Das Dienstwagenprivileg: gerecht, zeitgemäß, sinnvoll?
Seit einiger Zeit steht das Dienstwagenprivileg im Fokus öffentlicher Debatten. Tatsächlich geht die Diskussion mit einer Umverteilungsdebatte Hand in Hand. Einerseits lautet die Kritik, dass das Dienstwagenprivileg ungerecht sei, weil es Nutzer von Dienstwagen finanziell besser stelle, als Personen, die ihren privaten PKW nutzen. Andererseits führt man an, dass das Dienstwagenprivileg hinsichtlich der Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasen falsche Anreize setzt. Der Konter lautet, dass dies alles Polemik sei. Doch sollte man dabei auch die ökonomischen Gesichtspunkte berücksichtigen, die mit der Abschaffung des Dienstwagenprivilegs einhergehen würden. Schließlich ist ein recht großer Teil der deutschen Automobilindustrie auf den Absatz von Dienst- und Firmenwagen angewiesen. Reicht dies aber aus, um eine Reform des Dienstwagenprivilegs auszuschließen? Oder kann man die Reform für echte Verbesserungen nutzen?
Unser Video:
Familienstiftung vermietet Auto
In diesem Video erklären wir, wie eine Familienstiftung einen Dienstwagen an das Unternehmen der Destinatäre vermietet und diese dann Steuern sparen.
Inhaltsverzeichnis
1. Das Dienstwagenprivileg – Einleitung
Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmen blicken mit Sorgen auf den kommenden Herbst und Winter. Neben den steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen liefen zuletzt auch die ersten Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung hinsichtlich des „Tankrabatts“ und des EUR 9-Tickets Ende August 2022 aus. Auch wenn bereits weitere Maßnahmen zur Entlastung der Gesamtbevölkerung oder einzelner Teile der Bevölkerung in Aussicht gestellt wurden, so werden bereits jetzt Stimmen laut, die Fragen nach der Finanzierbarkeit dieser Vorhaben in den Raum stellen. Überlegungen zur Umverteilung durch Teile der Bundesregierung, wie SPD und Grüne sie fordern, sehen eine Streichung des Dienstwagenprivilegs vor. Alternativ denkt man auch über die Einführung einer Übergewinnsteuer nach.
Doch was ist das Dienstwagenprivileg überhaupt und warum ist in diesem Zusammenhang von einem Privileg die Rede? Wie verhält es sich mit der aktuellen steuerrechtlichen Frage zu diesem Thema und was könnte auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Unternehmen zukommen, wenn hierzu eine Reform angestoßen werden würde?
All diese Fragen klärt der nachfolgende grundlegende Beitrag.
2. Begriffserläuterung zum Dienstwagenprivileg
Zunächst sollten wir die Frage klären, um was es sich bei dem Dienstwagenprivileg überhaupt handelt.
Dabei muss man feststellen, dass sich dieser Begriff keiner steuergesetzlichen Grundlage bedient. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine Implikation durch das Aufwerfen des Wortes „Privileg“, um einen Diskussionsanreiz zu erzeugen. Auch das Wort Dienstwagen ist alles andere als eindeutig, da nicht jeder Arbeitnehmer direkt in einem Dienstverhältnis des § 611 BGB steht, sondern auch in einem Arbeitsverhältnis nach § 611a BGB auf Grundlage eines Arbeitsvertrages stehen kann.
Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich hierbei – wie in den meisten dieser Fälle wohl anzunehmen ist – um den Sachverhalt, dass ein Arbeitnehmer einen durch seinen Arbeitgeber zur Verfügung gestellten PKW sowohl für betriebliche Fahrten, als auch für Privatfahren und Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (Arbeitsort) nutzen kann.
Denkbar ist jedoch auch die Situation, dass ein Einzelunternehmer oder Gesellschafter einer Personengesellschaft einen PKW neben betrieblichen Fahrten für eben solche oben genannten Fahrten nutzt. Des Weiteren ist außerdem zu beachten, ob der betrieblich genutzte PKW selbst, oder durch einen zusätzlichen Fahrer gesteuert wird.
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3. Dienstwagenprivileg – Überblick über die steuerliche Behandlung
Die steuerliche Behandlung ist zu unterscheiden zwischen einer ertragsteuerlichen Einordnung bei Einkommen- oder Körperschaftsteuer, sowie umsatzsteuerlich. Außerdem kommt es – auch formell – darauf an, ob es sich um einen Arbeitnehmer oder einen Unternehmer handelt, der für diese Rechtsfrage zu betrachten ist. Nachfolgend soll nur die Betrachtung eines Arbeitnehmers im Detail im Vordergrund stehen.
3.1. Dienstwagenprivileg – Nutzung durch einen Arbeitnehmer
Bei Arbeitnehmern stellt die Überlassung eines betrieblich und privat genutzten PKW durch den Arbeitgeber eine Einnahme in Geldeswert für den Arbeitnehmer dar (§ 8 Absatz 1 EStG), welche einer entsprechenden Bewertung in Geldeswert unterliegt (§ 8 Absatz 2 EStG). Folglich kommt es zu einer monatlichen Besteuerung mit Lohnsteuer unter Beachtung einer Versteuerung mit dem persönlichen Steuersatz.
3.1.1. Bewertungsmethoden
Dem Arbeitnehmer stehen hierbei grundsätzlich zwei Bewertungsmethoden zur Verfügung: die Fahrtenbuchmethode und die 1 %-Regelung. Was sich hinter dem Begriff eines Fahrtenbuchs verbirgt, dürfte in diesem Zusammenhang wohl den meisten Arbeitnehmern bekannt sein. Es handelt sich hierbei um ein laufend zu führendes Dokument, bei welchem strenge Anforderung an den Arbeitnehmer seitens der Finanzverwaltung gestellt werden.
Einfacher und die wohl häufigere Form der Bewertung durch den Arbeitnehmer ist die sogenannte 1 %-Methode. Hierbei versteuert der Arbeitnehmer monatlich 1 % des inländischen Brutto-Listenpreises zuzüglich Sonderausstattung. Dabei bleibt der Weg des Arbeitnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zunächst unberücksichtigt. Dieser ist gesondert zu erfassen. Hierbei sind im Falle der 1 %- Methode für jeden Kalendermonat 0,03 % des oben genannten Preises für jeden Kilometer der Entfernung anzusetzen.
Im Rahmen der Fahrtenbuchmethode kann mit dem auf die Nutzung für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte entfallenden Teil der Gesamtaufwendungen angesetzt werden, wenn die durch den PKW entstandenen Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsort ordnungsgemäß nachgewiesen wurden.
3.1.2. Berechnungsbeispiel 1 %-Methode
Ein Unternehmer kauft einen PKW, den er dem Arbeitnehmer zur Verfügung stellen möchte, für EUR 30.000. Der inländische Brutto-Listenpreis ohne Sonderausstattung beträgt EUR 42.000. Der Weg des Arbeitnehmers zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sind 20 km einfache Entfernung. Sozialversicherungsrechtliche Aspekte sollen bei diesem Beispiel keine Rolle spielen. Es wird eine rein steuerrechtliche Betrachtung aus Sicht des Arbeitnehmers vorgenommen.
Betrachtung der steuerlichen Auswirkungen des Dienstwagenprivilegs pro Monat:
EUR 42.000 x 1 % = EUR 420
EUR 42.000 x 0,03 % x 20 km = EUR 252
Summe: EUR 420 + EUR 252 = EUR 672
(zu versteuern monatlich mit dem Durschnittsteuersatz)
Besteuerung mit dem Eingangssteuersatz:
EUR 672 x 14 % = EUR 94,08 Lohnsteuer
Besteuerung mit dem Spitzensteuersatz:
EUR 672 x 42 % = EUR 282,24 Lohnsteuer
3.2. Dienstwagenprivileg – Nutzung durch den Unternehmer
Auch beim Unternehmer (zum Beispiel einem Einzelunternehmer), der einen Firmenwagen sowohl für betriebliche als auch für private Zwecke nutzt, fallen Steuern an. Dabei versteuern Unternehmer die private Nutzung ebenfalls mit einer der beiden oben erläuterten Methoden.
3.3. Dienstwagenprivileg – umsatzsteuerliche Betrachtungen
Neben der reinen einkommensteuerlichen Thematik rund um das Dienstwagenprivileg muss man auch bedenken, dass auch Umsatzsteuer auf die private Nutzung eines Firmenwagens anfällt. Schließlich ist die private Nutzung durch Arbeitnehmer oder Unternehmer stets auch eine Leistung, die man als Endverbraucher bezieht. Deshalb fallen auf alle umsatzsteuerlichen Aspekte bei der Nutzung des Dienstwagenprivilegs ebenfalls regelmäßig 19 % Umsatzsteuer an.
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4. Der öffentliche Diskurs zum Dienstwagenprivileg
Ob die Streichung oder Optimierung des Dienstwagenprivilegs eine geeignete Maßnahme darstellt, um die kommenden Kosten des Staatshaushaltes einzudämmen, die Inflation aufzuhalten oder gar eine Umverteilung vorzunehmen und so, um die Subvention des öffentlichen Nahverkehrs zu finanzieren, hängt wohl in Moment sehr stark davon ab, in welchem politischen Lager man steht und welche Ziele man mit diesen Maßnahmen verfolgt.
Folgt man der Ansicht der Grünen, gilt es das Dienstwagenprivileg komplett zu streichen und andere Anreize zur Mobilität zu schaffen. Ganz nebenbei hätte dies den vermeintlichen Effekt, den Staatshaushalt zu entlasten.
„Die Frage ist grundsätzlich, ob die deutsche Automobilindustrie weltmarktfähig bliebe, mit einem Geschäftsmodell, das in erster Linie auf große Verbrenner setzt, die ganz viel CO2 ausstoßen. Es ist Zeit für ein Umdenken, schnellstmöglich und das tun die Firmen ja auch“, äußerte sich Grünenpolitiker Nouripour zu diesem Thema bei der deutschen Presseagentur.
Der derzeitige Finanzminister, Christian Lindner von der FDP, sieht in diesen Forderungen jedoch nur eine, Zitat, „linke Polemik“, welche sich des Wortes „Privileg“ bediene. Aus dieser Ansicht lässt sich deuten, dass der Finanzminister derzeit keine Notwendigkeit zur Abschaffung des Dienstwagenprivilegs sieht.
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5. Dienstwagenprivileg – Annäherung an ein Fazit
Welche Ansichten man zu dem Thema Dienstwagenprivileg vertritt, dürfte wohl im Großteil davon abhängen, welcher gesellschaftspolitischen Perspektive man in diesem Punkt folgen möchte.
Unabhängig von einer politischen Ansicht sind jedoch auch andere gesellschaftliche und ökonomische Aspekte zu beachten.
5.1. Gesellschaftliche Aspekte zum Dienstwagenprivileg
Mitunter resultiert die politische Auffassung aus Teilen der Gesellschaftsmeinung zu diesem Thema.
Vergleicht man einen Arbeitnehmer, der einen Dienstwagen des Arbeitgebers nutzt, mit einem Arbeitnehmer der beispielsweise einen Leasing-PKW fährt, so kann man sich schnell ausrechnen, welche der beiden Personen eine höhere Belastung trifft. Während der Arbeitnehmer mit Dienstwagenprivileg lediglich die Versteuerung vorzunehmen hat (mit Fahrtenbuch- oder 1 %-Regelung), trägt der Arbeitnehmer mit seinem eigenen Leasingfahrzeug Kosten für Leasingrate, Versicherung, Kfz- und andere Steuern sowie für Kraftstoff vollständig selbst. Die Pendlerpauschale steht beiden als Werbungskosten zu.
Dies führt bei dem ein oder anderen Arbeitnehmer, welcher nicht in den Genuss des Dienstwagenprivilegs durch seinen Arbeitgeber kommt, zu einem Ungerechtigkeitsgefühl. Gestärkt wird dies mit der politischen Aussicht, die Streichung des Dienstwagenprivilegs für Umverteilungsmaßnahmen zu verwenden.
Ebenfalls wird wohl bei vielen Arbeitnehmern die Tatsache, dass der Arbeitgeber die anfallenden Kosten als Betriebsausgabe geltend machen kann, ein Störgefühl auslösen. Dabei dürfte wohl auch der Umstand, dass der Arbeitgeber bei der Eigennutzung des PKWs Umsatzsteuer entrichten muss, keinen großen Trost spenden.
5.2. Ökonomische Aspekte zum Dienstwagenprivileg
Betrachtet man die Streichung des Dienstwagenprivilegs aus wirtschaftlichen Perspektiven, so lässt sich konstatieren, dass eine Umverteilung kaum von wirtschaftlichen und steuerlichen Thematiken entkoppelt umsetzbar ist. Denn hinter jedem für die Nutzung durch Arbeitnehmer und Unternehmer genutzten PKW stehen Unternehmen der Automobilindustrie sowie die dort beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dabei sollte man auch bedenken, dass gegenwärtig ein Großteil der für Dienstwagen genutzten PKWs auf durch deutsche Unternehmen produzierte Fahrzeuge entfällt.
Ebenfalls zu beachten ist in diesem Bereich die Spartennutzung der als Rückläufer verwendeten Fahrzeuge durch Mietwagenunternehmen oder Gebrauchtwagenhändler. Auf all diesen Ebenen mehrt der Staat seinen Haushalt.
Schränkt man das Dienstwagenprivileg also ein, um hierdurch eine Umverteilung vorzunehmen, inkludiert dies kaum den Verlust der Staatseinnahmen durch einen Rückgang auf all diesen Ebenen. Somit kann man ernsthaft damit rechnen, dass es nach der Streichung des Dienstwagenprivilegs zu einem gegenteiligen Effekt kommt. Dies kann für keine der beteiligten Parteien sachdienlich sein. Vielmehr wäre eine sukzessive Streichung und Optimierung des Dienstwagenprivilegs die wohl bessere Alternative, damit der Markt sich auf die veränderte Situation einstellen kann.
5.3. Abschließendes Fazit zum Dienstwagenprivileg
Wenn man der Gerechtigkeit unter Beachtung einer Gleichstellung aller Genüge tun möchte, wäre die Streichung des Privilegs dadurch, dass man keine Privatfahrten mehr durchführen dürfte, der wohl gerechteste Weg.
Gegenwärtig und nach internen Informationen des Handelsblattes kommt es aus den vorgenannten – und vor allem wohl aus politischen Gründen – zu keiner Streichung des Dienstwagenprivilegs.
Mitunter könnten sich andere Maßnahmen, gerade unter Beachtung steuerlicher Aspekte, besser als Instrument für eine Umverteilungspolitik eignen.
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