Fehlerhafte Gesellschaft: Voraussetzungen der Anerkennung und Rechtsfolgen
Bei dem Gründen einer Gesellschaft können insbesondere bei dem Erstellen des Gesellschaftsvertrags Fehler unterlaufen. Doch auch im Verlauf der bestehenden Gesellschaft können solche entstehen. Dann liegt eine fehlerhafte Gesellschaft vor. Dennoch wird auch diese unter gewissen Voraussetzungen als Gesellschaft anerkannt. Wir erklären, wann und welche Rechtsfolgen daran genknüpft sind.
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Inhaltsverzeichnis
1. Bedeutung des Gesellschaftsvertrag
Der Gesellschaftsvertrag ist nicht nur allein ein Vertrag, der gegenseitige Rechte und Pflichten begründet, sondern Grundlage einer rechtsfähigen Organisation. Diese kann Verträge abschließen, Ansprüche und Verpflichtungen begründen. Der Unterschied zu einer natürlichen Person besteht aber darin, dass die Fehlerhaftigkeit des Gesellschaftsvertrag, der Gesellschaft ihre Grundlage entziehen würde. Dieser Fehler würde folglich dem Fortwirken der Gesellschaft entgegenstehen. Es entsteht dann eine fehlerhafte Gesellschaft.
Das Problem der fehlerhaften Gesellschaft stellt sich bei jeder Gesellschaftsform. Bei den Kapitalgesellschaften ist es aber rechtlich gelöst worden. Demnach greifen für eine GmbH die §§ 75-77 GmbHG und für eine AG die §§ 275-277 AktG. Allein bezüglich Personengesellschaften gibt es keine gesetzlichen Regelungen. Daher erlangt die fehlerhafte Gesellschaft insbesondere bei einer GbR, OHG, KG oder auch einer GmbH & Co. KG Bedeutung.
Grundsätzlich würden Fehler zur Folge haben, dass der Gesellschaftsvertrag nichtig und daher nach den §§ 812 ff. BGB rückabzuwickeln ist. Zudem stellt sich auch bei Vertragspartner die Frage, ob die Gesellschaft überhaupt besteht. Andernfalls würde der gegen die Gesellschaft vertraglich begründete Anspruch ins Leere gehen. Damit dies nicht geschieht muss dem Gesellschaftsvertrag aufgrund seiner überragenden Bedeutung eine höhere Bestandskraft zugewiesen werden, als einem herkömmlichen Schuldvertrag.
2. Fehler bei dem Gesellschaftsvertrag begründen fehlerhafte Gesellschaft
Der Gesellschaftsvertrag kann diverse Mängel in Form von Gründungsmängeln, Eintrittsmängel, Austrittsmängel oder auch Vertragsänderungsmängeln haben. Zudem können der Wirksamkeit auch Willensmängel seitens der Gesellschafter entgegenstehen. Dementsprechend kann der Vertrag wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung anfechtbar sein.
3. Fehlerhafte Gesellschaft – Lösungsansätze
3.1. Fehlerhafte Gesellschaft kann kaum rückabgewickelt werden
Es kann sowohl den Gesellschaftern als auch fremden Dritten nicht zugemutet werden, eine fehlerhafte Gesellschaft rückwirkend als juristisches Nullum zu betrachten und rückabzuwickeln. Insbesondere die Interessen der Gläubiger der Gesellschaft müssen bei der Rückabwicklung betrachtet werden. Aber auch die Gesellschafter sind im Innenverhältnis an einer geordneten Rückabwicklung interessiert. Gerade bei langjährig tätigen Gesellschaften ist es tatsächlich kaum möglich, sämtliche Geschäfte rückgängig zu machen.
3.2. Fehlerhafte Gesellschaft unter der allgemeinen Rechtsscheinhaftung
Um diese Probleme verhindern zu können bedarf es eines schlüssigen und dogmatischen Konzepts. Die allgemeinen Grundsätze zur Rechtsscheinhaftung würden nur im Außenverhältnis zu Dritten helfen. Im Innenverhältnis wären aber weiterhin bereicherungsrechtliche Abwicklungen erforderlich. Zudem erfordert die allgemeine Rechtsscheinhaftung Zurechenbarkeit und Gutgläubigkeit des jeweiligen Geschäftspartners. Daher würde die Gesellschaft lediglich relativ im Verhältnis zu gewissen Geschäftspartnern als existent gelten. Im Verhältnis zu anderen bösgläubigen Geschäftspartnern hingegen nicht.
3.3. Heute: Lehre über die fehlerhafte Gesellschaft
Der Gesellschaftsvertrag hat eine Doppelnatur. Zuweilen gilt er als Schuldverhältnis zum anderen aber auch als Grundlage der Organisation. In Folge der Verfestigung der gesellschaftlichen Organisation in dem Gesellschaftsvertrag verlieren die Gesellschafter ihre unbeschränkte Dispositionsbefugnis über ihre im Außenverhältnis begründeten Beziehungen. Daher müssen sie die fehlerhafte Gesellschaft bis zur wirksamen Geltendmachung des Mangels grundsätzlich gegen sich gelten lassen. Daher erhält auch die fehlerhafte Gesellschaft eine über die vertragliche Grundlage hinausgehende juristische Bestandskraft.
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4. Fehlerhafte Gesellschaft: Voraussetzungen zur Anerkennung
4.1. Begründung eines Gesellschaftsvertrag
Damit eine fehlerhafte Gesellschaft anerkannt werden kann müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein. Vorerst bedarf es der Begründung eines Gesellschaftsvertrags. Daher muss der Gesellschaftsvertrag zumindest vom tatsächlichen Willen der Vertragsschließenden erfasst sein, ob er Fehler beinhaltet ist insoweit unbeachtlich. Daher ist die fehlerhafte Gesellschaft dann nicht anerkannt, wenn die Vertragsschließenden nicht erkennen konnten, dass sie einen Gesellschaftsvertrag geschlossen haben. Auch ein bloß faktisches Zusammenwirken oder das Handeln eines nicht vertretungsbefugten Vertreter für einen der möglichen Gesellschafter genügt nicht. An die Voraussetzung des Bestehens eines Gesellschaftsvertrags sind aber keine zu hohen Anforderungen zu stellen.
4.2. Fehlerhafte Gesellschaft in Vollzug gesetzt
Weiterhin muss die fehlerhafte Gesellschaft in Vollzug gesetzt sein. Erst dadurch werden nämlich die Organisationsstrukturen geschaffen, die eine Durchbrechung der Nichtigkeitsfolgen rechtfertigen. Zudem ergeben sich erst dann die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Innenverhältnis und Außenverhältnis. Vollzug tritt spätestens dann ein, wenn die Gesellschaft Rechtsbeziehungen zu Dritten aufnimmt. Fehlt es daran, so genügt es grundsätzlich, wenn im Innenverhältnis bereits ein gemeinschaftliches Vermögen gebildet wurde. Es sollte dann aber erforderlich sein, dass die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung allenfalls erschwert möglich ist.
5. Fehlerhafte Gesellschaft anerkannt – Rechtsfolgen
5.1. Fehlerhafte Gesellschaft im Innenverhältnis
Im Innenverhältnis gilt die in Vollzug gesetzte fehlerhafte Gesellschaft als fortbestehend. Der mangelhaft erklärte oder gebildete Wille ist daher insoweit unbeachtlich. Folglich kann ein solcher Wille allenfalls Grund für eine zukünftige Auflösung der Gesellschaft sein. Dabei handelt es sich um ein geordnetes auf die Personengesellschaft zugeschnittenes Abwicklungsverfahren. Es wird durch die Kündigung eines Gesellschafters eingeleitet. Bei einer auf unbestimmte Zeit gegründeter GbR ist diese jederzeit möglich. Bei einer Gesellschaft auf Zeit bedarf die Kündigung eines gewichtigen Grunds. Dieser liegt dann in dem ursprünglichen Mangel.
Bis zu einer etwaigen Auflösung ist die Gesellschaft voll wirksam. Daher gelten im Verhältnis der Gesellschafter zueinander die vertraglichen Abmachungen oder die einschlägigen Vorschriften. Allein diejenige Klausel auf der die Fehlerhaftigkeit beruht kann nicht angewandt werden. Deswegen kann die Auflassung eines Grundstücks nicht verlangt werden, wenn der Gesellschaftsvertrag insoweit gemäß § 311b BGB fehlerhaft ist. Zudem kann eine Gewinnverteilung, die im Sinne des § 138 BGB sittenwidrig ist nicht durchgeführt oder verlangt werden. Die insoweit nicht anwendbaren Abreden müssen durch die gesetzlichen Regelungen ersetzt werden.
5.2. Fehlerhafte Gesellschaft im Außenverhältnis
Das Außenverhältnis betrifft das Verhältnis der fehlerhaften Gesellschaft zu anderen Dritten. In diesem Verhältnis ist die fehlerhafte Gesellschaft als voll wirksam anzusehen. Daher können sich Dritte trotz des fehlerhaften Gesellschaftsvertrags auf die Existenz der Gesellschaft verlassen. Ansprüche gegen die fehlerhafte Gesellschaft bleiben daher bestehen.
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6. Ausnahmetatbestände der Anerkennung der fehlerhaften Gesellschaft
6.1. Erfordernis der Ausnahmetatbestände
Der Ausnahmetatbestände bedarf es, da die Aufrechterhaltung der fehlerhaften Gesellschaft nicht gegen die Interessen der Allgemeinheit oder Einzelner verstoßen darf. Andernfalls würde die Rechtsordnung zu sich selbst in Widerspruch treten. Dieses Argument lässt sich zwar jeder Anerkennung einer fehlerhaften Gesellschaft entgegenhalten. In den Fällen der Anerkennung einer fehlerhaften Gesellschaft überwiegen aber grundsätzlich das Interesse der Gläubiger und der Verkehrsschutz die bestimmten Schutzanliegen des Gesetzes. Daher kann nur, wenn die Mängel des Gesellschaftsvertrags zu gewichtig sind, diese Abwägung nicht mehr gelten. Zudem soll das Gesetzt solche drastischen Gesetzesverstoße nicht erleichtern.
6.2. Gesetzliches Verbot, Sittenwidrigkeit
Der Mangel ist dann zu gewichtig, wenn der Gesellschaftszweck an sich gegen ein gesetzliches Verbot verstößt oder sittenwidrig nach § 138 BGB ist. Zudem können fehlerhafte Gesellschaften dann nicht anerkennt werden, wenn die Gesellschafter zur Begründung bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen, über diese aber nicht verfügen. Doch auch dann, wenn die Gesellschaft nicht anerkannt wird, sind die Geschäftspartner nicht schutzwürdig. In solchen Fällen gilt daher im Außenverhältnis die allgemeine Rechtsscheinhaftung.
6.3. Minderjährigkeit
Zuweilen kann ein Gesellschafter auch minderjährig sein. Dieser bedarf aber zum Abschluss eines Gesellschaftsvertrags der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters nach den § 107, § 108 BGB und die Genehmigung des Familiengerichts nach §§ 1643 Absatz 1, 1822 Nummer 3 BGB. Die fehlerhafte Gesellschaft darf daher nicht zum Nachteil des Minderjährigen führen. Folglich ist der Schutz Minderjähriger als höherwertiges Interesse gegenüber dem Verkehrsschutz anzusehen. Der Minderjährige kann daher kein Gesellschafter werden. Dennoch gilt zwischen den übrigen Gesellschafter die Gesellschaft als fortbestehend. Allein, wenn es ohne den Minderjährigen keine zwei Gesellschafter mehr gibt, die zum Bestehen einer Gesellschaft erforderlich sind, besteht die fehlerhafte Gesellschaft nicht fort.
6.4. Arglistige Täuschung und widerrechtliche Drohung
Ein Gesellschafter kann durch die anderen Gesellschafter getäuscht oder bedroht worden sein, damit er den Gesellschaftsvertrag abschließt. Maßgeblich ist dann, ob das Interesse des Gesellschafters oder der Verkehrsschutz Vorrang genießt. Dabei ist anzuerkennen, dass auch in diesem Fall der Gesellschafter noch immer in zurechenbarer Weise zur Entstehung der Gesellschaft beigetragen hat. Etwas anders kann nur bei vis absoluta, wenn ihm also keine andere Wahl mehr geblieben ist, angenommen werden. Zudem kann der Getäuschte weiterhin die Auflösung der Gesellschaft verlangen und daher vertragliche oder deliktische Ansprüche geltend machen. Insoweit ist er also nicht schutzwürdig. Daher ist die fehlerhafte Gesellschaft auch in diesem Fall nicht anzuerkennen.
7. Fehlerhafte Gesellschaft – Zusammenfassung
Der Gesellschaftsvertrag ist nicht nur ein reiner schuldrechtlicher Vertrag, sondern auch ein Organisationsvertrag. Deswegen können die zivilrechtlichen Unwirksamkeitsgründe keine vollständige Anwendung erlangen, sondern müssen durch die Lehre der fehlerhaften Gesellschaft modifiziert werden. Sind die Voraussetzungen erfüllt, so wird auch die fehlerhafte Gesellschaft im Verhältnis der Gesellschafter untereinander, als auch im Verhältnis zu Dritten anerkannt. Erst in Folge der Auflösung wird die Gesellschaft liquidiert. Sollten Sie Fragen zur Anerkennung einer fehlerhaften Gesellschaft haben, so kontaktieren sie uns gerne.
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