Die Verlustverrechnung nach § 10d EStG

Welche Verluste sind vortragsfähig?

Die Verlustverrechnung nach § 10d EStG – Vor- und Rücktrag

„Wer einen Fehler macht und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten“ – das wusste bereits Konfuzius. Wenngleich der Begriff „Fehler“ im Steuerrecht sicher etwas unpassend ist, können zwischenzeitliche Verluste durchaus Bestandteil einer erfolgreichen beruflichen oder unternehmerischen Laufbahn sein. Mit den Möglichkeiten der Verlustverrechnung durch § 10d EStG stellt der Gesetzgeber sicher, dass auch negative Einkünfte ihre Berücksichtigung bei der Steuerberechnung finden. Der hier mitschwingende Tenor ist – neben verfassungsrechtlichen Grundsätzen – durchaus auch, auf den ersten Blick etwas „wackelige“ Geschäftsideen einfacher und mit weniger Bedenken in die Tat umsetzen zu können.

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Inhaltsverzeichnis


1.Grundsätze der Verlustverrechnung im Ertragsteuerrecht

Gerade ambitionierte Unternehmerinnen und Unternehmer tüfteln gerne an mehreren Geschäftsideen. Bereits aus rein logischer Sicht ist eine Aussage zum eintretenden Erfolg frühestens in der Anlaufphase und nach getätigten Investitionen möglich. Scheitert ein unternehmerisches Vorhaben, zieht es schnell entsprechende Verluste nach sich – und diese möchte der Gesetzgeber über § 10d EStG ebenfalls zum Abzug zulassen.

Die Möglichkeiten der Verlustverrechnung gründen daher – neben der angesprochenen „Motivationskultur“ – auch auf verfassungsrechtlichen Normen. Möchte der Gesetzgeber Steuern auf Gewinne erheben, muss er Steuerpflichtigen auch ermöglichen, entstandene Verluste gegenzurechnen. Ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) ist dabei, dass unter dem Begriff „Einkünfte“ stets positive wie negative Einkünfte gleichermaßen zu verstehen sind.

Kern der Verlustverrechnung ist § 10d EStG, der über § 8 Absatz 1 KStG auch für Körperschaften (beispielsweise GmbH und UG) gilt. Zu unterscheiden ist dabei zwischen

  • der sofortigen Verrechnung positiver mit negativen Einkünften im Entstehungsjahr,
  • dem Verlustrücktrag und
  • dem Verlustvortrag.

Erzielt ein Steuerpflichtiger im selben Besteuerungsjahr gleichzeitig positive und negative Einkünfte, so werden diese unmittelbar miteinander verrechnet (§ 2 Absatz 3 EStG). Ein Vor- oder Rücktrag ist dann nur erforderlich, wenn die Verluste höher als die positiven Einkünfte ausfallen.

Beispiel: Vermieterin Veronika Müller hat im Jahr 2023 ein zweites Vermietungsobjekt angeschafft. Zusammen mit ihrer ersten Mietwohnung erzielt sie negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Sie belaufen sich, begründet insbesondere durch die Abschreibungen, auf EUR 20.000. Gleichzeitig ist Frau Müller angestellt. Ihre Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit belaufen sich auf EUR 100.000.

Zu versteuern wären in diesem Beispiel (Sonderausgaben und andere Abzüge ausgenommen) EUR 80.000. Denn die positiven Einkünfte sind ausreichend, um die Verluste unmittelbar mit ihnen zu verrechnen. Das Finanzamt übernimmt diesen Schritt automatisch.

2. Verlustverrechnung durch Rück- und Vortragsmöglichkeiten

Übersteigen die negativen die positiven Einkünfte innerhalb eines Veranlagungsjahres, kommt § 10d EStG zur Anwendung. Der Gesetzgeber stellt hier auf den Gesamtbetrag der Einkünfte im Sinne des § 2 Absatz 3 EStG ab. Nur wenn dieser insgesamt negativ ist, kann eine Verlustverrechnung überhaupt erfolgen.

Der Gesamtbetrag der Einkünfte ist dabei wie folgt zu ermitteln:

  1. Zunächst werden die Einkünfte aller sieben Einkunftsarten (§ 2 Absatz 1 EStG) zusammengerechnet. Positive erhöhen, negative Einkünfte verringern den Gesamtbetrag. Jede Einkunftsart wird dabei isoliert betrachtet, da mitunter eigenständige Berechnungsvorschriften (Gewinn- oder Überschusseinkunft) greifen.
  2. Von der so berechneten Summe der Einkünfte sind Altersentlastungsbeträge (§ 24a EStG), der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) und gegebenenfalls Beträge nach § 13 Absatz 3 EStG abzuziehen.
  3. Das Ergebnis ist der Gesamtbetrag der Einkünfte, kurz GdE.

Pauschalen wie der Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach § 9a EStG können das Einkommen des Steuerpflichtigen üblicherweise maximal auf EUR 0,00 reduzieren. Für die Beträge nach den §§ 24a, 24b und 13 Absatz 3 EStG gelten hier die einzigen Ausnahmen. Diese sind auch dann in voller Höhe abziehbar, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte durch den Abzug negativ wird.

Die weitere Verlustverrechnung übernimmt das Finanzamt von Amts wegen. Es stellt rück- und vortragsfähige Beträge gesondert fest (§ 10d Absatz 4 EStG).

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2.1. Der Verlustrücktrag

Im Rahmen der Verlustverrechnung gibt das Einkommensteuergesetz eine bestimmte Reihenfolge vor. Sofern in einem Veranlagungszeitraum ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte festgestellt wird, ist zunächst ein Verlustrücktrag zu prüfen. Dieser lässt sich am besten anhand eines Beispiels erklären. Dabei gehen wir von einem Steuerpflichtigen aus, dessen Gesamtbetrag der Einkünfte sich über drei Jahre wie folgt entwickelt hat:

  • 2020: EUR 160.000
  • 2021: EUR 70.000
  • 2022: EUR -90.000

Im Rahmen der Veranlagung für das Kalenderjahr 2022 prüft das Finanzamt, inwieweit der negative GdE nach 2021 zurückgetragen werden kann. Dies ist hier in Höhe von EUR 70.000 der Fall, da ein Verlustabzug maximal zu einem GdE von EUR 0,00 führen darf.

Nach Ausgleich des Jahres 2021 verbleibt ein Verlust in Höhe von EUR 20.000. Dieser wird nun nach 2020 zurückgetragen und ist damit vollständig verwertet.

Der Steuerpflichtige erhält durch diese Verlustverrechnung nach § 10d Absatz 4 Satz 2 EStG geänderte Bescheide. Diese haben im Hinblick auf den Gesamtbetrag der Einkünfte jeweils folgenden Inhalt:

  • 2020: EUR 140.000 (verbleibender Verlust aus 2022 berücksichtigt)
  • 2021: EUR 0,00 (vom Verlust aus 2022 konnten EUR 70.000 erfasst werden)
  • 2022: EUR 0,00 (Verlust vollständig rückgetragen)

Nach § 10d Absatz 1 Satz 1 und 2 EStG ist der Verlustrücktrag maximal in das vorletzte Kalenderjahr möglich. Soweit dieser ausscheidet, erfolgt eine gesonderte Feststellung. Diese ist dann für den Verlustvortrag nach § 10d Absatz 2 EStG maßgeblich.

2.2. Der Verlustvortrag

Soweit ein Verlustrücktrag nicht (mehr) in Betracht kommt, etwa weil in den Vorjahren keine ausreichend hohen, positiven Einkünfte vorhanden sind, stellt das Finanzamt einen vortragsfähigen Verlust fest. Die Berücksichtigung der negativen Einkünfte erfolgt dann erst in der Zukunft. Bis zu ihrem vollständigen Verbrauch „schiebt“ sie der Steuerpflichtige vor sich her.

Schauen wir uns auch zu dieser Variante der Verlustverrechnung wieder ein Beispiel mit folgendem Gesamtbetrag der Einkünfte in den jeweiligen Jahren an:

  • 2020: EUR 10.000
  • 2021: EUR 40.000
  • 2022: EUR -80.000

Der Verlust aus 2022 kann in Höhe von EUR 50.000 in die beiden Vorjahre zurückgetragen werden (§ 10d Absatz 1 EStG). Übrig bleiben EUR 30.000, für die keine Rücktragsmöglichkeit mehr besteht. Hier darf daher nur ein Verlustvortrag nach § 10d Absatz 2 EStG erfolgen. Der Steuerpflichtige erhält

  • geänderte Steuerbescheide für die Jahre 2020 und 2021, in denen der Gesamtbetrag de Einkünfte jeweils bei EUR 0,00 liegt,
  • einen Steuerbescheid für 2022, in dem ein Gesamtbetrag der Einkünfte von EUR – 30.000 festgestellt wird, und
  • einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags in Höhe von EUR 30.000.

Sobald der Steuerpflichtige nun in der Zukunft, also ab dem Jahr 2023, positive Einkünfte erzielt, erfolgt die Berücksichtigung der Vorjahresverluste.

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2.3. Betragsmäßige Höchstgrenzen für die Verlustverrechnung nach § 10d EStG

Eine Verlustverrechnung ist nach § 10d EStG nur in einem bestimmten Umfang möglich. Es gelten folgende Höchstbeträge:

  • Verlustrücktrag: Maximal EUR 10.000.000 der negativen Einkünfte sind rücktragsfähig. Für Ehegatten verdoppelt sich der Betrag, sie können einen Verlustrücktrag also bis EUR 20.000.000 beanspruchen
  • Verlustvortrag: Er darf die Einkünfte zukünftiger Veranlagungszeiträume maximal in Höhe von EUR 1.000.000 mindern. Soweit der Gesamtbetrag der Einkünfte diese Schwelle überschreitet, dürfen vorgetragene Verluste den überschreitenden Betrag maximal im Umfang von 60 % mindern. Auch hier profitieren Ehegatten und Lebenspartner von den doppelten Abzugsbeträgen

Die betragsmäßige Einschränkung von Verlustvorträgen bewirkt die sogenannte Mindestbesteuerung. Der Anteil des Gesamtbetrages der Einkünfte, der die Schwelle von EUR 1.000.000 (EUR 2.000.000 bei Ehegatten) übersteigt, kann mindestens im Umfang von 40 % besteuert werden.

Kann ein Verlust aus Vorjahren durch die Abzugsbeschränkung des § 10d Absatz 2 Satz 1 EStG nicht vollständig verrechnet werden, so erfolgt ein weiterer Vortrag in die Folgejahre. Die Verlustverrechnung findet so weiter verzögert statt, unterbleibt aber keinesfalls gänzlich.

3. Sonderfall: Verlustverrechnung bei Kapitalerträgen und Termingeschäften

Nach § 20 Absatz 6 EStG gelten für Einkünfte aus Kapitalvermögen zusätzliche Abzugsbeschränkungen. Sie unterfallen mit Ausnahme bestimmter Sonderfälle (etwa Zuordnung zum Betriebsvermögen) nicht dem Anwendungsbereich des § 10d EStG, sondern einem eigenständigen Verrechnungskreis. Verluste aus Kapitalvermögen dürfen daher nur mit Gewinnen, die Steuerpflichtige in folgenden Veranlagungsjahren ebenfalls aus Kapitalvermögen erzielen, verrechnet werden.

Für Termingeschäfte gelten bei der Verlustverrechnung besonders einschränkende Vorgaben, die mitunter sogar verfassungswidrig sind. Denn Verluste aus dem Ausfall einer entsprechenden (Kapital-) Forderung sind nur bis zur Höhe von EUR 20.000 berücksichtigungsfähig. Im Übrigen verfallen sie ersatzlos (§ 20 Absatz 6 Satz 6 EStG).

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