Selbstauflösung bei Stiftungen unter dem neuen Recht
Die Selbstauflösung einer Stiftung bürgerlichen Rechts ist bis jetzt nur möglich, wenn die Satzung einen hinreichend bestimmten Selbstauflösungsvorbehalt enthält und dieser auch erfüllt ist. Mit § 87 BGB-neu sieht nun erstmals das Bundesrecht ein gesetzliches Selbstauflösungsrecht vor, das zudem nach dem Willen des Gesetzgebers zwingend und abschließend ist. Wir erklären die Voraussetzung des neuen Selbstauflösungsrechts.
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Datum | Thema |
12. Dezember 2019 | https://www.juhn.com/fachwissen/besteuerung-immobilien/familienstiftung/ |
2. September 2020 | Wie eine doppelte Familienstiftung die Erbersatzsteuer verhindert |
17. Februar 2021 | Stiftung in Liechtenstein: 6 Vorteile gegenüber einer deutschen Stiftung |
8. Juni 2022 | Spende an verbundene Stiftung als verdeckte Gewinnausschüttungen einer GmbH: Kriterien & Rechtsfolgen |
06. September 2022 | Selbstauflösung bei Stiftungen unter dem neuen Recht (dieser Beitrag) |
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Inhaltsverzeichnis
1. Selbstauflösung nach derzeitigem Recht
1.1. Statutarische Ermächtigung in der Satzung
Zahlreiche Satzungen von Stiftungen bürgerlichen Rechts beinhalten eine statutarische Ermächtigung zur Selbstauflösung. Dann kann der Stiftungsvorstand unter bestimmten Voraussetzungen die Stiftung kraft Beschlusses aufzulösen. Voraussetzung dafür ist oft zum Beispiel die Unmöglichkeit des Stiftungszwecks oder dessen Erfüllung beziehungsweise einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse. Das Selbstauflösungsrecht tritt dabei regelmäßig neben das Recht zur Satzungsänderung oder Zusammenlegung beziehungsweise Zulegung.
1.2. Hintergrund
Hintergrund solcher statutarischer Regelungen ist, dass Stiftungen als verselbständigtes und grundsätzlich auf Dauer angelegtes Zweckvermögen prinzipiell nicht frei auflösbar sind, sondern allenfalls auf der Basis einer anerkannten Rechtsgrundlage. Da der Stifter mit Errichtung der Stiftung von dieser rechtlich getrennt wird und die Stiftung sich selbst gehört, kann der Stifter die Stiftung insbesondere nicht nachträglich wegen einer bloßen Willensänderung einfach widerrufen. Vielmehr muss die Stiftung gegen eine entsprechende Einflussnahme des Stifters oder anderer Personen geschützt werden.
Daher ist auch bundesrechtlich nur eine eine behördliche Aufhebung nach Maßgabe des § 87 Absatz 1 BGB vorgesehen. Aber auch diese gilt nur unter den engen Voraussetzungen der Unmöglichkeit des Stiftungszwecks beziehungsweise dessen Erfüllung oder der Gemeinwohlgefährdung. Allein auf Ebene einiger Landesstiftungsgesetze ist eine Selbstauflösung vorgesehen. In NRW gibt es beispielsweise den § 5 Absatz 2 Nummer 1 NRWStiftG. Jedoch ist diese Norm mit Blick auf die Kompetenz des Landes höchst umstritten. Diese derzeitige gesetzliche Ausgangslage erklärt, warum zahlreiche Stiftungssatzungen die Selbstauflösungsberechtigung durch den Stiftungsvorstand oder ein anderes Organ vorsehen.
1.3. Derzeit Selbstauflösung wirksam, wenn Satzung hinreichend bestimmt
Auch heute schon wird ein Selbstauflösungsrecht in einer Satzung als zulässig erachtet. Jedoch muss der Stifter im Stiftungsgeschäft die Bedingungen, unter denen eine solche Auflösung möglich sein soll, hinreichend konkret bestimmen. Daher kann der Stifter die Entscheidung der Auslösung nicht in das Ermessen der Stiftungsorgane stellen. Das Bestimmtheitserfordernis sichert folglich ab, dass sich die Organe nicht an die Stelle des ursprünglichen Stifterwillens setzen können. Mithin müssen die Kriterien objektiv ausgerichtet sein und sich unabhängig von dem Willen der Stiftungsorgane und Dritter ermitteln lassen.
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2. Die Selbstauflösung nach § 87 BGB-neu
2.1. Geltung der neuen Selbstauflösung
Das neue Stiftungsrecht tritt gemäß Artikel 11 Absatz 2 StiftRGV am 1. Juli 2023 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt sind gemäß Artikel 229 § 59 EGBGB-neu die §§ 82a – 88 BGB-neu rückwirkend auf alle Bestandsstiftungen anzuwenden. Das Selbstauflösungsrecht ist eines von mehreren Änderungen. Daneben gibt es Neuerungen bei der Satzungsänderung und ab 2026 ein Stiftungsregister.
2.2. Voraussetzung zur Selbstauflösung
Das neue gesetzliche Selbstauflösungsrecht steht gemäß § 87 Absatz 1 Satz 1 BGB-neu dem Stiftungsvorstand zu. Demnach kann dieser die Stiftung auflösen, wenn sie ihren Zweck endgültig nicht mehr dauernd und nachhaltig erfüllen kann. Jedoch kann die Satzung der Stiftung dieses Recht auch einem anderen Stiftungsorgan übertragen. Hat sich die bei der Errichtung der Stiftung gestellte Prognose, dass die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheint, als unzutreffend erwiesen, kann sie daher aufgelöst werden. Erfasst werden hiermit insbesondere notleidende Stiftungen, die nicht mehr über ein ausreichendes Vermögen verfügen und bei denen auch nicht zu erwarten ist, dass sich die Vermögenslage absehbar bessern wird.
Die Auflösung bedarf gemäß § 87 Absatz 3 BGB-neu der Genehmigung durch die nach Landesrecht zuständige Behörde.
Das gesetzliche Selbstauflösungsrecht ist zudem abschließend und zwingend. Das heißt, dass statutarische Regelungen, die eine Auflösung erleichterten oder erschwerten, nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen zwingendes Recht unwirksam sind. Gleiches gilt für eine Abänderung des Rangverhältnisses zwischen Satzungsänderung und Selbstauflösung.
2.3. Selbstauflösung nachrangig zur Satzungsänderung
Das Selbstauflösungsrecht ist durch das Tatbestandsmerkmal der endgültigen Nichterreichung des Zweck nachrangig zu der Satzungsänderung nach § 85 Absätze 1 bis 3 BGB-neu. Daher wird die Satzungsänderung immer als milderes Mittel eingestuft, wohingegen das Selbstauflösungsrecht ultima ratio ist. Wenn sich die Stiftung einen anderen Zweck geben kann oder ihren Zweck erheblich beschränken kann, beispielsweise indem sie einen von zwei Stiftungszwecken streicht, ist eine Auflösung somit ausgeschlossen.
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2.4. Selbstauflösung und behördliche Aufhebung
Materiell-rechtlich ist nach § 87 Absatz 1 Satz 1 BGB-neu die Selbstauflösung einer Ewigkeitsstiftung nur unter einer Voraussetzung möglich, nämlich dann, wenn die Stiftung ihren Zweck endgültig nicht mehr dauernd und nachhaltig erfüllen kann. Unter derselben Voraussetzung ist nach § 87a Absatz 1 BGB-neu jedoch auch die behördliche Aufhebung vorgesehen. Letztere darf allerdings lediglich subsidiär zur Selbstauflösung nach § 87 Absatz 1 BGB-neu erfolgen und mithin nur, wenn das zuständige Organ nicht unverzüglich über die Auflösung entscheidet. Daneben muss die Behörde wegen Gemeinwohlgefährdung aufheben.
3. Gesetzliches Selbstauflösungsrecht und Satzung
3.1. Verhältnis zur Selbstauflösung nach der Satzung
Der neue § 87 Absatz 1 BGB, der das gesetzliche Selbstauflösungsrecht regelt, tritt ab dem 01. Juli 2023 in Kraft. Gemäß Artikel 229 § 59 EGBGB-neu wirkt diese Regelung auch für Bestandsstiftungen. Daher ist zu klären, welche Folgen diese Regelung schon jetzt für die Selbstauflösung nach der Satzung hat.
Denkbar wäre eine Vorwirkung, also die Beeinflussung des geltenden Rechts durch einen noch nicht in Kraft getretenen Rechtssetzungsakt. Beispielsweise könnte der § 87 Absatz 1 BGB-neu im Rahmen der Auslegung der Klausel in der Satzung zu berücksichtigen sein. Dann wird das geltende Recht auch im Lichte des künftigen Rechts ausgelegt, sofern die jeweiligen Regelungen des geltenden Rechts Auslegungsspielräume oder Ermessensspielräume beinhalten. Ein solcher Weg ist vorzugswürdig, da die Regelung nun mal erst am 01. Juli 2023 in Kraft tritt und lediglich rückwirkend auch für bestehende Stiftungen gilt.
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3.2. Folgen für Selbstauflösung nach der Satzung ab 01. Juli 2023
Mit Blick auf das gesetzliche Selbstauflösungsrecht ist ab dem 01. Juli 2023 folglich das Selbstauflösungsrecht in der Satzung obsolet geworden. Da § 87 BGB-neu abschließend und zwingend ist, kann statutarisch die Auflösung weder an erschwerte noch an erleichterte Auflösungsvoraussetzungen gebunden werden. Eine solche Regelung wäre daher wegen Verstoßes gegen den zwingend ausgeformten § 87 BGB-neu nach § 134 BGB nichtig. Was als Gestaltungsmöglichkeit verbleibt, ist daher zum einen, den gesetzlichen Auflösungsgrund mittels Regelbeispielen zu konkretisieren und zum anderen, die Auflösungskompetenz einem anderen Organ zuzuweisen. Daher sollten die zuständigen Stiftungsorgane prüfen, ob das Selbstauflösungsrecht in der Satzung den strengen Anforderungen genügt.
4. Fazit
Bisher gehört es zu einer vorausschauenden Satzungsgestaltung dazu, dem Stiftungsvorstand oder einem anderen Stiftungsorgan die Kompetenz einzuräumen, die Stiftung unter bestimmten Voraussetzungen aufzulösen. Bislang war man bezüglich der Ausgestaltung solcher statutarischer Auflösungsvorbehalte recht frei. Zu beachten war allein das Bestimmtheitserfordernis, welches untersagt, dem Stiftungsvorstand ein freies Auflösungsrecht einzuräumen.
Mit § 87 Abs. 1 BGB-neu fällt die Notwendigkeit, die Selbstauflösung in der Satzung vorzusehen, dem Grunde nach weg. Für die Satzungsgestaltung bleibt damit nur noch ein begrenzter Gestaltungsspielraum.
Das neue Recht entfaltet in der derzeitigen Übergangsphase bereits Vorwirkung, da es bei der Auslegung der als ein Auslegungselement zu berücksichtigen ist. Folge hiervon ist, dass eine Auflösung der Stiftung nicht mehr auf inhaltlich abweichende Gründe gestützt werden kann.
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