Abzug der Vorsteuer nach § 15 UStG

Welche Steuerbeträge kann der Unternehmer abziehen?

Vorsteuer: Unter welchen Voraussetzungen ist sie abziehbar?

Durch das Allphasen-Netto-Prinzip der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie soll die Umsatzsteuer (respektive Mehrwertsteuer) immer den letzten, privaten Kunden belasten. Der Endverbraucher zahlt die Steuer damit auf den gesamten Mehrwert, der innerhalb der Leistungskette geschaffen wurde. Alle beteiligten Unternehmer können die Umsatzsteuer hingegen als sogenannte Vorsteuer abziehen, wenn die Voraussetzungen des § 15 UStG erfüllt sind.

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Abzug der Vorsteuer nach § 15 UStG

In diesem Video erklären wir, unter welchen Voraussetzungen der Unternehmer Vorsteuer abziehen kann.

Inhaltsverzeichnis

1. Rechtliche Grundlagen der Vorsteuer und ihres Abzugs

Grundlagen und Abziehbarkeit der Vorsteuer sind in § 15 UStG geregelt. Mit § 15a UStG gilt außerdem eine Zusatzvorschrift für die Korrektur des Vorsteuerabzugs, wenn der Unternehmer diesen in zu großem oder zu kleinem Umfang vorgenommen hat. Steuerbeträge, die als Vorsteuer abziehbar sind, erhält der Unternehmer vom Finanzamt zurückerstattet. In der Regel erfolgt eine Verrechnung mit der laufenden, zu zahlenden Umsatzsteuer im Rahmen der Umsatzsteuer-Voranmeldung.

Im Grundsatz hat der Unternehmer das Recht, die ihm von anderen Unternehmen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer abzuziehen, wenn die Voraussetzungen des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 UStG vorliegen:

  • Bezug einer Lieferung oder sonstigen Leistung für Zwecke des eigenen Unternehmens
  • Die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer wird vom leistenden Unternehmer gesetzlich, also nach dem deutschen UStG, geschuldet
  • Dem Unternehmer liegt eine ordnungsgemäße Rechnung im Sinne der §§ 14 und 14a UStG vor

Eine Lieferung gilt als für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen, wenn der gelieferte Gegenstand zu weniger als 10 % für unternehmerische Zwecke genutzt wird (§ 15 Absatz 1 Satz 2 UStG). Liegt dieser Fall vor, ist der Abzug der Vorsteuer in vollem Umfang ausgeschlossen – insbesondere auch dann, wenn der Gegenstand beispielsweise nachweisbar zu 9,5 % unternehmerisch verwendet wird. 

Leistet der Unternehmer eine Anzahlung, über die er eine ordnungsgemäße Rechnung erhält, kann er den Vorsteuerabzug bereits hier geltend machen (§ 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Satz 3 UStG). Er ist allerdings auf den in Rechnung gestellten Betrag beschränkt.

Beispiel: Unternehmer U lässt sein Geschäftsgebäude sanieren. Er erhält drei Rechnungen über insgesamt EUR 300.000, eine am 01.05., eine am 10.06. und die Abschlussrechnung am 31.08.2023. Die Rechnungen lauten jeweils auf EUR 119.000 (inklusive Umsatzsteuer von 19 % nach § 12 Absatz 1 UStG). U kann im Mai, Juni und August jeweils EUR 19.000 als Vorsteuer abziehen.

1.1. Ausführung einer Lieferung oder sonstigen Leistung

Für den Begriff der Lieferungen und sonstigen Leistungen gelten die allgemeinen Definitionen des § 3 Absatz 1 und 9 UStG. Maßgeblich ist, dass diese von einem anderen Unternehmer erbracht und „unserem“ Unternehmer in Rechnung gestellt werden (B2B-Umsatz). Der leistende Unternehmer stellt eine ordnungsgemäße Rechnung aus, in denen er insbesondere auf das Entgelt nach § 10 UStG und den Steuersatz nach § 12 UStG eingeht.

Auch wenn die Steuer mitunter bereits bei Ausführung der Leistung entsteht (§ 13 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Satz 1 UStG), ist der Vorsteuerabzug erst dann möglich, wenn dem Unternehmer eine entsprechende Rechnung vorliegt. Abrechnungen, die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung erfolgen, gelten unabhängig von ihrer Bezeichnung als Anzahlungsrechnung.

Beispiel: Händler H liefert an Steuerberater S insgesamt zehn neue Computersysteme für EUR 50.000 netto. Er erstellt eine Rechnung über insgesamt EUR 59.950 inklusive Umsatzsteuer. S hat im Zeitpunkt des Erhalts das Recht, die Vorsteuer in Höhe von EUR 9.950 abzuziehen. Ergibt die Voranmeldung für den entsprechenden Monat bislang eine Zahllast von – beispielsweise – EUR 100.000, reduziert sich diese nun um den als Vorsteuer abziehbaren Betrag. S muss nur noch EUR 90.050 an das Finanzamt zahlen.

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1.2. Bezug der Leistung für Zwecke des Unternehmens

Die jeweilige Leistung muss vom anderen Unternehmer (Leistender) für Zwecke des Unternehmens des Empfängers ausgeführt worden sein. Entsprechend der Regelungen des § 15 UStG ist daher eine vollständige oder teilweise Zuordnung zum Unternehmensvermögen respektive unternehmerischen Bereich erforderlich. Das umsatzsteuerliche Unternehmensvermögen entspricht nicht zwingend dem ertragsteuerlichen Betriebsvermögen (R 4.2 Absatz 1 und 2 EStR).

Bei der Prüfung, ob eine Lieferung oder sonstige Leistung dem Unternehme zuordenbar ist, ist zu unterscheiden zwischen vertretbaren Sachen, sonstigen Leistungen und einheitlichen Gegenständen (Abschnitt 15.2c Absatz 2 Satz 1 fort folgende UStAE):

  • Vertretbare Sachen: Unter sie fallen Gegenstände, die ihrer Art nach aufteilbar sind. Hierunter fallen beispielsweise Flüssigkeiten, Rohstoffe und Büroutensilien wie Kugelschreiber
  • Sonstige Leistungen: Hier findet die allgemeine Definition des § 3 Absatz 9 UStG Anwendung. Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen im Sinne des § 3 Absatz 1 UStG sind
  • Einheitliche Gegenstände: Bei ihnen handelt es sich um Sachen, die ihrer Natur nach keine tatsächliche Aufteilung ermöglichen.  Dies ist unter anderem bei Fahrzeugen, Computern und Smartphones der Fall

Vertretbare und einheitliche Gegenstände unterscheiden sich dadurch, dass bei letzteren sogenannte Hilfsmaßstäbe zur Ermittlung der unternehmerischen und privaten Nutzung herangezogen werden müssen (beim Fahrzeug etwa 70 % betriebliche und 30 % private Nutzung, ermittelt anhand der erfahrenen Kilometer). Kauft der Unternehmer hingegen 100 Kugelschreiber und nimmt er davon zehn Stück mit nach Hause, steht die Aufteilung fest.

Auf Grundlage der genannten Unterscheidung ist für Zwecke der Vorsteuer nun zwischen Aufteilungsgebot, Zuordnungsgebot, Zuordnungsverbot und Zuordnungswahlrecht zu unterscheiden.

1.2.1. Aufteilungsgebot bei der Vorsteuer

Das sogenannte Aufteilungsgebot wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) bereits mit zahlreichen Urteilen etabliert und gefestigt; es entspricht seiner ständigen Rechtsprechung und bezieht sich ausschließlich auf die Lieferung vertretbarer Sachen und den Erhalt sonstiger Leistungen durch den vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer.

Die in Rechnung gestellte Steuer ist nach den Grundsätzen des Aufteilungsgebots nur als Vorsteuer abziehbar, soweit sie auf den unternehmerischen Teil entfällt. Auszugehen ist vom üblichen Aufteilungsmaßstab, etwa der Angabe in Litern, Stunden und Tagen.

1.2.2. Zuordnungsgebot und Zuordnungsverbot

Zuordnungsgebot und Zuordnungsverbot betreffen einheitliche Gegenstände wie Gebäude und Fahrzeuge. Nach Abschnitt 15.2c Absatz 1 Satz 1 und 2 UStAE greift

  • das Zuordnungsgebot, wenn eine Leistung ausschließlich für den unternehmerischen Bereich bezogen wird, und
  • das Zuordnungsverbot, wenn eine Leistung ausschließlich für den nichtunternehmerischen (privaten) Bereich des Unternehmers bezogen wird.

In diesen Fällen hat der Unternehmer kein Wahlrecht, wie er mit der bezogenen Leistung verfahren möchte. Er ist vielmehr verpflichtet, sie „ganz oder gar nicht“ dem Unternehmen zuzuordnen. Der Abzug von Vorsteuer ist nur bei einem Zuordnungsgebot, dann allerdings in voller Höhe, möglich. Greift das Zuordnungsverbot, ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

1.2.3. Ausübung des Zuordnungswahlrechts

Einheitliche Gegenstände, die der Unternehmer sowohl für den unternehmerischen als auch für seinen privaten Lebensbereich zu verwenden beabsichtigt, kann er

  • entweder vollständig dem Unternehmensvermögen oder
  • vollständig dem Privatvermögen

zuordnen (Zuordnungswahlrecht; Abschnitt 15.2c Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b UStAE).

Übt der Unternehmer das Zuordnungswahlrecht zugunsten des Vorsteuerabzugs aus, sind die entsprechenden steuerlichen Folgen über unentgeltliche Wertabgaben nach § 3 Absatz 1b oder 9a UStG herzustellen. Im ersten Schritt kann die Vorsteuer in vollem Umfang abgezogen werden. Im zweiten Schritt versteuert der Unternehmer eine entsprechende Privatnutzung, beispielsweise nach den Selbstkosten des teilunternehmerisch genutzten Fahrzeugs.

Die Zuordnung zum Unternehmensvermögen ist eine Prognoseentscheidung des Unternehmers. Maßgeblich ist die beabsichtigte Verwendung des einheitlichen Gegenstandes im Zeitpunkt des Leistungsbezuges (Abschnitt 15.2c Absatz 12 Satz 1 UStAE). Macht der Unternehmer den Vorsteuerabzug geltend, gilt dies für das Finanzamt als gewichtiges Indiz für eine Zuordnung zum unternehmerischen Bereich.

Ändern sich die für den ursprünglichen Abzug der Vorsteuer maßgeblichen Verhältnisse (Beispiel: Ein Gebäude wird nicht mehr zu 50 %, sondern nun zu 70 % privat genutzt), ist eine Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG erforderlich. Diesem Themenbereich widmen wir aufgrund seines Umfangs einen eigenständigen Beitrag.

1.3. Vorsteuer aus ordnungsgemäßen Rechnungen im Sinne der §§ 14 und 14a UStG

Voraussetzung für den Abzug der Vorsteuer ist eine den Grundsätzen des § 14 Absatz 4 UStG ausgestellte Rechnung. Sie muss insbesondere Art und Menge der gelieferten Gegenstände, Bemessungsgrundlage und Steuer enthalten. Außerdem hat der leistende Unternehmer seine Anschrift und die jeweils geltende Steuernummer zu vermerken.

Bücher und Aufzeichnungen sind für mindestens zehn Jahre aufzubewahren (§ 147 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 3 Satz 1 AO). Dies gilt insbesondere auch für Rechnungen mit steuerlicher Relevanz.

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2. Ausschluss vom Abzug der Vorsteuer – § 15 Absatz 1a bis 2 UStG

Auch wenn die grundlegenden Voraussetzungen für den Abzug der Vorsteuer nach § 15 Absatz 1 UStG vorliegen, kann einer der Ausschlusstatbestände der folgenden Absätze greifen. Relevant sind dabei vor allem die folgenden Normen:

  • Vorsteuerbeträge, die auf nicht abziehbare Betriebsausgaben (§ 4 Absatz 5 EStG) entfallen, sind auch umsatzsteuerlich nicht abziehbar. Einzige Ausnahme sind Bewirtungsaufwendungen, bei denen keine Beschränkung auf 70 % der Gesamtkosten greift (§ 15 Absatz 1a UStG)
  • Bei Grundstücken ist die Vorsteuer nur insoweit abziehbar, als dieses unternehmerisch genutzt wird. Für den privat genutzten Anteil gilt ein vollständiges Abzugsverbot, wobei als Aufteilungsmaßstab regelmäßig die Quadratmeterzahl gilt (§ 15 Absatz 1b Satz 1 UStG)
  • Unternehmer, die nach § 4 UStG steuerfreie Leistungen ausführen, können für diese Leistungen keinen Vorsteuerabzug beanspruchen (§ 15 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 UStG). Optiert der Unternehmer nach § 9 UStG zur Umsatzsteuerpflicht, kann er auch (gegebenenfalls anteilig) die Vorsteuer geltend machen

Für bestimmte steuerfreie Umsätze gilt dabei die Rückausnahme des § 15 Absatz 3 UStG. Die Vorsteuer auf Eingangsleistungen ist also abziehbar, wenn der Unternehmer einen der folgenden steuerfreien Umsätze ausführt (§ 15 Absatz 3 Nummer 1 UStG):

  • § 4 Nummer 1 bis 7 und § 25 Absatz 2 UStG
  • § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g und Nummer 10 UStG

Welche Umsätze unter die genannten Normen fallen, haben wir in unserem Beitrag zur Umsatzsteuerpflicht und zu geltenden Befreiungsvorschriften detailliert behandelt.

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