Anzeigepflicht bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen
Grenzüberschreitende Steuergestaltungen sind gerade bei international tätigen Konzernen ein wesentlicher Bestandteil der Steuerberatung. Da derartige Modelle in der Regel zu einer Reduktion der Steuerlast führen, bei fehlerhafter Umsetzung aber sogar strafbar sein können, sieht der Gesetzgeber mit § 138d AO eine entsprechende Anzeigepflicht vor. Jede grenzüberschreitende Steuergestaltung ist, wenn sie die einzelnen Voraussetzungen der Norm erfüllt, dem Bundeszentralamt für Steuern anzuzeigen.
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In diesem Video erklären wir, wie Sie einen Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO vermeiden!
Inhaltsverzeichnis
1. Aufbau und Inhalt der Anzeigepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen
Rechtsgrundlage der Anzeigepflicht bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen ist § 138d AO. Die Norm regelt, wer unter welchen Voraussetzungen eine entsprechende Gestaltung an die zuständige Behörde – regelmäßig das Bundeszentralamt für Steuern – zu melden hat.
Zur Abgabe der Meldung verpflichtet ist demnach der sogenannte Intermediär. Er hat nach § 138d Absatz 1 AO jede grenzüberschreitende Steuergestaltung im Sinne des § 138d Absatz 2 AO anzuzeigen, wenn er
- das Modell für Dritte konzipiert,
- die Umsetzung der Gestaltung organisiert,
- sie zur Nutzung bereitstellt oder
- die Umsetzung für Dritte bereitstellt.
Der konkrete Inhalt der Anzeige richtet sich dann nach den §§ 138f und 138h AO. Maßgebend ist insbesondere § 138f AO, denn die Mitteilung an das Bundeszentralamt für Steuern muss mindestens enthalten:
- Persönliche Daten des Intermediärs
- Persönliche und Firmendaten des Nutzers oder der Nutzer einer Gestaltung
- Daten zu an der Gestaltung beteiligten, verbundenen Unternehmen (Konzernen)
- Zusammenfassung von Art und Inhalt der grenzüberschreitenden Steuergestaltung
- Rechtsvorschriften, die bei der Umsetzung des Gestaltungsmodells maßgebend sind
- Tatsächlichen oder voraussichtlichen Wert der Gestaltung (Steuerersparnis)
Der Intermediär erhält anschließend eine Bestätigung vom BZSt. Die grenzüberschreitende Steuergestaltung ist durch die ihr zugewiesene Nummer anschließend eindeutig identifizierbar.
Ausnahmen von der Mitteilungspflicht gelten nach § 138f Absatz 7 AO, wenn der Intermediär keinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich der AO hat. Entsprechendes gilt für Betriebsstätten im Sinne des § 12 AO.
2. Definition der grenzüberschreitenden Steuergestaltung
Die grenzüberschreitende Steuergestaltung ist in § 138d Absatz 2 AO abschließend definiert. Sie liegt vor, wenn die folgenden Merkmale gemeinsam gegeben sind:
- Die Gestaltung hat eine oder mehrere Steuern zum Gegenstand, auf die das EU-Amtshilfegesetz anzuwenden ist
- Das Modell betrifft mehr als nur einen EU-Staat oder mindestens einen EU- und einen Drittstaat
- Die Gestaltung weist mindestens ein Kennzeichen im Sinne des § 138e Absatz 1 AO auf und dient offensichtlich der Erlangung steuerlicher Vorteile
- Die Gestaltung weist ein Kennzeichen im Sinne des § 138e Absatz 2 AO auf; die Erlangung steuerlicher Vorteile ist dann unerheblich
Die Feststellung der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen kann in der Praxis durchaus komplex sein. Schauen wir uns daher einmal die wesentlichen Bestandteile der genannten Normen an!
2.1. Steuern, auf die das EU-Amtshilfegesetz anzuwenden ist
Bei der ersten Voraussetzung ist ein Blick in das EU-Amtshilfegesetz naheliegend. Fällt mindestens eine der Steuern, die die Gestaltung zum Gegenstand hat, unter die entsprechenden Regelungen, ist die erste Tatbestandsvoraussetzung einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung erfüllt. Nach § 1 Absatz 1 EUAHiG gilt dieses grundsätzlich für jede Art von Steuern, insbesondere also
- Einkommensteuer,
- Körperschaftsteuer,
- Gewerbesteuer,
- Erbschaft- und Schenkungsteuer,
- Kfz-Steuer,
nicht aber für die Kirchensteuer.
Keine Anwendung findet das EUAHiG außerdem auf Umsatz- und Einfuhrumsatzsteuer sowie Zölle. Hat ein Gestaltungsmodell nur die Vermeidung oder Verringerung dieser Abgaben zum Gegenstand, besteht keine Anzeigepflicht nach § 138d AO.
2.2. Grenzüberschreitender Bezug bei den Beteiligten
Mit § 138d Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 2 AO fordert das Gesetz auch bei den Beteiligten einen grenzüberschreitenden Bezug. Als Beteiligter gilt allerdings nicht der Intermediär, wenn er selbst keine steuerlichen Vorteile erlangt (Absatz 7).
Die Steuergestaltung muss mindestens zwei EU-Staaten betreffen. Alternativ betrifft ein Gestaltungsmodell mindestens einen EU- und einen Drittstaat.
Da Zweck der Norm eine Vermeidung von Steuerverschiebungen ist, muss zusätzlich eine der folgenden Bedingungen erfüllt sein:
- Die Beteiligten sind in mindestens zwei Steuerhoheitsgebieten ansässig
- Mindestens einer der Beteiligten ist in zwei Gebieten gleichzeitig ansässig (Doppelansässigkeit)
- Einer der Beteiligten ist eine Betriebsstätte, die in einem anderen Steuerhoheitsgebiet liegt
- Einer der Beteiligten übt seine Tätigkeit in einem anderen Steuerhoheitsgebiet aus, ohne dort ansässig zu sein
Nur wenn eine dieser Voraussetzungen vorliegt, ist die Gestaltung nach Auffassung des Gesetzgebers dazu geeignet, Gewinne und andere Besteuerungsmerkmale grenzüberschreitend zu verschieben. Spielt sich eine Gestaltung nur innerhalb von Drittstaaten, beispielsweise zwischen der Schweiz und den USA, ab, liegt keine grenzüberschreitende Gestaltung vor.
Zu beachten ist aber auch § 138d Absatz 1 Satz 2 AO, der auf den ersten Blick schwer zu entdecken ist. Denn eine der genannten Bedingungen gilt auch dann als vollständig erfüllt, wenn sie nur auf einen Schritt oder Teilschritt der Gestaltung zutrifft. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Bezug zum anderen Staat nur für eine „juristische Sekunde“ besteht.
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2.3. Grenzüberschreitende Steuergestaltung bei Merkmal nach § 138e Absatz 1 AO
Nach § 138d Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a AO muss die grenzüberschreitende Steuergestaltung außerdem
- einerseits ein Merkmal (sogenanntes Hallmark) im Sinne des § 138e Absatz 1 AO aufweisen und
- andererseits einen auch für Dritte erkennbaren, steuerlichen Vorteil
zur Folge haben. Der steuerliche Vorteil muss ein sogenannter Hauptvorteil, darf also kein reiner Nebenzweck der Gestaltung, sein. „Merkmale“ im Sinne des § 138e Absatz 1 AO sind beispielsweise Vertraulichkeitsklauseln in Verträgen, die Beteiligung von Staaten ohne oder mit sehr niedriger Körperschaftsteuer sowie die einerseits gegebene Abziehbarkeit von Betriebsausgaben, wenn diese im anderen Staat keiner oder einer nur niedrigen Besteuerung als Einnahme unterliegen.
Der „steuerliche Vorteil“ wird wiederum in § 138d Absatz 3 AO definiert. Er liegt vor, wenn Steuern erstattet, Steuervergütungen gewährt oder Steueransprüche verringert werden sollen. Auch ist ein steuerlicher Hauptvorteil anzunehmen, wenn die grenzüberschreitende Steuergestaltung dazu dient, dass Steueransprüche gar nicht erst entstehen. Nach § 138d Absatz 3 Satz 2 AO ist es unerheblich, in welchem Staat der Steuervorteil entsteht.
2.4. Vorhandensein eines Kennzeichens nach § 138e Absatz 2 AO
Weist die grenzüberschreitende Steuergestaltung ein Kennzeichen des § 138e Absatz 2 AO auf, ist das Vorhandensein eines steuerlichen Hauptvorteils unerheblich. Ein solches Merkmal ist beispielsweise gegeben, wenn
- abziehbare Betriebsausgaben an einen Empfänger geleistet werden, der in keinem Steuerhoheitsgebiet ansässig ist.
- die Gestaltung voraussichtlich dazu führt, dass vorhandene Auskunftsabkommen in Steuersachen nicht oder nur teilweise beachtet werden müssen.
- an der Gestaltung Personen beteiligt sind, die keine wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit ausüben (sogenannte Bildung einer intransparenten Kette mit wirtschaftlich Berechtigten im Sinne des § 3 GWG).
Der Gesetzgeber geht in diesen Fällen davon aus, dass durch die Umgehung von Kontrollmöglichkeiten eine zumindest in gewisser Hinsicht dubiose Gestaltung vorliegt. Daher setzt er keinen erkennbaren Steuervorteil voraus, da durch den entsprechenden Gegenbeweis die Annahme einer meldepflichtigen grenzüberschreitenden Steuergestaltung umgangen werden könnte.
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3. Fazit zur grenzüberschreitenden Steuergestaltung und ihrer Meldepflicht
Wenngleich § 138d AO auf den ersten Blick bedrohlich oder abschreckend wirkt – eine vom Gesetzgeber durchaus gewünschte Nebenfolge – verbietet die Norm keine grenzüberschreitenden Steuergestaltungen. Sie legt nur einheitliche Meldepflichten für den sogenannten Intermediär fest. Allerdings prüft das Bundeszentralamt für Steuern eingehende Meldungen auf möglicherweise erfüllte Straftatbestände und kommuniziert im Rahmen vorhandener Abkommen auch mit ausländischen Behörden.
Die schlussendliche Beurteilung der grenzüberschreitenden Steuergestaltung erfolgt durch das zuständige Veranlagungsfinanzamt. Maßgebend sind die materiell-rechtlichen Voraussetzungen und § 42 AO, der den sogenannten Gestaltungsmissbrauch regelt.
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