Verein gründen, Wegzugsteuer vermeiden – funktioniert das?
Durch die sogenannte Wegzugsteuer müssen GmbH-Gesellschafter, die ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, den Gewinn aus einem fiktiven Verkauf ihrer Anteile versteuern. Vereine sind von dieser Regelung allerdings ausgenommen, sodass sie potentiell für eine Vermeidung der Wegzugsteuer infrage kommen. Die wesentliche Hürde: Einen wirtschaftlichen Verein können Unternehmer nur gründen, wenn alle anderen Rechtsformen aus Sicht der zuständigen Behörde unzumutbar sind. Wir schauen uns daher einmal an, inwieweit diese gedachte Gestaltung in der Praxis funktionieren kann.
Unser Video:
Genossenschaften
In diesem themenverwandten Video gehen wir etwas genauer auf Gründung und Vorteile der Genossenschaft (e.G.) ein.
Inhaltsverzeichnis
1. Allgemeiner Grundsatz: Was ist eigentlich ein Verein?
Ein Verein, manchmal auch „Klub“ genannt, ist seinem Wesen nach eine Vereinigung von natürlichen oder juristischen Personen zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks. Neben dem „Idealverein“ (eingetragenen Verein), der keine wirtschaftlichen Hauptziele verfolgt, gibt es den wirtschaftlichen Verein (§ 22 BGB). Bei ihm steht der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb, insbesondere die Erzielung von Gewinnen, im Vordergrund.
Ein wirtschaftlicher Verein erlangt erst durch staatliche Verleihung seine Rechtsfähigkeit. Eine solche Verleihung darf allerdings nur erfolgen, wenn die Möglichkeit der Vereinsgründung nicht durch anderslautende Normen eingeschränkt wird. Da beispielsweise auch GmbHs und Aktiengesellschaften wirtschaftliche Vereine im weiten zivilrechtlichen Sinne sind, gehen die entsprechenden Gesetze (GmbHG und AktG) dem § 22 BGB vor.
Aus Gründen des Gläubiger- und Mitgliederschutzes haben Unternehmer vorrangig eine dieser besonderen Vereinsformen zu wählen. Durch diesen Grundsatz ergibt sich die Folgerung, dass die Gründung eines wirtschaftlichen Vereins nur infrage kommt, wenn
- eine Kapitalgesellschaft wie GmbH, UG oder AG sowie
- alternativ die Genossenschaft
aus tatsächlichen Gründen ausscheidet („Unzumutbarkeit“). Der Bundesfinanzhof (BFH) hat eine solche Unzumutbarkeit bislang nur in sehr wenigen Fällen bejaht, beispielsweise bei
- Pensionssicherungsvereinen,
- Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (VVaG),
- Lohnsteuerhilfevereinen und
- Darlehensvereinen.
Entscheidendes Merkmal ist hier das „Fortbestehen bei Mitgliederwechsel“, also die Unerheblichkeit eines Aus- und Eintritts bestimmter Personen. Beim Lohnsteuerhilfeverein zahlen alle Mitglieder einen festen Jahresbeitrag, der Verein übernimmt die Erstellung der Steuererklärung und wendet hierfür Personalkosten auf.
Die Differenz zwischen den eingenommenen Beiträgen und den Personalausgaben ist der Gewinn, zu ermitteln nach allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätzen (§ 8 Absatz 1 Satz 1 KStG). Ein Verein ist dem Grunde nach unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn Sitz oder Geschäftsleitung im Inland liegen (§ 1 Absatz 1 Nummer 4 KStG).
Gewinnausschüttungen im klassischen Sinne sieht das Vereinsrecht nicht vor, möglich sind aber Gehaltszahlungen an die beim Verein beschäftigten Arbeitnehmer. Eine Verteilung des Vereinsvermögens findet dem Grunde nach erst bei seiner Auflösung statt.
2. Hürden bei der Gründung
Die entscheidende Hürde bei der Gründung eines wirtschaftlichen Vereins ist der Nachweis gegenüber der zuständigen Behörde, dass keine andere Rechtsform infrage kommt. Sie ist auch der Grund dafür, dass Bundesfinanzhof und Bundesgerichtshof bislang nur wenige Ausnahmen von der Vorgabe des § 22 BGB (Vorrang anderer Rechtsformen) zugelassen haben.
Ins Vereinsregister sind nur Idealvereine, also solche ohne wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und mit gemeinsamer ideeller Betätigung im Sinne des § 21 BGB, einzutragen. Der wirtschaftliche Verein erlangt seine volle Rechtsfähigkeit – und damit auch seine zivil- wie steuerlichen Pflichten – durch Zustimmung der zuständigen Behörde. In NRW sind dies beispielsweise die jeweiligen Bezirksregierungen. Sie prüfen insbesondere, ob andere Rechtsformen tatsächlich unzumutbar sind.
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3. Wie lässt sich mit einem Verein nun die Wegzugsteuer vermeiden?
Die Antwort auf diese Frage ist vergleichsweise schnell gegeben, denn Vereine sind schlichtweg keine von § 6 Absatz 1 AStG erfassten Körperschaften. Schafft es die Unternehmerin oder der Unternehmer also, einen wirtschaftlichen Verein anstelle einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft zu gründen, kann sie oder er jederzeit ins Ausland verziehen. Es kommt weder zu einer fiktiven Aufgabe noch zu einer Veräußerung oder Liquidation des Vereins.
Da es in der Praxis aber meist schon an der Gründung des Vereins scheitert, ist die Genossenschaft hier die bessere Alternative. Sie muss allerdings – anders als die GmbH – einem Prüfungsverband angehören, der gesetzlich vorgeschriebene Prüfungen der Genossenschaftsmitglieder durchführt. Bei Steuerberatern ist dies beispielsweise die jeweilige Steuerberaterkammer. Im Übrigen gibt es zwischen Genossenschaft und Verein aber viele Parallelen.
Der Vorteil der Genossenschaft wird auch bei der Wegzugsteuer deutlich. Denn der Anteil des wegziehenden Gesellschafters ist – mangels entsprechender Regelungen im Bewertungsgesetz (BewG) – schlichtweg mit dessen Stammeinlage zu bewerten. Beträgt diese etwa EUR 50.000, hat der Anteil an der Genossenschaft ebenfalls diesen Wert. Bei einem Wegzug ist nach § 6 Absatz 1 AStG nun der fiktive Veräußerungsgewinn nach § 17 Absatz 2 Satz 1 EStG zu ermitteln.
Hierzu ziehen wir die Anschaffungskosten (EUR 50.000) vom aktuellen Anteilswert (EUR 50.000) ab – und voilà, es entsteht kein Gewinn!
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