Erwerb vom Kaufmann: Schutzvorschriften
Der Erwerb des Eigentums an einer Sache ist auch möglich, wenn der Veräußerer gar nicht der Eigentümer der Sache ist. Die Voraussetzungen sind grundsätzlich in den §§ 932 ff. BGB geregelt. Für den Erwerb vom Kaufmann gelten besondere Vorschriften. Steht ein Erwerb von einem nichtberechtigten Kaufmann in Rede, ist dieser unter leichteren Voraussetzungen möglich. Wir erklären, inwieweit der Erwerber einer Sache, der diese von dem nichtberechtigten Kaufmann erworben hat, geschützt wird.
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In diesem Video erklären wir, die unterschiedlichen Gesellschaftsformen in Deutschland.
Inhaltsverzeichnis
1. Gutgläubiger Erwerb
1.1. Zivilrechtliche Voraussetzungen
Der Eigentumserwerb an beweglichen Sachen erfolgt gemäß § 929 Satz 1 BGB grundsätzlich durch Einigung und Übergabe der Sache (beziehungsweise Übergabesurrogat hinsichtlich der Sache (§§ 929 Satz 2, 930, 931 BGB)). Wichtige Voraussetzung ist aber, dass der über die Sache Verfügende Eigentümer der Sache oder verfügungsbefugt ist. Bloßes wirtschaftliches Eigentum reicht dafür nicht aus. Das ist grundsätzlich auch sinnvoll, da zunächst einmal über fremde Sachen nicht verfügt werden darf.
Es gibt aber Fälle, in denen der Erwerber schutzwürdig ist, so dass ihm auch der Erwerb von dem Nichtberechtigten – demjenigen, der kein Eigentümer ist – möglich sein muss. Dies ist unter den Voraussetzungen der §§ 932-936, 1207 BGB möglich. Durch diese Normen wird daher das fehlende Eigentum oder die fehlende Verfügungsbefugnis des Eigentümers als Verfügender überwunden. In allen Fällen muss der Erwerber aber gutgläubig davon ausgehen, dass der Veräußerer Eigentümer der Sache ist.
1.2. Handelsrechtliche Erweiterung für den Erwerb vom Kaufmann
Im Handelsrecht erweitert § 366 HGB die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs. Demnach ist der Erwerb von dem nichtberechtigten Kaufmann auch dann möglich, wenn der Erwerber zwar nicht an das Eigentum, aber an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers glaubt. Dies ist eine wichtige Erweiterung zum gutgläubigen Erwerb nach den §§ 932 ff. BGB. § 366 Absatz 1 HGB betrifft dabei den Erwerb des Eigentums oder eines rechtsgeschäftlich bestellten Pfandrechts an einer beweglichen Sache.
Auch darüberhinausgehend ist der gutgläubige Erwerber geschützt, wenn der Veräußerer ein nichtberechtigter Kaufmann ist:
- Gemäß § 366 Absatz 2 HGB ist ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb möglich.
- Nach § 366 Absatz 3 HGB können die dort genannten Kaufleute gutgläubig ein gesetzliches Pfandrecht erwerben, wenn ihr Vertragspartner zwar nicht Eigentümer, aber verfügungsbefugt ist.
- Zudem können Abtretungsverbote unter den Voraussetzungen des § 354a HGB überwunden werden.
All dies erklären wir im Folgenden genauer.
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2. Lastenfreier Erwerb vom nichtberechtigten Kaufmann, § 366 Absatz 3 HGB
Der § 366 Absatz 3 HGB erweitert die Regelung des § 936 BGB. § 936 BGB schützt den guten Glauben an das Nichtbestehen einer dinglichen Belastung an der erworbenen Sache. § 366 Absatz 3 HGB ergänzt dies nun darum, dass der Erwerber auch dann lastenfreies Eigentum erhält, wenn er die Belastung zwar kennt, aber den Veräußerer gutgläubig für befugt hält, ohne Vorbehalt des Rechts über die Sache zu verfügen. Er muss daher davon ausgehen, dass der Kaufmann die Sache unbelastet durch das Recht veräußern darf. Dann erhält der Erwerber das Eigentum an der Sache ohne dingliche Belastung.
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3. Erwerb eines gesetzlichen Pfandrechts vom Kaufmann, § 366 Absatz 3 HGB
Gemäß § 366 Absatz 3 HGB können die gesetzlichen Pfandrechte des HGB gutgläubig erworben werden. Sowohl der Kommissionär, als auch der Frachtführer, der Verfrachter oder der Lagerhalter erwerben zur Sicherung ihrer Forderung ein gesetzliches (Besitz-)Pfandrecht an den ihnen anvertrauten Sachen (§§ 397, 441, 464, 475b HGB).
Dabei fehlt es an einer Verfügung im Rechtssinne. Das Pfandrecht entsteht vielmehr kraft Gesetzes. Daher kommt es bei einem Erwerb vom nichtberechtigten Kaufmann nach § 366 Absatz 3 HGB nicht auf einen guten Glauben an die Verfügungsbefugnis an. Eine Verfügung ist ja gerade nicht erforderlich. Ausreichend ist vielmehr der gute Glaube daran, dass der Nichtberechtigte die genannten Verträge abschließen darf. Dazu gehört zum Beispiel, dass er das Gut in Kommission geben darf. Ist das Gut hingegen nicht Vertragsgegenstand, so kommt es für das Entstehen des Pfandrechts gemäß § 366 Absatz 3 HGB auf den guten Glauben an das Eigentum des Vertragspartners an.
Hinsichtlich der Veräußerung des Pfandes enthält der § 368 HGB eine besondere Regelung. Grundsätzlich muss der Pfandverkauf gemäß § 1234 Absatz 1 BGB angedroht werden. Der Zeitraum zwischen Androhung und Verkauf muss nach § 1234 Absatz 2 BGB einen Monat betragen. Diesen Zeitraum verkürzt der § 368 HGB zur Erleichterung der Pfandverwertung auf einen Zeitraum von einer Woche. Erforderlich dafür ist, dass die Pfandbestellung ein beiderseitiges Handelsgeschäft darstellt oder bei den gesetzlichen Pfandrechten (des Spediteurs, des Verfrachters und des Frachtführer) zumindest aufseiten des Gläubigers ein Handelsgeschäft vorliegt.
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4. Wirksame Abtretung trotz Abtretungsverbot, § 354a HGB
4.1. Voraussetzungen zum Erwerb einer Forderung vom Kaufmann
Ist bei einem beiderseitigen Handelsgeschäft die Abtretung gemäß § 399 BGB ausgeschlossen, so ist eine trotz Abtretungsverbot erfolgende Abtretung gemäß § 354a Absatz 1 Satz 2 HGB wirksam. Der Schuldner kann aber gemäß § 354a Absatz 1 Satz 2 HGB mit befreiender Wirkung an den bisherigen Gläubiger leisten. Sinn und Zweck dieser Norm ist es, mittelständischen Unternehmen Refinanzierungsmöglichkeiten zu geben. § 354a Absatz 1 Satz 3 HGB bestimmt, dass abweichende Vereinbarungen unwirksam sind. Kaufleute sollen Forderungen aus Warenlieferungen oder Dienstleistungen zur Kreditsicherung benutzen können.
§ 354a Absatz 1 Satz 3 HGB stellt eine Schuldnerschutzvorschrift dar. Es muss dem Schuldner möglich sein, auf diesen Schutz zu verzichten. Dann ist § 354a Absatz 1 Satz 3 HGB zu reduzieren. Daher ist es dem Schuldner möglich, nach und in Kenntnis der Abtretung mit dem Zessionar zu vereinbaren, Zahlungen künftig an den Zessionar (den neuen Gläubiger) zu entrichten.
4.2. Verlängerter Eigentumsvorbehalt und Wirkung des § 354a Absatz 1 Satz 1 HGB
Bei einem verlängertem Eigentumsvorbehalt veräußert der ursprüngliche Eigentümer die Sache, behält sich aber das Eigentum an der Sache bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung vor. Der Eigentümer gibt aber dem Erwerber die Möglichkeit, über die Sache wirksam zu Verfügung. Diese Verfügungsermächtigung steht aber unter der Bedingung, dass die Forderung aus der Weiterveräußerung an den Eigentümer abgetreten wird. Nun kann es aber sein, dass in dem Weiterveräußerungsverhältnis (Vorbehaltskäufer – Abkäufer) ein Abtretungsverbot vereinbart wurde. Dann stellt sich die Frage, ob die Verfügung zugunsten des Abkäufers dennoch wirksam ist.
Ist das Veräußerungsgeschäft zwischen dem Vorbehaltskäufer und dem Abkäufer kein beiderseitiges Handelsgeschäft, so ist das Abtretungsverbot wirksam. Die Forderung kann also nicht abgetreten werden. Somit greift die Ermächtigung zur Weiterveräußerung nicht ein. Der Vorbehaltskäufer handelt insoweit also als Nichtberechtigter. Dann scheidet auch ein gutgläubiger Erwerb des Abkäufers aus. Die Vereinbarung eines Abtretungsverbots zeigt, dass der Abkäufer mit einem verlängerten Eigentumsvorbehalt rechnete. Der Abkäufer handelt grob fahrlässig, wenn er keine weiteren Erkundigungen anstellt.
Stellt die Weiterveräußerung hingegen ein beiderseitiges Handelsgeschäft dar, so geht das Abtretungsverbot gemäß § 354a Absatz 1 Satz 1 HGB ins Leere. Die Abtretung ist vielmehr wirksam. Daher ist der Erwerb der Forderung von dem Kaufmann möglich. Deswegen wirkt sich der Vorbehalt unter dem die Ermächtigung zur Weiterveräußerung erteilt ist, nicht aus. Damit hat der Vorbehaltskäufer als berechtigter verfügt und der Abkäufer ist Eigentümer geworden.
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