Latente Steuern bei IFRS: Wann sind diese zu bilden?
Bei den IFRS gilt es genauso wie im deutschen Handelsrecht latente Steuern zu berücksichtigen. Jedoch spielen diese ausschließlich bei der internationalen Rechnungslegung eine bedeutsame Rolle, da national viele Wahlrechte in der Rechnungslegung bestehen, wodurch kaum latente Steuern in handelsrechtlichen Abschlüssen gebildet werden. Dabei geht es vorrangig um einen zutreffenden Vermögensausweis, teilweise aber auch um eine ordnungsgemäße Periodisierung des Steueraufwands.
Diese latenten Steuern ergeben sich aus Ansatzdifferenzen zwischen IFRS oder HGB und dem jeweiligen nationalen Steuerrecht. Dabei gilt es für jedes Unternehmen in jedem Land eine separate Überprüfung der aktuellen und zukünftigen Regelungen vorzunehmen. Denn zukünftige Änderungen haben Auswirkungen auf Bewertungsunterschiede im Steuerrecht. Für die Höhe der latenten Steuern ist entscheidend, wie das nationale Steuerrecht im Zeitpunkt der Umkehr der temporären Unterschiede gestaltet ist.
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Inhaltsverzeichnis
1. Latente Steuern unter IFRS
Unter den International Financial Reporting Standards (IFRS) werden genauso latente Steuern gebildet, wie im deutschen Handelsrecht nach HGB. Dabei kommt es hierbei ebenfalls auf die bilanziellen Unterschiede zwischen den IFRS und dem jeweils nationalen Steuerrecht an.
Maßgeblich für die Bilanzierung latenter Steuern nach den IFRS ist der Standard IAS 12. Da latente Steuern, auch deferred taxes genannt, zu den Steuern auf das Einkommen eines Unternehmen zählt ist IAS 12 (International Accounting Standards 12) der anzuwendende Standard dafür. Die Unterscheidung in IFRS und IAS liegt ausschließlich daran, dass die neueren Standards, die seit 2001 vom IASB (International Accounting Standards Board) herausgegeben werden, als IFRS bezeichnet werden. Dabei wird das IASB aus Rechtsexperten von unterschiedlichen Ländern gebildet.
2. Aktive und passive latente Steuern
2.1. Bildung latenter Steuern
Latente Steuern können auf der Passivseite oder der Aktivseite in der Bilanz angesetzt werden. Sofern nun der Ansatz eines Vermögensgegenstandes, auch asset genannt, nach den IFRS höher als der entsprechende Steuerbilanzwert ist, gilt es zudem passive latente Steuern anzusetzen. Diese sind dabei wie eine Schuld zu behandeln, welche für den Abfluss zukünftigen wirtschaftlichen Nutzens (Steueraufwand) steht. Dieser resultiert aus den zukünftig in der Steuerbilanz anzusetzenden Werten, welche zunächst nur in den IFRS angesetzt wurden. Außerdem gilt korrespondierend zum Vermögenswert auch die Ansetzung einer passiven latenten Steuer für eine Schuld, sofern diese in der Steuerbilanz höher ausfällt im Vergleich zur IFRS Bilanz. Des Weiteren sind auch aktive latente Steuern nach demselben Prinzip anzusetzen, sofern Vermögenswerte in der IFRS Bilanz temporär niedriger als in der Steuerbilanz sind oder Schulden in der IFRS Bilanz temporär höher sind als in der Steuerbilanz.
Dabei ist besonders zu beachten, dass die zunächst entstandenen Unterschiede sich zukünftig ausgleichen müssen, es also nur temporäre Differenzen zwischen den beiden Bilanzen gibt. Beispielsweise ein anderes Verfahren zur Realisierung von Umsatzerlösen nach IFRS 15 im Vergleich zur Umsatzrealisation im HGB wäre nur ein temporärer Unterschied, da die Höhe bei Transaktionen gleich hoch zu bewerten ist, nur der Zeitpunkt unterscheidet sich teilweise. Zudem gilt dadurch zu beachten, dass es durch die Auflösung der Unterschiede im Zeitablauf zu Steuermehrbelastungen oder Steuerminderbelastungen kommt.
Dennoch gilt es ganz klar festzuhalten, dass es erhebliche Unterschiede zwischen der internationalen und der nationalen Rechnungslegung in Deutschland gibt. Denn in der Handelsbilanz bestehen zumeist Wahlrechte bezüglich der Ansetzung latenter Steuern wohingegen diese auf internationaler Ebene deutlich mehr Beachtung erfahren. So lässt sich eine Bilanz nach IFRS grundsätzlich ausschließlich mit der Bildung latenter Steuern erstellen und eine handelsrechtliche (Einzel-) Bilanz zumeist eher ohne latente Steuern.
2.2. Definition Vermögenswert unter IFRS
Damit ein Vermögenswert unter den IFRS vorliegt, muss zwingenderweise die Verfügungsmacht über den Vermögenswert bestehen. Außerdem muss die Ressource durch ein vergangenes Ereignis in das Unternehmen eingegangen sein und zuverlässig bewertbar sein. Zudem bedarf es einem zukünftigen wirtschaftlichen Nutzen, welcher dem Unternehmen voraussichtlich durch die Ressource zufließt.
2.3. Definition Schuld unter IFRS
Um eine Schuld nach den IFRS vorzuweisen, gilt es bestimmte Kriterien zu überprüfen. Vorerst muss ein hinreichend sicherer Abfluss von Ressourcen feststehen. Dabei muss die Wahrscheinlichkeit des Abflusses höher als 50 % liegen, andernfalls ist dieser Abfluss zu unsicher einzustufen. Zudem liegt dieser Nutzenabfluss erst vor sofern eine gegenwärtige Außenverpflichtung entstanden ist, welche auf einem vergangenen Ereignis basiert. Außerdem muss der Wert der Ressource für das Unternehmen zuverlässig nachgewiesen werden können, andernfalls kann logischerweise keine Bemessung der Schuld erfolgen.
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3. Spezielle Fälle für latente Steuern
3.1. Latente Steuern bei Vorratsvermögen
Die Bildung latenter Steuern wird notwendig, wie oben bereits erklärt, durch entstandene Differenzen im Wertansatz zwischen Steuerbilanz und IFRS. Dabei gibt es verschiedene Bilanzpositionen wodurch diese Unterschiede grundsätzlich entstehen können.
Nun kann beim Vorratsvermögen steuerbilanziell eine andere Bewertungsmethode im Vergleich zur Bewertung nach IFRS erfolgen wodurch die Notwendigkeit der Bildung latenter Steuern entstehen kann. Denn die verschiedenen Bewertungsmethoden haben häufig unterschiedliche Werte in den jeweiligen Bilanzen zur Folge. Im deutschen Steuerrecht beispielsweise darf ausschließlich die Lifo-Methode gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG angewendet werden zu. Hierbei gilt für die Bewertung der Ansatz, dass die zuletzt angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter zuerst verbraucht oder veräußert werden. Nach IFRS gilt es den aktuellen Buchwert des Vorratsvermögens mit dem Nettoveräußerungspreis zu vergleichen und eventuell den Buchwert anzupassen. Somit kann es aufgrund von unterschiedlichen Herangehensweisen in der Bewertung zu unterschiedlichen Werten kommen bei der Folgebewertung.
Zum Ansatz der latenten Steuern kommt es ausschließlich, sofern die Differenz sich zukünftig umkehren wird. Folglich wird bei der Berechnung latenter Steuern die angesprochene temporäre Differenz der Vergleichswerte mit dem Steuersatz, welcher bei der Umkehr dieser gültig ist, multipliziert.
3.2. Latente Steuern bei Wertminderungen von Vermögenswerten
Des Weiteren entstehen latente Steuern bei Wertminderungen von Vermögenswerten, da wiederum in den IFRS andere Regelungen gelten als im deutschen Steuergesetz. Denn hier gilt es bei entsprechenden externen oder internen Hinweisen auf eine mögliche Wertminderung einen Wertminderungstest bzw. Werthaltigkeitstest für die Vermögenswerte durchzuführen. Dabei wird der fortgeführte Buchwert der Vermögenswerte verglichen mit dem höheren Wert aus dem sogenannten Fair value less costs to sell und dem fair value in use. Dabei ist der fair value in use der unternehmensinterne Wert, der im Falle der weiteren Nutzung im Unternehmen dem Vermögenswert zugeschrieben wird. Hingegen stellt der fair value less costs to sell sozusagen den Marktwert des Vermögenswerts abzüglich der Veräußerungskosten dar. Sofern der Buchwert höher als der höhere der beiden fair values ist, dann gilt es eine Wertminderung nach IAS 36 vorzunehmen.
Nun gilt in der Steuerbilanz bei einer vorübergehenden Wertminderung ein Abschreibungsverbot. Sofern die Wertminderung voraussichtlich von Dauer ist, besteht in der Steuerbilanz ein Abschreibungswahlrecht. Hierbei ist besonders darauf zu achten, in welchen Fällen die Wertminderung voraussichtlich von Dauer ist. Dies tritt zum Beispiel ein, wenn eine zum Abschlussstichtag bestehende Wertminderung bis zur Bilanzaufstellung oder bis zum vorangegangenen Verkaufs- oder Verbrauchszeitpunkt anhält. Genauso gilt für Vermögensgegenstände, welche bereits im Zeitraum vom Zugang bis zum Abschlussstichtag an Werthaltigkeit verlieren, in der Steuerbilanz seit Einführung des BilMoG ebenfalls ein Wahlrecht bezüglich einer möglichen Abschreibung.
Dadurch dass beide Herangehensweisen komplett verschieden sind führt dies häufig zu bilanziellen Unterschieden und somit auch häufig zum Ansatz von latenten Steuern, da diese sich auch meistens wieder ausgleichen in der Zukunft. Hierbei ist das Paradebeispiel der Geschäfts- oder Firmenwert, wobei ich teilweise beim Kauf eines Unternehmens den Kaufpreis in der Ergänzungsbilanz abschreibe, wohingegen dieser bei den IFRS nur bei Hinweisen auf Wertminderung auf Werthaltigkeit getestet wird.
3.3. Latente Steuern bei Leasinggegenständen
Seit 2019 hat sich unter IFRS die Bilanzierung von Leasinggegenständen deutlich verändert. Denn seither müssen jegliche Leasinggegenstände als Leasingverbindlichkeit passiviert und mit einem korrespondierenden Nutzungsrecht in der IFRS Bilanz aktiviert werden. Früher wurden Leasingverbindlichkeiten noch ausschließlich als Mietaufwand gebucht und wurden nicht über einen längeren Zeitraum in die Bilanz aufgenommen, wie es nun der Fall ist.
Diese Thematik wurde sehr lange diskutiert und hat international für sehr starke Bilanzveränderungen vor allem bei leasingstarken Branchen wie beispielsweise der Luftfahrt gesorgt. Hierbei ist die Bilanz verlängert worden, indem die Verbindlichkeiten und die Vermögenswerte gleichermaßen angestiegen sind. Dennoch erhöhte sich auch aufgrund des früheren Finanzierungscharakters von Leasingverträgen der Verschuldungsgrad dieser Unternehmen enorm.
Da zudem ausschließlich eine Veränderung der Leasingbilanzierung bei den IFRS vorgenommen wurde gibt es nun bilanzielle Unterschiede zur Steuerbilanz, wodurch als Resultat latente Steuern entstehen. Nun erhöht sich jedoch die Aktivseite genauso wie die Passivseite, wodurch gleichermaßen aktive und passive latente Steuern entstehen und sich somit auch ausgleichen. Bei den IFRS gibt es andererseits strikte Regeln zur Saldierung latenter Steuern, wodurch dies kaum vorkommt.
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4. Berechnung latenter Steuern
Für die Berechnung latenter Steuern gilt zumeist ein relativ einfacher Vorgang, das komplizierte stellt vielmehr die Ermittlung der Unterschiede dar. Sofern die Unterschiede jedoch ausfindig gemacht worden sind, gilt es zu untersuchen inwiefern diese temporärer oder permanenter Natur sind. Bei permanenten Bilanzierungsunterschieden werden keine latenten Steuern gebildet, darunter fallen beispielsweise die 95 % Steuerbefreiung auf Dividendeneinnahmen bei einer Holding. Bei den temporären gilt dann eine weitere Unterscheidung in aktive oder passive latente Steuern zu machen.
Anschließend gilt es nur noch die Berechnung der latenten Steuern anhand des richtigen Steuersatzes vorzunehmen. Hierbei ist der Steuersatz aus dem Jahr der Umkehrung der temporären Unterschiede anzuwenden. Dabei ist von den gültigen gesetzlichen Regelungen auszugehen. Dennoch gilt sofern Steuersätze verändert werden, dass bereits bei der Bestätigung durch den Bundesrat dieser Steuersatz angewendet werden muss, bereits bevor der Bundespräsident das Gesetz gebilligt hat.
5. Fazit zu den latenten Steuern
Abschließend lässt sich sagen, dass latente Steuern bei der internationalen Rechnungslegung eine hohe Bedeutsamkeit haben. Im nationalen Kontext mit dem deutschen Steuerrecht sind sie jedoch eher von nur geringfügigem Interesse. Bei der Berechnung ist wichtig zwischen temporären und dauerhaften Ansatz- und Bewertungsdifferenzen zu unterscheiden. Andernfalls zieht das einige Korrekturen nach sich, sofern die Fehler bei der Bildung latenter Steuern in Folgejahren auffällt. Falls Sie Fragen zu latenten Steuern haben, können Sie uns gerne darauf ansprechen.
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