Grenzüberschreitende Einbringung

EuGH: Steuerneutralität muss gewährleistet sein

Grenzüberschreitende Einbringung in Kapitalgesellschaften

Durch die Überführung von Wirtschaftsgütern, den Wegzug von Gesellschaften oder grenzüberschreitende Umwandlungen werden Wirtschaftsgüter aus der deutschen Steuerhoheit entstrickt und einer ausländischen Betriebsstätte zugeordnet. Die Ausarbeitung zeigt auf, dass im Lichte der Rechtsprechung des BFH vom 17. Juli 2008 (Az. I R 77/06) das deutsche Besteuerungsrecht trotz solcher Entstrickungsfälle regelmäßig erhalten bleibt und eine vorzeitige Besteuerung durch die im Jahr 2010 eingeführten Regelungsbeispiele (§ 4 Abs. 1 S. 4 EStG und § 12 Abs. 1 S. 2 KStG) europarechtlich nicht gerechtfertigt werden kann, weshalb die Normen nicht europarechtskonform sind. Zudem sind grenzüberschreitende Einbringungen nicht an den Vorgaben der Niederlassungsfreiheit, sondern an denen der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen, sodass auch Drittstaateneinbringungen Steuerneutralität zu gewähren ist.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus der Dissertation von Herrn Prof. Dr. Christoph Juhn an der Universität zu Köln. Er behandelt die grenzüberschreitende Einbringung von Betriebsvermögen in Kapitalgesellschaften. Dabei ist Prof. Juhn zu dem Ergebnis gekommen, dass internationale Umwandlungvorgänge – sowohl in EU-/EWR-Staaten als auch in Drittstaaten – durch die Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit geschützt sind und damit steuerneutral möglich sein müssen. Aufgrund der Praxisrelevanz der Ausarbeitung stellen wir Ihnen diese wissenschaftliche Ausarbeitung hier auszugsweise kostenlos zur Verfügung.

Unser Video:
Umwandlungen mit DBA-Ländern

In diesem Video stellt Herr Prof. Dr. Juhn einen Teil seiner Dissertation vor zu grenzüberschreitenden Umwandlungen.

1. Einleitung zur grenzüberschreitenden Einbringung in Kapitalgesellschaften

Die Einbringung von Betriebsvermögen in Kapitalgesellschaften ist eine durch den Gesetzgeber privilegierte Form der Übertragung von Wirtschaftsgütern. Mit dem Ziel, betriebswirtschaftlich erwünschte Umwandlungsvorgänge nicht durch steuerliche Hemmnisse zu behindern, kann die Einbringung in Kapitalgesellschaften daher nach Maßgabe der §§ 20 ff. UmwStG steuerneutral erfolgen.[1] Im Rahmen des SEStEG wurden die Vorgaben der FRL in nationales Recht transformiert, wodurch auch Einbringungen mit EU-Auslandsbezug seit dem Jahr 2006 begünstigt werden. Dies ermöglicht beispielsweise international agierenden Unternehmen die steuerneutrale Einbringung selbstständiger Teilbetriebe in örtliche Landesgesellschaften.[2]

1.1. Steuerentstrickungen im Blicke des EU-Rechts

Nach der Gesetzesbegründung darf die Europäisierung des UmwStG „allerdings nicht dazu führen, dass das deutsche Steueraufkommen gefährdet wird[3]. Daher wurde in § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 UmwStG eine spezielle Entstrickungsvorschrift aufgenommen, wonach die Steuerneutralität des Einbringungsvorgangs versagt wird, soweit das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts im Zuge der Einbringung ausgeschlossen oder beschränkt wird. Darüber hinaus kann sich eine Entstrickungsbesteuerung auch nach Maßgabe der allgemeinen Entstrickungsvorschrift des § 12 Abs. 1 KStG ergeben, wenn ein der Einbringung nachgelagerter tatsächlicher Vorgang auf Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft die Entstrickung auslöst.

Trotz dieser beiden Entstrickungsvorschriften kann sich die Steuerneutralität des Einbringungsvorgangs auf nationaler Ebene bereits aus dem geänderten Abkommensverständnis des BFH[4] ergeben, wonach der reine Transfer von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in eine DBA-Betriebsstätte keinen Ausschluss des Besteuerungsrechts an den bis dahin entstandenen Wertzuwächsen auslöst.

1.2. Umfang der Untersuchung von Steuerentstrickungen (Einbringungen & Umwandlungen)

Im Rahmen dieser Arbeit wird untersucht, ob das neue Abkommensverständnis auch auf Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, auf Anrechnungsbetriebsstätten und insbesondere auf rechtsträgerübergreifende Entstrickungsvorgänge übertragbar ist. Ebenfalls wird die Bedeutung des im Jahr 2010 eingeführten Regelungsbeispiels für die allgemeinen und speziellen Entstrickungsvorschriften kritisch analysiert, das auch dann eine Entstrickungssteuer auslösen soll, wenn das deutsche Besteuerungsrecht in Überführungsfällen erhalten bleibt.

Fachberatung für
Umwandlungen

Unsere spezialisierten Steuerberater und Rechtsanwälte beraten Sie gerne. Rufen Sie uns gerne an oder schildern Sie uns Ihr Anliegen per E-Mail:

2. Schwerpunktsetzung: Steuerneutralität aufgrund der EuGH-Rechtsprechung

Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der europarechtsbedingten Steuerneutralität. Eine im Zuge der Einbringung vorzeitig festgesetzte und erhobene Exitsteuer führt schließlich zu einer Benachteiligung grenzüberschreitender Einbringungsvorgänge gegenüber vergleichbaren nationalen Sachverhalten. Entsprechend wurden die in der Literatur seit der Einführung des SEStEG geäußerten Bedenken an der europarechtskonformen Ausgestaltung der betrieblichen Entstrickungsnormen[5] im Jahr 2011 durch den EuGH in der Rs. National Grid Indus[6] bestätigt, wonach nur eine Steuerfestsetzung mit unbefristeter Steuerstundung bis zum Realisationszeitpunkt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrte. In zwei späteren Verfahren sah der EuGH dann die Steuererhebung in fünf bzw. zehn gleichen Jahresraten als verhältnismäßig an.[7]

2.1. Weitere Szenarien der grenzüberschreitenden Einbringungen & Umwandlungen: Vom EuGH offen

Damit ist europarechtlich geklärt, dass grenzüberschreitende Einbringungen keine Sofortbesteuerung auslösen dürfen. Offen bzw. nicht eindeutig ist hingegen die Position des EuGH hinsichtlich der ratierlichen Steuerfestsetzung und -erhebung in Fällen, in denen (1) der Ursprungsstaat das Besteuerungsrechts an den in seinem Hoheitsgebiet entstandenen stillen Reserven auch nach der Entstrickung behält[8], (2) es sich um Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens handelt, die naturgemäß innerhalb eines Jahres verbraucht oder weiterveräußert werden, (3) die ratierliche Besteuerung im Ursprungsstaat nicht pro rata temporis per Abschreibung vom Verkehrswert im Zuzugsstaat kompensiert wird[9], (4) sich nach der Entstrickung weder der Informationsgehalt über den Verbleib des Wirtschaftsguts noch das Risiko der Steuerbeitreibung des Ursprungsstaats reduzieren[10] und (5) die Gesellschaft durch die mit der Steuerfestsetzung verbundene Passivierungspflicht von Steuerrückstellungen eine Verschlechterung ihrer Vermögens- und Ertragslage erleidet.

2.2. Schwerpunktgebiet der Untersuchung von Umwandlungen

Die Arbeit setzt sich daher intensiv mit der Frage auseinander, ob die Beschränkung grenzüberschreitender Einbringungen mittels Steuererhebung in fünf Jahresraten auch dann durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann, wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland überhaupt nicht beschränkt oder ausgeschlossen wird. Darüber hinaus wird untersucht, ob bei Einbringungsvorgängen – anders als bei reinen Überführungsfällen – der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit eröffnet ist und damit auch Drittstaateneinbringungen durch § 20 UmwStG zu begünstigen sind. Ebenfalls wird die Frage eruiert, ob der Grundfreiheitenverstoß zur Unanwendbarkeit der Entstrickungsvorschriften führt, mit der Folge, dass auch eine spätere Nachversteuerung im Rahmen einer europarechtskonformen Auslegung ausgeschlossen ist, und der Steuerpflichtige damit die Möglichkeit zum steuerfreien Exit aus der deutschen Steuerhoheit hat.[11] Abgerundet wird die Arbeit durch einen europarechtskonformen Gesetzesvorschlag unter Berücksichtigung des geltenden Primär- und Sekundärrechts, insbesondere der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit sowie der FRL[12] und ATAD[13].

Steuerberater für Umwandlungen und Umstrukturierungen

Unsere Kanzlei hat sich besonders auf die steuerrechtliche Gestaltungsberatung von Kapitalgesellschaften spezialisiert. Bei Umstrukturierungen und Umwandlungen schätzen Mandanten unser Know-how beispielsweise in folgenden Bereichen:

  1. Beratung zur Einbringung von Betriebsvermögen in Kapitalgesellschaften
  2. Beratung zu anderen Umwandlungsvorgängen
  3. Rechtssichere Gestaltung und Umsetzung von VerschmelzungFormwechsel und Anteilstausch
  4. Einzelunternehmen in Kapitalgesellschaften und Holdinggesellschaften per Einbringung & Anteilstausch umwandeln
  5. Internationaler Rechtsformvergleich
  6. Strategische Beratung bei Kapitalgesellschaften (Erwerb eigener Anteile, disquotale Gewinnausschüttung, Organschaft, Holdingstrukturen etc.)
  7. Beratung zu sämtlichen Fragen bei der Besteuerung von Betriebsstätten

Hierzu stehen Ihnen unsere Steuerberater und Rechtsanwälte an den Standorten Köln und Bonn gerne für eine persönliche Beratung zur Verfügung. Zudem beraten wir deutschlandweit per Telefon und Videokonferenz:

Standort
Köln

image Telefon: 0221 999 832-10 E-Mail: office@juhn.com Mo. bis Sa. 8:00 - 20:00 Uhr

Standort
Düsseldorf

image Telefon: 0221 999 832-10 E-Mail: office@juhn.com Mo. bis Sa. 8:00 - 20:00 Uhr

Standort
Frankfurt

image Telefon: 0221 999 832-10 E-Mail: office@juhn.com Mo. bis Sa. 8:00 - 20:00 Uhr

Standort
Bonn

image Telefon: 0221 999 832-10 E-Mail: office@juhn.com Mo. bis Sa. 8:00 - 20:00 Uhr

Standort
Dubai

image Telefon: 0221 999 832-10 E-Mail: office@juhn.com Mo. bis Sa. 8:00 - 20:00 Uhr

Telefon-/ Videokonferenz

image Telefon: 0221 999 832-10 E-Mail: office@juhn.com Mo. bis Sa. 8:00 - 20:00 Uhr

[1] Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen
Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 25.9.2006,
BT-Drs. 16/2710, Allgemeiner Teil, S. 25; S/H/S/Hörtnagl, Einführung in das UmwStG, Rn. 21.
[2] Einer Schätzung zufolge weisen mehr als 75 Prozent aller Umstrukturierungen einen Bezug zum
Ausland auf (vgl. IDW/Gundel, S. 279; Brähler, Steuerlich optimale Gestaltung von grenzüber-
schreitenden Umstrukturierungen, S. 1). Relevant ist das Rechtsinstitut der grenzüberschreitenden
Einbringung insbesondere für rund 28.000 deutsche Unternehmen ausländischer Muttergesell-
schaften (davon 75 Prozent im EU-Ausland) sowie für rund 24.500 ausländische Tochter-
gesellschaften (davon 47 Prozent im EU-Ausland) deutscher Muttergesellschaften (Nahm,
Statistisches Bundesamt, WiSta 6/2017, 26, 28; Jung/Nahm/Söllner, Statistisches Bundesamt, WiSta
12/2012, 1100, 1102; Intl. Umwandlungen/Prinz, Kapitel 1 Internationale Aspekte bei
Umstrukturierungen, Rn. 1.1., Fn. 1.)
[3] Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen
Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 25.9.2006,
BT-Drs. 16/2710, S. 25.
[4] BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464, 3. Leitsatz, Rn. 45.
[5] Z.B. Benecke/Schnitger, IStR 2007, 22, 28; Dörfler/Adrian/Oblau, RIW 2007, 266, 270;
Eicker/Orth, IWB 2006, Gruppe 1, Fach 3, Deutschland Allgemeines, 2135, 2135 f.; Förster, DB
2007, 72, 75; Hahn, IStR 2006, 797, 803; H/H/R/Musil, § 4 EStG, Rn. 225; Rödder/Schumacher,
DStR 2007, 369, 372; a.A. in Gesetzesbegründung: Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleit-
maßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer
steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG) vom 25.9.2006, BT-Drs. 16/2710, S. 1, 25.
[6] EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10, National Grid Indus, EuZW 2011, 951.
[7] Zur Erhebung in fünf Jahren siehe insbesondere EuGH v. 23.1.2014 – C-164/12, DMC,
ECLI:EU:C:2014:20 und für zehn Jahresraten siehe EuGH v. 21.5.2015 – C-657/13, Verder LabTec,
ECLI:EU:C:2015:331.
[8] Bisher hat der EuGH in keiner Entscheidung das geänderte Abkommensverständnis des BFH
berücksichtigt, selbst nicht in der zur deutschen Entstrickungsnorm ergangenen Rs. Verder LabTec.
[9] Schließlich lagen auch den Rs. DMC und Verder LabTec jeweils Sachverhalte zugrunde, bei dem
die Wirtschaftsgüter im Aufnahmestaat einer Abschreibung vom Verkehrswert zugänglich waren.
[10] Beispielsweise durch den Verbleib des Stammhauses im Inland.
[11] Ähnlich auch FG Rheinland-Pfalz v. 7.1.2011 – 1 V 1217/10, EFG 2011, 1096, Rn. 73.
[12] Richtlinie 2009/133/EG des Rates v. 19.10.2009 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen,
Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die
Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffend, sowie für die Verlegung des Sitzes einer
Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft von einem Mitgliedstaat in
einen anderen Mitgliedstaat, ABl. 2009 Nr. L 310, S. 34, zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndRL
2013/13/EU vom 13.5.2013, ABl. 2013 Nr. L 141, S. 30.
[13] Richtlinie 2016/1164/EU des Rates v. 12.7.2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuer-
vermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts,
ABl. 2016 Nr. L 193, S. 1.