Risiken der Scheinselbständigkeit

Wann liegt sie vor?

Scheinselbständigkeit und ihre steuerlichen Folgen

Das deutsche Steuerrecht kennt grundsätzlich eine klare Unterscheidung zwischen selbstständigen und nichtselbstständigen Tätigkeiten. Dies wird neben dem Einkommensteuergesetz (EStG) beispielsweise auch aus § 2 Absatz 2 UStG deutlich. Die Grenzen können im Einzelfall jedoch verschwimmen, sodass Finanzamt und Sozialversicherungsträger von einer sogenannten Scheinselbständigkeit ausgehen. Sie hat mitunter schwerwiegende Konsequenzen.

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Inhaltsverzeichnis


1. Grundsatz: Wann liegt eine Scheinselbständigkeit vor?

Wie der Name bereits sagt, handelt es sich bei der Scheinselbständigkeit um eine grundsätzlich unternehmerische Tätigkeit, die aber nur zum Schein tatsächlich selbstständig ausgeübt wird. Man könnte hier auch von „arbeitnehmergleichen Selbständigen“ sprechen. Der Gesetzgeber geht immer dann von einer Scheinselbständigkeit aus, wenn nach der individuellen Ausgestaltung des Dienstverhältnisses mehr Punkte für eine Arbeitnehmer- als für eine unternehmerische Tätigkeit sprechen.

Der bislang selbstständige Unternehmer wird dann gegebenenfalls rückwirkend als Arbeitnehmer behandelt.

Literatur, Verwaltung und Rechtsprechung haben diverse Prüfkriterien ausgearbeitet. Anhand derer kann festgestellt werden, ob eine natürliche Person tendenziell eher angestellt ist oder eine unternehmerische Tätigkeit ausübt. Einige dieser Kriterien sind beispielsweise:

  • Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter unterliegt Arbeitszeitregelungen, hat insbesondere eine feste Arbeitszeit oder muss diese wie originär Beschäftigte erfassen
  • Die Person ist fest in die betrieblichen Abläufe des Unternehmens integriert oder hat sogar ihren Arbeitsplatz direkt vor Ort
  • Der Auftraggeber hat eine unmittelbare Weisungsbefugnis, sodass es an einer eigenverantwortlichen Ausübung der Tätigkeit fehlt
  • Die Bezüge sind fest, es wird also beispielsweise jedes Quartal oder Monat ein fester Betrag ausgezahlt
  • Der Auftraggeber zahlt Lohnersatzleistungen, gewährt Urlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
  • Der selbstständige Auftragnehmer beschäftigt selbst keine Mitarbeiter
  • Der Auftragnehmer ist überwiegend oder vollständig nur für einen Auftraggeber tätig

Bei jedem Prüfkriterium der Scheinselbständigkeit handelt es sich lediglich um Indizien, die die Behörden im Rahmen einer Gesamtbetrachtung würdigen. Schließlich treffen viele Punkte, etwa die „Solo-Tätigkeit“ oder das überwiegende Arbeiten für einen Auftraggeber, auf viele Unternehmerinnen und Unternehmer zu.

2. Steuerliche Folgen der Scheinselbständigkeit

Das Steuerrecht kennt erhebliche Unterschiede zwischen Arbeitnehmern und selbstständig Tätigen. Denn während die Unternehmerin eigenverantwortlich handelt und über ihre Leistungen abrechnet, erhält der Arbeitnehmer ein festes Gehalt. Letzterer ist außerdem weisungsgebunden und entsprechend in das Unternehmen des Arbeitgebers eingegliedert. Auch dies ist bei unternehmerischen Tätigkeiten nicht der Fall, da grundsätzlich kein Hierarchieverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer besteht.

Wird eine Scheinselbständigkeit vom Finanzamt festgestellt, führt dies üblicherweise zu einer vollständigen Umqualifizierung der Tätigkeit. Während die Folgen für die Zukunft einkalkulierbar sind, treten besonders die Auswirkungen für die Vergangenheit in den Vordergrund. Betroffen sind dabei insbesondere folgende Steuerarten:

  • Einkommen- und Lohnsteuer
  • Gewerbesteuer
  • Umsatzsteuer inklusive Vorsteuerabzug

Schauen wir uns die einzelnen Steuerarten und die diesbezüglichen Auswirkungen einer Scheinselbständigkeit also etwas genauer an.

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2.1. Einkommensteuer und Lohnsteuerabzug

Während Unternehmerinnen und Unternehmer Einkünfte nach den §§ 13, 15 und 18 EStG erzielen, stellen Arbeitsentgelte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 EStG dar. Für derartige Bezüge hat der Arbeitgeber die Pflicht, Lohnsteuer einzubehalten und an das zuständige Finanzamt abzuführen. Die Höhe der Lohnsteuer bemisst sich dabei nach den sogenannten ELStAM, den elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen.

In Fällen einer Scheinselbständigkeit hat der Arbeitgeber bisher keine entsprechenden Zahlungen geleistet. Das Finanzamt wird ihn daher per Haftungsbescheid (§ 191 AO) auffordern, die Lohnsteuer nachzuzahlen – maximal aber für das aktuelle Kalenderjahr.  
Da der Arbeitgeber die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers einbehält, erfolgt eine entsprechende Verrechnung im Einkommensteuerbescheid. Auch diese Bescheide müssen für die betroffenen Jahre geändert werden. Die vom Arbeitgeber rückwirkend abgeführte Lohnsteuer wird hier mit der tatsächlichen Steuerschuld und den bereits geleisteten Zahlungen des Selbständigen verrechnet. So ergibt sich entweder eine Erstattung oder eine Nachzahlung.

Hintergrund dieser mehr oder weniger beschränkten Nachzahlungsverpflichtung ist, dass die Lohnsteuer nur eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer ist. Der Scheinselbständige hat, indem er seine Einkünfte beim Finanzamt erklärte, seine Steuerschulden bereits getilgt. Es würde daher keinen Sinn machen, den Arbeitgeber für die Lohnsteuer der Vergangenheit erneut in Anspruch zu nehmen.

2.2. Gewerbesteuerliche Folgen der Scheinselbständigkeit

Handelt es sich beim Unternehmer um einen Gewerbetreibenden im Sinne des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 EStG, unterlag er mitunter der Gewerbesteuer. Kommt es nun zu einer rückwirkenden Einstufung als Arbeitnehmer, ist eine entsprechende Änderung der Gewerbesteuerbescheide erforderlich. Denn mangels Gewerbebetriebes konnte auch in der Vergangenheit keine Gewerbesteuerpflicht nach § 2 Absatz 1 GewStG bestehen.

In der Regel stellt die Feststellung der Scheinselbständigkeit eine neue Tatsache im Sinne des § 173 AO dar. Nach dieser Vorschrift ist eine Aufhebung der Gewerbesteuerbescheide aber nur möglich, wenn den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Tatsache trifft. Es kommt also im Einzelfall darauf an, ob der Scheinselbständige erkennen konnte und musste, dass er „nur auf dem Papier“ als Unternehmer tätig wird, tatsächlich aber in einem Arbeitsverhältnis steht.

Ist eine Aufhebung möglich, zahlt die Kommune die erhaltene Gewerbesteuer zurück. Gleichzeitig ist eine entsprechende Änderung der Einkommensteuerbescheide, in denen die Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer angerechnet wurde, erforderlich (§ 35 EStG).

2.3. Umsatzsteuer und Vorsteuerabzug

Auch das Umsatzsteuerrecht kennt in § 2 Absatz 2 UStG eine Definition der Arbeitnehmertätigkeit. Diese ist bei Scheinselbständigen in der Regel erfüllt, sodass rückwirkend keine Unternehmereigenschaft im Sinne des Absatzes 1 mehr vorliegt. Alle umsatzsteuerlich relevanten Handlungen der Unternehmerin oder des Unternehmers sind dann auf den sprichwörtlichen Prüfstand zu stellen.

Grundsätzlich können umsatzsteuerliche Nichtunternehmer keine wirksamen Rechnungen mit Steuerausweis stellen, da in § 1 Absatz 1 Nummer 1 UStG stets eine Unternehmereigenschaft vorausgesetzt wird. Da der Scheinselbständige die Umsatzsteuer aber einbehalten und ans Finanzamt abgeführt hat, ergeben sich, wenngleich die Steuerbeträge nun nach § 14c UStG geschuldet werden, in der Regel keine steuerlichen Änderungen.

Anders sieht es allerdings beim Vorsteuerabzug nach § 15 UStG aus. Denn nur gesetzlich geschuldete Steuerbeträge sind – auch hier wieder nur durch einen Unternehmer – als Vorsteuer abziehbar. Das bedeutet

  • für den Auftragnehmer: Mangels Unternehmereigenschaft konnte er keinen Vorsteuerabzug geltend machen. Dies wird rückwirkend korrigiert, sodass die entsprechenden Beträge an den Fiskus zurückzuzahlen sind.
  • für den Auftraggeber: Aus den Rechnungen des Auftragnehmers ist ebenfalls kein Vorsteuerabzug möglich, da es sich hier nicht um eine gesetzlich geschuldete Steuer handelt.

Gerade im Bereich der Vorsteuer sind die Folgen einer Scheinselbständigkeit daher mitunter gravierend.

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3. Die Strafbarkeit von Scheinselbständigkeit

Grundsätzlich machen sich Unternehmer, die einem Beschäftigten den falschen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Status zuweisen, nicht unmittelbar hierdurch strafbar. Eine Strafbarkeit kann sich aber aus den entsprechenden Folgen, insbesondere der fehlenden Abführung von Steuern und Sozialabgaben, ergeben:

  • §§ 370 und 378 AO: Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung liegt vor, wenn die gezahlte Steuer niedriger als die objektiv entstandene ist. Dies ist bei Scheinselbständigkeit nur selten der Fall, da der Arbeitnehmer durch seine private Einkommensteuererklärung häufig sogar mehr Steuer abführt, als der Arbeitgeber im Rahmen der Lohnsteuer hätte einbehalten und zahlen müssen
  • § 266a StGB: Anders als die Lohnsteuer, werden den Trägern der Sozialkassen bei Scheinselbständigkeit regelmäßig die entsprechenden Abgaben vorenthalten. Denn der Arbeitgeber müsste für seinen Arbeitnehmer „eigentlich“ Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge entrichten

Beim Veruntreuen von Arbeitsentgelt droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Arbeitgeber und Arbeit- beziehungsweise Auftragnehmer sollten daher in zweifelhaften Fällen mithilfe eines Statusfeststellungsverfahrens der Rentenversicherung prüfen lassen, ob eine unternehmerische oder abhängige Tätigkeit vorliegt. So gehen beide Seiten auf Nummer sicher.

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