Steuerhinterziehung bei wiederkehrenden Steuerarten vermeiden: So handeln Sie richtig!
Die neuen Änderungen des § 376 AO verschärfen die Strafverfolgung von Steuerstraftaten. Diese können auch die Möglichkeit der Selbstanzeige erschweren. Zudem wirkt es sich auf die Handlungsalternativen bei dem Vorwurf der Steuerhinterziehung bei wiederkehrenden Steuerarten aus. Das widerspricht dem verfassungsrechtlich gesicherten Recht des Steuerhinterziehers sich selbst nicht belasten zu müssen. Wir erklären, welche steuerstrafrechtlichen Probleme auftreten und wie sich diese vermeiden lassen.
Unser Video: Steuerhinterziehung: Strafbefreiung durch Selbstanzeige
In diesem Video erklären wir, wie Sie durch die Selbstanzeige Strafbefreiung im Steuerstrafverfahren erlangen können.
Inhaltsverzeichnis
1. Änderungen der Steuerhinterziehungsvorschriften
Am 01.01.2021 ist die verlängerte Verfolgungsverjährungsfrist von 15 Jahren für die Katalogfälle der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Absatz 3 AO in Kraft getreten. Diese Änderung hat aber Folgen, die über die strafrechtliche Verjährung hinausreichen. Beispielsweise kommt es zu einem verlängerten Berichtigungszeitraum für Selbstanzeigen nach §§ 371, 398a AO. Daneben berührt diese gesetzgeberische Maßnahme die Selbstbelastungsfreiheit der Steuerpflichtigen. Diese würden sich durch Erfüllung ihrer Mitwirkungspflichten mittelbar selbst auf ihre bereits begangenen Steuerstraftaten aus früheren Besteuerungszeiträumen belasten. Das wiederum hat Auswirkungen auf die Handlungsalternativen bei periodisch widerkehrenden Steuerarten, wie der Einkommensteuer oder Gewerbesteuer. Wir erklären folgend, wie Sie aus dieser Konfliktsituation herauskommen.
2. Selbstbelastungsfreiheit des Steuerpflichtigen
Die Selbstbelastungsfreiheit (nemo tenetur se ipso accusare) wird als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1 GG geschützt. Der Steuerpflichtige muss sich daher in einem Strafverfahren nicht selbst belasten. Dabei kommt es dann zu einem unzulässigem Selbstbelastungszwang, wenn der Steuerpflichtige gezwungen wird, sich mittelbar selbst wegen einer Steuerstraftat aus einem vorherigen Besteuerungszeitraum zu belasten. Dazu kann es aber bei wiederkehrenden Steuerarten kommen. Wir erklären folgend Sie dennoch Steuerhinterziehung bei wiederkehrenden Steuerarten vermeiden.
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3. Problem: Steuerhinterziehung bei wiederkehrenden Steuerarten
Probleme im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung entstehen bei periodisch wiederkehrenden Steuerarten. Dabei kann der Steuerpflichtige bereits in einem vorherigen Veranlagungszeitraum eine Steuerhinterziehung begangen haben. Sie bleibt dabei aber nur dann unentdeckt, wenn er sein steuerunehrliches und strafbares Verhalten in den weiteren Veranlagungszeiträumen fortsetzt. Wenn er hingegen steuerehrliche wird, kann die Finanzbehörde Rückschlüsse auf die schon begangene Tat des vorherigen Veranlagungszeitraums ziehen.
Dann belastet sich der Steuerpflichtige durch die Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten selbst im Hinblick auf den früheren Besteuerungszeitraum. Bei Nichterfüllung seiner Mitwirkungspflichten hingegen würde er sich weiter der Steuerhinterziehung strafbar machen. Will der Steuerpflichtige beispielsweise bei der Erfüllung seiner Erklärungspflicht eine im Vorjahr schon existente aber verheimlichte Einkunftsquelle erstmalig offenbaren kommt er in eine entsprechende Konfliktsituation.
4. Rechtsprechung zur Steuerhinterziehung bei wiederkehrenden Steuerarten
4.1. Suspendierung der strafbewehrten Steuererklärungspflicht
Der Bundesgerichtshof (BGH) löst einige ähnliche Konflikte, indem er unter Voraussetzungen die Strafbewehrung der Steuererklärungspflicht suspendiert. Das gilt dann, wenn der Steuerpflichtige ansonsten in eine unauflösbare Konfliktsituation gerät. Voraussetzung der Unauflösbarkeit ist die Unzumutbarkeit des normgemäßen Verhaltens. Dies erkennt der BGH allerdings nur dann an, soweit ein Strafverfahren hinsichtlich des nämlichen Unrechts eingeleitet war.
Wenn zum Beispiel bereits wegen hinterzogener monatlicher Umsatzsteuervorauszahlung aus einem bestimmten Kalenderjahr das Steuerstrafverfahren eingeleitet ist, ist diese Nämlichkeit im Verhältnis zur späteren strafbewehrten Umsatzsteueranmeldung für ebendieses Kalenderjahr gegeben. Die strafbewehrte Verpflichtung ist auch dann suspendiert, wenn das Strafverfahren bereits wegen versuchter Steuerhinterziehung hinsichtlich derselben Steuerart und desselben Besteuerungszeitraums eingeleitet ist.
Ansonsten besteht die Strafandrohung des § 370 AO hingegen – trotz der Gefahr der Selbstbelastung im Hinblick auf frühere Besteuerungszeiträume – fort, wenn der Steuerpflichtige mit einer unrichtigen beziehungsweise unterlassenen Erklärung neues Unrecht begehen würde. Das betrifft die hier in Rede stehenden periodisch wiederkehrenden Erklärungspflichten, in denen der Steuerpflichtige durch die Strafandrohung gezwungen würde, sich mittelbar selbst wegen einer Steuerstraftat aus einem Vorjahr zu belasten.
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4.2. Beweisverwertungsverbot
Um in solchen Konfliktsituationen dem Nemo-tenetur-Grundsatz trotz der fortbestehenden Strafandrohung gerecht zu werden, nimmt die Rechtsprechung ein Beweisverwendungsverbot an. Das gilt jedoch nur, sofern der Steuerhinterzieher keine wirksame Selbstanzeige mehr erstatten kann, beispielsweise weil bereits Sperrgründe nach § 371 Absatz 2 AO eingetreten sind.
4.3. Selbstanzeige zur Vermeidung der Steuerhinterziehung bei wiederkehrenden Steuerarten
Wenn für die ursprüngliche Steuerhinterziehung die Möglichkeit einer wirksamen Selbstanzeige noch fortbesteht, so sieht der BGH den Steuerpflichtigen nicht in einer Konfliktlage. Daher soll ihm ein Beweisverwertungsverbot nicht zu stehen. Vielmehr soll der der Steuerpflichtige sich selbst aus der Situation befreien, indem er seine Taten aus einem früheren Besteuerungszeitraum offenbart. Grund dafür soll die strafaufhebende Wirkung der Selbstanzeige sein.
Die Angaben in der Selbstanzeige müssen in vollem Umfang und zu allen noch nicht verfolgungsverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart erfolgen. Die oben angesprochene verlängerte Verfolgungsverjährung bezieht sich auf die Katalogfälle des § 370 Absatz 3 AO. Der Strafverfolgung und der geschilderten Konfliktsituation kann der Steuerhinterzieher in den Katalogfällen damit nunmehr nur noch entgehen, wenn er alle in den letzten 15 Jahren hinterzogenen Steuern einer Steuerart nacherklärt und gegebenenfalls verzinst nachentrichtet.
Da der Berichtigungszeitraum so weit in die Vergangenheit zurückreicht ist es für den Steuerpflichtigen schwierig, die notwendigen Daten vollständig und in der für die Selbstanzeige gebotenen hohen Qualität zusammenzutragen. Unabhängig davon gerät zudem die Abgrenzung des bedingten Vorsatzes von der – nicht strafbaren – bewussten Fahrlässigkeit immer mehr zu einem für den Steuerpflichtigen unkalkulierbaren Glücksspiel, je länger die objektive Steuerverkürzung zurückliegt. Es bedarf daher eine besonders aufmerksamen Dokumentation.
Eine Selbstanzeige, die nicht hinreichend präzise ist nicht nur unwirksam. Darüber hinaus liefert sie den Strafverfolgungsbehörden einen Anfangsverdacht und damit den Anlass für die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens. Wir beraten Sie gerne zum Einreichen der optimalen Selbstanzeige.
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5. Fazit: Auswege aus der Steuerhinterziehung bei wiederkehrenden Steuerarten
Hat der sich in einer Konfliktsituation befindliche Steuerpflichtige bezogen auf zurückliegende Besteuerungszeiträume keine Selbstanzeigemöglichkeit mehr, beispielsweise wegen bereits eingetretener Sperrgründe, ist die Erfüllung von Erklärungspflichten für spätere Besteuerungszeiträume nur dann weiter zumutbar, wenn die offenbarten Informationen allein im Besteuerungsverfahren verwendet werden dürfen. Sie dürfen, soweit sie unmittelbar oder auch nur mittelbar zum Nachweis einer Steuerhinterziehung für die zurückliegenden Steuerjahre führen können, nicht für Strafverfolgungszwecke herangezogen werden.
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