Insolvenzstraftaten nach Insolvenzordnung und Strafgesetzbuch
Im Insolvenzverfahren gelten für Unternehmer bestimmte und strenge „Wohlverhaltensregeln“. Insbesondere hat der Unternehmer alles zu unterlassen, was zu einer Verschlechterung der ohnehin prekären wirtschaftlichen Lage des Betriebes führt. Verstößt die Geschäftsführerin oder der Geschäftsführer gegen eine oder mehrere dieser Pflichten, stehen regelmäßig verschiedene Insolvenzstraftaten im Raum. Die entsprechenden Normen finden wir neben der Insolvenzordnung (InsO) auch in der Lieblingslektüre vieler Juristen, dem Strafgesetzbuch (StGB).
Unser Video:
Insolvenzstraftaten und Nebenfolgen
In diesem Video erklären wir, welche Insolvenzstraftaten es gibt und wie sie sich voneinander unterscheiden.
Inhaltsverzeichnis
1. Welche Insolvenzstraftaten gibt es?
Grundsätzlich kennen Insolvenzordnung und Strafgesetzbuch verschiedenste Insolvenzstraftaten. Dabei ist allerdings bereits im ersten Schritt zwischen folgenden Taten zu unterscheiden:
- Handlungen, die auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens strafbar wären (etwa der Betrug nach § 263 StGB), im Insolvenzverfahren aber ein besonderes Gewicht einnehmen
- Insolvenzstraftaten vor dem eigentlichen Beginn des Verfahrens, insbesondere die Insolvenzverschleppung nach § 15a Absatz 4 InsO
- Handlungen mit Bezug zum Insolvenzverfahren, unabhängig davon, ob sie während des Verfahrens oder kurz vorher begangen werden (zum Beispiel der Bankrott nach § 283 StGB)
„Originäre“ Insolvenzstraftaten sind dabei insbesondere die Insolvenzverschleppung nach § 15a Absatz 4 InsO, der Bankrott nach § 283 StGB sowie der besonders schwere Fall des Bankrotts im Sinne des § 283a StGB. Relevant sind außerdem die Verletzung von Buchführungspflichten sowie die Gläubiger- und Schuldnerbegünstigung im Insolvenzverfahren (§§ 283b bis 283d StGB).
Begeht ein Schuldner im Insolvenzverfahren eine dieser Handlungen – mit Ausnahme der Verschleppung nach § 15a InsO – kann das Insolvenzgericht (Amtsgericht) die Restschuldbefreiung versagen. Hierzu ist allerdings ein entsprechender Antrag eines Gläubigers erforderlich (§ 297 Absatz 1 InsO). Ein „wirtschaftlicher Neuanfang“, der regelmäßig mit dem Insolvenzverfahren verfolgt wird, ist dann so gut wie ausgeschlossen.
Entsprechendes gilt nach § 296 Absatz 1 Satz 1 InsO für die allgemeine Verletzung von Obliegenheiten, auch wenn diese keinen Straftatbestand erfüllt. Der Schuldner hat im Insolvenzverfahren insbesondere die erweiterten Auskunftspflichten zu beachten. Er hat alle Handlungen zu unterlassen, die zu einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation führen. Ob es sich bei einer Handlung um eine Obliegenheit im Sinne des § 296 InsO handelt, entscheidet im Zweifel das Insolvenzgericht.
Schauen wir uns nun einmal die einzelnen Insolvenzstraftaten und ihre Rechtsfolgen etwas genauer an!
1.1. Insolvenzverschleppung nach § 15a Absatz 4 InsO
Die Geschäftsführer einer juristischen Person des privaten Rechts (insbesondere einer Körperschaft wie der GmbH) und von Personengesellschaften, bei denen eine Kapitalgesellschaft unbeschränkt haftet (insbesondere der GmbH & Co. KG), sind nach § 15a Absatz 1 Satz 1 und 2 InsO zur Stellung eines Insolvenzantrages verpflichtet. Der Insolvenzantrag ist dabei unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) zu stellen, wenn einer der folgenden Zustände eingetreten ist:
- Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO): Zahlungsunfähigkeit ist gegeben, wenn die Gesellschaft außerstande ist, ihre laufenden Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Hat sie die Zahlung bereits eingestellt, ist kraft gesetzlicher Fiktion des § 17 Absatz 2 Satz 2 InsO von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen; diese Vermutung ist widerlegbar
- Überschuldung (§ 19 InsO): Sie liegt vor, wenn die Verbindlichkeiten das Vermögen des Schuldners übersteigen. Eine Überschuldung ist nur bei juristischen Personen und Personengesellschaften, bei denen keine natürliche Person persönlich haftet, Eröffnungsgrund (§ 19 Absatz 1 und 3 InsO). Verbindlichkeiten aus Gesellschafterdarlehen sind nur zu berücksichtigen, wenn kein Rangrücktritt vereinbart wurde (§ 19 Absatz 2 Satz 2 InsO)
Ist nun einer der genannten Eröffnungsgründe gegeben, ist unverzüglich der Insolvenzantrag zu stellen – spätestens aber nach drei Wochen bei Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen bei Überschuldung. Verletzen die zur Vertretung der Gesellschaft Befugten diese Pflicht, begehen sie die Insolvenzstraftat der Insolvenzverschleppung nach § 15a Absatz 4 InsO. Wesentliche Tatbestandsvoraussetzung ist, dass der Insolvenzantrag
- gar nicht,
- zu spät oder
- falsch respektive unvollständig
gestellt wird. Der die Handlung ausführende oder unterlassende (§§ 13 und 25 StGB) wird mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Bei fahrlässigem Handeln ist die mögliche Dauer der Freiheitsstrafe auf ein Jahr beschränkt (§ 15a Absatz 5 InsO).
Explizit keine Gültigkeit hat § 15a InsO für Vereine und Stiftungen. Sie sind zwar Körperschaften im Sinne der InsO, können aber keine Insolvenzverschleppung begehen (§ 15a Absatz 7 InsO). Zu beachten ist, dass diese Besonderheiten nicht im Strafrecht (§§ 283 bis 283d StGB) gelten.
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1.2. Bankrotte nach den §§ 283 und 283a StGB als Insolvenzstraftaten
Mit den §§ 283 und 283a StGB stellt der Gesetzgeber einerseits den „einfachen“ und andererseits den „besonders schweren“ Fall des Bankrotts unter Strafe. Auf diese Insolvenzstraftaten stehen Freiheitsstrafen von bis zu fünf (§ 283 StGB) oder sogar bis zu zehn Jahren (§ 283a StGB). In beiden Fällen kann das Gericht außerdem auf eine Geldstrafe erkennen, regelmäßig kommt es außerdem zu einer Aberkennung der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden (§ 45 Absatz 1 StGB).
Als Bankrott gelten nach § 283 Absatz 1 StGB, unabhängig davon, ob ein Insolvenzverfahren bereits eröffnet wurde, folgende Handlungen, wenn Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit droht respektive bereits vorliegt:
- Beiseiteschaffung und Verheimlichung von Bestandteilen des Vermögens, die im Falle des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören würden
- Durchführung von Verlust- und Spekulationsgeschäften, die der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes widersprechen
- Unterlassen der Führung von Handelsbüchern entgegen einer gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere nach dem HGB
- Pflichtwidrige Aufstellung von Bilanzen in einer Form, die die Verschaffung eines Überblicks über das Vermögen erschweren
Nach § 283 Absatz 2 StGB sind die in Absatz 1 genannten Handlungen auch dann als Insolvenzstraftat strafbar, wenn durch sie die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit erst herbeigeführt wird. Nach Absatz 3 ist der Versuch strafbar. Mit § 283 Absatz 4 StGB normiert der Gesetzgeber, dass der Täter in den Fällen fahrlässigen Handelns mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe rechnen muss.
Die Strafbarkeit des Bankrotts ist nach § 283 Absatz 6 StGB ausgeschlossen, wenn kein Insolvenzverfahren eröffnet wird, der Täter alle Zahlungen weiterhin leistet und es auch nicht zu einer Ablehnung der Eröffnung mangels Masse (§ 26 InsO) kommt.
Ein besonders schwerer Fall des Bankrotts ist nach § 283a StGB gegeben, wenn der Täter
- aus Gewinnsucht handelt oder
- durch seine Tat viele Personen in die Gefahr des Verlustes ihres Vermögens oder wirtschaftliche Not bringt.
1.3. Weitere Insolvenzstraftaten nach den §§ 283b bis 283d StGB
Weitere und über die bereits genannten Tatbestände hinausgehende Insolvenzstraftaten normiert der Gesetzgeber abschließend in den §§ 283b bis 283d StGB. Für all diese Taten gilt, dass sie nur strafbar sind, wenn dadurch eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eintritt oder der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens infolge der Handlung mangels Masse abzulehnen ist. Im Einzelnen werden dabei folgende Handlungen unter Strafe gestellt:
- Verletzung der Buchführungspflicht (§ 283b StGB): Mit bis zu zwei Jahren Freiheits- oder Geldstrafe wird bestraft, wer es unterlässt, die nach gesetzlichen Vorgaben erforderlichen Handelsbücher zu führen, wenn dadurch die Übersicht über den Vermögensstand erschwert wird. Entsprechendes gilt für die (vorzeitige) Vernichtung oder Verheimlichung solcher Dokumente
- Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB): Dem Schuldner ist es verboten, einzelne Gläubiger im Insolvenzverfahren oder bereits in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit zu begünstigen. Die Verteilung des vorhandenen Vermögens (Insolvenzmasse) obliegt ausschließlich dem Insolvenzgericht, das auch den Insolvenzverwalter bestellt. Der Versuch ist strafbar (§ § 283c Absatz 2 StGB), das Strafmaß beträgt bis zu zwei Jahre Freiheits- oder Geldstrafe
- Schuldnerbegünstigung (§ 283d StGB): Das Strafmaß liegt hier bei bis zu fünf, in schweren Fällen auch bis zu zehn, Jahren Freiheitsstrafe. Schuldnerbegünstigung liegt vor, wenn Teile des Vermögens, das zur Insolvenzmasse gehört, beiseite geschafft werden. Der Straftatbestand ist regelmäßig erfüllt, wenn Dritte handeln – begünstigt sich der Schuldner durch Beiseiteschaffung seines Vermögens selbst, wird er bereits nach § 283 Absatz 1 Nummer 1 StGB bestraft. Ein besonders schwerer Fall der Schuldnerbegünstigung ist gegeben, wenn der Täter aus Gewinnsucht handelt oder eine große Zahl von Personen schädigt (§ 283d Absatz 3 StGB)
Insolvenzstraftaten werden regelmäßig in Tateinheit begangen; Tateinheit liegt vor, wenn eine bestimmte Handlung gleichzeitig mehrere Straftatbestände verletzt (§ 52 Absatz 1 StGB). Das Strafmaß richtet sich dann nach der höchsten Strafandrohung (§ 52 Absatz 2 StGB). Ähnlich ist bei Tatmehrheit zu verfahren (§ 53 Absatz 1 StGB).
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2. Andere Straftaten und ihre Auswirkungen auf das Insolvenzverfahren
Der Insolvenzschuldner hat sich bereits vor Einleitung des Insolvenzverfahrens „redlich“ zu verhalten. Ziel des gesamten Verfahrens ist bei natürlichen Personen die abschließende Restschuldbefreiung, das heißt der Erlass aller (noch) vorhandenen Verbindlichkeiten des Unternehmers (§ 286 InsO). Das Gericht kann die Restschuldbefreiung allerdings versagen oder ist sogar dazu verpflichtet, wenn der Schuldner
- wegen einer der in den §§ 283 bis 283d StGB genannten Taten zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt wurde,
- unvollständige oder unrichtige Angaben über seine Vermögensverhältnisse gemacht hat,
- unangemessene Verbindlichkeiten begründet und damit die Befriedigung der Gläubiger beeinträchtigt hat, oder
- Auskunfts- und Mitwirkungspflichten nach der InsO verletzt.
Die Versagung der Restschuldbefreiung erfolgt auf Antrag eines Gläubigers, keinesfalls aber von Amts wegen (§ 290 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 InsO). Insbesondere die folgenden Straftaten fallen dabei, auch wenn sie keine Insolvenzstraftaten sind, ins Gewicht:
- Betrug nach § 263 StGB
- Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 266a StGB
- Urkundenfälschung nach § 267 StGB
- Unterschlagung nach § 246 StGB
- Untreue nach § 266 StGB
Auch eine Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO kann sich auf das Insolvenzverfahren auswirken. Der „redliche“ Weg, einer Steuerzahlung zu „entgehen“, ist der Antrag auf Stundung oder Erlass der Forderung. Strafbares Handeln gehört hingegen in keinem Fall dazu, was für die Normen des StGB entsprechend gilt.
3. Zivilrechtliche Nebenfolgen von Insolvenzstraftaten
Neben straf- können Insolvenzstraftaten auch zivilrechtliche Folgen nach sich ziehen. Zentraler Anknüpfungspunkt im bürgerlichen Recht ist dabei § 823 BGB. Für Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Unternehmergesellschaften ist zusätzlich § 43 GmbHG, für Kommanditgesellschaften § 161 Absatz 2 HGB und für Aktiengesellschaften § 93 AktG zu beachten.
3.1. Allgemeine zivilrechtliche Ansprüche nach § 823 Absatz 1 BGB
In § 823 Absatz 1 BGB finden wir die allgemeine Schadensersatzpflicht. Sie trifft den Verursacher von Schäden aller Art, wenn dadurch das Leben, der Körper, die Gesundheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht einer anderen Person verletzt wird. Bei Insolvenzstraftaten wird regelmäßig das Eigentum verletzt, wenn beispielsweise der Geschäftsführer einer GmbH gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht verstößt und dadurch die Anteilseigner der Gesellschaft um Teile ihres Vermögens bringt.
Der Schaden ist dem Grunde nach in voller Höhe zu ersetzen. Im Zweifel obliegt die Bewertung dem zuständigen Amtsgericht als Gericht für Zivilsachen.
3.2. Anspruch durch Rechtsverstoß nach § 823 Absatz 2 BGB
Durch § 823 Absatz 2 BGB treten die Rechtsfolgen des Absatzes 1 entsprechend ein, wenn eine Person
- vorsätzlich oder fahrlässig
- gegen geltendes Recht (zum Beispiel § 15a Absatz 1 InsO) verstößt und
- dadurch einer anderen Person schadet.
Die §§ 43 GmbHG und 93 AktG schreiben vor, dass Geschäftsführung beziehungsweise Vorstand die Sorgfaltspflichten ordentlicher Kaufleute zu beachten haben. Verstoßen sie gegen diese Verpflichtung oder spezifische Vorgaben, die sich aus der Insolvenzordnung und anderen Gesetzen ergeben, können Schadensersatzverpflichtungen infolge § 823 Absatz 2 BGB entstehen.
Forderungen auf Schadensersatz nach § 823 BGB richten sich grundsätzlich an die handelnde Person direkt, betreffen also deren Privat- und nicht das Unternehmensvermögen. Auch wenn die Restschuldbefreiung für den Betrieb eintritt, schuldet die verpflichtete Person entsprechende Leistungen nach dem BGB. Kann sie diese Schulden nicht begleichen, kommt regelmäßig nur (noch) ein Verbraucherinsolvenzverfahren infrage.
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