Nahestehende Personen im deutschen Steuerrecht
Der Begriff der „nahestehenden Person“ taucht im deutschen Steuerrecht an verschiedensten Stellen – so zum Beispiel im Außen- und Einkommensteuergesetz – auf. Dabei gilt grundsätzlich festzuhalten, dass Verträge und Vereinbarungen zwischen nahestehenden Personen stets einer besonderen Prüfung durch die Finanzbehörden standhalten müssen. Der Hintergrund liegt mehr oder weniger auf der Hand, denn der Gesetzgeber sieht hier das Risiko rechtlich ungewollter Gestaltungsmodelle.
Unser Video: Grundlagen des Außensteuergesetzes
In diesem Video gehen wir auf die Grundzüge des Außensteuergesetzes und seine Wirkungen in der steuerlichen Praxis ein.
Inhaltsverzeichnis
1. Grundsatz: Problematik der nahestehenden Person
Die Problematik der nahestehenden Person aus Sicht des Gesetzgebers lässt sich vergleichsweise einfach auf Basis des „Freundschaftspreises“ erklären. Denn wer eine andere Person, beispielsweise einen Geschäftspartner, gut kennt, räumt diesem möglicherweise besonders günstige Konditionen ein. Entsprechendes gilt auch für Personen, die umfangreicher an in- oder ausländischen Kapitalgesellschaften beteiligt sind oder innerhalb ihrer Familie Immobilien vermieten.
Um mögliche Verzerrungen des Wettbewerbs zu vermeiden, finden sich an vielen Stellen des deutschen Ertragsteuerrechts Beschränkungen für Verträge zwischen nahestehenden Personen. Diese werden entweder von vornherein in eine bestimmte Richtung gelenkt oder unterliegen einer nachträglichen, dann aber besonders gründlichen, Überprüfung durch das zuständige Finanzamt. Alternativ schreibt der Gesetzgeber vor, unter welchen Voraussetzungen derartige Vereinbarungen stets als wirksam gelten.
Eine wichtige Rolle spielt hierbei auch der sogenannte Fremdvergleichsgrundsatz, den wir in anderen Beiträgen bereits ausführlicher beleuchtet haben.
In § 15 AO ist der Begriff der „Angehörigen“ definiert. Zu beachten ist dabei, dass Angehörige zwar in vielen, aber nicht in allen Fällen automatisch nahestehende Personen darstellen. Besonderheiten gelten insbesondere nach einer Scheidung von Ehegatten, denn hier ist in der Regel davon auszugehen, dass das eheliche „Nahestehen“ keine Rolle mehr spielt. Gleichzeitig stellen geschiedene Ehegatten aber weiterhin Angehörige im Sinne der AO dar.
2. Verdeckte Gewinnausschüttungen – nahestehende Person im Körperschaftsteuerrecht
Eine verdeckte Gewinnausschüttung, kurz vGA, darf keine Auswirkungen auf das Einkommen einer Körperschaft (insbesondere einer GmbH) haben. Dies regelt § 8 Absatz 3 Satz 3 KStG zunächst abstrakt, konkretisiert wird die Norm aber in den entsprechenden Richtlinien des Gesetzes. Demnach liegt eine vGA vor, wenn
- eine Körperschaft, insbesondere eine Kapitalgesellschaft
- einem Gesellschafter oder einer ihm nahestehenden Person
- einen Vermögensvorteil zuwendet und
dieser Vorteil einer Prüfung des Fremdvergleiches nicht standhält.
Beispiel: Eine GmbH verkauft ihrem Alleingesellschafter Waren, die sie üblicherweise für EUR 10.000 am freien Markt anbieten würde, für EUR 7.000. Die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung wäre hier mit EUR 3.000 anzusetzen, da der Gesellschafter insoweit einen Vermögensvorteil erhalten hat.
Dabei spielen aber auch nahestehende Personen eine Rolle. Als dem Gesellschafter nahestehend gilt eine Person, die den Vermögensvorteil durch ihre Beziehung zum Gesellschafter selbst erhalten hat. So könnte eine vGA beispielsweise vorliegen, wenn der im Beispiel genannte Gesellschafter-Geschäftsführer die Waren nicht an sich selbst, sondern verbilligt an seine Kinder veräußert.
„Dem Gesellschafter nahestehend“ können aber auch Schwestergesellschaften (gemeinsame Holding) und sonstige Kapitalgesellschaften sein. Ist eine natürliche Person beispielsweise an zwei GmbHs beteiligt und wendet sie – ausgehend von der ersten Gesellschaft – der zweiten Gesellschaft einen Vermögensvorteil zu, so kann die zweite Gesellschaft als nahestehende Person der natürlichen Person angesehen werden.
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3. Einkommensteuerliche Einordnung von Beziehungen mehrerer Personen zueinander
Gerade im Einkommensteuerrecht stehen Verträge zwischen nahestehenden Personen mehr oder weniger auf der Tagesordnung. So vermieten Eltern Teile ihrer Immobilien an die eigenen Kinder, übertragen Vermögenswerte oder erwerben Aktien und Fonds. In nahezu all diesen Fällen stellt sich die Frage nach der zivilrechtlichen Wirksamkeit sowie der steuerlichen Anerkennung. Bedeutung erlangen diese Grundsätze beispielsweise in folgenden Fällen:
- Vermietung von Immobilien im Familienverbund
- PKW-Überlassung durch den einen an den anderen Ehegatten
- Anwendung der Lizenzschranke nach § 4j EStG
3.1. Vermietung von Immobilien zwischen nahestehenden Personen
Vermieterinnen und Vermieter bestimmen grundsätzlich selbst, in welcher Höhe sie die monatliche Miete ansetzen. Hier kennt die Vertragsfreiheit auf Ebene des Zivilrechts keine Grenzen, sie wird aber durch § 21 Absatz 2 EStG teilweise eingeschränkt. Wenngleich sich die Norm nicht explizit auf nahestehende Personen bezieht, so findet sie in der Praxis weit überwiegend auf diese Konstellationen Anwendung.
Das Finanzamt kann den Werbungskostenabzug vollständig oder anteilig versagen, wenn die vereinbarte Miete weniger als 66 % des am jeweiligen Ort üblichen Entgeltes beträgt. Unterschreitet ein Vermieter diese Grenze, kann er Werbungskosten nur noch in Höhe des entgeltlichen Teils ansetzen.
Beispiel: Der Vater vermietet an seinen Sohn eine in seinem Eigentum stehende Wohnung. Die jährlichen Werbungskosten liegen bei EUR 20.000, die vereinbarte Jahresmiete bei EUR 10.000. Ortsüblich wäre ein Mietzins von EUR 25.000.
Lösung: Da die vereinbarte um mehr als 50 % unter der ortsüblichen Miete liegt, ist die Vermietung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Ersterer liegt hier bei 40 %, da der Vater lediglich 40 % der „Sollmiete“ verlangt. Die Werbungskosten sind damit nur noch zu 40 %, mithin in Höhe von EUR 8.000, ansetzbar.
3.2. PKW-Überlassung durch den einen an den anderen Ehegatten
Unternehmer, die einen Firmenwagen anschaffen, müssen diesen in der Regel dem Betriebsvermögen zuordnen. Sie können dadurch zwar Abschreibungen und Vorsteuer geltend machen, müssen aber auch einen späteren Verkaufsgewinn in vollem Umfang der Einkommens- und Umsatzbesteuerung unterwerfen.
In der Praxis hat sich daher das Modell der PKW-Überlassung als attraktive Gestaltung etabliert. Der andere Ehegatte, der bislang kein umsatzsteuerliches Unternehmen betreibt, eröffnet ein solches und erwirbt den PKW. Anschließend vermietet er ihn an den Unternehmer-Ehegatten. Nach fünf Jahren wechselt der Vermieter-Ehegatte zur Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG. Dies ermöglicht eine einkommen- und umsatzsteuerfreie Veräußerung des Fahrzeuges, da kein privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 EStG vorliegt.
Die entsprechenden Vereinbarungen stellen regelmäßig Verträge zwischen nahestehenden Personen dar. Hier gelten entsprechend hohe Hürden, insbesondere mit Blick auf die Fremdüblichkeit. Außerdem besteht das Risiko eines Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 AO. Der BFH hat allerdings bereits mit diversen Urteilen entschieden, dass bei sorgfältiger Ausgestaltung des Mietverhältnisses kein Fall des § 42 AO gegeben ist.
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3.3. Anwendung der Lizenzschranke bei nahestehenden Personen
Mit § 4j EStG regelt das Ertragsteuerrecht, das insoweit auch für Körperschaften gilt (§ 8 Absatz 1 KStG), die sogenannte Lizenzschranke. Aufwendungen für die Überlassung von Rechten sind nur teilweise abziehbar, wenn sie in einem anderen Staat als Einnahmen einer deutlich niedrigeren Besteuerung als in Deutschland unterliegen.
Dabei enthält die Norm in § 4j Absatz 1 Satz 1 und 2 EStG ebenfalls den Begriff der nahestehenden Person, stellt dabei allerdings auf das Außensteuergesetz ab.
Der Gesetzgeber geht hier von folgender Gestaltung aus: Eine in Deutschland ansässige Gesellschaft gründet im Ausland eine weitere Lizenzgesellschaft. In deren Betriebsvermögen legt sie Patente, Domains und andere Schutzrechte ein. Diese werden anschließend nach Deutschland vermietet, um hier Betriebsausgaben zu generieren. Die Einnahmen, die korrespondierend im anderen Staat ankommen, unterliegen dort regelmäßig einer niedrigeren Besteuerung.
Daher gilt das im Ausland ansässige Unternehmen als nahestehende Person, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Steuerpflichtige entsprechende Verträge nicht mit fremden Dritten schließen würden.
4. Die nahestehende Person im Außensteuerrecht
Steuerpflichtige, die Geschäftsbeziehungen ins Ausland unterhalten, müssen hierbei § 1 AStG beachten. Die Norm regelt die Behandlung von Geschäftsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen und enthält dabei auch eine Legaldefinition des Begriffes. Grundvoraussetzung ist zunächst, dass die inländischen Einkünfte des Steuerpflichtigen durch eine Geschäftsbeziehung ins Ausland gemindert werden. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn Zahlungen, die ins Ausland abfließen, in Deutschland Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen.
Konkret gilt eine Person als dem Steuerpflichtigen nahestehend, wenn einer der Tatbestände des § 1 Absatz 2 AStG erfüllt ist:
- Es besteht eine Beteiligung von mindestens 25 % des Grund- oder Stammkapitals. Welches der Unternehmen an welchem beteiligt ist, spielt dabei keine Rolle. Unerheblich ist beispielsweise, ob eine deutsche GmbH an einer niederländischen Gesellschaft oder ob die niederländische an der deutschen Körperschaft beteiligt ist.
- Die Unternehmen können beherrschenden Einfluss aufeinander ausüben. Auch hier ist unerheblich, auf welches der beiden Unternehmen diese Voraussetzung zutrifft. „Beherrschender Einfluss“ liegt vor, wenn eine maßgebliche Mitbestimmung der geschäftlichen Tätigkeit möglich ist.
- Eine dritte Person ist sowohl am Steuerpflichtigen als auch am ausländischen Unternehmen entweder maßgeblich (zu mindestens 25 %) beteiligt oder übt auf beide Unternehmen beherrschenden Einfluss aus.
Die Tatbestände gelten dabei nebeneinander, sodass es ausreicht, wenn eine der Voraussetzungen vorliegt.
Handelt es sich nach § 1 Absatz 2 AStG um eine nahestehende Person, müssen die entsprechenden Geschäfte dem Fremdvergleichsgrundsatz standhalten. Preise müssen also so festgelegt werden, wie es auch unter fremden Dritten üblich wäre. Verstoßen Steuerpflichtige gegen diese Vorgabe, treten die steuerlichen Folgen lediglich in der Form ein, in der es auch unter fremden Dritten der Fall gewesen wäre.
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Internationales Steuerrecht
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