Finaler Verlust einer Tochtergesellschaft nach der Rechtsprechung des EuGH
In der Rechtssache Marks & Spencer entwickelte der EuGH erstmalig den Begriff des finalen Verlusts. Das britische Steuerrecht sah vor, dass Verluste ausländischer Tochtergesellschaften bei einer inländischen Muttergesellschaft nicht zum Abzug zugelassen werden können. Es findet demnach zwischen ausländischer Tochtergesellschaft und inländischer Muttergesellschaft keine Verlustverrechnung statt. Diese Regelung kannte der EuGH grundsätzlich als unionsrechtskonform an. Allein für den Fall, dass die Verluste der ausländischen Tochtergesellschaft final sind, müsse eine Verlustverrechnung möglich sein. Davon machte er dann aber wieder eine Rückausnahme zum Zwecke der Missbrauchsvermeidung. Wir erklären, wann finale Verluste vorliegen.
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Inhaltsverzeichnis
1. Kontext der Entscheidung
1.1. Problem: Verlustverrechnung mit ausländischen Tochtergesellschaften
In der Rechtssache Marks & Spencer musste der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Kern entscheiden, inwieweit Verluste von ausländischen Tochtergesellschaften bei der Konzernmuttergesellschaft mit Sitz in England berücksichtigt werden können.
Die Einzelhandelskette Marks & Spencer plc hat ihren Hauptsitz im Vereinigten Königreich. Zu der Unternehmensgruppe zählen Tochtergesellschaften in Deutschland, Frankreich und Belgien. Die Tochtergesellschaften erzielten einen Verlust von ca. 150 Millionen Euro. Diese Verluste wollte Marks & Spencer im Rahmen seiner Steuererklärung in England – also bei der Konzernmuttergesellschaft – berücksichtigen lassen. Den entsprechenden Antrag der Konzernmuttergesellschaft lehnte die englische Steuerverwaltung jedoch ab. Als Grund für die Ablehnung führte sie an, dass sich der Konzernabzug auf Gewinne und Verluste beschränke, welche in den Anwendungsbereich des britischen Steuerrechts fallen. Die geltend gemachten Verluste seien solche der Tochtergesellschaften und damit nicht in England berücksichtigungsfähig.
1.2. Damalige Rechtslage in England
Im englischen Steuerrecht gab es zu dieser Zeit die Möglichkeit der Gruppenbesteuerung, wodurch die Muttergesellschaft eines Konzerns ihre Gewinne mit den in ihren Tochtergesellschaften entstandenen Verlusten gegeneinander verrechnen konnte („group relief“). Diese Verlustverrechnung war aber, wie die britische Finanzverwaltung richtig erkannt hatte, auf Gewinne und Verluste beschränkt, welche in den Anwendungsbereich des britischen Steuerrechts fallen. Der High Court of Justice legte diese Regelungen im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahren dem EuGH vor und ließ diese auf ihre Europarechtskonformität überprüfen.
2. Versagung der Verlustverrechnung als Eingriff in die Niederlassungsfreiheit eigentlich gerechtfertigt
2.1. Niederlassungsfreiheit als Prüfungsmaßstab
Der EuGH prüfte die britische Regelung am Maßstab der Niederlassungsfreiheit. Heute ist die Niederlassungsfreiheit in Artikel 49 AEUV geregelt. Die Niederlassungsfreiheit sichert das Recht zur Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeit sowie zur Gründung und Leitung von Unternehmen und Zweigniederlassungen in einem anderen Mitgliedstaat. Garantiert wird daher also die freie Standortwahl innerhalb der Europäischen Union. Berechtigte Personen sind auch Gesellschaften, sofern diese in einem Mitgliedstaat gegründet wurden und ihre Hauptniederlassung oder Hauptverwaltung in der EU haben.
Dann ist aber zu fragen, wie weit der Schutz der Niederlassungsfreiheit reicht und wann die Mitgliedstaaten die Niederlassungsfreiheit hinreichend gesichert haben. Ursprünglich wurde argumentiert, dass die Eröffnung der Möglichkeit, eine ausländischen Gesellschaft in die Wirtschaft des Aufnahmestaates zu integrieren, eigentlich der Gleichstellung mit den Inländern genügen müsse. Die Rechtsschutzgewährung der Niederlassungsfreiheit hat der EuGH nun aber zu einem weitergehenden Beschränkungsverbot ausgeweitet. Klar ist daher, dass sich nach dem Verständnis des EuGH die Schutzreichweite der Niederlassungsfreiheit nicht nur auf klare Diskriminierungen, wie durch eine Wegzugsbesteuerung, beschränkt. Vielmehr geht der Rechtsschutzgehalt darüber hinaus. Dennoch gibt es kein absolutes europäisches Beschränkungsverbot. Ansonsten wäre beispielsweise das grundlegende Welteinkommensprinzip von vornherein immer rechtfertigungsbedürftig. Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit liegt vor, wenn eine unterschiedliche steuerliche Behandlung vorliegt, die zu einer Benachteiligung des ausländischen Wirtschaftsteilnehmers führt, der von seinem Recht auf Niederlassungsfreiheit Gebrauch gemacht hat, oder die sich auf die Ausübung der Niederlassungsfreiheit abschreckend auswirken könnte.
Entscheidend ist daher, welches Vergleichspaar für die Beurteilung der Ungleichbehandlung herangezogen wird. Gerade die Auswahl der Vergleichspaare beeinflusst das Ergebnis der Gleichheitsprüfung und damit die Prüfung der Niederlassungsfreiheit
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2.2. Ungleichbehandlung im Einzelfall
In der Marks & Spencer Entscheidung bildete der EuGH folgendes Vergleichspaar: auf der einen Seite stand eine Muttergesellschaft, welche in Großbritannien ansässig ist, die aber eine Tochtergesellschaft hat, deren Tätigkeitsschwerpunkt in einem anderen Mitgliedstaat liegt. Auf der anderen Seite steht ein Konzern, dessen Tochtergesellschaft gleichermaßen in England wirtschaftlich aktiv ist. Verglichen werden also die Fälle, in denen die Tochtergesellschaft einmal im Inland und einmal im Ausland sitzt. Der EuGH nahm insoweit eine Ungleichbehandlung an, als dass bei einer ausländischen Tochtergesellschaft die vorteilhafte Gruppenbesteuerung nicht gewährt wird. Dadurch wird also gerade die Verlustverrechnung versagt. Bei einem reinen Inlandssachverhalt (Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft im Inland) gab es hingegen die Möglichkeit der vorteilhaften Gruppenbesteuerung.
Jedoch hat der EuGH gerade gerade nicht die Verlustverrechnung von Muttergesellschaften mit Betriebsstätten in Betracht gezogen. Allein verglichen hat er rein inländische Sachverhalte zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft mit dem Fall, in dem die Tochtergesellschaft ihren Sitz im Ausland hat. Betriebsstätten hat der EuGH daher nicht in die Betrachtung einbezogen. Aus der fehlenden Einbeziehung lässt sich aber nicht der Schluss rechtfertigen, dass zwischen einer Tochtergesellschaft und einer Betriebsstätte keine Vergleichbarkeit besteht. Grund für die nicht erfolgte Begutachtung war, dass es im zu entscheidenden Fall lediglich um Tochtergesellschaften ging und Betriebsstätten daher nicht von Relevanz waren.
2.3. Rechtfertigung der Ungleichbehandlung
2.3.1. Umfassende Rechtfertigungsmöglichkeit
Folge dieser weiten Auslegung des Gewährleistungsgehalts der Niederlassungsfreiheit ist auf der anderen Seite, dass der EuGH zum direkten Steuerecht selbst bei diskriminierenden Ungleichbehandlungen die Möglichkeit ungeschriebener Rechtfertigungsgründe zugesteht. Der Eingriff ist daher einfacher gerechtfertigt und somit eher unionsrechtskonform. Ziel ist es, durch diese Handhabung wenigstens die Rechtfertigungsebene zu erreichen. Stellt die mitgliedstaatliche Regelung bereits keinen Eingriff in die Grundfreiheit – konkret in die Niederlassungsfreiheit – dar, so bleibt den Mitgliedstaaten für diesen Bereich nahezu freie Handhabe. Die Maßnahme muss sich nicht an der Niederlassungsfreiheit messen lassen. Die Kontrolle durch die europäischen Gerichte beschränkt sich dann auf Missbrauchsfälle oder ist gar nicht mehr möglich.
2.3.2. Umkehrung der Beweislast
Jedenfalls liegt eine Ungleichbehandlung im reinen Inlandssachverhalt zum Sachverhalt mit ausländischer Tochtergesellschaft vor. Diese Ungleichbehandlung ist daher rechtfertigungsbedürftig. Die Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt, wenn sie in angemessener Weise einem legitimen Interesse des Gemeinwohls folgt. Liegt ein Eingriff in eine Grundfreiheit vor, so begründet dies die Vermutung für die Verletzung der Grundfreiheit. Folge dessen ist die Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast. Nunmehr stehen also die Mitgliedstaaten in der Rechtfertigungspflicht.
2.3.3. Mögliche Rechtfertigungsgründe
Neben den geschriebenen Rechtfertigungsgründen kommen ungeschriebene Rechtfertigungsgründe in Betracht. Ein ungeschriebener Rechtfertigungsgrund liegt in allgemein anerkannten Gemeinwohlbelangen. Hierbei kommen sämtliche im Allgemeinwohl liegende Interessen in Betracht.
Keine ausreichende Rechtfertigungskraft hat hingegen die undifferenzierte Berufung auf die mangelnde Harmonisierung im Steuerrecht. Ausreichend ist auch nicht das Argument, des Verlustes von Steueraufkommen. Würde der Verlust von Steueraufkommen ausreichender Rechtfertigungsgrund sein, so könnte der Staat stets mit entgangenen Steuergeldern argumentieren. Dann wäre faktisch jede steuerliche Maßnahme gerechtfertigt.
Dennoch nahm der EuGH das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes an. Konkret ließ der EuGH die Ungleichbehandlung zur Wahrung der Aufteilung von Besteuerungsrechten zwischen den beteiligten Ländern zu. Ausfluss der Aufteilung von Besteuerungsrechten zwischen den Mitgliedstaaten ist die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis, die Verhinderung doppelter Verlustberücksichtigung und die Verminderung der Gefahr der Steuerflucht. Unter diesen Erwägungen ist die Ablehnung der Verlustverrechnung für eine ausländische Tochtergesellschaft bei der inländischen Konzernmuttergesellschaft grundsätzlich gerechtfertigt.
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3. Keine Rechtfertigung bei finalem Verlust
3.1. Versagung der Verlustverrechnung unverhältnismäßig bei finalem Verlust
Jedoch muss die Versagung der Verlustverrechnung auch verhältnismäßig sein. Unverhältnismäßig ist es, wenn der Verlust der Tochtergesellschaft vollends nicht mehr in irgendeinem Staat durch Verlustverrechnung Berücksichtigung findet. Vielmehr muss eine einmalige Nutzung der Verluste im Inland gesichert sein. Sind die Verluste der Tochtergesellschaft im EU-Ausland endgültig geworden, so muss die Berücksichtigung im anderen Mitgliedstaat bei der Konzernmuttergesellschaft ermöglicht werden. Die Verlustberücksichtigung über diesen Weg soll aber nur im Ausnahmefall ermöglicht werden – der Fall, dass finale Verluste vorliegen, ist die Ausnahme. Ob dieser Ausnahmefall vorliegt, muss der Steuerpflichtige nachweisen.
3.2. Aber: Rückausnahme zur Missbrauchsverhinderung
Mithin ist die Versagung der Verlustverrechnung grundsätzlich gerechtfertigt und damit auch unionsrechtskonform. Ausnahmsweise müssen jedoch finale Verluste bei der Konzernmuttergesellschaft berücksichtigt werden. Das ist dann der Fall, wenn die Verluste final geworden sind. Der EuGH führt jedoch eine Rückausnahme ein. Folge der Rückausnahme ist, dass die Mitgliedstaaten auch final gewordene Verluste nicht zwecks Verlustverrechnung berücksichtigen müssen. Möglich ist dies im Wege konkreter Missbrauchsbekämpfung durch die Mitgliedstaaten, um Verlustverschiebungspraktiken zu vermeiden. Ist Ziel des Mitgliedstaats, einen finalen Verlust zwecks Missbrauchsbekämpfung nicht zu berücksichtigen, so ist dies legitim.
4. Definition der finalen Verluste
4.1. Bedeutung finaler Verluste
Entscheidend für die Möglichkeit der Verlustverrechnung ist daher, ob finale Verluste vorliegen. Verluste sind final, wenn sie im Quellenstaat aktuell und zukünftig nicht steuerlich nutzbar sind. Erst, wenn dies der Fall ist, muss der Mitgliedstaat der Konzernmuttergesellschaft die grenzüberschreitende Verlustverrechnung ermöglichen.
Wann Verluste endgültig sind, lässt der EuGH jedoch in seinen bisherigen Urteilen offen. Für Unternehmen sind die Anreize, Verluste im Ausland endgültig entstehen zu lassen, um sie dann in einem anderen Staat geltend machen zu können, hoch. Durch die Verlustverrechnung in dem anderen Mitgliedstaat lässt sich die dortige Gesamtbelastung reduzieren.
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4.2. Maßgebliches Recht zur Beurteilung des finalen Verlusts
Der Verlust muss im Quellenstaat endgültig werden. Demnach muss im Quellenstaat die Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich des Verlusts wegfallen. Maßgeblich ist also das Recht des Quellenstaats. Dabei spielen auch tatsächliche Umstände eine Rolle. Es kann nämlich nur zu einem Verlust kommen, solange nicht irgendwann Gewinne erzielt werden.
Erstes Kriterium ist daher die rechtliche Verrechnungsmöglichkeit im Quellenstaat. Die rechtlichen Umstände bilden den Maßstab des tatsächlich Ausschöpfbaren. Ist der rechtliche Umstand festgesellt, so sind auf der zweiten Stufe die tatsächlichen Umstände relevant. Dabei ist insbesondere auch die aktive Wahrnehmung dieser rechtlich zur Verfügung stehenden Regelungen durch die Tochtergesellschaft im Einzelfall zu beachten.
4.3. Fallgruppen finaler Verluste
4.3.1. Finaler Verlust bei Liquidation einer Tochtergesellschaft
Im Falle der Liquidation der Tochtergesellschaft kann ein Verlust endgültig werden. Keine Aussicht darauf, dass negative Einkünfte zukünftig im Quellenstaat Berücksichtigung finden besteht, wenn das Abwicklungs-Anfangsvermögen das Abwicklungs-Endvermögen übersteigt. Dann ist eine Verrechnung des Liquidationsverlustes mit anderem Einkommen der Kapitalgesellschaft nicht möglich, da solches nicht existiert. Angefallene Verluste sind allein mit möglichen noch nicht realisierten Gewinnen (stillen Reserven) zu verrechnen. Verlustvorträge in nachfolgende Veranlagungszeiträume sind hingegen nicht möglich, da die Kapitalgesellschaft als solche nicht mehr fortbesteht. Nachgewiesen werden kann die Liquidation durch die Vorlage der Löschung im Handelsregister.
4.3.2. Einstellung einer Betriebsstätte
Die Beurteilung finaler Verluste einer Betriebsstätte fällt deutlich schwieriger als bei der Liquidation einer Tochtergesellschaft. Schon begrifflich kann nicht von einer Liquidation gesprochen werden, wenn die Betriebsstätte nicht weiter betrieben wird. Es liegt vielmehr eine bloße Einstellung vor.
Weiteres Problem ist, dass die Tätigkeit einer Betriebsstätte deutlich „flüchtiger“ ist, als der Betrieb einer Tochtergesellschaft. Die Betriebsstätte hat keine eigene Rechtspersönlichkeit. Vielmehr ist sie von dem Stammhaus abhängig. Wegen dieser Abhängigkeit ist die Endgültigkeit des Verlusts der Betriebsstätte wesentlich schwerer festzumachen, wenn das, die Betriebsstätte unterhaltende Stammhaus fortbesteht.
Ferner ist problematisch, in welchem Zeitpunkt eigentlich die Geschäftstätigkeit eingestellt wurde. Existieren im maßgeblichen Mitgliedstaat mehrere verlustträchtige Betriebsstätten ist schon fraglich, ob deren einzelnes Ergebnis maßgeblich ist oder ob sie in ihrer Gesamtheit im Mitgliedstaat anzusetzen sind. Wenn letzteres maßgeblich ist, so können sich Verlustverrechnungsmöglichkeiten auch durch später gegründete, gewinnbringende Betriebsstätten eröffnen. Denkbar ist aber auch, dass eine einmal eingestellte Betriebsstätte nach einer gewissen Zeit ihre Tätigkeit wieder aufnimmt. Verluste können dann im Ausland unter Umständen wieder im Ausland nutzbar sein. Dann besteht die Gefahr der doppelten Verlustnutzung.
4.3.3. Verschmelzung von Gesellschaften
Die Verschmelzung begründet den Wegfall der rechtlichen Identität der übertragenden Gesellschaft. Regelmäßig kommt es in Folge dessen zum Wegfall vorhandener Verlustvorträge. Ob es zu dem Wegfall kommt, hängt aber von den Regelungen im maßgeblichen Umwandlungssteuerrecht ab. Zudem kann es infolge einer Verschmelzung zu der Aufdeckung stiller Reserven und deren Verrechnung mit bestehenden Verlustbeträgen kommen. Daher kann es je nach der Ausgestaltung des Umwandlungssteuerrecht auch mittels einer Verschmelzung zu einer Verlustverschiebung über die Grenze kommen. Dies kann gerade auch Ziel der Verschmelzung sein.
In Deutschland ist im Umwandlungssteuerrecht gerade ein Untergang der Verlustvorträge vorgesehen: Zwar tritt die übernehmende Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in die steuerlicher Position der übertragenden Gesellschaft ein (§ 14 Absatz 3 Halbsatz 1 UmwStG). Dennoch kommt es durch den Verweis in § 14 Absatz 3 Halbsatz 2 UmwStG auf § 4 Absatz 2 Satz 2 UmwStG nicht zu dem eigentlich folgerichtigen Verlustübertrag. Vielmehr geht der Verlust unter.
Hintergrund dessen ist, dass die mit den Verlusten einhergehende Minderung an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit als „höchstpersönlicher Umstand“ angesehen wird. Damit ist die Verlustabzugsberechtigung subjektbezogen eingeschränkt. Die Regelung sollte gerade dazu dienen, eine eigentlich gebotene Verlustverrechnung zu vermeiden und ausländische Verluste nicht im Inland berücksichtigen zu müssen. Fraglich ist jedoch, ob damit nicht gerade das Gegenteilige erreicht wurde: Folge der Regelung kann sein, dass die Verluste im Ausland gerade aufgrund der fehlenden Übertragungsmöglichkeit in das Inland final werden und damit im Inland aufgrund der Marks & Spencer-Entscheidung gerade zu berücksichtigen sind.
4.3.4. Rechtsformwechsel
Einen weiteren Umwandlungsvorgang betrifft der Rechtsformwechsel. Der Formwechsel einer Kapitalgesellschaft hinzu einer Personengesellschaft wird im Ergebnis ähnlich einer Verschmelzung gehandhabt. Daher gilt auch hier, dass im Wege des Formwechsels ebenfalls versucht werden kann, Verluste endgültig werden zu lassen.
4.3.5. Verkauf
Die Tochtergesellschaft kann auch verkauft werden. Dann ändert sich ihre rechtliche Identität nicht. Grundsätzlich sind also die Verluste bei dem Erwerber weiterhin nutzbar. In einigen EU-Ländern existieren aber Vorschriften, nach denen bei Veräußerung der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung die Verlustvorträge untergehen. Hintergrund solcher Regelungen ist, dass nur die Körperschaft einen Verlust steuerlich nutzen soll, die diesen auch erwirtschaftet hat. Ziel ist es mithin, den Handel mit wirtschaftlich entleerten, aber steuerlich nutzbaren Verlustgesellschaften zu unterbinden. Folglich hängt auch bei Veräußerung der Beteiligung die Endgültigkeit des Verlusts von der Regelung in dem Staat der Tochtergesellschaft ab.
5. Zusammenfassung
Quintessence des Marks & Spencer Urteils ist, dass ein pauschaler Ausschluss der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung im Konzern europarechtlich nicht mehr zulässig ist. Zwar besteht das Bedürfnis der richtigen Zuordnung von Steuersubstraten innerhalb des Binnenmarkt. Der Ausschluss der Verlustverrechnung darf aber nicht dazu führen, dass Verluste nirgendwo verrechnet werden dürfen. In diesem Fall muss der Ansässigkeitsstaat des Mutterkonzerns die Verlustverrechnung ermöglichen.
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