Bedeutung eines Mehrkontenmodells bei Personengesellschaften
Bei Personengesellschaften wie GbR, OHG und KG läuft die Besteuerung „unter dem Strich“ wie im Einzelunternehmen ab. Allerdings gilt es zahlreiche Besonderheiten zu beachten. Sie resultieren daraus, dass an der Personengesellschaft mehrere Gesellschafter mit individuellen Einlagen, gegebenenfalls Gewinnanteilen und Entnahmen beteiligt sind. Wir schauen uns daher an, wie ein Mehrkontenmodell diese Probleme löst und warum es in der Praxis üblich ist!
Unser Video:
Mehrkontenmodelle für Personengesellschaften
In diesem Video erläutern wir die Bedeutung eines Mehrkontenmodells bei Mitunternehmerschaften.
Inhaltsverzeichnis
1. Problemstellung: Unübersichtlichkeit ohne Mehrkontenmodell
In der Bilanz eines Einzelunternehmens findet sich die Position „Eigenkapital“, in der Regel auf der Habenseite. Für den seltenen Fall eines negativen Eigenkapitals rutscht dieses auf die Sollseite. Da eine Personengesellschaft – sofern sie bilanziert – ihre Gewinnermittlung ebenfalls nach §§ 4 Absatz 1, 5 EStG und den Grundsätzen des Handelsgesetzbuches (HGB) er- respektive die Bilanz aufstellt, gibt es insoweit keine Unterschiede zum Einzelunternehmen.
Auch eine Personengesellschaft verfügt auf der Habenseite also über ein Eigenkapital, das das Nettovermögen der Gesellschaft ausweist. Nach § 121 Absatz 2 HGB ist dabei für jeden Gesellschafter zumindest ein Kapitalkonto zu führen, auf dem Gewinne und Verluste erfasst werden. Das Problem besteht nun darin, dass ohne Mehrkontenmodell – sobald einmal Gewinne oder Verluste erzielt wurden – nicht (mehr) erkennbar ist,
- wie hoch die jeweiligen Stammeinlagen der Gesellschafter sind,
- wie die Stimmrechte in der Gesellschaft verteilt sind,
- welche Gewinn- und Verlustanteile auf die jeweiligen Gesellschafter entfallen,
- in welcher Höhe einzelne Gesellschafter Einlagen sowie Entnahmen getätigt haben, und
- inwieweit es sich um entnahmefähige respektive nichtentnahmefähige Gewinne handelt.
Weitere Nachteile entstehen bei der KG, und zwar mit Blick auf § 15a Absatz 1 Satz 1 EStG. Denn ohne Mehrkontenmodell bleibt verborgen, inwieweit ein nicht abziehbarer Verlust in Folgejahre übertragen wurde.
2. Beispiel zu den Nachteilen des Ein-Konten-Modells
Die AB-GbR besteht aus zwei Gesellschaftern, A und B. Beide legen bei Gründung EUR 50.000 ein und sind entsprechend zu gleichen Teilen an Vermögen, Gewinn und Verlust beteiligt. Die Bilanz der GbR sieht (unterstellte Gründung am 01.01.2022) dadurch wie folgt aus:
Aktiva | Passiva |
Bank: EUR 100.000 | Eigenkapital A: EUR 50.000 Eigenkapital B: EUR 50.000 |
Im ersten Jahr macht die AB-GbR nun EUR 80.000 Gewinn. Gesellschafter A entnimmt EUR 15.000 für eine größere Urlaubsreise. Gesellschafter B entscheidet sich, EUR 5.000 in die Gesellschaft einzulegen, um dort ein neues Notebook anzuschaffen. Zum 31.12.2022 hat die Bilanz der GbR entsprechend das folgende Bild:
Aktiva | Passiva |
Bank: EUR 165.000 Notebook: EUR 5.000 | Eigenkapital A: EUR 75.000 Eigenkapital B: EUR 95.000 |
Außenstehende Dritte, zum Beispiel Geldgeber, haben keine Chance, Beteiligungsquoten und Gewinnanteile zu erkennen. Auch Einlagen und Entnahmen fallen unter den sprichwörtlichen Tisch. Daher nutzt man dort, wo im Einzelunternehmen ein Kapitalkonto ausreicht, in der Personengesellschaft ein übersichtliches Mehrkontenmodell. Die Auswahl ist dabei vielfältig, denn der Gesetzgeber macht keine Vorgaben zur maximalen Anzahl der Konten.
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3. Lösung: Mehrkontenmodelle mit zwei, drei und vier Konten
Mehrkontenmodelle sind in der Praxis so vielseitig wie ihre Bezeichnungen selbst. Am Ende kommt es darauf an, dass das jeweilige Kontenmodell für die betreffende Gesellschaft geeignet ist. Viel hängt also auch von der Größe der Personengesellschaft und den individuellen Wünschen der Gesellschafter ab.
Schauen wir uns an, welche Mehrkontenmodelle sich praktisch etabliert haben und wie die einzelnen Konten zu bebuchen sind.
3.1. Das Zweikontenmodell
Beim Zweikontenmodell besteht neben dem Kapitalkonto I noch ein Kapitalkonto II, sodass die Bilanz im obigen Beispiel dieses Bild hätte:
Aktiva | Passiva |
Bank: EUR 100.000 | Eigenkapital I A: EUR 50.000 Eigenkapital I B: EUR 50.000 EK II A: EUR 0,00 EK II B: EUR 0,00 |
Kapitalkonto I wird beim simpelsten Mehrkontenmodell als „Festkonto“ geführt. Auf ihm befindet sich ausschließlich die Stammeinlage des Gesellschafters. Damit gibt das Eigenkapital I immer die Beteiligungsquote wider. Außerdem ist für Dritte und die Gesellschafter selbst ersichtlich, wer mit welchem Anteil an der Gesellschaft beteiligt ist und entsprechende Gewinn- und Verlustanteile erhält.
Alle weiteren Buchungen erfolgen auf Kapitalkonto II, das auch „variables Kapitalkonto“ genannt wird. Dazu gehören unter anderem Einlagen, Entnahmen, Gewinn- und Verlustanteile. Ein sichtbarer Fortschritt gegenüber dem Ein-Konten-Modell, aber nach wie vor suboptimal, denn
- es ist keine klare Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkapital möglich, und
- stehengelassene Gewinne werden mit späteren Verlusten verrechnet, da die Buchung auf einem gemeinsamen Konto erfolgt.
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3.2. Das Dreikontenmodell
Mit dem Dreikontenmodell kommen Sie dem Ziel, das optimale Mehrkontenmodell zu etablieren, bereits deutlich näher. Der Unterschied zum vorherigen Modell besteht in der klaren Trennung zwischen Eigen- sowie Fremdkapital der Gesellschafter. Außerdem vermeiden Sie die Verrechnung stehengelassener Gewinne mit späteren Verlusten, indem beide Buchungen jeweils auf getrennten Kapitalkonten erfolgen. Daher erfasst
- das Kapitalkonto I weiterhin nur die Stammeinlage,
- das Kapitalkonto II nur (noch) die nicht entnahmefähigen Gewinn- und Verlustanteile der Gesellschafter, und
- das neu hinzukommende Kapitalkonto III alle weiteren Vorfälle, insbesondere Einlagen und Entnahmen, aber auch entnahmefähige Gewinne und Gesellschafterdarlehen.
Kapitalkonto III ist damit entsprechend als Verrechnungskonto konzipiert. Ein Mehrkontenmodell mit insgesamt drei Kapitalkonten je Gesellschafter ist bei Personalgesellschaften mit am weitesten verbreitet. Vier Konten (und damit Kapitalkonto I bis IV) nutzen vor allem Kommanditgesellschaften, um die Rechtsfolgen des § 15a EStG besser abbilden zu können.
3.3. Das Mehrkontenmodell mit vier Konten
Ein Mehrkontenmodell mit „nur“ drei Konten reicht in der Praxis meistens völlig aus, stößt bei Kommanditgesellschaften (KGs) aber an seine Grenzen. Denn hier ist durch § 169 Absatz 1 HGB normiert, dass eine Verrechnung von Verlusten nur mit zukünftigen (nicht aber stehengelassenen) Gewinnen stattfinden soll. Auch § 15a Absatz 1 Satz 1 EStG trifft auf Ebene des Steuerrechts eine Aussage zum Verlustabzug, der nur insoweit möglich ist, als kein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht.
Beim Vierkontenmodell kommt also ein weiteres Kapitalkonto hinzu. Am Ende buchen die Gesellschafter
- die Stammeinlagen auf Kapitalkonto I,
- nur die nicht entnahmefähigen Gewinnanteile auf Kapitalkonto II,
- entnahmefähige Gewinne, Einlagen, Entnahmen und Gesellschafterdarlehen separat auf Kapitalkonto III, und
- Verlustanteile zur Verrechnung mit späteren Gewinnen auf Kapitalkonto IV (Verlustverrechnungskonto).
In wirtschaftlich guten Zeiten wird Kapitalkonto IV damit entsprechend EUR 0,00 ausweisen. Solange der Bestand des Verlustverrechnungskontos IV aber positiv ist, sind Gewinne hier zu erfassen und auf diese Weise mit dem bestehenden Verlustvortrag zu verrechnen. Ist das Kapitalkonto IV erst einmal ausgeglichen („auf Null“), erfassen Sie Gewinne auf Kapitalkonto II (nicht entnahmefähig) oder Kapitalkonto III (entnahmefähig).
Maßgeblich sind die gesetzlichen sowie gesellschaftsvertraglichen Regelungen. Durch die genannte Umsetzung erfüllt die KG alle Voraussetzungen des § 169 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 HGB. Die Norm sieht vor, dass Kommanditisten erst dann einen Anspruch auf Auszahlung des ihnen zustehenden Gewinns haben, wenn ihr jeweiliger Kapitalanteil nicht mehr durch (Alt-) Verluste gemindert ist.
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