinen oder schlicht die Aufenthaltsdauer an einem bestimmten Ort (§ 9 AO)
Damit ein Tatbestand des § 6 AStG erfüllt ist, darf weder ein Wohnsitz noch ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland bestehen. Doppelwohnsitze (etwa in Deutschland und Österreich) führen zur Anwendung des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens.
1.2. Anteilsübertragungen ins Ausland
Auch bei der Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person liegt eine fiktive Veräußerung nach § 17 EStG vor. § 6 Absatz 1 Nummer 2 AStG stellt auch hier auf Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthaltsort ab. Der Gesetzgeber vermeidet mit der Norm, dass Steuerpflichtige ihre Anteile zunächst an Personen im Ausland übertragen und erst anschließend selbst dorthin verziehen.
Der Nießbrauch an der GmbH würde in diesen Fällen ebenfalls funktionieren. Hierzu erhält die im Ausland lebende Person das entsprechende Recht, die eigentlichen Eigentümer der Anteile bleiben aber in Deutschland zurück.
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1.3. Übertragung von Anteilen beim Nießbrauch an der GmbH
Um eine Anwendung des § 6 AStG beim Wegzug auszuschließen, kommt es auf das wirtschaftliche und das tatsächliche Eigentum an den jeweiligen Anteilen an. Nach § 39 Absatz 1 AO sind Wirtschaftsgüter – dazu gehören auch GmbH-Anteile – dem Eigentümer zuzurechnen. Eigentümer im Sinne des Zivilrechts ist die (natürliche oder juristische) Person, die mit dem jeweiligen Gegenstand nach Belieben verfahren kann (§ 903 BGB). Dies umfasst insbesondere den Ausschluss Dritter von der Einwirkung auf das Wirtschafsgut, wobei § 39 Absatz 1 AO insoweit auf das BGB verweist.
Nach § 39 Absatz 2 Nummer 1 AO gelten allerdings besondere steuerliche Vorschriften für den wirtschaftlichen Eigentümer. Denn demnach ist ein Wirtschaftsgut abweichend vom rechtlichen Eigentum (§ 903 BGB) dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen, wenn dieser den rechtlichen Eigentümer in weiten Teilen von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann.
Geht der Nießbrauch an der GmbH beispielsweise soweit, dass der weggezogene Gesellschafter
- weiterhin Stimmrechte hat,
- an vorhandenen stillen Reserven beteiligt ist,
- die anderen Beteiligten alleine überstimmen und
- bei Verkauf der Anteile „mitreden“
kann, liegt das wirtschaftliche Eigentum durch die „Nahezu-Gleichstellung“ mit einem originären Gesellschafter mitunter bei dieser Person. Steuerliche Folge und unbedingt zu vermeiden wäre die Anwendung des § 6 Absatz 1 Nummer 1 AStG.
2. Ausgestaltung des Nießbrauchs an der GmbH in der Praxis
Praktisch handelt es sich beim Nießbrauch (§§ 1030 fort folgende BGB) um das Recht, Leistungen aus einem Wirtschaftsgut im Eigentum eines anderen zu beziehen. So können Sie zum Beispiel eine Immobilie auf Ihre Kinder übertragen, sich das Wohnrecht aber in Form eines Nießbrauches vorbehalten. Selbiges gilt für GmbH- und andere Anteile an Kapitalgesellschaften. Der Nießbrauch an einer GmbH wird dann vertraglich zum Beispiel in der Form geregelt, dass
- das rechtliche Eigentum durch Schenkung auf Ihre Kinder übergeht,
- Sie ins Ausland verziehen,
- über den Nießbrauch aber weiterhin an den Ausschüttungen beteiligt sind.
Zusätzlich ließe sich auf diese Weise – unabhängig vom Nießbrauch – ein Arbeitsvertrag mit der Gesellschaft schließen. In dessen Rahmen werden Sie als Geschäftsführerin oder Geschäftsführer tätig. Besteht ein solcher Vertrag bereits, bleibt dieser bestehen (§ 613a Absatz 1 BGB).
Die konkrete Ausgestaltung ist immer von praktischen Gegebenheiten abhängig. Denn während das Zivilrecht große Gestaltungsspielräume bietet, schränkt das wirtschaftliche Eigentum im Steuerrecht nach § 39 Absatz 2 Nummer 1 AO diese Optionen teilweise wieder ein.
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3. Schenkungsteuerliche Behandlung des Nießbrauchs bei GmbH-Anteilen
Die vor dem Wegzug stattfindende Übertragung der Anteile an die Kinder (oder andere Personen) stellt regelmäßig eine echte oder gemischte Schenkung im Sinne des § 7 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3 ErbStG dar. Da es sich dabei um einen steuerpflichtigen Vorgang handelt, fallen bis zu 50 % Schenkungsteuer an.
Maßgeblich ist dabei der gemeine Wert der GmbH-Anteile, den Sie nach § 11 Absatz 3 ErbStG bei fehlender Börsenlistung im Wege des vereinfachten Ertragswertverfahrens (§§ 199 bis 203 ErbStG) ermitteln. Ist der Schenker zu mindestens 25 % an der Gesellschaft beteiligt und liegen die übrigen Voraussetzungen vor, fällt der Anteil außerdem unter die Begünstigungen der §§ 13a bis 13c ErbStG.
Dennoch bleibt es mitunter bei einer Bereicherung im Sinne des § 10 Absatz 1 Satz 1 ErbStG, wobei das Nießbrauchsrecht diese im zweiten Schritt mindert. Der Kapitalwert des Nießbrauchs an der GmbH ergibt sich dabei aus
- dem durchschnittlichen Jahreswert der Nutzungen (zum Beispiel Gewinnausschüttungen),
- multipliziert mit einem Vervielfältiger nach Tabelle 9a zum Bewertungsgesetz (Anlage 9a), wenn das Recht zeitlich beschränkt ist.
Wird der Nießbrauch an der GmbH lebenslang gewährt, gelten für die Vervielfäliger die jeweils aktuellen Sterbetafeln (BMF-Schreiben vom 04.10.2021, IV C 7 – S 3104/19/10001 :006).
3.1. Rechenbeispiel zum Nießbrauch an der GmbH
Nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren haben die übertragenen Anteile einen Wert von EUR 10.000.000. Hiervon sind 85 % steuerfrei zu stellen, da das begünstigte Vermögen zu mehr als 20 % aus Verwaltungsvermögen besteht. Eine 100%ige Befreiung scheidet damit aus und die Bereicherung im Sinne des § 10 Absatz 1 Satz 1 ErbStG beträgt EUR 1.500.000. Der Nießbrauch an der GmbH wurde lebenslang vereinbart. Der ins Ausland verzogene Berechtigte ist männlich und 60 Jahre alt. Pro Jahr werden durchschnittlich EUR 250.000 an ihn ausgeschüttet.
Nach der Sterbetafel des BMF und § 14 Absatz 1 Satz 1 und 2 BewG wenden Sie einen Vervielfältiger von 15,001 auf die Jahresleistung an. Es ergibt sich ein Wert von EUR 3.750.250. Er mindert den steuerpflichtigen Erwerb, maximal auf EUR 0,00, sodass hier keine Schenkungsteuer anfällt.
3.2. Risiko bei frühzeitigem Tod des Nießbrauchers
Verstirbt der Nießbraucher vor dem der Bewertung zugrunde gelegten Zeitpunkt, so ist mitunter eine Berichtigung nach § 14 Absatz 2 BewG erforderlich. Allerdings gelten hier gewisse Grenzen, sodass eine Berichtigung beispielsweise unterbleibt, wenn der Nießbrauch an der GmbH bei einem Alter von 60 bis 65 Jahren für mehr als achte Jahre bestanden hat.
Im Umkehrschluss erfolgt eine Neufestsetzung der Schenkungsteuer, sollte der Nießbraucher bereits vor einer Leistungsdauer von acht Jahren versterben. Es handelt sich um ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 AO. Nach § 175 Absatz 1 Satz 2 AO beginnt die Festsetzungsfrist von vier Jahren abweichend von § 170 AO erst mit Eintritt des rückwirkenden Ereignisses.
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