Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft
Die Bewertung von Anteilen an einer Genossenschaft kann man auf zweierlei Weise angehen. Einerseits kann man sie mit dem Nennwert ansetzen, den man als Mitglied in die Genossenschaft ursprünglich einlegte, um Mitglied zu werden. Schließlich entspricht dies ja auch dem Guthaben, das man beim Ausscheiden aus der Genossenschaft zurückerhält. Andererseits muss man auch der gesetzlichen Forderung nach Ansatz objektiver, sprich wirtschaftlicher Maßstäbe bei der Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft nachkommen. Dabei stehen die tatsächlich über die Mitgliedschaft in der Genossenschaft erzielten laufenden Gewinne im Vordergrund der Bewertung der Anteile.
Doch kommt es im Detail darauf an, wozu die Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft dienen soll. Dabei kann man einerseits von Situationen ausgehen, in denen die Übertragung von Anteilen an einer Genossenschaft im Rahmen einer Schenkung oder Erbschaft eine Bewertung erfordert. Andererseits kann auch der Wegzug eines in Deutschland zuvor steuerpflichtigen Genossenschaftsmitglieds ins Ausland Anlass zur Bewertung seiner Anteile an der Genossenschaft sein. Zumindest in dieser Hinsicht besteht die Möglichkeit, dass eine steuerlich vorteilhafte Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft in Betracht kommt. Doch ist es bei der Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft allgemein so, dass hierzu weder genau definierte gesetzliche Normen noch richterlich relevante Urteile eine finale Klärung gewährleisten.
Was ist eine Genossenschaft? Gründung, Steuern, Vorteile, Bewertung
In diesem Video erklären wir das Wesen einer Genossenschaft und wie man sie gründet.
1. Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft – Einleitung
Die Genossenschaft hat als Unternehmensform einige Besonderheiten, die sie sowohl in die Nähe einer Kapitalgesellschaft als auch in die eines eingetragenen Vereins rückt. So beruht die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft auf Zahlung eines Mitgliedschaftsanteils. Dies entspricht im Grunde einer Einlage. Eine vergleichbare Zahlung findet zum Beispiel bei einer Kapitalgesellschaft statt. Denn dort geht die Einlage mit dem Erwerb von Anteilen einher, die ein Stimmrecht umfasst.
Andererseits ist eine Wertsteigerung des Anteils an einer Genossenschaft im Prinzip ausgeschlossen. Denn ganz gleich, wie sehr der Wert der Genossenschaft steigen mag, wenn ein Genossenschaftsmitglied austritt, dann steht ihm lediglich eine Auszahlung seines Guthabens in Höhe seiner ursprünglichen Einlage zu. Damit steht der Fortbestand der Genossenschaft unter einem gewissen finanziellen Schutz. Zumindest im Vergleich zu einer GmbH berührt dies die finanzielle Basis des Unternehmens üblicherweise weitaus weniger.
Somit kommen wir dem Thema unseres vorliegenden Beitrags schon nahe. Denn wir wollen uns diesmal der Bewertung von Anteilen an einer Genossenschaft widmen. Um jedoch zu klären, ob die Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft nach den zivilrechtlichen oder anderen Vorgaben geregelt ist, werfen wir zunächst einen Blick auf die allgemeine Rechtslage zu Genossenschaften.
2. Allgemeine Rechtslage zu Genossenschaften
Die Genossenschaft ist in ihrer Rechtsform durch das Genossenschaftsgesetz (GenG) im Zivilrecht verankert. Dort findet man die wichtigsten Paragraphen, um zum Beispiel eine Genossenschaft zu gründen, zu führen oder zu beenden. Doch wenn es um steuerliche Aspekte der Genossenschaft geht, dann muss man feststellen, dass der Gesetzgeber lediglich die grundsätzliche Besteuerung von Genossenschaften bei der Gesetzgebung bedachte. Zwar gibt es für viele Sachverhalte, in denen steuerrelevante Themen wie etwa die Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer im Vordergrund stehen, Normen, die einzelne Unternehmensformen ganz konkret behandeln, aber die Genossenschaft stellt hierbei eine Ausnahme dar. So ist es auch, wenn es um die Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft geht. Daher muss man festhalten, dass es keine gesetzlichen Regelungen gibt, die explizit die Bewertung von Anteilen an Genossenschaften bestimmen.
Nun mag man fragen, ob man dann mangels klarer Regeln einfach selbst bestimmen kann, wie man einen derartigen Sachverhalt behandeln soll. Schließlich steht ja kein Gesetz dem eigenen Ansinnen in dieser Hinsicht entgegen. Doch mag dann die Finanzverwaltung stets der gleichen Ansicht sein? Wohl kaum. Die Folge wäre dann, dass ein Gericht mit einem Urteil eine Klärung herbeiführen muss. Jedoch fanden aufgrund der Tatsache, dass Genossenschaften in der Vergangenheit stets eine Randerscheinung in der deutschen Unternehmerlandschaft darstellten, kaum Verhandlungen über solche gesetzlich ungeregelten steuerlichen Aspekte vor den Finanzgerichten oder gar vor dem Bundesfinanzhof statt. Mit anderen Worten: die Rechtslage zu bestimmten steuerlichen Gesichtspunkten der Genossenschaft ist unklar. Und so ist es auch mit der Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft.
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3. Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft: Erbschaft- & Schenkungsteuer
Bei der Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft wollen wir zwischen zwei Fällen unterscheiden. Dabei behandelt dieses Kapitel die Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft im Zusammenhang mit einer Schenkung oder Erbschaft.
3.1. Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft nach dem Nennwert
So kann man die Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft einerseits mit dem Wert beziffern, der dem Geschäftsanteil des Genossenschaftsmitglieds entspricht. So ist es ja auch schließlich in § 73 GenG bestimmt. Und tatsächlich entspricht dies der Auffassung vieler Kommentatoren, weil ja auch § 12 Absatz 1 Satz 1 BewG den Nennwert der Anteile als maßgebend benennt. Doch muss man dabei auch die Einschränkung, die dieser Satz in seinem zweiten Teil enthält, beachten. Dort ist die Rede von besonderen Umständen, die einen höheren oder geringeren Wert zu begründen vermögen. Was aber genau damit gemeint ist, bleibt offen und ist somit in jegliche Richtung auslegbar.
3.2. Bewertung der Anteile nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip
Daher kann die Finanzverwaltung in solchen Fällen, in denen es einen höheren Wert als den Nennwert annimmt, andere Maßstäbe ansetzen. Dabei orientiert man sich an den allgemeinen Prinzipien zur Besteuerung. Eines hiervon ist das Leistungsfähigkeitsprinzip. So ist die Bemessungsgrundlage zur Besteuerung allgemein so anzusehen, dass sie unter anderem die Höhe der Einnahmen berücksichtigt. Darüber hinaus kann die Finanzverwaltung in einem solchen Fall auch auf § 42 AO verweisen. Mit diesem Gesetz hat der Gesetzgeber festgelegt, dass auch gesetzeskonforme Auslegungen prinzipiell keine Grundlage für eine Einschränkung des Besteuerungsrechts darstellen dürfen. Also greift in einem solchen Fall das Leistungsfähigkeitsprinzip.
Was bedeutet das nun für die Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft? Solange die Anwendung der hierzu anwendbaren Gesetzesnorm keinen Gestaltungsmissbrauch darstellt, kann man § 12 BewG als maßgebend ansehen. Wenn aber ein Genossenschaftsmitglied seinen Anteil an einer Genossenschaft mit geringem Nennwert per Schenkung oder Erbschaft überträgt, bei dem es in der Vergangenheit stets überproportional hohe Gewinnausschüttungen gab, dann sollte ihre Bewertung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip erfolgen.
Doch ob dieser objektive Maßstab nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ohne weitere gesetzliche Flankierung auch vor Gericht Bestand hat, ist bis dato offen.
4. Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft: Wegzugsteuer
Ähnlich ist der Sachverhalt auch im Zusammenhang mit einem Wegzug eines Genossenschaftsmitglieds zu sehen. Zwar ist die Genossenschaft keine Kapitalgesellschaft, doch findet auch auf sie die Bestimmungen hierzu Anwendung (§ 6 Absatz 1 Satz 1 AStG in Verbindung mit § 17 Absatz 7 EStG). Schließlich ist dies eine logische Schlussfolgerung, weil man die Genossenschaft ja auch in steuerlicher Hinsicht als Kapitalgesellschaft behandelt.
Somit erfolgt die Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft entweder nach dem Nennwert oder nach dem anteiligen Wert auf Basis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Genossenschaft, also ihren Gewinn.
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5. Bewertungsvergleich zu anderen Unternehmensformen
Nun wollen wir die zuvor gewonnenen Erkenntnisse verwenden, um die Bewertung der Anteile einer Genossenschaft mit anderen Unternehmensformen zu vergleichen.
5.1. Erbschaftsteuer
Zunächst richten wir unser Augenmerk auf die Unterschiede, die es bei der Übertragung von Anteilen an diesen Unternehmensformen bei der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer gibt.
Dabei können wir feststellen, dass es bei der Erbschaft oder Schenkung von Anteilen an einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist, diese steuerfrei zu übertragen (§§ 13a, 13b ErbStG). Darüber hinaus gilt dies sogar bei der Übertragung eines Einzelunternehmens. Doch eine steuerliche Begünstigung von Anteilen an einer Genossenschaft fehlt im Gesetz. Also sind durch Erbschaft oder Schenkung übertragene Genossenschaftsanteile in vollem Umfang steuerpflichtig.
Solange der Wert der vererbten oder verschenkten Genossenschaftsanteile geringer ist, als der Freibetrag, den die Empfänger nutzen können, kann die Übertragung ohne Anfall einer Steuer stattfinden. Wenn jedoch ein steuerpflichtiger Betrag resultiert, dann stehen andere Unternehmensformen in dieser Hinsicht potentiell deutlich besser da, als eine Genossenschaft. Ob dies vom Gesetzgeber beabsichtigt ist oder auf eine unbeabsichtigte Vernachlässigung der Genossenschaft zurückgeht, bleibt offen.
Spätestens jedoch, wenn bei der Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft statt dem Nennwert ein viel höherer Wert Ansatz findet, fällt die Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer nachteilig aus. Zumindest im Rahmen einer Schenkung kann man dies noch durch einen Vorbehaltsnießbrauch ausgleichen.
5.2. Wegzugsteuer
Bei der Wegzugsteuer ist der Fall etwas anders. Denn beim Wegzug eines Anteilseigners ins Ausland besteht nur für Kapitalgesellschaften eine Pflicht zur Steuerentstrickung. Allerdings haben wir ja bereits erfahren, dass auch ein Genossenschaftsmitglied hierunter fällt. Doch wenn man zur Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft nur einen relativ geringen Nennwert ansetzen kann, dann ist das steuerlich vorteilhafter, als wenn die Bewertungskriterien für GmbH-Anteile greifen. Denn diese richten sich nach dem Jahresgewinn multipliziert mit einem Faktor von 13,5.
Wenn also einem GmbH-Gesellschafter keine anderen Alternativen zur Verfügung stehen, um die Wegzugsteuer zu vermeiden, dann kann er zumindest die Umwandlung der GmbH in eine Genossenschaft als Option in Betracht ziehen. Dabei steht der Versuch im Vordergrund, die Bewertung der Anteile an der Genossenschaft möglichst mit einem niedrigen Nennwert vorzunehmen. Mit etwas Glück kann man das Finanzamt davon überzeugen, dass dies durchaus angebracht ist. Einen wesentlichen Nachteil hat dieser Versuch allerdings kaum.
Wegzugsbesteuerung & Steuerentstrickung | Interview
In diesem Video erklären wir die Hintergründe zur Wegzugsteuer und anderen Vorschriften zur Steuerentstrickung beim Wegzug ins Ausland.
6. Fazit zur Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft
Zugegeben, die Schlussfolgerung aus unserer Analyse zur Bewertung der Anteile an einer Genossenschaft ist nur wenig erhellend. Aufgrund des Umstands, dass viele Details bei der Bewertung kaum rechtlich klar geregelt sind, sollte man die Genossenschaft als Unternehmensform wirklich nur dann von Vorteil sehen, wenn es um ihre Kernkompetenzen geht, nämlich der Förderung ihrer Mitglieder. Solange dieser spezifische Vorteil alle sonst irgendwie mit einer Genossenschaft verbundenen Nachteile überwiegt, mag die Genossenschaft eine Berechtigung haben. Doch allein schon bei der Übertragung der Anteile im Wege einer Schenkung oder Erbschaft können die Nachteile erheblich sein.
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