Auskunftsverweigerungsrechte im Steuerstrafverfahren
Das Steuerstrafverfahren, insbesondere wegen Steuerhinterziehung eingeleitet, findet vor den ordentlichen Gerichten statt. Daher gelten hier alle üblichen Auskunftsverweigerungsrechte, auf die sich die Betroffenen beispielsweise auch bei Straftaten wie Körperverletzung oder Urkundenfälschung beziehen können. Soweit ein Auskunfts- oder Zeugnisverweigerungsrecht greift, müssen Beteiligte keinerlei Angaben zum jeweiligen Sachverhalt machen.
Unser Video:
Die Steuerhinterziehung
In diesem Video schauen wir uns die Steuerhinterziehung mit Blick auf den Cum-Ex-Skandal an.
Inhaltsverzeichnis
1. Das Auskunftsverweigerungsrecht des Beschuldigten respektive Angeklagten
Das „Auskunftsverweigerungsrecht“ des Beschuldigten ist korrekterweise als „Aussageverweigerungsrecht“ zu bezeichnen. Denn der Beschuldigte selbst darf jegliche Aussage verweigern, während dies bei Zeugen nur in bestimmten Fallkonstellationen und meist auch nur partiell, das heißt hinsichtlich gesetzlich klar bestimmter Angaben, der Fall ist.
Der Beschuldigte ist nach § 136 Absatz 1 Satz 1 StPO beziehungsweise § 55 OWiG bereits vor Beginn der ersten Vernehmung darauf hinzuweisen, dass es ihm freistehe, sich zu der ihm vorgeworfenen Tat zu äußern. Gleichzeitig müssen Vernehmungsbeamte Aussagen über den konkreten Tatvorwurf treffen und den Beschuldigten darüber informieren, dass er zur Hinzuziehung eines Anwaltes befugt ist. Sofern die Staatsanwaltschaft eine Vernehmung selbst durchführt, muss sie auch die jeweiligen Normen, auf die sich der Vorwurf stützt, darlegen.
Verstößt die Strafverfolgungsbehörde – bei Steuerhinterziehung in der Regel das Finanzamt – gegen die ihr obliegenden Pflichten, kann dies ein Beweisverwertungsverbot zur Folge haben. Selbst ein Geständnis des Geschuldigten wäre in diesen Fällen gegebenenfalls wertlos.
Entsprechendes gilt für bestimmte Beschlagnahmeverbote, beispielsweise nach § 97 StPO, dem wir bereits einen eigenen Beitrag gewidmet haben.
2. Zeugnisverweigerungsrechte bestimmter Personen
Neben dem oder den Beschuldigten selbst haben auch weitere Personen ein Auskunftsverweigerungsrecht. Sofern es sich dabei um Zeugen handelt, ist auch von einem Zeugnisverweigerungsrecht die Rede. Geschützt sind insbesondere die folgenden Personengruppen:
- Angehörige des Beschuldigten
- Berufsgeheimnisträger und ihnen gleichgestellte Personen
- Personen, die sich oder ihre Angehörigen durch eine Aussage selbst der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen würden
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2.1. Auskunftsverweigerungsrechte der Angehörigen
Angehörige des Beschuldigten können, wenn sie als Zeugin oder Zeuge geladen werden, das Zeugnis verweigern (§ 52 Absatz 1 StPO). Angehörige sind:
- Verlobte
- Ehegatten, auch wenn die Ehe aufgelöst wurde
- Lebenspartner, auch wenn die Lebenspartnerschaft aufgelöst wurde
- Personen, die in gerader Linie mit dem Beschuldigten verwandt oder verschwägert sind (insbesondere Kinder und Eltern)
- Personen, die in der Seitenlinie bis zum dritten Grad mit dem Beschuldigten verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert sind
Bei minderjährigen Zeugen, die zur Verweigerung der Aussage befugt sind, muss der gesetzliche Vertreter eine Aussagegenehmigung erteilen (§ 52 Absatz 2 StPO). Die Zeugen müssen vor ihrer Aussage über das Aussageverweigerungsrecht belehrt werden (§ 52 Absatz 3 StPO). Das Ausbleiben dieser Belehrung kann zu einem Beweisverwertungsverbot führen.
2.2. Zeugnisverweigerungsrechte der Berufsgeheimnisträger
Berufsgeheimnisträger wie Steuerberater sind grundsätzlich begehrte Zeugen der Ermittlungsbehörden, da ihnen zahlreiche Informationen „aus erster Hand“ vorliegen. Entsprechend gelten hier umfassende Aussageverweigerungsrechte. Dabei findet § 53 StPO aber nur Anwendung, soweit den Berufsgeheimnisträgern die Informationen in ihrer beruflichen Eigenschaft bekannt geworden sind. Geschützt sind
- Geistliche,
- Verteidiger (Rechtsanwälte),
- Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerbevollmächtigte und Steuerberater,
- Ärzte, Apotheker, Zahnärzte und
- Mitglieder des Deutschen Bundestages, des Europäischen Parlaments oder eines Landtags.
Hat der Beschuldigte den Berufsgeheimnisträger von der Wahrung des Berufsgeheimnisses befreit, so darf letzterer vernommen werden. Er kann sich dann nicht mehr auf sein Auskunftsverweigerungsrecht berufen (§ 53 Absatz 2 StPO). Einem Berufsgeheimnisträger stehen Personen, die bei dessen Tätigkeit mitwirken (etwa als Hilfskräfte) gleich (§ 53a StPO).
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2.3. Auskunftsverweigerungsrecht bei Gefahr der Beschuldigung
Jede Zeugin und jeder Zeuge kann das Zeugnis verweigern, wenn sie oder er sich durch eine wahrheitsgemäße Aussage selbst der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen würde (§ 55 Absatz 1 StPO). Entsprechendes gilt für Ordnungswidrigkeiten, wobei die Art der Ordnungswidrigkeit unerheblich ist. Auch hierüber hat eine entsprechende Belehrung zu erfolgen; außerdem muss das Vorliegen dieses Grundes glaubhaft gemacht werden.
Beispiel: A und B haben gemeinsam Steuern hinterzogen. Die Tat wird nur hinsichtlich des A entdeckt, B ist für die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes aber als Zeuge interessant. Nun wird B als Zeuge geladen und zu den Handlungen des A befragt. Da B sich durch eine Aussage selbst der Gefahr aussetzen würde, wegen (seiner eigenen) Steuerhinterziehung als Tatbeitrag verfolgt zu werden, darf er nach § 55 StPO die Aussage verweigern.
3. Nachträgliche Feststellung eines Auskunftsverweigerungsrechts
Stellt sich erst hinterher heraus, dass eine vernommene Person ein Auskunftsverweigerungsrecht hat, so dürfen die durch ihre Aussage gewonnenen Informationen nicht verwertet werden. Ein solcher Fall kann beispielsweise vorliegen, wenn im Zeitpunkt der Vernehmung bereits eine Verlobung bestand, die Zeugin den Vernehmungsbeamten aber nicht darauf hingewiesen hat.
Gerichtsurteile, die ganz oder teilweise nur durch Missachtung von Auskunftsverweigerungsrechten zustande gekommen sind, können angefochten werden. Das Berufungs- oder Revisionsgericht muss seine Entscheidung ohne die dem Verwertungsverbot unterfallenden Beweise erneut fällen. Stellt sich hier heraus, dass kein eindeutiger Nachweis der Tathandlungen möglich ist, so darf keine Verurteilung (mehr) erfolgen.
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