Betriebsstättenriskio: Ein kleiner Spind reicht aus
Eine neue Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erhöht das Betriebsstättenrisiko für Steuerpflichtige erheblich. Der BFH hat nunmehr entschieden, dass auch ein kleiner Spind ausreicht, um in Deutschland eine Betriebsstätte zu begründen. Wir erklären, welche Grundsätze der BFH aufstellte und welche Auswirkungen sich für die Praxis ergeben.
Unser Video: Fall: Ausländische Tochter-GmbH vs. Betriebsstätte/Niederlassung
In diesem Video erklären wir unteranderem, was eine Betriebsstätte ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Tatbestand der Betriebsstätte
Die Annahme einer Betriebsstätte gemäß § 12 Satz 1 AO setzt eine
- Geschäftseinrichtung oder Anlage
- mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche,
- die von einer gewissen Dauer ist,
- der Tätigkeit des Unternehmens dient und
- über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat voraus.
Für die nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht ist grundsätzlich erforderlich, dass der Unternehmer eine Rechtsposition innehat, die ihm nicht ohne Weiteres entzogen werden kann, sogenannter selbstständiger Nutzungsanspruch. Die bloße tatsächliche Mitbenutzung, Berechtigung der Nutzung im Interesse eines anderen sowie eine Nutzungsmöglichkeit reichen nicht aus. Jedoch muss die Verfügungsmacht keine alleinige sein.
Darüber hinaus muss die Einrichtung der Tätigkeit unmittelbar dienen. Dazu muss dort eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt werden. Die Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit muss mit dem Ort daher im Sinne einer örtlichen Verfestigung verwurzelt sein.
Folge der Annahme einer Betriebsstätte ist die beschränkte Steuerpflicht in Deutschland (§ 2 KStG i.V.m. § § 49 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a) EStG)
2. Betriebsstättenrisiko bei Dienstleistungen
2.1. Sachverhalt
Der Steuerpflichtige verpflichtete sich, flugzeugbezogene Wartungsleistungen als Subunternehmer seines britischen Auftraggebers zu erbringen. Diese Wartungsleistungen übte er in Deutschland auf einem Flughafengelände aus.
Für die dort tätigen Ingenieure und Mechaniker waren auf dem Gelände Umkleide-, Verwaltungs- und Gemeinschaftsflächen vorhanden. Zudem hatten die Mitarbeiter einen verschließbaren Spind, um ihre Kleidung aufzubewahren. Auf der Spindtür war ein Schild mit dem jeweiligen Namen des Mitarbeiters angebracht. Am Eingang des Gebäudes mussten sich die Mitarbeiter einer Sicherheitskontrolle unterziehen. Dann konnten sie sich in dem Gebäude frei bewegen. Der Steuerpflichtige war zudem Inhaber eines Sicherheitsausweises für den Flughaften. Der Zutritt war für ihn unabhängig von der schichtplanorganisierten Einteilung zum Dienst technisch möglich. Damit stellte sich die Frage, ob der Steuerpflichtige durch Spind und Schließfach eine Betriebsstätte begründet hat.
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2.2. Betriebsstättenrisiko: Gerichtliche Entscheidung
Das Finanzgericht lehnte eine Betriebsstätte ab, weil der Steuerpflichtige sein Werkzeug nicht in dem Spind aufbewahrte. Die erforderliche Verwurzelung läge nicht vor, wenn der Steuerpflichtige mit eigenem Werkzeug in fremdem Räumlichkeiten tätig wird, um Arbeiten zu verrichten. So hätten sich in den angemieteten Räumlichkeiten beziehungsweise auf den Flächen der Flughafen-GmbH keine Vorrichtungen befunden, über die der Kläger Verfügungsmacht hatte und die für die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit erforderlich waren.
Der Bundesfinanzhof entschied, dass der Steuerpflichtige eine Betriebsstätte begründet hat. Er nahm an, dass der Steuerpflichtige mittelbar eine Nutzungsmöglichkeit über die für die Leistungserbringung unerlässlichen Räumlichkeiten hatte. Beseitigt wird dies nicht dadurch, dass die Verfügungsmacht keine alleinige war und wieder hätte entzogen werden können. Auch die Sicherheitskontrollen beim Betreten des Geländes waren unrelevant.
Zudem schließt es eine betriebsbezogene Nutzung des personenbezogenen Spindes nicht aus, dass der Steuerpflichtige in dem ihm persönlich zugewiesenen Schließfach sein Werkzeug nicht aufbewahrte. Die Werkzeuge sind lediglich nur ein Teil der, der Tätigkeit dienenden unerlässlichen Arbeitsmittel. Der Spind ist aber auf Grundlage betriebsbezogener Erfordernisse dazu bestimmt und geeignet, die Freizeitkleidung während der Einsatzzeit und die Arbeitskleidung des Steuerpflichtigen außerhalb der Einsatzzeit aufzubewahren.
3. Fazit: Betriebsstättenrisiko erheblich
Erbringt der Steuerpflichtige Dienstleistungen, ist das Vorliegen einer Betriebsstätte bereits zu bejahen, wenn dem Steuerpflichtigen ein Spind oder Schließfach zur Verfügung gestellt werden. Für eine betriebsbezogene Nutzung ist es ausreichend, wenn im Spind private Kleidung während der eigentlichen Einsatzzeit und die Berufskleidung in der Freizeit aufbewahrt werden. Damit besteht ein erhebliches Betriebsstättenriskio.
Das Urteil erging zu § 12 AO. Damit wirkt des sich auch auf das Umsatzsteuerrecht, also insbesondere auf den Leistungsort nach § 3a UStG aus. Dort gelten ebenfalls die Regelungen der Abgabenordnung.
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