Schuldet Apple EUR 13 Mrd. Steuernachzahlungen an Irland?
Die Kommission beschloss, dass die Finanzverwaltung Irlands dem Apple-Konzern, konkret den Konzerngesellschaften Apple Sales International (ASI) und Appel Operations Europe (AOE) über ihre irländischen Niederlassungen unzulässige Beihilfen gewährt hat. Die verbotene Beihilfe läge in falsch gebilligten Verrechnungspreisen. In dessen Folge käme es zu Steuernachzahlungen in Höhe von EUR 13 Mrd. Wir erklären, wie es zu dieser Entscheidung kam und wie das Verfahren weitergegangen ist.
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Inhaltsverzeichnis
1. Der Rechtsstreit: Apple & Irland gegen die Europäische Kommission
Ein aktuelles Beispiel für eine steuerliche Nichtigkeitsklage durch einen privilegierten Kläger stellt die am 09.11.2016 eingereichte Klage Irlands gegen die Kommissionsentscheidung vom 30.08.2016 in der Rechtssache „Apple“ dar. In dieser Entscheidung hatte die Kommission die steuerliche Behandlung des Apple-Konzerns durch Irland als unzulässige Beihilfe im Sinne des Artikel 107 ff. AEUV eingestuft. Daher hatte die Kommission Irland dazu verpflichtet, gegen Apple eine entsprechende Steuernachforderung in Höhe von bis zu EUR 13 Mrd. geltend zu machen. Hiergegen erhob der Mitgliedstaat Irland Nichtigkeitsklage. Kurz nach der Nichtigkeitsklage Irlands haben auch Tochtergesellschaften des Apple-Konzerns als nicht privilegierte Kläger eigene Nichtigkeitsklagen erhoben.
Unterdessen hat die Kommission am 04.10.2017 den EuGH wegen der Nichtumsetzung der Beihilfeentscheidung durch Irland angerufen. Daraufhin hat Irland angekündigt, die Steuernachforderung eintreiben zu wollen. Das Geld soll bis zur gerichtlichen Klärung des Sachverhalts auf einem Treuhandkonto verbleiben.
Der Rechtsschreit dreht sich damit um den Beschluss der Kommission vom 30. August 2016 (Beschluss (EU) 2017/1283). Darin nahm die Kommission eine unzulässige Beihilfe durch die irländische Finanzverwaltung an. Diese läge in zwei Steuervorbescheiden, die die irische Finanzverwaltung gegenüber ASI und AOE erlassen hat. In diesen Steuervorbescheiden geht es um die steuerliche Behandlung von zwei irischen Zweigniederlassungen der Konzerngesellschaften ASI und AOE. Streitgegenstand ist die Frage, wie den Niederlassungen steuerbare Gewinne zuzuweisen sind.
Die Kommission befand, dass durch die streitigen Steuervorbescheide die Kosten vermindern, die ASI und AOE im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit normalerweise hätte tragen müssen. Die Kosten seien zwischen den Zweigniederlassungen und den Gesellschaften ASI und AOE nicht fremdvergleichskonform verteilt. Der Gewinn der Niederlassungen in Irland sei zu gering berechnet, so dass er nachträglich zu erhöhen sei. Als Folge dessen erhöhe sich auch die Steuerlast. Diese müsse Irland nachfordern.
2. Der Apple-Konzern
2.1. Geschäftstätigkeit von Apple
Der Apple-Konzern wurde 1976 gegründet und hat seinen Sitz in Cupertino, Kalifornien (Vereinigte Staaten). Die Apple Inc. und alle von der Apple Inc. kontrollierten Unternehmen bilden den Apple-Konzern. Apple entwickelt, fertigt und vermarktet unter anderem mobile Kommunikationsgeräte und Mediengeräte, Computer und tragbare digitale Musikabspielgeräte. Zudem bietet das Unternehmen Softwareanwendungen, sonstige Dienstleistungen, Netzwerklösungen sowie digitale Inhalte und Anwendungen von Drittanbietern an.
2.2. Gesellschaftsstruktur von Apple
Die weltweite Geschäftstätigkeit des Apple-Konzerns ist nach Hauptfunktionsbereichen gegliedert. Diese Hauptbereiche verwalten und steuern in Cupertino ansässige Führungskräfte.
Innerhalb des Apple-Konzerns ist die Apple Operations International eine 100 %ige Tochtergesellschaft. Von der Appel Operations International ist die „Appel Operations Europe“ (AOE) eine 100%ige Tochtergesellschaft. Die AOE besitzt ihrerseits zu 100% die Tochtergesellschaft „Apple Sales International“ (ASI). ASI und AOE sind nach irischem Recht eingetragene Gesellschaften. Sie sind jedoch nicht in Irland steueransässig und waren dort auch nicht unbeschränkt steuerpflichtig. In Irland konnten damals in Irland gegründete Unternehmen mit einer Handelstätigkeit in Irland als nicht in Irland unbeschränkt steuerpflichtig gelten, wenn sie außerhalb Irlands zentral verwaltet und kontrolliert wurden. Dabei wurde nicht zwingend vorausgesetzt, dass die Unternehmen in einem anderen Staat ansässig waren. Nach heutigem Recht wäre es nicht mehr möglich. Vielmehr läge unbeschränkte Steuerpflicht vor.
Ein Großteil der Vorstandsmitglieder von AOE und ASI war bei Apple Inc. angestellt und in Cupertino ansässig. Vorstandsbeschlüsse hatten regelmäßig insbesondere die Zahlung von Dividenden, die Annahme der Vorstandsberichte sowie die Ernennung und den Rücktritt von Vorstandsmitgliedern zum Gegenstand. Gelegentlich betrafen diese Beschlüsse auch die Gründung von Tochtergesellschaften und die Erteilung von Vollmachten an bestimmte Manager für verschiedene Tätigkeiten. Dazu gehören beispielsweise die Verwaltung von Bankkonten, die Beziehungen zu Regierungen und Behörden, Rechnungsprüfungen, der Abschluss von Versicherungen, Mietverträgen, der Kauf und Verkauf von Vermögenswerten, die Entgegennahme von Warenlieferungen sowie Handelsverträgen.
2.3. Kostenteilungsvereinbarung zwischen Apple Inc. und ASI bzw. AOE
Die Apple Inc. hatte sowohl mit der ASI als auch mit der AOE Vereinbarungen über die Aufteilung der Kosten getroffen. Ursprünglich unterzeichnet wurde die Vereinbarung 1980. Parteien waren zunächst nur die Apple Inc. und AOE. 1999 trat ASI der Vereinbarung bei.
Nach dieser Vereinbarung teilten sich die Vertragsparteien die Kosten und Risiken, die mit der Forschung und Entwicklung bestimmter immaterieller Güter infolge der Entwicklungstätigkeit für Produkte und Dienstleistungen des Apple-Konzerns verbunden waren. Außerdem sollte die Apple Inc. das offizielle rechtliche Eigentum an den von der Kostenteilung erfassten immateriellen Gütern des Apple-Konzerns, einschließlich des geistigen Eigentums, behalten. Die Apple Inc. erteilte ASI und AOE aber eine gebührenfreie Lizenz. Diese diente unter anderem zur Herstellung und Veräußerung der betreffenden Produkte in dem ihnen zugewiesenen Gebiet. Das Gebiet bezieht sich auf die ganze Welt ausgenommen des amerikanischen Kontinents.
2.4. Marketing-Dienstleistungsvereinbarung
Apple Inc. und ASI schlossen 2008 eine Marketing-Dienstleistungsvereinbarung. Darin verpflichtete sich Apple Inc. der ASI Vertriebsleistungen zu erbringen. Diese umfassten unter anderem die Erarbeitung, Entwicklung und Durchführung von Marketingstrategien sowie von Werbeprogrammen und Werbekampagnen. ASI verpflichtete sich dazu, Apple Inc. diese Dienste durch Zahlung einer Gebühr in Höhe eines gewissen Prozentsatzes zu vergüten. Dieser Prozentsatz entsprach den entstandenen Kosten zuzüglich eines Aufschlags.
2.5. Die, vom Streit betroffenen irischen Zweigniederlassungen
ASI und AOE errichteten Zweigniederlassungen in Irland.
Die Aufgabe der irischen Zweigniederlassung von ASI ist insbesondere die Ausführung der Beschaffungs-, Verkaufs- und Vertriebsaktivitäten im Zusammenhang mit der Veräußerung von Produkten der Marke Apple an verbundene Unternehmen und Drittkunden in den Regionen Europa, Nahost, Indien und Afrika sowie im asiatisch-pazifischen-Raum. Die Niederlassung sollte beispielsweise Fertigerzeugnisse der Marke Apple von Drittherstellern und verbundenen Unternehmen beschaffen. Ferner sollten sie Produkte verkaufen und die Logistik und den Kundendienst übernehmen. Dabei hat die europäische Kommission festgestellt, dass viele Aktivitäten, die mit dem Vertrieb zusammenhängen, von verbundenen Unternehmen im Rahmen von Dienstleistungsaufträgen ausgeübt werden.
Die Aufgabe der irischen Zweigniederlassung von AOE ist demgegenüber die Fertigung und Montage einer Reihe spezialisierter Produkte in Irland, die sie an verbundene Unternehmen liefert. Zu den wichtigsten Hauptfunktionen dieser Zweigniederlassung gehören Produktionsplanung und Produktionssteuerung.
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3. Streitgegenstand
3.1. Steuervorbescheid vom 29.01.1991
3.1.1. Steuerbemessungsgrundlage von Appel Operations Europe
Die irische Finanzverwaltung erließ gegenüber Steuerpflichtigen auf deren Antrag sogenannte Steuervorbescheide. Mit Schreiben vom 29.01.1991 billigte die irische Finanzverwaltung die Vorschläge zur Besteuerung der Gewinne von ASI und AOE in Irland. Das Verfahren des ursprünglichen Steuervorbescheids modifizierten neuerliche Bescheide aus 2007. Als Ergänzung kam ein umsatzabhängiges Element hinzu. Insgesamt waren die Vorbescheide bis 2014 in Kraft.
In dem Schreiben vom 12.10.1990 an die irische Finanzverwaltung beschrieben die Steuerberater des Apple-Konzerns die Tätigkeiten von AOE und die Funktionen ihrer irischen Zweigniederlassung in Cork (Irland). Außerdem erklärten sie, dass der Zweigniederlassung die, für die Produktionstätigkeit eingesetzten Vermögenswerte gehörten. Jedoch verbleibt das Eigentum an den verwendeten Materialien, den unfertigen Erzeugnissen und den Fertigerzeugnissen bei der AOE.
In einem weiteren Schreiben gaben die Vertreter des Apple-Konzerns Vorschläge zur Berechnung des von AOE in Irland zu versteuernden Gewinns aus den Einkünften ihrer irischen Zweigniederlassung. Der in Irland zu versteuernde Gewinn ermittelt sich demnach wie folgt:
- Der in Irland zu versteuernde Gewinn beträgt 65 % der Betriebskosten dieser Zweigniederlassung bis zu einem bestimmten Betrag und 20 % ihrer diesen Betrag übersteigenden Betriebskosten.
- Sollte der Gesamtgewinn der irischen Zweigniederlassung der AOE unter dem nach dieser Formel berechneten Betrag liegen, so würde dieser geringere Betrag für die Berechnung des Nettogewinns der Zweigniederlassung herangezogen.
- Die bei dieser Berechnung zu berücksichtigenden Betriebskosten sollten alle Betriebsaufwendungen umfassen. Ausgenommen sollte das für den Wiederverkauf vorgesehen Material und der Kostenanteil für immaterielle Güter, die von mit dem Apple-Konzern verbundenen Unternehmen in Rechnung gestellt werden.
- Steuerliche Abschreibungen könnten geltend gemacht werden, soweit sie den in den einschlägigen Abschlüssen genannten Abschreibungsbetrag um nicht mehr als einen bestimmten Betrag überschreiten.
3.1.2. Steuerbemessungsgrundlage von Apple SaIes International
In einem weiteren Schreiben legten die Vertreter des Apple-Konzerns dar, wie sich der Gewinn der Zweigniederlassung der ASI berechnet. Demnach sollte ein Aufschlag von 12,5 % der Betriebskosten (ohne Materialien für den Wiederverkauf) zugrunde gelegt werden. Auch diese Berechnung bestätigte die irische Finanzverwaltung.
3.2. Steuervorbescheid 2007
Mit Schreiben vom 02.01.1991 gaben Steuerberater des Apples-Konzerns ihre Vorschläge zur Überarbeitung der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage der irischen Zweigniederlassungen von ASI und AOE ab.
In Bezug auf die irische Zweigniederlassung von ASI schlugen sie vor, der ihr zugewiesene zu versteuernde Gewinn solle einen gewissen Prozentsatz ihrer Betriebskosten ausmachen. Davon sollen Kosten wie etwa von Apple-Konzerngesellschaften in Rechnung gestellte Beträge und Materialkosten abzuziehen sein.
In Bezug auf die irische Zweigniederlassung von AOE sollte sich der zu versteuernde Gewinn ebenfalls so ermitteln. Jedoch sollte ein Betrag in Höhe der Vergütung für das geistige Eigentum bezogen auf die von dieser Zweigniederlassung entwickelten verfahrenstechnischen Prozesse hinzukommen. Dieser Betrag stellt einen gewissen Prozentsatz ihres Umsatzes dar. Ein Abzug sollte für auf übliche Weise berechnete und zugelassene steuerliche Abschreibungen für Anlagen und Gebäude gewährt werden.
Diese Vereinbarung soll für beide Zweigniederlassungen am 01.10.2007 in Kraft treten. Bei unveränderten Umständen soll sie fünf Jahre lang gelten und dann jährlich verlängert werden. Außerdem sollte die Vereinbarung auf neue Einheiten anwendbar sein, die gegebenenfalls innerhalb des Apple-Konzerns gegründet oder umgewandelt wurden, sofern ihre Tätigkeit denjenigen entsprechen, die von AOE beziehungsweise von ASI ausgeübt werden.
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4. Ursprüngliches Verfahren vor der Europäischen Kommission
4.1. Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens
Die Europäische Kommission verlangte von Irland Auskunft über die in diesem Land üblichen Steuervorbescheide. Wegen der Steuervorbescheide an AOE und ASI eröffnete die Kommission mit Beschluss vom 11.06.2014 das förmliche Prüfverfahren (Artikel 108 Absatz 2 AEUV). Die Bescheide sollten möglicherweise eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellen. Grund dafür sei, dass die streitigen Steuervorbescheide einen Vorteil verschaffen, wenn durch sie eine Vereinbarung über Verrechnungspreise genehmigt worden war, die von den zwischen unabhängigen Marktteilnehmern vereinbarten Bedingungen (Fremdvergleichsgrundsatz) abwich.
Irland hätte die Lizenzen am Apple-IP den irischen Betriebsstätten von ASI und AOE zuweisen müssen. In Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes hätte Irland das weltweite Einkommen von ASI und AOE aus der Nutzung der Lizenzen besteuern müssen.
4.2. Beihilfeverbot
Der Artikel 107 Absatz 1 AEUV verbietet staatliche Beihilfen, die den Handel zwischen EU-Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Auch Steuergesetze oder steuerliche Einzelmaßnahmen können Beihilfen darstellen, wenn dadurch eine homogene Gruppe von Unternehmen (oder ein einzelnes Unternehmen) weniger Steuern zahlen muss, als dies nach den allgemein steuerlich geltenden Regelungen des jeweiligen Mitgliedstaats als Referenzsystem eigentlich müsste.
Im Steuerrecht liegt der Schwerpunkt der Prüfung der Beihilfe auf der Frage, ob ein selektiver Vorteil gewährt wurde. Ein Vorteil liegt dabei dann vor, wenn ein Unternehmen finanziell im Vergleich zu anderen Unternehmen bessergestellt wird. Das Kriterium der Selektivität dient der Feststellung, ob eine steuerliche Maßnahme im Kontext des Steuersystems dazu beiträgt, bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige gegenüber anderen Unternehmen zu begünstigen.
4.3. Beschluss über das Prüfverfahren
Die Europäische Kommission ging davon aus, dass die streitigen Steuervorbescheide geeignet gewesen seien, den Handel innerhalb der Europäischen Union zu beeinträchtigen. ASI und AOE gehören dem Apple-Konzern an, der in allen Mitgliedstaaten tätig sei. Zudem haben die streitigen Steuervorbescheide ASI und AOE einen Vorteil verschafft, da sie ihre Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Körperschaftsteuer in Irland reduziert hätten. Dieser Vorteil sei auch selektiv, da er lediglich AOE und ASI gewährt worden wäre und gerade nicht auch anderen Unternehmen. Ferner stellen die streitigen Steuervorbescheide eine Abweichung vom Bezugsrahmen, also dem allgemeinen Körperschaftsteuersystem in Irland dar. Zuletzt nahm die Kommission auch an, dass die streitigen Steuervorbescheide die Wettbewerbssituation von ASI und AOE stärken könnte und somit den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, wenn sich herausstellen sollte, dass sie zu einer Verringerung der Steuerschuld dieser beiden Gesellschaften geführt hätte.
4.4. Selektiver Vorteil an den Apple-Konzern
4.4.1. Bezugsrahmen
Als Bezugsrahmen legte die Kommission das allgemeine irische Körperschaftsteuersystem zu Grunde. Dessen Ziel sei die Besteuerung der Gewinne aller in Irland steuerpflichtigen Unternehmen. In Anbetracht dieser Zielsetzung befänden sich integrierte und eigenständige Unternehmen in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation. Zwar ist in Section 25 des irischen Taxes Consolidation Acts (Steuerkonsoldierungsgesetz) von 1997 die Besteuerung der Einkünfte gebietsfremder Unternehmen aus Handelsgeschäften, die aus direkt oder indirekt über eine in Irland tätige Zweigniederlassung erzielt worden seien, geregelt. Diese Regelung sei aber als integraler Bestandteil des Bezugsrahmens und nicht als ein gesondertes Bezugssystem anzusehen.
4.4.2. Fremdvergleichsgrundsatz als Maßstab
Die Kommission führt aus, dass der Fremdvergleichsgrundsatz den Maßstab für die Feststellung bietet, ob ein Mitgliedstaat einem Konzernunternehmen einen selektiven Vorteil gewährt. Dieser Grundsatz soll eine steuerliche Gleichbehandlung von konzerninternen Transaktionen und Transaktionen zwischen nicht integrierten autonomen Unternehmen sicherstellen. Dies soll eine ungleiche Behandlung von Unternehmen in vergleichbarer tatsächlicher und rechtlicher Lage verhindern.
Das gilt unabhängig davon, ob der betreffende Mitgliedstaat diesen Grundsatz in seinem nationalen Rechtssystem verankert hat oder nicht. Der Fremdvergleichsgrundsatz folge nämlich aus Artikel 107 Absatz 1 AEUV. Jede steuerliche Maßnahme müsse den Vorschriften über staatliche Beihilfe entsprechen. Zum anderen ergibt sich aus früheren Urteilen des EuGH, dass eine Herabsetzung der Steuerbemessungsgrundlage aufgrund einer steuerlichen Maßnahme dann einen selektiven Vorteil verschafft, wenn sie dem Steuerzahler die Möglichkeit biete, Verrechnungspreise bei konzerninternen Transaktionen anzuwenden, die nicht mit Preisen des freien Wettbewerbs vergleichbar seien.
4.4.3. Selektiver Vorteil an Apple
Der Vorteil, den die irische Finanzverwaltung Apple gewährt hat, soll darin liegen, dass die von ASI und AOE gehaltenen Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns Konzerneinheiten außerhalb Irlands zugewiesen seien. Dies soll für ASI und AOE zu in Irland steuerbaren Jahresgewinnen geführt haben, die von einer verlässlichen Annäherung an ein marktbasiertes Ergebnis im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz abgewichen seien.
Die irische Finanzverwaltung sollte den Verwaltungssitzen von ASI und AOE zu Unrecht Vermögenswerte, Funktionen und Risiken zugewiesen haben. Die Verwaltungssitze verfügten weder über eine physische Präsenz noch über Mitarbeiter. Die Funktionen im Bereich der Verwaltung der Lizenzen des geistigen Eigentums hätten mangels Mitarbeitern nicht allein vom ASI-Vorstand oder vom AOE-Vorstand wahrgenommen werden können. Dies belegte die Kommission dadurch, dass die übermittelten Protokolle der Vorstandssitzungen keine Hinweise auf entsprechende Diskussionen und Beschlüsse enthielten.
Daher hätten Gewinne aus der Nutzung der Lizenzen des geistigen Eigentums des Apple-Konzerns nicht den Verwaltungssitzen von ASI und AOE zugewiesen werden dürfen. Vielmehr sind sie den Zweigniederlassungen von ASI und AOE zuzuweisen. Diese seien als einzige in der Lage gewesen, Funktionen im Zusammenhang mit dem geistigen Eigentum des Apple-Konzerns tatsächlich wahrzunehmen.
Durch die anderweitige Zuweisung der Gewinne an AOE und ASI, hat die irländische Finanzverwaltung diesen einen Vorteil im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV verschafft. Dieser liegt in der Herabsetzung des jeweiligen jährlich zu versteuernden Gewinns. Selektiver Natur ist dieser Vorteil, da er zu einer Senkung der Steuerschuld von ASI und AOE in Irland im Vergleich zu eigenständigen Unternehmen geführt hat. Deren zu versteuernde Gewinne ergäben sich aus marktbasierten, nach dem Fremdvergleichsgrundsatz ausgehandelten Preisen.
4.4.4. Ergänzende Argumentation
Doch auch, wenn die Lizenzen des geistigen Eigentums von Appel rechtmäßig an Konzerneinheiten außerhalb Irlands zugewiesen worden seien, läge nach Ansicht der Kommission eine unzulässige Beihilfe vor. Die Gewinnzuweisungsmethoden bei ASI und AOE hätten auch dann zu einem in Irland jährlich zu versteuernden Gewinn geführt, der von einer verlässlichen Annäherung an ein marktbasiertes Ergebnis im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz abgewichen sei. Die Gewinnzuweisungsmethode führt nämlich zu einer Senkung der Steuerschuld von ASI und AOE im Vergleich zu eigenständigen Unternehmen. Die Gewinne anderer Unternehmen ergäben sich nämlich aus marktbasierten, fremdvergleichskonformen Preisen.
In dem die irische Finanzverwaltung diese Methoden gebilligt hat, hätte sie ASI und AOE einen selektiven Vorteil im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV verschafft.
4.4.5. Alternative Argumentation
Selbst wenn der Bezugsrahmen nur aus Section 25 TCA 97 bestehen sollte, hätte die irische Finanzverwaltung ASI und AOE einen selektiven Vorteil verschafft. Dieser liegt erneut in einer Verringerung der Bemessungsgrundlagen in Irland. Die Anwendung von Section 25 TCA 97 in Irland beruht auf dem Fremdvergleichsgrundsatz. Die streitigen Steuervorbescheide wichen aber von einer verlässlichen Annäherung an ein marktbasiertes Ergebnis im Einklang mit dem Fremdvergleichsgrundsatz ab.
Selbst wenn im Rahmen des Section 25 TCA 97 der Fremdvergleichsgrundsatz keine Anwendung finden sollte, läge ein selektiver Vorteil vor. Die streitigen Steuervorbescheide seien von der irischen Finanzverwaltung in freiem Ermessen erlassen worden. Dabei richtete sie sich nicht nach objektiven, mit dem irischen Steuersystem verbundenen Kriterien.
4.5. Rechtswidrigkeit der Beihilfe an Apple
Die Beihilfe war zudem nach Ansicht der Kommission rechtswidrig, da die Beihilfemaßnahme nicht gemäß Artikel 107 Absatz 3 Buchstabe c AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar war. Zudem wurden sie nicht zuvor angemeldet und sind daher unter Verstoß gegen Artikel 108 Absatz 3 AEUV durchgeführt worden.
4.6. Rechtsfolge: Steuernachzahlungspflicht für Apple
Dementsprechend gab die Kommission Irland auf, die durch die streitigen Steuervorbescheide für den Zeitraum vom 12.06.2003 bis zum 27.09.2014 gewährten Beihilfen zurückzufordern. Der Rückforderungsbetrag ist anhand eines Vergleichs zwischen der tatsächlich gezahlten Steuer und der Steuer zu berechnen, die ohne Steuervorbescheide in Anwendung der allgemeinen Steuerregelung zu zahlen gewesen wäre.
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5. Klage von Apple und Irland
5.1. Stattgabe der Klage durch das EuG
Im Wege der Klage begehren Apple – konkret ASI und AOE (T-892/16) und Irland (T-778/16) die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses. Nichtig erklärt werden soll die Feststellung, dass die streitigen Steuerbescheide staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 107 Absatz 1 AEUV darstellen. Zudem soll die Anordnung der Rückforderung der Beträge, die Irland bei ASI und AOE nicht als Körperschaftsteuer erhoben habe, als nichtig erklärt werden. Diese Verfahren hat das Europäische Gericht (EuG) verbunden. Das Gericht gab den Klagen statt. Daher wurden die Beihilfebeschlüsse aufgehoben. Die EU-Kommission habe keinen AOE und ASI gewährten Vorteil nachgewiesen.
5.2. Anwendbarkeit des Fremdvergleichsgrundsatzes
Zunächst stellte das EuG fest, dass die Kommission den Bezugsrahmen richtig bestimmt hat. Bei der Prüfung der Frage, ob die gewährten Leistungen noch dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprachen, stellte das EuG klar, dass es bei der Apple-Rechtsstreitigkeit, im Unterschied etwa zur Entscheidung in der Rechtssache Starbucks, nicht um Geschäftsbeziehungen zwischen Gesellschaften einer Unternehmensgruppe gehe. Vielmehr sei die Zuordnung innerhalb des Unternehmens umstritten.
Die Zuordnung der Gewinne innerhalb des Unternehmens ist aber auch nach Auffassung des EuG im irischen Recht so vorzunehmen, als wären die Gewinne zwischen unabhängigen Unternehmen unter Marktbedingungen zustande gekommen. Daher dürfe die EU-Kommission auf Grundlage des Artikel 107 AEUV und der Rechtsprechung des EuGH die Steuerlast der Betriebsstätte eines beschränkt steuerpflichtigen Unternehmens mit der eines unbeschränkt steuerpflichtigen Unternehmens zur Feststellung eines Vorteils gegenüber unbeschränkt steuerpflichtigen Unternehmen vergleichen, welches Geschäftsvorfälle zu Marktbedingungen abwickelt.
Der Fremdvergleichsgrundsatz verlange aber eine detaillierte Analyse der Funktionen, Vermögenswerte, Chancen und Risiken der maßgeblichen Betriebsstätte. Diese Analyse habe die EU-Kommission unterlassen. Vielmehr hätte sie allein aufgrund der Funktionsschwäche der Verwaltungssitze der Gesellschaften schlicht unterstellt, dass alle Funktionen den Betriebssitzen zuzuordnen seien. Die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass die Verwaltung und Risikokontrolle der immateriellen Vermögenswerte tatsächlich in Irland wahrgenommen worden seien. Auf der anderen Seite hätten ASI und AOE gerade bewiesen, dass die Konzernobergesellschaft strategische Entscheidungen in Bezug auf das IP der Apple-Gruppe zentral getroffen hat. Daher sei offensichtlich, dass das Apple-IP nicht hätte den irischen Betriebsstätten zugewiesen werden müssen.
5.3. Bloß methodische Fehler reichen nicht
Die Kommission ging alternativ davon aus, dass, selbst wenn die Lizenzen nicht den irischen Betriebsstätten zuzuordnen seien, eine unzulässige Beihilfe vorliegen würde. Der Betriebsstättengewinn sei dann aufgrund methodischer Fehler zu niedrig ermittelt worden. Insoweit wies das Gericht darauf hin, dass allein methodische Fehler nicht ausreichend seien, um einen beihilferelevanten Vorteil anzunehmen. Vielmehr muss die Kommission konkret beweisen, dass die methodischen Fehler tatsächlich zu einer Steuerreduktion im Vergleich zur Normalbesteuerung geführt hätten.
Ferner kritisierte das EuG auch die Argumentation, die Steuervorbescheide ständen mangels objektiver Maßstäbe im Ermessen der Steuerbehörde. Nach Ansicht des EuG sei auch dem seinerzeitig geltendem irischen Recht eine objektive Analyse vergleichbar dem Fremdvergleichsgrundsatz notwendig gewesen. Auch wenn diese Analyse unter Umständen methodisch fehlerhaft sei, begründe dies für sich allein noch keine gegen Artikel 109 AEUV verstoßende Beihilfe.
6. Rechtsmittel der EU-Kommission
Gegen dieses Urteil des EuG hat die EU-Kommission am 25.09.2020 ein Rechtsmittel eingelegt. Dieses ist auf die Prüfung von Rechtsfragen beschränkt. Das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen C-465/20 P weiterhin beim EuGH anhängig. Eine abschließende und endgültige Entscheidung ist daher in der Rechtssache noch nicht getroffen
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