Wirecard Aktien: Klagen und Verluste steuerlich nutzen!
Der Kurssturz der Wirecard Aktie aufgrund von Spekulationen über Bilanzmanipulationen hat Aktionäre ganz unerwartet getroffen. Nun suchen viele nach einer Rechtsvertretung, um Klage einzureichen. Denn Wirecard hat offenbar lange Zeit gezögert seine Aktionäre per ad hoc-Mitteilung über die drohenden, erheblichen Kursverluste zu informieren. Doch viele betroffene Investoren, die sich nun um eine Klage bemühen, fragen sich, gegen wen sie nun klagen sollen. Denn schließlich stehen hierbei sowohl die Wirecard AG, deren Vorstand und Organe sowie die von ihr beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als auch die BaFin im Fokus. Außerdem besteht bei vielen Betroffenen Ungewissheit, wie man mit den Kosten für die juristische Betreuung sowie den Gerichtskosten umgehen soll, sofern keine Rechtsschutzversicherung greift. Einige versuchen die Finanzierung über Prozessfinanzierer abzuwickeln. Diese übernehmen sowohl die Rechtsanwaltskosten als auch die möglichen Prozesskosten. Im Gegenzug erhalten sie dann einen gewissen Anteil an der etwaigen Entschädigungszahlung.
Zumindest in steuerlicher Hinsicht winkt ein kleiner Trost. Denn Verluste beim Handel mit Aktien lassen sich bei der Steuer mit Gewinnen aus anderen Aktiengeschäften verrechnen. Dies gilt sowohl im Jahr, in dem ein Verlust eintritt, als auch für zukünftige Gewinne, falls zuvor keine Gewinne vorliegen. Ein Verlustrücktrag ins Vorjahr ist hingegen ausgeschlossen.
Unser Video:
Wirecard Aktienverlust – Interview Markus Mingers
Im Video erklären wir Ihnen die rechtlichen Folgen des Skandals rund um die Wirecard Aktie sowie die Möglichkeiten, um Schadensersatz einzuklagen.
1. Ausgangspunkt Wirecard Aktie
In den vergangenen Jahren war die Wirecard AG als Dax-Unternehmen einer der großen Lichtpunkte am deutschen Finanz-Firmament. Sie leuchtete auch weit ins internationale Finanz-Universum hinaus und zog große wie kleine Investoren magisch in ihren Bann. Nun explodiert diese Sonne plötzlich als Supernova und kollabiert schon für alle sichtbar zu einem Schwarzes Loch für Millionen und Milliarden von in sie investierte Euro.
Was Mitte Juni 2020 auf die Aktionäre der Wirecard AG zukam, wird wohl noch lange Zeit in ihrem Gedächtnis verweilen. Anschuldigungen und Hintergründe werden sich wohl auch noch für eine ganze Weile in den Medien tummeln, doch Ruhe wird es wohl erst dann geben, wenn die involvierten Gerichte ihr Urteil gefällt haben und der derzeitige Insolvenzverwalter seine Aufgabe gestemmt haben wird. Und natürlich steht mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nun auch die staatliche Kontrollbehörde in der Pflicht Stellung zu beziehen, um mögliche eigene Fehler oder Unzulänglichkeiten in einen Prozess zu überführen, der zukünftig zu einem verbesserten Schutz für Investoren führt.
2. Wirecard: Ansprüche von Aktionären
In der Zwischenzeit interessieren sich die vom Finanzskandal betroffenen Aktionäre der Wirecard AG mehr für die nun zu unternehmenden Schritte als für den aktuellen Aktienkurs ihres vormaligen Hoffnungsträgers an der Börse. Wer hat diesen erheblichen Kursverfall der Wirecard Aktie zu verantworten? Und was ergibt sich in der Konsequenz daraus? Stehen den Aktionären Entschädigungen zu? Und wenn ja, von wem? Natürlich steht dann auch die Frage im Raum, wie man seine Ansprüche einfordern kann. Schließlich ist ein Klageverfahren alles andere als einfach – insbesondere in finanzieller Hinsicht. Dies gilt auch dann, wenn viele gleichgerichtete Ansprüche in einer Sammelklage gebündelt vorgetragen werden.
Auch wenn wir keine Glaskugel zur Zukunft des aufziehenden Rechtsstreits mit diesen Fragen um Auskunft ersuchen können, dabei hoffend, die Wahrheit von morgen schon heute zu erfahren, so wissen wir, wie man mit Verlusten aus Aktiengeschäften bei der Steuer umgeht. Dazu geben wir Ihnen Informationen an die Hand, die Ihnen auch in diesem Aspekt hoffentlich von Nutzen sein werden. Aber lassen Sie uns erst noch einige Punkte zu den juristischen Maßnahmen erläutern, die bei den betroffenen Aktionären jetzt sicherlich eher im Vordergrund stehen.
3. Die vier Beklagten beim Wirecard-Skandal
Zunächst untersuchen wir, wer beim Wirecard-Skandal möglicherweise eine Verantwortung trägt und worin sie begründet sein mag. Wenn dies justiziabel ist, dann kennt man zumindest schon mal denjenigen oder gar diejenigen Personen, bei denen man auf Schadensersatz klagen kann.
Im Grunde unterstellt man hier einen deliktrechtlichen Anspruch, der auf dem Zivilrecht sowie dem Wertpapierhandelsrecht beruht, wobei auch die EU-Verordnung über Marktmissbrauch (MMVO/MAR) eine Rolle spielt. Der Vorwurf lautet nämlich, dass die Wirecard AG wesentlich früher ihrer Informationspflicht gegenüber ihren Aktionären hinsichtlich des drohenden, massiven Kursverlusts hätte nachkommen müssen. Zwar hat es allem Anschein nach auch ganz andere Handlungen gegeben, bei der man eine kriminelle Energie unterstellen mag, doch ist es insbesondere dieser Teilaspekt, der die größte Aussicht auf einen Schadensersatzanspruch verspricht. Wer nun alles diese Pflicht versäumte oder gar hinauszögerte und welche Motive dabei eine Rolle spielten, ist somit natürlich ebenfalls von Bedeutung.
3.1. Beklagter Nummer 1: Wirecard AG
Der Schaden für die Aktionäre ist entstanden, weil die Wirecard AG simpel ausgedrückt weniger Wert war, als angegeben – oder vorgegeben. Offenbar wurde tief in die Trickkiste zur Überlistung von Aktienmarkt und Finanzinvestoren gegriffen, um den Wert des Unternehmens künstlich zu steigern. Dies liegt zum einen im Verantwortungsbereich der Aktiengesellschaft, die als Kapitalgesellschaft gleichzeitig auch eine juristische Person darstellt, die man somit verklagen kann. Zum anderen aber sicherlich beim Vorstand, dem wirklichen Entscheidungsträger in dieser Angelegenheit. Also liegt entweder ein Schadensersatzanspruch gegenüber ihren D&O-Versicherungen (Haftpflichtversicherung) oder vielleicht sogar ihnen selbst gegenüber vor.
3.2. Beklagter Nummer 2: Die Organe der Wirecard AG
Somit tragen eine Reihe von natürlichen Personen die tatsächliche Verantwortung für das, was im Unternehmen entschieden wurde. In Bezug auf den Skandal sind dies also die Personen, die den Überblick über die tatsächliche finanzielle Situation der Wirecard AG hatten. Dazu zählt neben dem Vorstand auch der Vorsitzende des Aufsichtsrats sowie dessen Mitglieder. Als solche stehen sie in der Pflicht, bei allen Ereignissen, die einen bedeutenden Kursverlust bedeuten können, die Aktionäre durch eine ad-hoc-Meldung in den Medien zu warnen und über die Zusammenhänge zu informieren. Nun lautet der Vorwurf, dass man dieser ad-hoc-Publizitätspflicht gemäß Artikel 17 Absatz 1 MMVO erst viel zu spät nachgekommen ist. Somit kommen auch sie bei der nun anrollenden Klagewelle als Beklagte ins Visier der zivilen Gerichtsverfahren sowie der strafrechtlichen Verfolgung.
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3.3. Beklagter Nummer 3: Ernst & Young Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (EY)
Wenn EUR 1,90 in einer Bilanz als Kapital erscheinen, die keinen Bezug zur Realität haben, dann ist dies oft ein Sachverhalt, dem ein Wirtschaftsprüfer nur geringe Bedeutung beimisst. Wenn es jedoch EUR 1,9 Milliarden sind, dann sollte man doch meinen, dass dies schon für ein wenig Aufmerksamkeit sorgt. Erst recht, wenn ein so renommierter Name wie EY die Wirtschaftsprüfung bei der Wirecard AG über viele Jahre hinweg verantwortete. Daher sehen viele Kläger auch eine gewisse Verantwortung bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, gegen die sie nun auch zivilrechtlich klagend vorgehen.
3.4. Beklagter Nummer 4: BaFin
Tatsächlich trifft hier offenbar sogar eine staatliche Aufsicht eine gewisse Verantwortung beim Wirecard-Skandal. Denn ihre Funktion sollte es doch bitte schön sein, dass sie genau vor solchem mutmaßlichem Betrug im Finanzsektor schützen soll. Folglich liegt der Schluss nahe, dass auch hier eine teilweise Haftung einzufordern ist. Also kommt auch die BaFin als beklagte Partei in Frage.
4. Prozess kosten, Prozessfinanzierung hilft
Wer eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hat, die auch im vorliegenden Fall greift, braucht nur noch eine passende Rechtsanwaltskanzlei mit der Vertretung seiner Interessen zu beauftragen. Doch auch jene Privatanleger, die über keine entsprechende Absicherung verfügen, können Mittel und Wege nutzen, um ebenfalls zu ihrem Recht auf Schadensersatz zu kommen. Das Zauberwort hierzu lautet Prozessfinanzierung.
Bei der Prozessfinanzierung handelt es sich um eine Investitionsmethode, bei dem Investoren in gewisser Weise darauf wetten, dass die Partei, die man in einem Schadensersatzverfahren unterstützt, den Prozess gewinnt. Denn im Gegenzug zur Investition in die erforderliche juristische Betreuung der Kläger erhält der Prozessfinanzierer einen Anteil am zugesprochenen Schadensersatz. Natürlich besteht auch für den Investor das Risiko, dass das Gericht die Sache anders sieht. Doch trägt zumindest der Kläger dabei kein weiteres finanzielles Risiko.
5. Verluste aus Aktiengeschäften mit eben solchen Gewinnen steuerlich verrechnen
5.1. Verlustverrechnung und Verlustvortrag
Ausnahmsweise kommen wir in diesem Beitrag erst am Ende auf die steuerlichen Aspekte des Themas zu sprechen. Doch mag dies ein kleines Trostpflaster für die Wirecard Aktionäre sein. Denn wer nun seine Wirecard Aktien, die man vielleicht bei einem Kurs von EUR 100 angekauft hat, inzwischen für lediglich EUR 2,50 verkauft, der hat einen steuerlich zu berücksichtigenden Verlust erfahren. Dieser Verlust wird bei der Besteuerung von Einkünften aus Kapitalerträgen mit Gewinnen der gleichen Art verrechnet. Gewinne gleicher Art sind hierbei ausschließlich auf solche Gewinne anwendbar, die ebenfalls mit dem Handel von Wertpapieren zusammenhängen. Eine Anrechnung von Verlusten aus dem Wirecard-Debakel auf erhaltene Dividenden anderer Herkunft sind dagegen ausgeschlossen.
Ebenfalls ausgeschlossen ist die Verrechnung von Verlusten mit Gewinnen aus dem Vorjahr. Zwar besteht prinzipiell die Möglichkeit eines Verlustrücktrags im Einkommensteuerrecht. Allerdings hat der Gesetzgeber dies für Einkünfte aus Kapitalvermögen dieser Art ausgeschlossen.
Selbst wenn im Veranlagungszeitraum, in dem der Kursverlust durch Verkauf der Aktien eintritt, keine weiteren Gewinne aus dem Handel mit anderen Aktien zu verzeichnen sind, bleibt der Verlust bestehen. Er kann dann später immer noch mit Gewinnen, die in darauffolgenden Jahren aus dem Handel mit Aktien erzielt werden, verrechnet werden. Dieser Verlustvortrag kennt also kein Verfallsdatum.
5.2. Steuerliche Behandlung von Schadenersatzleistungen
Sollte jedoch tatsächlich ein Schadensersatz an die Aktionäre geleistet werden, dann kann dies unter Umständen dazu führen, dass diese steuerpflichtig sind. Denn wenn sie in direktem Zusammenhang mit dem Ausgleich eines verlustig gewordenen steuerpflichtigen Gewinns stehen, dann gelten diese Leistungen als dem erwarteten Gewinns gleichgestellt. Dies wäre also der Fall, sollten die Aktionäre für die Kursverluste ihrer Aktien entschädigt werden.
Besteht jedoch nur ein indirekter Zusammenhang zwischen einer Schadenersatzleistung und dem Ausfall des Gewinns, dann besteht hierzu keine Steuerpflicht bei der Einkommensteuer. Grund hierfür ist, dass solch ein Schadenersatz keiner der im Einkommensteuerrecht verankerten Einkunftsarten entspricht. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, falls ein Urteil Schadenersatzansprüche von Aktionären gegenüber der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bestätigen sollte.
6. Ein Nachwort zum Nachdenken
6.1. Direkte wirtschaftliche Folgen des Wirecard-Skandals
Wirecard-Aktionäre mag die Verrechnung ihres Verlusts mit anderen Gewinnen als Trostpflaster dienen. Doch hat dieses Ereignis eine ganze Reihe weiterer Folgen. Dabei werden die weitaus meisten Betroffenen ohne staatlich-steuerlichen Trost auskommen müssen. In erster Linie wollen wir dabei auch an all die redlichen Angestellten der Aktiengesellschaft denken, deren Arbeitsplatz durch die Insolvenz bedroht ist oder gar verloren geht. Weiterhin hat auch Deutschland als Finanzmarkt mit Auswirkungen durch den Skandal zu rechnen, was wiederum an weiteren Arbeitsplätzen im Finanzsektor rütteln wird. Es ist eben auch eine Frage des Vertrauens in den Standort Deutschland, die bei solchen Ereignissen in den Vordergrund rückt und auch zukünftig Einfluss nehmen wird, wenn man als Investor Entscheidungen bei der Kapitalanlage trifft. Insbesondere kleinere Investoren werden es sich nun mehr als einmal überlegen, ob sie auch in Zukunft in Aktien namhafter Konzerne investieren sollen. Auch dies hat dann sicherlich weitere wirtschaftliche Folgen für die Menschen in Deutschland.
6.2. Steuerpolitische Aspekte des Wirecard-Skandals
Somit greifen hier gleich zwei steuerpolitische Auswirkungen des Finanzskandals ineinander. Denn einerseits entgeht der Bundesrepublik aufgrund dieser Entwicklungen rund um die Wirecard Aktie die Steuer, die aus dem erhofften Gewinn der Aktionäre zu erwarten war. Stattdessen fallen auch die zukünftigen Steuern durch die Verrechnung mit diesen Verlusten geringer aus. Und zweitens wird dieses Ereignis über die Aktionäre hinaus eben auch alle anderen Bürger in unserem Land treffen, wenn auch indirekt und somit von keinem bemerkt oder beziffert. Denn wenn dem Staat Steuern entgehen, müssen entweder einige Abstriche beim Bundeshaushalt für einen Ausgleich sorgen, oder höhere Steuern an anderer Stelle die Lücken füllen.
Am ehesten ist wohl mit beiden Konsequenzen zu rechnen. Der direkte Ausfall an Steuern aufgrund des Wirecard-Skandals mag vielleicht tatsächlich gering sein, insbesondere im Vergleich zum gesamten Steueraufkommen in Deutschland. Doch dass dies in Zeiten, in denen die Wirtschaft ohnehin schon mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie konfrontiert ist, sodass sie staatliche Unterstützung benötigt, alles andere als die Situation verbessernd wahrgenommen werden kann, bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung.
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