Überleitungsrechnung bei Ermittlung des steuerlichen Gewinns
Nach § 5 Absatz 1 Satz 1 EStG müssen Steuerpflichtige, die zur Buchführung verpflichtet sind oder dies freiwillig tun, für steuerliche Zwecke den handelsrechtlichen Gewinn (Handelsbilanz und Gewinn-und-Verlust-Rechnung (GuV)) ansetzen. Abweichungen, die sich durch das Steuerrecht ergeben, sind entsprechend darzustellen. Das hierfür vorgesehene Mittel ist die sogenannte Überleitungsrechnung, die sich insbesondere aus § 5 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG ergibt.
Unser Video:
Die Überleitungsrechnung
In diesem Video erklären wir, in welchen Fällen eine Überleitungsrechnung bei der steuerlichen Gewinnermittlung erforderlich ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Allgemeiner Grundsatz der Überleitungsrechnung: Aufstellung der Handelsbilanz
Nach § 238 Absatz 1 HGB ist jeder Kaufmann im Sinne des Handelsrechts verpflichtet, Bücher zu führen und am Abschlussstichtag eine entsprechende Bilanz zu erstellen. Sie muss den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoBD) entsprechen. Für die Aufstellung der „Vermögensübersicht“ sind also insbesondere
- die Ansatzvorschriften (Vollständigkeit der Bilanz, Wahlrechte etc.) in den §§ 246 bis 251 HGB,
- die Bewertungsvorschriften (Anschaffungs- und Herstellungskosten, Abschreibung, Währungsumrechnung) in den §§ 252 bis 256a HGB, und
- die Normen zu Aufbau und Gliederung der Bilanz sowie der GuV (§§ 264 bis 278 HGB)
zu beachten. Das Ergebnis ist die Handelsbilanz, ergänzt um die Gewinn- und Verlustrechnung und gegebenenfalls den Anhang nach § 284 HGB. Stichtag ist der Schluss eines jeden Geschäftsjahres, in aller Regel also der 31.12.
Einzelkaufleute können die Vereinfachungsregelung des § 241a HGB in Anspruch nehmen. Sie sind von den Bilanzierungsvorschriften befreit, wenn in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren
- ein Umsatz von weniger als EUR 600.000 oder
- ein Gewinn von weniger als EUR 60.000
erzielt wurde. Die Norm entspricht weitgehend § 141 AO, der vorschreibt, dass auch Steuerpflichtige, die keine handelsrechtliche Buchführungspflicht zu erfüllen haben, für steuerliche Zwecke Bilanzen erstellen müssen, wenn der Umsatz über EUR 600.000 oder der Gewinn über EUR 60.000 liegt.
Nun sieht das Steuerrecht aber an vielen Stellen abweichende Regelungen zum Ansatz von Wirtschaftsgütern vor, beispielsweise bei der Bewertung von Rücklagen. Diese sind durch eine Überleitungsrechnung abzubilden. Im Ergebnis „legt“ man die Überleitungsrechnung gedanklich auf die Handelsbilanz und erhält somit die zutreffende Steuerbilanz. Sofern keinerlei Abweichungen zwischen Handels- und Steuerrecht existieren, entspricht die Handels- der Steuerbilanz (§ 5 Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 EStG).
2. Erstellung der Überleitungsrechnung: weitgehende Wahlfreiheit für Steuerpflichtige
Die Überleitungsrechnung hat den Zweck, die Handelsbilanz den steuerrechtlichen Vorschriften anzupassen (§ 5b Absatz 1 Satz 2 EStG). Das Einkommensteuergesetz spricht an dieser Stelle lediglich von „Anmerkungen oder Zusätzen“, schreibt dem Steuerpflichtigen also keine konkrete Form vor. Insbesondere existiert keine rechtliche Verpflichtung, neben der Handels- auch eine eigenständige Steuerbilanz zu erstellen.
Mögliche Abweichungen zwischen Handels- und Steuerrecht, die die Erstellung einer Überleitungsrechnung erforderlich machen, können zum Beispiel sein:
- Eingeschränkte Befugnis zur Rückstellungsbildung nach § 6 Absatz 1 Nummer 3a EStG
- Verbot der Aktivierung immaterieller Anlagegegenstände wie eines Firmenwertes nach § 5 Absatz 2 EStG
- Möglichkeit der Bildung steuerfreier Rücklagen im Steuerrecht (handelsrechtlich verboten), etwa nach § 6b EStG
Derartige Abweichungen entstehen in erster Linie durch die Ausübung steuerlicher Wahlrechte. Ist ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens beispielsweise dauerhaft im Wert gemindert, ist handelsrechtlich zwingend eine Teilwertabschreibung vorzunehmen (Vorsichtsprinzip, § 252 Absatz 1 Nummer 4 HGB). Nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 EStG hat der Steuerpflichtige allerdings ein Wahlrecht (… „kann“ den niedrigeren Teilwert ansetzen …).
Beispiel: Unternehmer U hat im Jahr 2022 ein neues Fahrzeug angeschafft. Ein Jahr später, 2023, kommt es zu einem Unfall. Das Fahrzeug ist nun EUR 15.000 weniger wert. Handelsrechtlich muss U eine Teilwertabschreibung (Aufwand) in Höhe von EUR 15.000 buchen, die seinen Gewinn entsprechend mindert. Steuerlich hat er ein Wahlrecht. Er entscheidet sich nun gegen die Abschreibung. Dadurch weicht die handelsrechtliche Gewinnermittlung von ihrem steuerlichen Pendant ab.
Lösung: In der Überleitungsrechnung ist die Differenz darzustellen. Konkret ist der Aufwand um EUR 15.000 zu reduzieren. Die Begründung lautet beispielsweise: „Steuerliches Wahlrecht des § 6 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 EStG nicht ausgeübt“.
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2.1. Formlose Erstellung der notwendigen Zusatzrechnung
Für die formlose Erstellung der Überleitungsrechnung bietet sich beispielsweise die fortlaufende Pflege einer Excel-Tabelle an. Abweichungen zwischen Handels- und Steuerrecht können hier bereits während des Kalenderjahres erfasst und ausgewertet werden. Am Jahresende respektive im Folgejahr reicht der Steuerpflichtige dann die Handelsbilanz zusammen mit der gegebenenfalls komprimierten Tabelle beim Finanzamt ein.
Der Nachteil dieser Methode besteht vor allem in der Unübersichtlichkeit bei größeren Unternehmen. Je mehr Abweichungen zwischen Handels- und Steuerrecht entstehen und je mehr Wirtschaftsgüter respektive Bilanzposten betroffen sind, desto komplexer und „undurchschaubarer“ wird auch die formlose Zusammenstellung. Mitunter wird auch das Finanzamt die Art der Darstellung in diesen Fällen monieren, weil es schlicht an der Nachvollziehbarkeit fehlt.
2.2. Erstellung der Überleitungsrechnung als eigenständige Steuerbilanz
Wenngleich das Steuerrecht keine bestimmte Form der Überleitungsrechnung vorgibt, so findet sich in § 60 Absatz 2 Satz 2 EStDV dennoch der Begriff „Steuerbilanz“. Der Steuerpflichtige kann die Abweichungen also auch dergestalt darstellen, dass er
- zunächst eine Handelsbilanz erstellt,
- Abweichungen zwischen HGB und EStG fortlaufend erfasst (etwa in DATEV) und
- zum Ende des Wirtschaftsjahres alle Bilanzposten einmal in handels- und einmal in steuerrechtlicher Hinsicht abbildet.
Das Ergebnis ist eine neben der Handelsbilanz bestehende Steuerbilanz. Legt man beide aufeinander, werden die Abweichungen ebenfalls unmittelbar deutlich. Der Nachteil besteht hier in den Mehrkosten aufgrund der Erstellung zweier Bilanzen, gleichzeitig entsteht aber ein erheblicher Vorteil mit Blick auf die verbesserte Übersichtlichkeit.
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3. Besonderheit: nicht abziehbare Betriebsausgaben nach EStG oder KStG
Von der Überleitungsrechnung nach den §§ 5b EStG und 60 EStDV zu unterscheiden ist die Einordnung von Betriebsausgaben in „abziehbar“ und „nicht abziehbar“. Derartige Posten der GuV sind beispielsweise:
- Betriebliche Umsatzsteuer, soweit sie auf Entnahmen entfällt (§ 12 Nummer 3 EStG)
- Kosten für Geschenke und Bewirtung, soweit in § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 und 2 EStG geregelt
- Aufwendungen, die im Vergleich zu anderen Steuerpflichtigen ähnlicher Verhältnisse unangemessen hoch sind (§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 7 EStG)
- Körperschaft- und Gewerbesteuer (§ 10 Nummer 2 KStG, § 4 Absatz 5b EStG)
Auch hier besteht also eine Diskrepanz zwischen Handels- und Steuerrecht. Denn handelsrechtlich sind insbesondere Körperschaft- und Gewerbesteuer klassische Betriebsausgaben, die bei Ermittlung des Jahresüberschusses auch entsprechend zu berücksichtigen sind.
Über § 5 Absatz 1 Satz 1 EStG gilt dieses handelsrechtliche Ergebnis – in dem auch nicht abziehbare Betriebsausgaben enthalten sind – für die steuerliche Beurteilung entsprechend. Gleichzeitig sind die Abzugsverbote im Steuerrecht aber zwingend zu berücksichtigen. Dies geschieht durch sogenannte Korrekturen „außerhalb der Gewinnermittlung“, keinesfalls aber durch eine Überleitungsrechnung. Denn diese betrifft ausschließlich Bilanzposten, also Aktiva und Passiva.
Beispiel: Die U-GmbH hat im Jahr 2022 verdeckte Gewinnausschüttungen (Übernahme privater Kosten) an ihren Alleingesellschafter U geleistet. Diese dürfen den Gewinn der GmbH nicht mindern (§ 8 Absatz 3 Satz 2 KStG). Innerhalb der handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlung sind die getätigten Aufwendungen zwar klassische Betriebsausgaben, durch eine Hinzurechnung der vGA außerhalb der Bilanz wird aber dennoch das steuerlich korrekte Ergebnis hergestellt.
Gewinn ohne Betriebsausgabenabzug der vGA | EUR 100.000 |
Für Gesellschafter übernommene private Kosten, Betriebsausgaben | – EUR 10.000 |
Vorläufiger Gewinn, handels- und steuerrechtlich | EUR 90.000 |
Aber: Hinzurechnung der vGA „außerhalb der Bilanz“ | + EUR 10.000 |
Zu versteuerndes Einkommen der GmbH | EUR 100.000 |
Handelsrechtlicher Jahresüberschuss der GmbH | EUR 90.000 |
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