Die 183-Tage-Regelung im internationalen Steuerrecht
Mit der sogenannten 183-Tage-Regelung bestimmt sich die Steuerpflicht bestimmter Personengruppen in Ländern, mit denen Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen hat. Sie ist daher vor allem im internationalen Steuerrecht und hier in erster Linie für Arbeitnehmer von Bedeutung, wird aber auch nach nationalem Recht als Hilfskriterium herangezogen. Soweit deutsches Recht betroffen ist, findet sich die 183-Tage-Regelung in § 9 AO.
Unser Video: Wirkungen eines DBA
In diesem Video erklären wir, welche Auswirkungen ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) auf die Steuerlast im Einzelfall hat!
Inhaltsverzeichnis
1. Grundregel: Steuerpflicht nach der 183-Tage-Regelung
Werfen wir für einen genaueren Blick auf die 183-Tage-Regelung zunächst ein Auge auf die Vorschrift, von der wir sprechen. Sie findet sich in Artikel 15 des OECD-Musterabkommens, kurz OECD-MA. Das Muster dient als Vorlage für zahlreiche DBA, die Deutschland mit anderen Staaten geschlossen hat, weshalb viele Regelungen quasi „eins zu eins“ Einzug aus dem OECD-MA in die finalen und gültigen Doppelbesteuerungsabkommen gehalten haben.
Artikel 15 Absatz 1 und 2 OECD-MA besagt dabei:
Einkünfte aus unselbständiger Arbeit
(1) Vorbehaltlich der Artikel 16, 18 und 19 können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so hat der andere Staat das Besteuerungsrecht.
(2) Ungeachtet des Absatzes 1 können Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person für eine im anderen Vertragsstaat ausgeübte unselbständige Arbeit bezieht, nur im erstgenannten Staat besteuert werden, wenn
- der Empfänger sich im anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten, der während des betreffenden Steuerjahres beginnt oder endet, aufhält und
- die Vergütungen von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht im anderen Staat ansässig ist.
Nach der in Absatz 2 Satz 2 Buchstabe a normierten 183-Tage-Regelung hat also der Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht, wenn sich die steuerpflichtige Person dort mehr als 183 Tage im jeweiligen Jahr aufgehalten hat. Ist dies nicht der Fall, steht das Besteuerungsrecht im Umkehrschluss dem Ansässigkeitsstaat (Artikel 4 OECD-MA) zu.
2. Die 183-Tage-Regelung zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts
Neben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern fallen vor allem Freiberufler und „digitale Nomaden“ unter die jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen. Denn sie arbeiten immer öfter mobil und von wechselnden Tätigkeitsorten aus, um beispielsweise das Reisen mit der beruflichen Entwicklung zu verbinden.
Nach Artikel 4 OECD-MA ist bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten zunächst eine Bestimmung der Ansässigkeit erforderlich. Nach ihr richtet sich die grundsätzliche Befugnis zur Besteuerung der Einkünfte, die die weiteren Artikel des DBA erst im Anschluss konkretisieren. Die 183-Tage-Regelung stellt dabei ein Hilfskriterium zur Festlegung des gewöhnlichen Aufenthaltes dar – auch im nationalen Recht.
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2.1. Der gewöhnliche Aufenthalt im internationalen Steuerrecht
Eine Person gilt nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a OECD-MA zunächst in dem Staat als ansässig, in dem sie eine „ständige Wohnstätte“ unterhält. Dies meint in der Regel eine Wohnung oder ein bewohnbares Zimmer. Gleichwohl findet die Norm keine Anwendung mehr, wenn die Person in beiden Staaten einen Wohnsitz innehat.
In diesem Fall richtet sich die Bestimmung der Ansässigkeit nach dem Mittelpunkt der Lebensinteressen und hilfsweise nach dem gewöhnlichen Aufenthalt. Erst hier kommt die 183-Tage-Regelung zur Anwendung. Der gewöhnliche Aufenthalt liegt also dort, wo sich eine Person innerhalb eines Kalenderjahres 183 Tage oder länger aufhält beziehungsweise aufgehalten hat.
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2.2. Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts nach nationalem Recht
Nach nationalem Recht erfolgt die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes in Anwendung des § 9 AO. Die Norm hat folgenden Wortlaut:
Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Satz 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert.
Fehlt es an den Voraussetzungen des Satzes 1, kommt die 183-Tage-Regelung in Satz 2 zur Anwendung. Ein zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten führt also stets zu einer unbeschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Absatz 1 Nummer 1 EStG), wobei kurzfristige Unterbrechungen für Urlaub und ähnliches außer Acht zu lassen sind (BFH, Urteil vom 03.09.1977, I R 210/75).
Zu beachten ist darüber hinaus § 9 Satz 3 AO, der eine Ausnahme von der 183-Tage-Regelung bestimmt. Ein über sechs Monate hinausgehender Aufenthalt in Deutschland, der reinen Besuchs- oder Erholungszwecken dient, führt also nicht zu einer unbeschränkten Steuerpflicht. In diesem Fall bleibt es bei einem gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb Deutschlands.
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